19.
Veranstaltung von Vergnügungen
19.1
Begriffsbestimmungen
19.1.1
1Vergnügung im Sinn von Art. 19 ist eine Veranstaltung, die dazu bestimmt und geeignet ist, die Besucher zu unterhalten, zu belustigen, zu zerstreuen oder zu entspannen. 2Keine Vergnügungen sind Veranstaltungen, die vorwiegend der künstlerischen oder kulturellen Erbauung, der Unterweisung, Belehrung oder religiösen Zwecken dienen. 3Das ist nicht der Fall, wenn lediglich der Erlös der Veranstaltung für diese Zwecke verwendet wird. 4Sportveranstaltungen sind dann Vergnügungen, wenn es dem Veranstalter wesentlich auf die Zuschauer ankommt (zum Beispiel Profifußballspiele). 5Das gilt insbesondere, wenn er die Veranstaltung öffentlich ankündigt, Zuschauer einlädt, Entgelt verlangt oder Einrichtungen für die Zuschauer bereitstellt. 6Keine Vergnügung im Sinn von Art. 19 ist das nicht organisierte Faschingstreiben auf den Straßen (vergleiche dazu aber Art. 23).
19.1.2
1Eine Vergnügung veranstaltet, wer sie organisiert, leitet oder in sonstiger Weise wesentliche Voraussetzungen für sie schafft. 2Als Mitveranstalter ist anzusehen, wer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung der Veranstaltung ausübt, wenn seine Mitwirkung selbstständig und gleichwertig neben die Tätigkeit dessen tritt, der wegen seiner wirtschaftlichen Beteiligung in erster Linie als Veranstalter erscheint. 3Es reicht aus, wenn von mehreren Veranstaltern einer Vergnügung nur einem die Erlaubnis erteilt wird.
19.1.3
Öffentlich ist eine Vergnügung, wenn die Teilnahme nicht auf einen bestimmten, durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbundenen, abgegrenzten Personenkreis beschränkt ist.
19.1.4
1Belästigungen im Sinn von Art. 19 Abs. 4 sind das normale Maß übersteigende Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, ohne dass eine konkrete Gefahr für die Gesundheit vorliegen muss. 2Dabei sind für die Beurteilung ortsübliche Maßstäbe ausschlaggebend.
19.1.5
1Nachbarschaft sind alle Personen, die infolge eines nahen räumlichen Zusammenhangs mit dem Ort der Vergnügung auf gewisse Dauer von den schädlichen Einwirkungen der Veranstaltung betroffen sind. 2Für die Abgrenzung der Nachbarschaft von der Allgemeinheit ist der Nachbarbegriff des Immissionsschutzrechts heranzuziehen.
19.1.6
1Erhebliche Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft können insbesondere eintreten, wenn die Veranstaltung auf oder in der Nähe von geschützten oder ökologisch wertvollen Flächen durchgeführt wird oder wenn sie während der Brut- oder Aufzuchtszeit von Vögeln (15. März bis 15. Juli) in Gebieten mit bedeutenden Brutstätten (zum Beispiel Feuchtwiesen, Feldgehölzen) stattfinden soll. 2Dabei sind auch die von den Zuschauern zu erwartenden Störungen mit zu berücksichtigen.
19.2
Anzeige- beziehungsweise Erlaubnisverfahren
19.2.1
1Aufgrund der Anzeige gemäß Art. 19 Abs. 1 hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob die Durchführung der beabsichtigten Vergnügung Gefahren für die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 genannten Rechtsgüter erwarten lässt. 2Maßgebend ist hierfür der Erkenntnisstand, der sich vor der Veranstaltung gewinnen lässt. 3Hierzu kann die Anhörung von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten oder sonstigen Fachdienststellen erforderlich sein. 4Sind Gefahren nicht zu erwarten und brauchen keine Anordnungen für den Einzelfall getroffen zu werden (Art. 19 Abs. 5), so duldet die Behörde den Ablauf der angezeigten Vergnügung ohne förmliche Entscheidung. 5Die Anzeige kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. 6Eine Anzeige per E-Mail ist zulässig. 7Auf die Möglichkeiten des elektronischen Schriftformersatzes nach Art. 3a BayVwVfG kommt es nicht an.
19.2.2
1In der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 soll darauf hingewiesen werden, dass sie unter den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 zurückgenommen oder widerrufen werden kann. 2Auch nach Erteilung der Erlaubnis sind noch Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 zulässig; unter den dort genannten Voraussetzungen ist auch eine Untersagung möglich.
19.2.3
Das Versagen der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 ist nicht zulässig, wenn Auflagen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) als milderes Mittel zur Gefahrenverhütung ausreichen.
19.2.4
Von der Erteilung, der Rücknahme, dem Widerruf oder der Versagung einer Erlaubnis (einschließlich der verfügten Auflagen) sowie von sonstigen Maßnahmen der zuständigen Behörde nach Art. 19 sind, soweit erforderlich, die örtliche Polizeidienststelle, die Feuerwehr, die Rettungsdienste und gegebenenfalls sonstige Fachdienststellen unverzüglich zu unterrichten.
19.2.5
Überlässt der Inhaber einer Erlaubnis nach § 33a GewO seine Räume dem Veranstalter einer nicht unter Nr. 19.2.8 fallenden öffentlichen Darbietung, so gilt für diesen Veranstalter Art. 19.
19.2.6
Für öffentliche Vergnügungen, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen veranstaltet werden, gelten die Vorschriften über die Sperrzeit (vergleiche § 18 GastG, §§ 7 und 8 der Bayerischen Gaststättenverordnung).
19.2.7
1Ist für Teile einer Vergnügung eine Erlaubnispflicht oder eine Anordnungsbefugnis nach anderen Rechtsvorschriften gegeben (zum Beispiel gaststättenrechtliche Erlaubnisse im Rahmen eines Volksfestes), so beschränken sich Anordnungen oder Erlaubnisse nach Art. 19 auf den Bereich, der nicht sondergesetzlich geregelt ist. 2Umfasst eine Vergnügung über das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände hinaus noch weitere vom Veranstalter organisierte Darbietungen, Hilfsmittel oder sonstige Beiträge, die dem Zweck der Vergnügung dienen (zum Beispiel Bereitstellung von Sitzgelegenheiten, Absperrung zum Zweck der Erhebung eines Eintrittsgeldes), so ist eine Anzeige oder Erlaubnis erforderlich; Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 und Auflagen in der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 können sich jedoch nicht auf den durch das Sprengstoffrecht erfassten Bereich erstrecken.
19.2.8
1Für folgende Veranstaltungen schließen spezialgesetzliche Regelungen eine Anzeige- oder Erlaubnispflicht nach Art. 19 aus:
- –
Vergnügungen, die durch Verordnung der Gemeinde nach Art. 19 Abs. 6 Nr. 1 von dieser Pflicht befreit sind,
- –
Vergnügungen, für die eine Gestattung nach § 12 GastG erforderlich ist; die Auflagen richten sich nach § 12 Abs. 3 GastG,
- –
Vergnügungen, für deren Veranstaltung eine Erlaubnis nach den §§ 33a ff. GewO notwendig ist oder nach § 5a der Spielverordnung eine Erlaubnis nicht erforderlich ist (vergleiche aber Nr. 19.2.5),
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bei einem nach § 60b Abs. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 GewO festgesetzten Volksfest,
- –
Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen im Sinn von § 3 des Glücksspielstaatsvertrags 2021,
- –
Betrieb einer Spielbank im Sinn des Spielbankgesetzes,
- –
Luftfahrtveranstaltungen (vergleiche § 24 des Luftverkehrsgesetzes),
- –
Rad- oder motorsportliche Veranstaltungen sowie sonstige Veranstaltungen im Sinn von Abschnitt A Nr. IV.1 und 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) (vergleiche hierzu Nr. 19.3.1.2), die ausschließlich auf öffentlichem Verkehrsgrund stattfinden (vergleiche § 29 StVO),
- –
Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes (SprengG), § 4 Abs. 2, §§ 23, 24 1. SprengV, vergleiche jedoch Nr. 19.2.7.
2Dem Anwendungsbereich des Art. 19 unterliegen ferner nicht solche Veranstaltungen, die gesetzlich verboten sind (zum Beispiel unerlaubte Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele gemäß § 284 StGB).
19.2.9
Ferner sind zu beachten
- –
Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (FTG)
,
- –
Bayerisches Immissionsschutzgesetz (BayImSchG)
, Bundesnaturschutzgesetz, Bayerisches Naturschutzgesetz.
19.3
Motorsportliche Veranstaltungen
19.3.1
1
Art. 19 gilt auch für motorsportliche Veranstaltungen, wenn sie zumindest teilweise oder auch ganz außerhalb einer verkehrsrechtlich öffentlichen Fläche stattfinden. 2Auch Radsportveranstaltungen sind in der Regel als Vergnügungen im Sinn von Nr. 19.1.1 anzusehen. 3Für die Erteilung der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 und für Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 sind bei motorsportlichen Veranstaltungen neben den kreisfreien Gemeinden und Landratsämtern auch die Großen Kreisstädte zuständig (vergleiche Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO, Art. 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GO, § 1 Abs. 1 Nr. 9 der Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte). 4Neben der Erlaubnis oder Anzeige nach Art. 19 können noch weitere Ausnahmegenehmigungen oder Erlaubnisse erforderlich sein, zum Beispiel nach der Straßenverkehrs-Ordnung, nach dem Feiertagsgesetz oder nach dem Bayerischen Immissionsschutzgesetz, nach dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bayerischen Naturschutzgesetz (vergleiche Nr. 19.2.9). 5In Fällen, in denen für die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen oder Erlaubnisse unterschiedliche Behörden oder Stellen zuständig sind, ist eine gegenseitige Beteiligung angezeigt. 6Werden motorsportliche Veranstaltungen teils auf öffentlichem Verkehrsgrund, teils außerhalb abgehalten, so hat sich die Kreisverwaltungsbehörde vorher mit der für die Erlaubnis zuständigen Straßenverkehrsbehörde (vergleiche Art. 4 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen) ins Benehmen zu setzen.
19.3.2
Die Erlaubnisbehörde hat durch entsprechende Maßnahmen, Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass die folgenden allgemeinen Grundsätze eingehalten werden:
19.3.2.1
1Auf das Erholungs- und Ruhebedürfnis der Bevölkerung ist besondere Rücksicht zu nehmen. 2Was die Errichtung und den Betrieb von Anlagen anbelangt, regelt das Bundes-Immissionsschutzgesetz den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wozu auch der Schutz vor Lärm gehört. 3Konkretisierungen sind zum Beispiel in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) enthalten. 4Für Sportanlagen enthält die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) Sonderregelungen. 5Die jeweils einzuhaltenden Immissionsrichtwerte variieren je nach Situation (Gebietstyp, Tag oder Nacht, et cetera). 6Findet die Veranstaltung innerhalb beziehungsweise auf einer genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinn von § 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG statt (zum Beispiel eine Renn- oder Teststrecke für Kraftfahrzeuge gemäß Nr. 10.17 des Anhangs 1 zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV), so ist der Lärmschutz gemäß § 5 Abs. 1 BImSchG sicherzustellen. 7Bei Veranstaltungen, die auf einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinn des Bundes-Immissionsschutzgesetzes stattfinden, ist ausreichender Lärmschutz gemäß § 22 BImSchG sicherzustellen. 8Können die gesetzlichen Vorgaben nicht gewährleistet werden, so ist die Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 zu versagen. 9Die ortsübliche Zeit des Hauptgottesdienstes nach Art. 2 Abs. 2, 4 Satz 1 FTG ist zu berücksichtigen. 10Ergänzend wird auf die sinngemäß geltenden Grundsätze in Abschnitt A Nr. V der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO hingewiesen.
19.3.2.2
1Der Veranstalter haftet nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für Schäden, die durch die Veranstaltung verursacht werden, insbesondere für Schäden, die Leitern, Ordnern, Teilnehmern oder Zuschauern als Personenschaden oder Sachschaden (auch an öffentlichen Gegenständen) erwachsen. 2Der Veranstalter haftet nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften weiter für Schäden, die durch die Veranstaltung oder aus Anlass ihrer Durchführung entstehen, insbesondere für Flurschäden. 3Er hat hierfür eine Veranstaltungs-Haftpflichtversicherung abzuschließen (vergleiche Abschnitt A Nr. V.9 der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO).
19.3.2.3
Für das Erlaubnisverfahren bei motorsportlichen Veranstaltungen ist ergänzend zu dem sinngemäß geltenden Abschnitt A Nr. VI der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO Folgendes zu beachten:
- –
Neben der Polizei sind, soweit erforderlich, Feuerwehr, Rettungsdienste, Naturschutzbehörden und gegebenenfalls weitere Behörden und öffentliche Stellen, deren Zuständigkeit berührt wird, zu hören.
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Forderungen der gehörten Stellen sind grundsätzlich im Erlaubnisbescheid durch entsprechende Bedingungen und Auflagen zu berücksichtigen. Den beteiligten Stellen ist ein Abdruck des Erlaubnisbescheids zu übersenden.
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Die an der Veranstaltung teilnehmenden Fahrzeuge sollen vor dem Start grundsätzlich von einem Sachverständigen überprüft werden.
- –
Bei Geschicklichkeitsprüfungen für Kraftfahrer, zum Beispiel nach der Aachener Turnierordnung, soll im Allgemeinen kein Nachweis einer Versicherung gefordert werden.
19.4
Im Übrigen trifft die Erlaubnisbehörde im Einzelfall die Anordnungen, die für einen sicheren Ablauf der Veranstaltung erforderlich sind.
19.5
1Je nach Art der Veranstaltung ist für ausreichenden Brandschutz und Sanitätsdienst zu sorgen. 2Eine größere Anzahl von Zuschauern oder Teilnehmern kann sanitäre Einrichtungen oder private Bewachungsdienste erforderlich machen.
19.6
Bei den Anzeige- und Genehmigungspflichten ist Art. 12 zu berücksichtigen, vergleiche hierzu Nr. 12.1 ff.