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VollzBekLStVG
Text gilt ab: 01.02.2025

6.   Aufgaben der Sicherheitsbehörden

6.1  

Der Zweite Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes regelt Zuständigkeit, Aufgaben und, soweit keine speziellen Befugnisse nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften bestehen, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden.

6.2  

Die Art. 6 bis 11 kommen zur Anwendung, wenn Aufgabe und Befugnis nicht durch besondere Rechtsvorschriften im Dritten Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes oder im besonderen Sicherheitsrecht (zum Beispiel die in Nr. 7.3 genannten Vorschriften) geregelt sind (Subsidiarität sicherheitsrechtlicher Generalklauseln; vergleiche BayVGH, Beschluss vom 25. Juli 2023, Az. 11 CE 23.652; NdsOVG, Urteil vom 16. Februar 2023, Az. 14 KN 30/22; SächsOVG, Beschluss vom 30. Dezember 2020, Az. 3 B 450/20).

6.3  

1Gemeinden im Sinn von Art. 6 sind die kreisangehörigen Gemeinden, die Großen Kreisstädte und die kreisfreien Gemeinden, die neben den örtlichen Aufgaben noch mit den Sicherheitsaufgaben der Landratsämter betraut sind (vergleiche Art. 9 Abs. 1 der Gemeindeordnung – GO). 2In der Regel werden die Gemeinden bei Erfüllung der Aufgaben nach Art. 6 im übertragenen Wirkungskreis tätig (Art. 8 GO). 3Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften sind Sicherheitsbehörden nach Art. 6 grundsätzlich nur in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung – VGemO); unberührt davon bleibt der verwaltungsmäßige Vollzug der Aufgaben der Mitgliedsgemeinden durch die Verwaltungsgemeinschaft (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VGemO). 4In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises sind die Mitgliedsgemeinden ausnahmsweise Sicherheitsbehörden in den Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 3 VGemO (vergleiche hierzu die Verordnung über die Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften); ansonsten nimmt die Verwaltungsgemeinschaft auch als Sicherheitsbehörde die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO wahr.

6.4  

1 Öffentliche Sicherheit im Sinn des Art. 6 umfasst die Unversehrtheit des Lebens, der Gesundheit, Ehre, Freiheit und des Vermögens, der Rechtsordnung und der Einrichtungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt einschließlich der ungehinderten Ausübung der Hoheitsgewalt (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985, Az. 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315, 372). 2Öffentliche Ordnung umfasst die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 24. März 2001, Az. 1 BvQ 13/01). 3Gefahr im Sinn des Art. 6 ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führt (konkrete Gefahr), aber auch eine Sachlage, aus der nach allgemeiner Lebenserfahrung konkrete Gefahren im Einzelfall entstehen können (abstrakte Gefahr). 4Im Gegensatz zum Polizeiaufgabengesetz (PAG) (vergleiche Art. 11a PAG) kennt das Landesstraf- und Verordnungsgesetz den Begriff der drohenden Gefahr nicht. 5Für eine Einführung wurde bisher kein Bedürfnis gesehen. 6Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat dies auch nicht gefordert. 7Fälle, bei denen sich der zum Schaden führende Kausalverlauf (mit Ort, Zeit und Modalität der gefahrenauslösenden Handlung) noch nicht umfassend vorhersehen lässt, sind weiterhin mithilfe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sogenannten „Je-desto-Formel“ zu lösen. 8Je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das betroffene Schutzgut ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und an seine zeitliche Nähe zu stellen. 9Gleiches gilt im umgekehrten Fall: je kleiner der drohende Schaden ist, desto höhere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. 10Inhaltlich entspricht Art. 6 für die Sicherheitsbehörden der Aufgabenzuweisungsnorm des Art. 2 Abs. 1 PAG für die Polizei.

6.5  

1 Art. 6 legt eine Mehrfachkompetenz der dort genannten Sicherheitsbehörden fest. 2Da die untere Verwaltungsbehörde in erster Linie für die auf ihren örtlichen Bereich beschränkten Aufgaben zuständig ist, wird die höhere Behörde nach eigenem Recht erst dann Maßnahmen ergreifen, wenn die untere nicht oder nicht ausreichend tätig wird (vergleiche den Rechtsgedanken der Art. 44 und 46 sowie BayVGH, Urteil vom 25. März 1974, Az. 2 IV 73). 3Gesetzliche Zuständigkeitsschranken, etwa für die Landratsämter oder Regierungen, bestehen aber insoweit nicht. 4Ferner unterstehen die staatlichen Behörden (Landratsämter, Regierungen) den Weisungen der jeweiligen vorgesetzten Behörden beziehungsweise des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration als oberster Sicherheitsbehörde.

6.6  

1Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung obliegt neben den Sicherheitsbehörden für spezielle Bereiche (zum Beispiel Berg-, Bau-, Gewerbe-, Wasser-, Luftaufsicht-, Waffen- und Sprengstoffwesen) auch anderen (Fach-)Behörden. 2Deren Zuständigkeit bleibt von Art. 6 unberührt. 3Hierzu gehören etwa die Katastrophenschutzbehörden oder die Polizei. 4Darüber hinaus können Gemeinden einen kommunalen Ordnungsdienst einrichten. 5Die Gemeinden entscheiden im Rahmen ihres verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsrechts über eine solche Maßnahme in eigener Organisations- und Finanzhoheit, da sie auch die Kosten tragen müssten.