Inhalt

Text gilt ab: 27.01.2003
Fassung: 28.08.1978
4
Zu Art. 4 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit)

4.1

Der Grundsatz des Übermaßverbotes hat Verfassungsrang. Art. 4 ist bei jeder Maßnahme heranzuziehen, auch dann, wenn eine Befugnisnorm unter Anführung verschiedener Kriterien zu einer Eingriffsmaßnahme ermächtigt; das gilt auch für die Anwendung unmittelbaren Zwangs.

4.2

Maßnahmen müssen geeignet und inhaltlich hinreichend bestimmt sein; dem Adressaten muss erkennbar sein, was ihm abverlangt wird. Dabei kann dem Adressaten die Wahl zwischen mehreren geeigneten Mitteln zur Abwehr der Gefahr überlassen bleiben. Die Polizei braucht, wenn mehrere Mittel in Betracht kommen, jedoch zunächst nur eines dieser Mittel zu bestimmen (vgl. Art. 5 Abs. 2).
Das dem Adressaten aufgegebene Tun oder Unterlassen muss tatsächlich möglich und rechtlich zulässig sein. Der Adressat darf nicht zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet werden, das ihm physisch oder psychisch nicht möglich ist. Wirtschaftliches Unvermögen begründet allein keine Unmöglichkeit in diesem Sinn; allerdings ist hierbei Art. 4 Abs. 2 zu beachten.

4.3

Die Maßnahme muss das mildeste Mittel sein. Eine Maßnahme, die nach vernünftiger Einschätzung der Sachlage durch den Polizeibeamten eine größere Beeinträchtigung mit sich bringt als eine andere, die ebenso geeignet ist, darf nicht getroffen werden.

4.4

Eine Maßnahme ist dann unverhältnismäßig, wenn sie nach vernünftiger Einschätzung der Sachlage einen größeren Schaden bewirken dürfte, als den, der entsteht, wenn die polizeiliche Maßnahme unterbleibt. Die Nachteile, die durch die Maßnahme abgewendet werden sollen, sind gegen die Nachteile abzuwägen, die durch die Maßnahme verursacht werden. Eine Maßnahme muss daher unterbleiben, wenn die durch sie voraussichtlich verursachten Nachteile erkennbar erheblich wertvollere Interessen oder Güter des Einzelnen oder der Allgemeinheit in erheblich größerem Umfang beeinträchtigen als der Nachteil, der abgewendet werden soll.

4.5

Das polizeiliche Handeln muss sich dem jeweiligen Stand der Situation anpassen. Polizeiliche Maßnahmen können aus diesem Grunde aufgehoben, geändert oder durch andere Maßnahmen ersetzt werden. Maßnahmen mit Dauerwirkung sind aufzuheben, wenn ihre tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen entfallen, insbesondere wenn die Gefahr abgewehrt oder der Zweck der Maßnahme sonst erreicht ist, wenn sich im Verlauf der Maßnahme herausstellt, dass der Zweck auf diese Weise nicht erreicht werden kann oder wenn die Belastung des Adressaten durch das Andauern der Maßnahme unverhältnismäßig wird.