Inhalt

Text gilt ab: 27.01.2003
Fassung: 28.08.1978
32
Zu Art. 32 (Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen sowie an besonders gefährdeten Objekten)

32.1

Der Anwendungsbereich des Art. 32 erstreckt sich nach Abs. 5 nicht auf Versammlungen und Aufzüge nach dem Versammlungsgesetz. Für Versammlungen und Aufzüge ist die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen und darüber hinaus von sämtlichen Formen der personenbezogenen Informationserhebung durch die Polizei für den Bereich der Abwehr versammlungsspezifischer Gefahren in den §§ 12 a und 19 a des Versammlungsgesetzes abschließend spezialgesetzlich geregelt (vgl. Gesetz vom 9.6.1989, BGBl I S. 1059 ff.) Art. 32 gilt für sonstige öffentliche Veranstaltungen, Ansammlungen sowie für polizeiliche Maßnahmen in den Fällen und an den Orten, die in Absatz 2 und 3 genannt sind.

32.2

Absatz 1 regelt die Befugnis der Polizei, Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen über die für eine Gefahr verantwortlichen Personen anzufertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden (z.B. in Fankurven der Sportstadien und deren Zugängen). Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung sind solche, die das Sicherheitsgefühl in der Öffentlichkeit sowie sonstige bedeutsame Interessen der Allgemeinheit in besonderer Weise beeinträchtigen (z.B. Ausübung der Prostitution in einem Sperrbezirk, § 120 Abs. 1 Nr. 1 OWiG in Verbindung mit Art. 297 Einführungsgesetz zum StGB und der Verordnung über das Verbot der Prostitution (BayRS 2011-2-6-I, geändert durch Verordnung vom 14. März 1989, GVBl S. 91), Verstöße gegen gemeindliche Satzungen, die das aggressive Betteln in Fußgängerzonen oder auf Bahnhofsvorplätzen untersagen, oder das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in einer Menschenmenge) oder die mit einem hohen Bußgeld geahndet werden (z.B. unerlaubte Müllablagerungen, § 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Gewässerverschmutzung, § 41 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz, oder sonstige gravierende Umweltverstöße). Satz 2 schließt in die Datenerhebung auch Dritte ein, soweit deren Betroffenheit von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen unvermeidbar ist.

32.3

Die Maßnahmen nach Absatz 2 (nachfolgend „Videoüberwachung“) sind Bestandteil eines polizeilichen Gesamtkonzeptes zur Gefahrenabwehr und zur Verhütung und Bekämpfung von Störungen und Straftaten im öffentlichen Bereich. Die Videoüberwachung ergänzt somit das Spektrum der möglichen polizeilichen Maßnahmen. Sie trägt daneben zur Verbesserung der Beweislage im Strafverfahren bei, indem sie es ermöglicht, beweiskräftige Dokumentationen zu erstellen, Tatverdächtige zu identifizieren und neue Fahndungsansätze zu verfolgen. Ihr kommt generell kein Vorrang vor der polizeilichen Präsenz vor Ort zu.
Absatz 2 gibt der Polizei die Befugnis, zur Abwehr einer konkreten Gefahr oder an öffentlich zugänglichen gefährlichen Orten im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 oder an öffentlich zugänglichen Orten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung (Nr. 32.2 VollzBek PAG) begangen werden, offen Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen anzufertigen. Öffentlich zugängliche Orte im Sinne des Absatzes 2 Nrn. 2 und 3 können insbesondere Bahnhöfe, Fußgängerzonen, Parkanlagen, Einkaufspassagen, Fußgängerunterführungen und bestimmte Straßen und Plätze sein.
Die Videoüberwachung kann auf Dauer installiert oder mobil erfolgen. Um lageangepasst auf bestimmte Kriminalitätsentwicklungen oder besonderer Ereignisse reagieren zu können, soll der mobilen Videoüberwachung regelmäßig der Vorzug gegeben werden.
Bei der Wahrnehmung der Befugnisse nach Absatz 2 ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG) strikt zu beachten. Insbesondere ist bei Tonaufnahmen und -aufzeichnungen ein besonders strenger Maßstab anzulegen: Diese sind nur zulässig, wenn Bildaufnahmen und -aufzeichnungen nicht ausreichend sind. Tonaufnahme und -aufzeichnung des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes verlangt höhere rechtliche Anforderungen als die eines öffentlich gesprochenen Wortes.
Eine flächendeckende Videoüberwachung ist unzulässig. Die Maßnahmen dürfen stets nur zur Abwehr konkreter Gefahren oder in den engen örtlichen Grenzen der in Nummern 2 und 3 genannten Orte erfolgen.
Der Vorgabe nach Absatz 2 Satz 2 soll durch entsprechende Hinweistafeln oder in sonstiger geeigneter Weise nachgekommen werden. Ein Hinweis in den örtlichen Medien genügt regelmäßig nicht, da Ortsfremde auf diesem Wege nicht sicher informiert werden können; Öffentlichkeitsarbeit kann Hinweistafeln oder sonstige geeignete Maßnahmen regelmäßig nur ergänzen, nicht aber ersetzen.

32.4

Absatz 3 erstreckt die polizeiliche Befugnis zur Fertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen auf Störer oder andere Personen, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in den in Art 13 Abs. 1 Nr. 3 genannten Anlagen (z.B. Bahnhöfe, Versorgungsanlagen, Amtsgebäude) oder anderen besonders gefährdeten Objekten Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder andere darin befindliche Sachen gefährdet werden.

32.5

Bild- und Tonaufnahmen ohne unmittelbaren Personenbezug für Zwecke der Dokumentation des polizeilichen Einsatzgeschehens oder der Aus- und Fortbildung bleiben von Art. 32 Abs. 4 unberührt. Einzelangaben mit unmittelbarem Personenbezug sind zu löschen oder unkenntlich zu machen.