38.
Wahlvorschlagsträger (Art. 24 Abs. 1 und 2)
38.1
Parteien
1Die Frage, ob ein eingereichter Wahlvorschlag einer Partei zuzurechnen ist oder ob es sich um den Wahlvorschlag einer (selbstständigen) Wählergruppe handelt, hat insbesondere Auswirkungen auf die Frage, ob Unterstützungsunterschriften nach Art. 27 erforderlich sind, sowie auf die Ordnungszahl nach Art. 33 Abs. 2.
2Bestehen Bedenken gegen die Parteieigenschaft, sind eine Kopie der Niederschrift über die Gründung der Partei und eine Satzungskopie zu verlangen. 3Der Begriff der Partei setzt vor allem voraus, dass sie ein Zusammenschluss natürlicher Personen ist. 4Die Mitgliedschaft von Vereinigungen widerspricht diesem Erfordernis. 5Durch den korporativen Beitritt einer Wählergruppe zu einer Partei kann die Wählergruppe selbst nicht die Stellung einer Partei erlangen; sie wird durch den Beitritt vor allem kein Ortsverband dieser Partei. 6Ortsverband einer Partei kann nur eine örtliche, organisatorische Untergliederung dieser Partei sein, die aus natürlichen Personen als Einzelmitgliedern der Partei, nicht aber aus einer Wählergruppe besteht. 7Die Mitgliedschaft parteiloser Wählergruppen bei einem Dachverband bewirkt ferner nicht, dass diese Wählergruppen wie bisher im Gemeinderat oder im Kreistag vertretene Wählergruppen privilegiert sind, selbst dann nicht, wenn dem Dachverband Parteieigenschaft zukommen sollte.
8Ist aufgrund gleicher oder ähnlicher Namensführung unklar, ob es sich bei einem Wahlvorschlagsträger um die Untergliederung einer Partei oder um eine in einem Dachverband organisierte selbstständige Wählergruppe handelt, kann regelmäßig anhand der Parteiensatzung nachvollzogen werden, welches Organ wirksam für die Partei Wahlvorschläge für Gemeinde- und Landkreiswahlen aufstellen und einreichen kann. 9Eine Parteiensatzung kann vorsehen, dass nur ein überregionales Parteiorgan (z. B. eine Vereinigung auf Kreisebene für Gemeindewahlen) Wahlvorschläge aufstellen und einreichen kann. 10Auf das Bestehen einer Ortsvereinigung oder eines Ortsverbands kommt es nicht an. 11Sollten sich im Einzelfall Zweifel ergeben, kann die beauftragte Person für den Wahlvorschlag um Mitteilung gebeten werden, ob der Wahlvorschlag von einer Untergliederung einer Partei oder einer Wählergruppe eingereicht wurde. 12Gegebenenfalls können weitere Unterlagen angefordert werden (Art. 24 Abs. 4).
13Politische Vereinigungen, deren Mitglieder oder deren Vorstandsmitglieder in der Mehrheit Ausländer sind oder deren Sitz oder deren Geschäftsleitung sich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befindet, sind keine Parteien im Sinne von § 2 Abs. 3 des Parteiengesetzes.
14Eine Partei ist wegen § 6 Abs. 1 Satz 1 des Parteiengesetzes immer ein organisierter Wahlvorschlagsträger.
38.2
Wählergruppen
1Eine Organisation der Wählergruppen wie im Landeswahlrecht wird nicht gefordert. 2Dennoch muss es sich um eigenständige Vereinigungen oder Gruppen handeln, deren Ziel es ist, sich an Gemeinde- oder Landkreiswahlen zu beteiligen, um mit eigenen Vorstellungen im Gemeinderat oder im Kreistag mitzuwirken.
3Falls sich eine Wählergruppe organisieren will, erfolgt dies regelmäßig in Form eines Vereins nach bürgerlichem Recht (§§ 21 ff. BGB) und zwar als im Vereinsregister eingetragener und somit rechtsfähiger Verein oder als nichtrechtsfähiger Verein.
4Ein Verein ist eine auf Dauer angelegte, körperschaftlich organisierte Verbindung einer Personenmehrheit zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. 5Er führt einen eigenen Namen und besteht unabhängig von einem Wechsel der Mitglieder.
6Ein organisatorischer Zusammenschluss lässt sich ohne Weiteres feststellen, wenn der Verein im Vereinsregister eingetragen ist (§§ 55 ff. BGB). 7Fehlt eine Eintragung, muss anhand aller Umstände geprüft werden, ob ein nichtrechtsfähiger Verein vorliegt. 8Auch ein nichtrechtsfähiger Verein setzt eine Gründungsversammlung von mindestens drei Personen sowie eine schriftlich niedergelegte oder durch langjährige Übung zustande gekommene Satzung voraus, in der die Grundsätze der Vereinsorganisation (Vorstand, Mitgliederversammlung, Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder) festgelegt sind.
9Eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) kommt als Organisationsform einer Wählergruppe grundsätzlich weniger in Betracht.
10Nach § 34g des Einkommensteuergesetzes wird bei Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen die Tarifermäßigung für Mitgliedsbeiträge und Spenden nur unabhängigen Wählervereinigungen in der Rechtsform eines (eingetragenen oder nichtrechtsfähigen) Vereins gewährt.
38.3
Übereinstimmung von Wählergruppen
1In Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ist nur die Übereinstimmung von solchen Wählergruppen geregelt, die sowohl bei der jetzigen als auch bei der vorhergehenden Wahl organisiert waren. 2Alle übrigen Fälle werden von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 erfasst.
3Der in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 genannte Fall, dass mehrere Wählergruppen die in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 genannten Voraussetzungen erfüllen, kann sich dann ergeben, wenn sich eine Wählergruppe aufspaltet und dadurch zwei (oder mehr) Wahlvorschläge sechs übereinstimmende unterzeichnende oder sich bewerbende Personen aufweisen. 4„Rechtsnachfolger“ einer früheren Wählergruppe kann aber nur ein Wahlvorschlagsträger sein. 5Deshalb wird in solchen Fällen auf die Wählergruppe abgestellt, die die größte Anzahl an übereinstimmenden unterzeichnenden oder sich bewerbenden Personen hat. 6Wahlvorschlagsträger, die zwar organisiert sind, aber auf die Vorlage eines Organisationsnachweises verzichten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 2), können die Privilegierung des früheren Wahlvorschlagsträgers für sich in Anspruch nehmen, wenn die weiteren Voraussetzungen nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 gegeben sind.
7Die Wahlberechtigung der unterzeichnenden oder der sich bewerbenden Personen ist nur im Hinblick auf die jetzige Wahl zu prüfen.