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VertrVVollzBek
Text gilt ab: 01.12.2022

1. Geltungsbereich (§ 1 der Vertretungsverordnung – VertrV)

1.1 Allgemeines

1.1.1 

1Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten für die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern einschließlich der Staatsbetriebe (vergleiche Art. 26 der Bayerischen Haushaltsordnung – BayHO; VV Nr. 1.1 zu Art. 26 BayHO).
2Sie gelten nicht für die Vertretung der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts in Bayern oder der Unternehmen, an deren Kapital der Freistaat Bayern beteiligt ist (vergleiche Art. 65 BayHO).

1.1.2 

Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten unabhängig davon, ob der Freistaat Bayern Haupt- oder Nebenpartei des Rechtsstreits (zum Beispiel Kläger, Beklagter, Streitverkündungsempfänger, Nebenintervenient) ist.

1.1.3 

Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten auch, wenn der Freistaat Bayern im Rechtsstreit eine andere Partei vertritt (vergleiche zum Beispiel die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Auftragsverwaltung der Bundesstraßen nach §§ 3, 6 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs).

1.1.4 

1Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten nicht, wenn eine Partei (zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland) nicht durch den Freistaat Bayern, sondern durch eine ausdrücklich bestimmte Behörde des Freistaates Bayern vertreten wird. 2Ein derartiger Fall liegt insbesondere vor, wenn eine Behörde des Freistaates Bayern Untervertreterin einer Bundesbehörde ist.
3Ist eine Behörde des Freistaates Bayern selbst Beteiligte des Verfahrens (vergleiche § 222 Abs. 1 Satz 2 BauGB), findet die Vertretungsverordnung keine Anwendung.

1.1.5 

1Der Anwendungsbereich der Vertretungsverordnung erstreckt sich auf alle Verfahren im Sinne des § 1 Abs. 1 VertrV (einschließlich zum Beispiel Mahnverfahren, Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, Prozesskostenhilfeverfahren, Kostenfestsetzungsverfahren, selbständiges Beweisverfahren) in sämtlichen Instanzen.
2Das Schlichtungsverfahren nach dem Bayerischen Schlichtungsgesetz wird nicht vom Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a VertrV umfasst.

1.2 Besonderheiten in einzelnen Gerichtszweigen und Verfahrensarten (§ 1 Abs. 1 VertrV)

1.2.1 Ordentliche Gerichtsbarkeit

1Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten für Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a VertrV). 2Für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt grundsätzlich das Ressortprinzip (vergleiche aber § 5 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e VertrV).

1.2.2 Verwaltungsgerichtsbarkeit

1Soweit es sich nicht um eines der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 11 VertrV genannten Verfahren handelt, richtet sich die Vertretung des Freistaates Bayern vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 3 der Verordnung über die Landesanwaltschaft Bayern (LABV).
2Die Vertretung des Freistaates Bayern in den in § 1 Abs. 1 Nr. 3 VertrV genannten Verfahren umfasst auch die Vertretung in damit zusammenhängenden Verfahren, welche eine Wert-, Kosten-, Entschädigungs- oder Vergütungs-Festsetzung zum Gegenstand haben, sofern nicht der Freistaat Bayern am Festsetzungsverfahren als Staatskasse beteiligt ist. 3Bei Beteiligung der Staatskasse bestimmt sich deren Vertretung nicht nach den Vorschriften der Vertretungsverordnung, sondern nach § 4 LABV.

1.2.3 Verfahren der Zwangsvollstreckung

1 § 1 Abs. 1 Nr. 11 VertrV hat in vielen Fällen nur subsidiäre Bedeutung. 2Die im Buch 8 der Zivilprozessordnung (ZPO) erwähnten Klagen, Rechtsbehelfe und besonderen Verfahren gehören bereits zu den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 und Nr. 5 VertrV genannten Verfahren.
3Eigenständige Bedeutung erlangt § 1 Abs. 1 Nr. 11 VertrV etwa bei Rechtsbehelfen (zum Beispiel Vollstreckungsgegenklagen) gegen einen Vollstreckungstitel, der aus einem Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit hervorgegangen ist. 4Richtete sich die Vertretung des Freistaates Bayern im Erkenntnisverfahren nach den Vorschriften der Vertretungsverordnung (zum Beispiel Aktivprozess nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa VertrV), wird der Freistaat Bayern auch im Vollstreckungsverfahren durch die zuständige Vertretungsbehörde, und nicht durch die nach § 3 LABV berufenen Stellen vertreten.
5Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten nicht:
a)
für die Zwangsvollstreckung auf Grund von vollstreckbaren Verwaltungsakten,
b)
für Zwangsvollstreckungsverfahren auf Grund von Vollstreckungstiteln, die aus einem Verfahren vor Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit (einschließlich eines Kostenfestsetzungsverfahrens) hervorgegangen sind, in dem der Freistaat Bayern durch eine Behörde vertreten war, die die Vertretung des öffentlichen Interesses in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit wahrnimmt (vgl. § 3 LABV).

1.2.4 Verfahren kostenrechtlicher Art

1Die Vorschriften der Vertretungsverordnung gelten vor den ordentlichen Gerichten, den Gerichten für Arbeitssachen und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auch für die Vertretung des Freistaates Bayern in Verfahren, die eine Wert-, Kosten- oder Entschädigungs- oder Vergütungs-Festsetzung im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren zum Gegenstand haben, soweit der Freistaat Bayern am Festsetzungsverfahren als Staatskasse beteiligt ist (vergleiche zum Beispiel § 4 des Justizvergütungs- und ‑entschädigungsgesetzes – JVEG; § 33 Abs. 2 und Abs. 3 sowie § 56 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG).
2Die Rechte, die dem Freistaat Bayern in diesen Verfahren in seiner Eigenschaft als Prozesspartei oder als sonstigem Verfahrensbeteiligten zustehen, nimmt diejenige Behörde wahr, die im Einzelfall nach den Vorschriften der Vertretungsverordnung zur Vertretung des Freistaates Bayern als Prozesspartei oder sonstiger Verfahrensbeteiligter berufen ist.
3Zur Vertretung in Verfahren kostenrechtlicher Art vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit vergleiche Nr. 1.2.2.
4Zur Regelung der Vertretung der Staatskasse vergleiche Nr. 3.

1.3 Vertretungsregelungen außerhalb der Vertretungsverordnung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 VertrV)

Neben der nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 VertrV bei den Finanzämtern verbliebenen Zuständigkeit zur Geltendmachung und Verfolgung von Abgabeforderungen einschließlich Kosten und Gebühren in Verfahren nach der Insolvenzordnung sowie bei Pfändung eines Steuererstattungsanspruchs- oder Steuervergünstigungsanspruchs sind die Finanzämter zudem zuständig für die
a)
Vollstreckung von Abgabenforderungen in das unbewegliche Vermögen (§§ 249, 322 der Abgabenordnung – AO; § 9 Nr. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung),
b)
Vollstreckung gemäß Art. 25 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes.