Inhalt

Text gilt ab: 01.10.2023

2.   Anwendungsbereich, Verhältnis zu anderen Vorschriften

2.1   Vorschriften, die eine Anwendung des BBodSchG ausschließen

1Nach § 3 Abs. 1 BBodSchG ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des BBodSchG eröffnet ist. 2Soweit die dort im Einzelnen aufgeführten Fachgesetze und die auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, wie Pflanzenschutz- und Düngemittelrecht oder Waldrecht, Einwirkungen auf den Boden regeln, finden das BBodSchG, die BBodSchV und das BayBodSchG keine Anwendung. 3Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

2.1.1   Abfallrecht – Stillgelegte Deponien (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG)

2.1.1.1   Stilllegung vor dem 11. Juni 1972

1Auf die vor dem 11. Juni 1972 stillgelegten Deponien findet das BBodSchG unmittelbar Anwendung, wenn es sich bei diesen Deponien um Altlasten oder altlastverdächtige Flächen handelt. 2Dies gilt auch, wenn zweifelhaft ist, ob die Deponie vor dem 11. Juni 1972 stillgelegt worden ist. 3Daneben besteht die Rekultivierungsverpflichtung des ehemaligen Betreibers beziehungsweise des Grundstückseigentümers nach Art. 22 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) fort.

2.1.1.2   Stilllegung nach dem 10. Juni 1972

1Nachsorge: Bei den nachweislich nach dem 10. Juni 1972 stillgelegten Deponien hat bis zur Beendigung der Nachsorgephase § 40 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) Vorrang vor dem BBodSchG (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG). 2Für die Bestimmung, welches Gesetz für eine stillgelegte beziehungsweise stillzulegende Deponie Anwendung findet, ist maßgeblich, in welchem Stadium sich die Stilllegung befindet. 3Die Phase von der Anmeldung der geplanten Stilllegung bis zu ihrem behördlich festgestellten Abschluss unterfällt dem Abfallrecht. 4Gehen jedoch von einer in diesem Sinne bereits endgültig stillgelegten Deponie in der Nachsorgephase schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit aus oder stehen diese in einem entsprechenden Verdacht, so sind für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des BBodSchG anzuwenden (§ 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG). 5§ 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG ist eine Rechtsfolgenverweisung (BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2016 – 7 B 27.15), das heißt es greifen die Rechtsfolgen des Bodenschutzrechts, die Verpflichtetenauswahl richtet sich aber weiterhin nach Abfallrecht, sodass Adressat von Nachsorgeanordnungen der – ehemalige – Inhaber der Deponie (§ 40 Abs. 2 Satz 1 KrWG) ist. 6Nach Art. 10 Abs. 6 BayBodSchG gelten bis zum Ende der Nachsorgephase die Zuständigkeiten nach Abfallrecht, insbesondere Art. 25 Abs. 1 BayAbfG. 7Haben die Untersuchungen oder sonstige Feststellungen im Einzelfall ergeben, dass eine gemeinwohlverträgliche Ablagerung auf Dauer gesichert ist, stellt die nach Abfallrecht zuständige Behörde den Abschluss der Nachsorgephase fest (§ 40 Abs. 5 KrWG). 8Von der Entscheidung sind der bisher für die Nachsorge Verpflichtete, die Gemeinde, das Landesamt für Umwelt (LfU), das Wasserwirtschaftsamt (WWA) und die gegebenenfalls weiteren betroffenen Behörden zu unterrichten.

2.1.2   Bauplanungs- und Bauordnungsrecht (§ 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG)

2.1.2.1   Bauplanungsrecht

1Das Bauplanungsrecht hat die städtebauliche Gesamtplanung zum Gegenstand, bei der alle Belange, also auch die Auswirkungen von schädlichen Bodenveränderungen, berücksichtigt werden müssen. 2Hinsichtlich der Bewertung von stofflichen Bodenbelastungen kann dabei auf die Vorgaben der BBodSchV zurückgegriffen werden. 3Bei der Bauleitplanung sind insbesondere die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen (sogenanntes bauleitplanerisches Vorsorgeprinzip). 4Für die Beurteilung von Bodenbelastungen und der von ihnen ausgehenden oder zu erwartenden Einwirkungen ist deshalb nicht erst die Schwelle, an der die Gefahrenabwehr einsetzt, maßgeblich. 5Nach § 4 Abs. 4 BBodSchG ist bei der Erfüllung der boden- und altlastenbezogenen Pflichten zur Gefahrenabwehr das konkrete Schutzbedürfnis maßgeblich, das sich aus der jeweils planungsrechtlich zulässigen Nutzung und damit auch aus den Festsetzungen eines Bebauungsplanes ergibt.

2.1.2.2   Bauordnungsrecht, Abgrabungsrecht

1Die Anforderungen des Bodenschutzrechts zur Abwehr schädlicher Bodenveränderungen und zur Vorsorge stellen keine im bau- und abgrabungsaufsichtlichen Genehmigungsverfahren gesondert zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO), Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Abgrabungsgesetz (BayAbgrG) dar. 2Sie sind aber sowohl im Rahmen bauplanungsrechtlicher Vorschriften als auch bei der Konkretisierung der bauordnungs- und abgrabungsrechtlichen Generalklauseln (insbesondere Art. 3 Satz 1 BayBO; Art. 2 BayAbgrG) zu berücksichtigen. 3Dies gilt entsprechend für die Wahrnehmung der übrigen bau- und abgrabungsaufsichtlichen Befugnisse (beispielsweise im Rahmen des Art. 54 Abs. 3 bis 5 und des Art. 77 Abs. 1 BayBO).

2.1.3   Immissionsschutzrecht (§ 3 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 3 BBodSchG)

2.1.3.1   Gefahrenabwehr

2.1.3.1.1  
Anlagengrundstück:
1Solange eine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftige Anlage betrieben wird und während eines Jahres nach einer Betriebseinstellung haben für das Anlagengrundstück die bodenschützenden Vorschriften des BImSchG grundsätzlich Vorrang. 2Der Gefahrenmaßstab zur Beurteilung von Bodenveränderungen bestimmt sich hierbei allerdings nach dem Bodenschutzrecht (§ 3 Abs. 1 Nr. 11 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 BBodSchG, §§ 5 Abs. 1 und 3, 17 Abs. 1 und 4a BImSchG). 3Die für den Vollzug des Bodenschutzrechts zuständige Stelle ist bereits im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beteiligen (§ 10 Abs. 5 BImSchG). 4Gleiches gilt vor Erlass von nachträglichen Anordnungen in Bezug auf schädliche Bodenveränderungen. 5Die für den Vollzug des Immissionsschutzrechts zuständige Stelle verständigt die für den Vollzug des Bodenschutzrechts zuständige Stelle, sobald die Betriebseinstellung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BImSchG angezeigt oder im Rahmen der Überwachung festgestellt wird. 6Innerhalb der Jahresfrist des § 17 Abs. 4a Satz 2 BImSchG leistet die für den Vollzug des Bodenschutzrechts zuständige Stelle der für den Vollzug des Immissionsschutzrechts zuständigen Stelle fachliche Unterstützung in Fragen des Bodenschutzes. 7Nach Ablauf der Jahresfrist ist der Anwendungsbereich des BBodSchG für das Anlagengrundstück eröffnet.
2.1.3.1.2  
Nachbargrundstück:
Soweit durch den Betrieb der Anlage Bodenkontaminationen auf Nachbargrundstücken herbeigeführt werden, ist das BBodSchG uneingeschränkt anwendbar.

2.1.3.2   Vorsorge

1Zur näheren Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) sind die Vorsorgewerte der BBodSchV heranzuziehen, sobald der Bund die in § 3 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BBodSchG geforderte Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift zu den Zusatzbelastungen erlassen hat. 2Auf § 5 Abs. 3 BBodSchV wird hingewiesen.

2.2   Verhältnis des Bodenschutzrechts zum Wasserrecht

2.2.1   Gefahrenabwehr

1Die Grundpflicht der Gefahrenabwehr umfasst auch die Sanierung von Gewässern, die durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verunreinigt wurden (§§ 1 Satz 2, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG). 2Das BBodSchG regelt dabei die Pflicht zur Gewässersanierung dem Grunde nach. 3Die inhaltlichen Anforderungen an die Sanierung von Gewässern bestimmen sich hingegen nach dem Wasserrecht (§ 4 Abs. 4 Satz 3 BBodSchG). 4Bodenschutzrechtliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr beziehen sich in der Regel auf den Wirkungspfad Boden – Grundwasser und auf die Sanierung lokal begrenzter Schadstoffeinträge in das Grundwasser.

2.2.2   Vorsorge

1Die Vorsorge für das Grundwasser richtet sich nach wasserrechtlichen Vorschriften (§ 7 Satz 6 BBodSchG). 2Damit gehen sämtliche auf den vorbeugenden Schutz des Grundwassers gerichteten Vorschriften des Wasserrechts den Regelungen des BBodSchG und der BBodSchV vor, so:
a)
der allgemeine Sorgfaltsgrundsatz, § 5 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG),
b)
die Benutzungsregelungen, §§ 8, 9 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHG in Verbindung mit §§ 10 bis 18 WHG,
c)
die Regelungen über Wasserschutzgebiete, § 51 WHG, Art. 31 Bayerisches Wassergesetz in Verbindung mit den Ge- und Verboten der jeweiligen Wasserschutzgebietsverordnungen,
d)
die anlagenbezogenen Regelungen des Gewässerschutzes, § 62 WHG,
e)
die Grundnorm des vorbeugenden Grundwasserschutzes, § 48 WHG.

2.3   Verhältnis des Bodenschutzrechts zum Naturschutzrecht

1Die Herbeiführung schädlicher Bodenveränderungen sowie Maßnahmen im Vollzug der Bodenschutzgesetze können Eingriffe nach § 14 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) darstellen. 2Ebenso könnten naturschutzfachliche oder Ausgleichsmaßnahmen nach Naturschutzrecht ihrerseits Eingriffe in den Boden sein. 3Daher ist in solchen Fällen eine vorherige gegenseitige Information und Abstimmung der Maßnahmen erforderlich. 4Die Kreisverwaltungsbehörde hat, soweit sie Maßnahmen beziehungsweise Anordnungen nach dem Bodenschutzrecht trifft, auf diese die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG) anzuwenden. 5Genauso hat die Kreisverwaltungsbehörde bei Entscheidungen nach Naturschutzrecht die bodenschutzfachlichen Belange zu beachten. 6Betrifft die Sanierung ein Gebiet beziehungsweise eine Fläche im Sinne des Kapitels 4 des BNatSchG, dürfen Sanierungsanordnungen oder Sanierungspläne nur unter Beachtung der Bestimmungen der Art. 18 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG), § 30 BNatSchG in Verbindung mit Art. 23 BayNatSchG, §§ 34 und 67 BNatSchG, erlassen beziehungsweise für verbindlich erklärt werden. 7§ 63 BNatSchG gegebenenfalls auch Art. 42 BayNatSchG ist anzuwenden.