Inhalt

Text gilt ab: 05.09.2024

5.   Allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren (sog. vereinfachtes Verfahren)

– Zu Nr. 192a RiStBV –

5.1   Umfang der allgemeinen Genehmigung

5.1.1   Allgemeines

1Der Bundestag sowie die gesetzgebenden Körperschaften der Länder pflegen regelmäßig zu Beginn einer neuen Wahlperiode eine allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete zu erteilen; ausgenommen sind Ermittlungen wegen Beleidigungsdelikten politischen Charakters (Nr. 192a Abs. 1 RiStBV). 2Der Umfang der allgemeinen Genehmigung ergibt sich aus Nr. 192a Abs. 1, 2 RiStBV und den Beschlüssen der gesetzgebenden Körperschaften (Anlage 6 der GO-BT und Anlage 3 zur BayLTGeschO). 3Die allgemeine Genehmigung wird im Einzelfall erst wirksam, nachdem der Präsidentin oder dem Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft eine Mitteilung nach Nr. 192a Abs. 3 RiStBV zugegangen ist und eine gegebenenfalls erforderliche Wartefrist (vgl. Nr. 5.2.1) eingehalten wurde. 4Greift die allgemeine Genehmigung im konkreten Einzelfall nicht, muss die Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaft nach Nr. 6 eingeholt werden.

5.1.2   Einzelfälle

1Die allgemeine Genehmigung umfasst insbesondere nicht die Erhebung der öffentlichen Klage in jeder Form (Nr. 192a Abs. 2 Buchst. a RiStBV; Nr. 2 Buchst. a GO-BT-Beschluss; Nr. 2 Buchst. b der Anlage 3 zur BayLTGeschO) oder freiheitsentziehende und freiheitsbeschränkende Maßnahmen (vgl. Nr. 192a Abs. 2 Buchst. c RiStBV; Nr. 2 Buchst. c GO-BT-Beschluss; Nrn. 2 und 6 der Anlage 3 zur BayLTGeschO), insbesondere nicht die Vollstreckung von Freiheitsstrafen; diese Maßnahmen bedürfen der Genehmigung im Einzelfall (vgl. Nr. 6).
2Die allgemeine Genehmigung des Bayerischen Landtags umfasst jedoch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wegen einer Straftat, die der Beschuldigte beim Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, wenn der Beschuldigte damit einverstanden ist (Nr. 1 Buchst. c der Anlage 3 zur BayLTGeschO); der Antrag bedarf jedoch einer vorherigen, gesonderten Mitteilung nach Nr. 192a Abs. 3 RiStBV (vgl. Nr. 3 der Anlage 3 zur BayLTGeschO).
3Nach Auffassung des Deutschen Bundestages gilt die allgemeine Genehmigung (GO-BT-Beschluss) nicht für den Vollzug einer angeordneten Durchsuchung und Beschlagnahme gegen Abgeordnete; dieser bedarf also in Verfahren gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages der Genehmigung im Einzelfall (vgl. Nr. 6). 4Nach Nr. 1 Buchst. b der Anlage 3 zur BayLTGeschO umfasst die allgemeine Genehmigung des Bayerischen Landtags dagegen auch den Vollzug einer angeordneten Durchsuchung oder Beschlagnahme; der Vollzug bedarf jedoch einer vorherigen, gesonderten Mitteilung nach Nr. 192a Abs. 3 RiStBV (vgl. Nr. 3 der Anlage 3 zur BayLTGeschO); Nr. 5.2.5 ist zu beachten. 5In den Räumen des Bayerischen Landtags darf eine Durchsuchung oder Beschlagnahme gemäß Art. 29 Abs. 2 der Verfassung allerdings nur mit Genehmigung der Präsidentin oder des Präsidenten vorgenommen werden, wobei dies unabhängig davon gilt, ob sich das Ermittlungsverfahren gegen ein Mitglied des Bayerischen Landtags richtet oder nicht.

5.2   Verfahren / Mitteilung nach Nr. 192a Abs. 3 RiStBV an die Präsidentinnen und Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaften

5.2.1   Mitteilungspflicht und Wartefrist

1Nach Nr. 1 des GO-BT-Beschlusses darf ein Verfahren frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mitteilung bei der Präsidentin oder bei dem Präsidenten des Deutschen Bundestages eingeleitet werden. 2Bei der Berechnung der Frist werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Samstage nicht mitgerechnet. 3Die Präsidentin oder der Präsident des Deutschen Bundestages kann im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung die Frist angemessen verlängern.
4Nach Nr. 3 der Anlage 3 zur BayLTGeschO darf ein Verfahren frühestens 48 Stunden nach Zugang der erforderlichen Mitteilung bei der Präsidentin oder bei dem Präsidenten des Bayerischen Landtags eingeleitet werden. 5Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags. 6Auf die Ausnahmeregelung nach Nr. 3 Satz 5 und 6 der Anlage 3 zur BayLTGeschO wird hingewiesen (vgl. Nr. 5.4).

5.2.2   Inhalt der Mitteilung

1In der Mitteilung an die Präsidentinnen und Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaften ist über Nr. 192a Abs. 3 RiStBV hinaus auch kurz darauf einzugehen, warum die Einstellung des Verfahrens derzeit nicht in Betracht kommt, falls sich diese Frage aufdrängt. 2Die Mitteilung ist so zu fassen, dass nicht der Eindruck entsteht, das Mitglied der gesetzgebenden Körperschaft sei schon einer Straftat überführt. 3Bei Privatklagedelikten (§ 374 StPO), die die Staatsanwaltschaft verfolgen will, ist ausdrücklich zu erklären, dass ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand bejaht wird (§ 376 StPO). 4Im Übrigen wird auf die Nrn. 8 und 9 hingewiesen.

5.2.3   Aktenführung

1Eine Abschrift der Mitteilung an die Präsidentin oder den Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft ist zur Akte zu nehmen. 2Ebenso zur Akte zu nehmen ist der Nachweis über den Zugang der Mitteilung bei der gesetzgebenden Körperschaft.

5.2.4   Ausweitung des Ermittlungsverfahrens auf neue Taten

Vor Ausweitung des Ermittlungsverfahrens auf neue Taten im prozessualen Sinn ist erneut nach Nr. 1 des GO-BT-Beschlusses bzw. Nr. 3 der Anlage 3 zur BayLTGeschO zu verfahren, insbesondere ist eine erneute Mitteilung an die Präsidentin oder den Präsidenten des Deutschen Bundestages bzw. des Bayerischen Landtags erforderlich.

5.2.5   Mitteilungen bei Durchsuchung und Beschlagnahme bei Abgeordneten des Bayerischen Landtags

1Eine Durchsuchung und Beschlagnahme darf frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mitteilung bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Bayerischen Landtags über die beabsichtigte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Sinne von Nr. 3 der Anlage 3 zur BayLTGeschO beantragt und angeordnet werden.
2Dementsprechend kann auch die Mitteilung über den beabsichtigten Vollzug einer angeordneten Durchsuchung oder Beschlagnahme im Sinne von Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. b der Anlage 3 zur BayLTGeschO nicht mit der Mitteilung über die beabsichtigte Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Sinne von Nr. 3 der Anlage 3 zur BayLTGeschO verbunden werden, sondern muss zeitlich gesondert nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens erfolgen.
3Im Fall von Anschlussdurchsuchungen ist erneut nach Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. b der Anlage 3 zur BayLTGeschO zu verfahren, insbesondere ist eine erneute Mitteilung an die Präsidentin oder den Präsidenten des Bayerischen Landtags erforderlich.

5.3   Bericht vor Absendung der Mitteilung

1Vor Absendung der Mitteilung an die gesetzgebenden Körperschaften ist dem Staatsministerium der Justiz unter Einhaltung des Dienstwegs zu berichten (Absichtsbericht). 2Dem Bericht ist ein Entwurf der Mitteilung beizufügen.

5.4   Verfahrenshindernis, Ruhen der Verjährung und Wiedervorlage der Akten

1Erklärt die Präsidentin oder der Präsident des Bayerischen Landtags vor Ablauf der 48-Stunden-Frist, dass die Angelegenheit dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt wird, darf das Verfahren nicht eingeleitet bzw. die beabsichtigte Maßnahme nach Nr. 1 Satz 2 Buchst. b und c der Anlage 3 zur BayLTGeschO nicht durchgeführt werden (vgl. Nr. 3 Satz 5 und 6 der Anlage 3 zur BayLTGeschO). 2Genehmigt der Landtag die Verfahrenseinleitung nicht, besteht ein Verfahrenshindernis bis zum Verlust der Mitgliedschaft im Landtag oder bis zur Aufhebung der Immunität durch den Landtag. 3Nrn. 6.8, 7.2.3 und 7.2.4 finden Anwendung.
4Eine vergleichbare Regelung enthält die Anlage 6 der GO-BT nicht; das Recht des Deutschen Bundestages, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen (Art. 46 Abs. 4 des Grundgesetzes), bleibt aber unberührt.