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BayUmlR
Text gilt ab: 01.01.2023
Fassung: 02.12.2022
11.
Vorzeitige Besitzeinweisung (§ 77 BauGB)

11.1

Die vorzeitige Besitzeinweisung hat den Zweck, auf Antrag einem einzuweisenden Beteiligten auch ohne Einverständnis der Betroffenen bereits vor der allgemeinen Besitzeinweisung gemäß § 72 Abs. 1 BauGB durch Beschluss den Besitz der in § 77 Abs. 1 BauGB genannten Grundstücke, Grundstücksteile und Nutzungsrechte zu verschaffen.

11.2

1Voraussetzung für die vorzeitige Besitzeinweisung ist,
a)
dass der Bebauungsplan in Kraft getreten ist und,
b)
dass das Wohl der Allgemeinheit die Einweisung erforderlich macht.
2Ferner sind die weiteren Voraussetzungen nach § 77 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB zu beachten.

11.3

1Die vorzeitige Besitzeinweisung ist dann zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich, wenn das öffentliche Interesse überwiegt und Dringlichkeit gegeben ist. 2Das Wohl der Allgemeinheit ist im Einzelfall zu prüfen (§ 77 Abs. 2 BauGB) und festzustellen. 3Falls Betroffene durch Zustimmungserklärungen mit der Maßnahme einverstanden sind, ist die Erforderlichkeit für eine vorzeitige Besitzeinweisung nicht gegeben.

11.4

1Die vorzeitige Besitzeinweisung ist nur zulässig, wenn sie mündlich verhandelt worden ist (§ 77 Abs. 3 in Verbindung mit § 116 Abs. 1 Satz 2 BauGB). 2Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, wenn der Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. 3Zur mündlichen Verhandlung sind alle von der Einweisung Betroffenen zu laden.

11.5

1Die Ladung hat in analoger Anwendung des § 108 Abs. 3 BauGB
a)
den Antragsteller und die Bezeichnung des betroffenen Grundstücks,
b)
den wesentlichen Inhalt des Antrags mit dem Hinweis, dass der vollständige Antrag bei der Umlegungsstelle eingesehen werden kann,
c)
die Aufforderung, etwaige Einwendungen gegen den Antrag möglichst vor der mündlichen Verhandlung bei der Umlegungsstelle schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären,
d)
den Hinweis, dass auch bei Nichterscheinen über den Antrag entschieden werden kann
zu enthalten. 2Nach der mündlichen Verhandlung ist über den Antrag durch Beschluss zu entscheiden.

11.6

1Durch die vorzeitige Besitzeinweisung werden das Eigentum und die anderen dinglichen Rechte nicht berührt. 2Wird der Umlegungsplan in der vorgesehenen Form nicht unanfechtbar und ergeben sich daraus Auswirkungen auf die vorzeitige Besitzeinweisung, ist der Beschluss gemäß § 116 Abs. 6 BauGB aufzuheben. 3Wegen der damit verbundenen etwaigen hohen Entschädigungsansprüche, bereits ausgeführte Maßnahmen in der Örtlichkeit können gegebenenfalls nicht rückgängig gemacht werden, sollte der Beschluss nur gefasst werden, wenn die im Umlegungsplan vorgesehenen Festsetzungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit Bestandskraft erlangen werden.

11.7

Der Beschluss zur vorzeitigen Besitzeinweisung enthält in analoger Anwendung von § 113 Abs. 2 BauGB
a)
den Antragsteller,
b)
die in § 77 Abs. 1 BauGB aufgeführten Grundstücke, Grundstücksteile und Nutzungsrechte,
c)
die Eigentümer und unmittelbaren Besitzer zum Beispiel Pächter oder Mieter,
d)
den Zweck und die Begründung,
e)
den Zeitpunkt der Wirksamkeit,
f)
den Tag der mündlichen Verhandlung,
g)
die Art und die Höhe der Entschädigung sowie die Beteiligten, die eine Entschädigung zu leisten oder zu erhalten haben.

11.8

1Der Beschluss ist dem Antragsteller, dem Eigentümer und dem unmittelbaren Besitzer mit einem Schreiben sowie einer Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen. 2Auf Antrag des unmittelbaren Besitzers ist gemäß § 116 Abs. 1 BauGB der Zeitpunkt der Wirksamkeit auf mindestens zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die vorzeitige Besitzeinweisung an ihn festzusetzen. 3Nrn. 9.4.6 und 9.5.2 sind entsprechend zu beachten.

11.9

1Die Gemeinde hat den Beschluss über die vorzeitige Besitzeinweisung in analoger Anwendung des § 72 Abs. 2 BauGB zu vollziehen, sobald er wirksam ist. 2Ein Widerspruch und ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung haben gemäß § 212 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 224 Satz 1 Nr. 3 BauGB keine aufschiebende Wirkung.