72.
Stimmenauswertung bei Verhältniswahl – Beispiele – (§§ 75, 85)
1In den folgenden Beispielen wird die Anwendung der Vorschriften über die Stimmvergabe bei der Verhältniswahl näher erläutert. 2Die Beispiele gehen davon aus, dass ein Gemeinderat mit 14 ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern im Weg der Verhältniswahl zu wählen ist, dass also jeder wählenden Person 14 Stimmen zustehen. 3Die Beispiele gelten sinngemäß auch für die Wahl der Kreisrätinnen und Kreisräte.
72.1
Unveränderte Annahme eines Wahlvorschlags (Listenkreuz)
1Die wählende Person kennzeichnet lediglich einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste, lässt den Stimmzettel im Übrigen aber unverändert.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Die wählende Person hat den Wahlvorschlag Nr. 1 unverändert angenommen und damit alle ihr zustehenden 14 Stimmen vergeben. 4Jede der 14 sich bewerbenden Personen erhält eine Stimme.
5Hätte die wählende Person den Wahlvorschlag Nr. 2 unverändert angenommen, würden die dreifach aufgeführten sich bewerbenden Personen Dr. Straßer und Wutz jeweils drei, die zweifach aufgeführten sich bewerbenden Personen Leroux und Brandl je zwei und die einfach aufgeführten sich bewerbenden Personen Palm, Deimel, Glotz und Lehr je eine Stimme erhalten.
72.2
Listenkreuz und Streichung einzelner sich bewerbender Personen
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste, ohne zugleich Einzelstimmen zu vergeben, streicht aber in diesem Wahlvorschlag die Namen einiger sich bewerbender Personen.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Die wählende Person hat den Wahlvorschlag Nr. 1 mit Ausnahme der gestrichenen sich bewerbenden Personen angenommen. 4Die nicht gestrichenen sich bewerbenden Personen dieses Wahlvorschlags erhalten also je eine Stimme. 5Auf die restlichen vier Stimmen hat die wählende Person verzichtet.
72.3
Verzicht auf Stimmen trotz Listenkreuz
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste, der weniger sich bewerbende Personen enthält, als ihr Stimmen zustehen, lässt den Stimmzettel im Übrigen aber unverändert.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Die wählende Person hat den Wahlvorschlag Nr. 1 unverändert angenommen und damit jeder der acht sich bewerbenden Personen eine Stimme gegeben; auf die ihr zustehenden weiteren sechs Stimmen hat sie verzichtet.
4Sie hätte aber auch die Möglichkeit gehabt, diese sechs Stimmen durch Häufeln innerhalb des Wahlvorschlags Nr. 1 zu vergeben oder sie den sich bewerbenden Personen des Wahlvorschlags Nr. 2 zukommen zu lassen.
72.4
Kumulieren und Panaschieren ohne Überschreitung der Stimmenzahl
1Die wählende Person kennzeichnet keinen Wahlvorschlag in der Kopfleiste, gibt aber einzelnen sich bewerbenden Personen aus einem oder mehreren Wahlvorschlägen weniger Stimmen, als ihr insgesamt zustehen.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Die wählende Person hat insgesamt neun Stimmen vergeben, und zwar durch Einzelstimmvergabe mit Häufeln und Panaschieren. 4Da sie es aber unterlassen hat, einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste zu kennzeichnen, nützt sie fünf Stimmen nicht aus.
72.5
Kumulieren, Panaschieren und Listenkreuz ohne Überschreitung der Stimmenzahl
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und gibt außerdem in mehreren Wahlvorschlägen einzelnen sich bewerbenden Personen so viele Stimmen, wie ihr insgesamt zustehen.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Da die wählende Person Einzelstimmen vergeben hat, wertet der Wahlvorstand zuerst die den einzelnen sich bewerbenden Personen gegebenen Stimmen aus. 4Da die wählende Person hier genauso viele Stimmen vergeben hat, wie ihr zustehen, ihre Gesamtstimmenzahl also voll ausgenutzt hat, gilt das beim Wahlvorschlag Nr. 2 gesetzte Listenkreuz nicht als Vergabe von Stimmen; es hat keine Bedeutung. 5Das Ergebnis wäre das gleiche, wenn das Listenkreuz beim Wahlvorschlag Nr. 2 fehlen würde oder beim Wahlvorschlag Nr. 1 angebracht wäre.
72.6
Kumulieren, Panaschieren, Listenkreuz und Streichen von sich bewerbenden Personen innerhalb der Stimmenzahl
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und gibt außerdem einzelnen sich bewerbenden Personen Stimmen, jedoch weniger, als ihr zustehen. 2Ferner streicht sie Namen sich bewerbender Personen.
72.6.1
Erstes Beispiel
1Der Stimmzettel ist gültig.
2Da die wählende Person Einzelstimmen vergeben hat, wertet der Wahlvorstand zuerst die den einzelnen sich bewerbenden Personen gegebenen Stimmen aus. 3Es werden dabei zunächst die den einzelnen sich bewerbenden Personen gegebenen Stimmen zusammengezählt. 4Die wählende Person hat insoweit nur acht Stimmen vergeben, also ihre Gesamtstimmenzahl nicht voll ausgenutzt. 5In diesem Fall gilt das Listenkreuz als Vergabe der nicht ausgenutzten Reststimmen. 6Die sechs Reststimmen kommen den nicht gekennzeichneten sich bewerbenden Personen des in der Kopfleiste gekennzeichneten Wahlvorschlags in ihrer Reihenfolge von oben nach unten mit Ausnahme der gestrichenen sich bewerbenden Personen zugute. 7Es erhalten also zusätzlich zu den vergebenen Einzelstimmen die sich bewerbenden Personen Dr. Müller, Storch, Alexandros, Schenkel, Stangl und Moser je eine Stimme.
72.6.2
Zweites Beispiel
1Der Stimmzettel ist gültig.
2Es werden zuerst die den einzelnen sich bewerbenden Personen gegebenen Stimmen zusammengezählt. 3Die wählende Person hat insoweit nur neun Stimmen vergeben. 4Sie hat allerdings beim Wahlvorschlag Nr. 2 ein Listenkreuz gesetzt. 5Von den fünf nicht ausgenutzten Reststimmen kommen deshalb der Bewerberin Dr. Straßer drei, dem Bewerber Wutz zu den bereits erhaltenen zwei Stimmen eine weitere Stimme und der Bewerberin Leroux eine Stimme zugute. 6Die Streichung der Bewerberin Palm ist bedeutungslos.
72.6.3
Drittes Beispiel
1Der Stimmzettel ist gültig.
2Die wählende Person hat 15 Namen gestrichen und zwei Listenkreuze angebracht. 313 Namen von sich bewerbenden Personen bleiben übrig. 4Die nicht gestrichenen Personen erhalten je eine, die jeweils zweifach aufgeführten sich bewerbenden Personen Leroux und Brandl je zwei Stimmen.
5Der Stimmzettel wäre auch gültig, wenn nur ein Listenkreuz gesetzt wäre. 6Die wählende Person hätte dann aber auf Stimmen verzichtet, da die nicht gestrichenen Personen auf dem nicht in der Kopfleiste gekennzeichneten Wahlvorschlag keine Stimmen erhalten würden. 7Der Stimmzettel wäre auch gültig, wenn zusätzlich eine Einzelstimmvergabe an sich bewerbende Personen eines weiteren Wahlvorschlags und zugleich eine entsprechende Anzahl an Streichungen innerhalb der gekennzeichneten Wahlvorschläge erfolgt wäre.
8Der Stimmzettel wäre im vorliegenden Fall jedoch ungültig, wenn weniger als 14 Namen gestrichen worden wären. 9Er wäre auch dann ungültig, wenn kein Listenkreuz angebracht worden wäre, denn das bloße Streichen von Namen stellt keine gültige Stimmvergabe an die nicht gestrichenen Personen dar. 10Es ist immer eine positive Willensbekundung erforderlich.
11Grundsatz: Streichen allein genügt nicht.
72.7
Listenkreuz und Überschreitung der Stimmenzahl in einem Wahlvorschlag
Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und vergibt an sich bewerbende Personen nur dieses Wahlvorschlags mehr Einzelstimmen, als ihr insgesamt zustehen.
72.7.1
Erstes Beispiel
1Der Stimmzettel ist ungültig.
2Die wählende Person hat bereits durch die Einzelstimmvergabe ihre Gesamtstimmenzahl überschritten, denn sie hat 16 Stimmen vergeben, obwohl ihr nur 14 zustehen. 3Eine Heilung ist nicht möglich.
72.7.2
Zweites Beispiel
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und vergibt nur an Personen dieses Wahlvorschlags Einzelstimmen, wobei sie einer Person mehr als drei Stimmen gibt.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Die wählende Person hat insgesamt zehn Einzelstimmen vergeben, ihre Gesamtstimmenzahl von 14 Stimmen damit also nicht voll ausgenutzt. 4Beim Zusammenzählen der Einzelstimmen werden die dem Bewerber Moser über die zulässigen drei Stimmen hinaus gegebenen Stimmen mitgerechnet; sie sind vergeben. 5Die nicht vergebenen vier Reststimmen kommen den sich bewerbenden Personen Burghauser, Schröder, Storch und Böhm des in der Kopfleiste gekennzeichneten Wahlvorschlags Nr. 1 zugute. 6Die dem Bewerber Moser gegebenen über drei hinausgehenden zwei Stimmen sind ungültig. 7Diese beiden Stimmen sind verbraucht und können dem in der Kopfleiste angekreuzten Wahlvorschlag nicht zugutekommen. 8Gewählt sind demnach die sich bewerbenden Personen Burghauser, Schröder, Storch und Böhm mit je einer, die Bewerber Dr. Müller und Moser mit drei, der Bewerber Schenkel mit zwei Stimmen. 9Zwei Stimmen sind ungültig.
10Grundsatz: Auch ungültige Stimmen sind vergeben.
72.7.3
Drittes Beispiel
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und vergibt nur an Personen dieses Wahlvorschlags mehr Einzelstimmen als ihr zustehen, wobei sie einer Person mehr als drei Stimmen gibt.
2Der Stimmzettel ist ungültig.
3Die wählende Person hat insgesamt 25 Einzelstimmen vergeben und damit die ihr zustehende Gesamtstimmenzahl von 14 Stimmen überschritten.
4Unerheblich ist dabei, dass beim Bewerber Moser „ohnehin“ 17 Stimmen ungültig sind (§ 85 Nr. 3), denn diese sind vergeben worden und damit ist die Gesamtstimmenzahl überschritten (§ 85 Nr. 2; siehe auch § 85 Nr. 3 Halbsatz 2).
5Das Ergebnis wäre das gleiche, wenn die wählende Person kein Listenkreuz gemacht hätte.
72.8
Listenkreuz, Kumulieren und Panaschieren bei Überschreitung der Stimmenzahl
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und vergibt an sich bewerbende Personen in mehreren Wahlvorschlägen mehr Einzelstimmen als ihr insgesamt zustehen.
2Der Stimmzettel ist ungültig.
3Die wählende Person hat bereits durch Einzelstimmvergabe ihre Gesamtstimmenzahl überschritten, denn sie hat 20 Stimmen vergeben, obwohl ihr nur 14 zustehen.
4Das Gleiche gilt, wenn die wählende Person bei sonst gleicher Verfahrensweise kein Listenkreuz setzt.
72.9
Zwei Listenkreuze ohne Einzelstimmvergabe
1Die wählende Person kennzeichnet lediglich zwei Wahlvorschläge in der Kopfleiste, lässt den Stimmzettel im Übrigen aber unverändert.
2Der Stimmzettel ist ungültig.
3Durch die unveränderte Annahme zweier Wahlvorschläge hat die wählende Person nicht nur 14, sondern 28 Stimmen vergeben und damit die Gesamtstimmenzahl überschritten. 4Der Stimmzettel lässt nicht erkennen, welchen sich bewerbenden Personen die der wählenden Person zustehenden 14 Stimmen zukommen sollen. 5Das führt zur Ungültigkeit der Stimmvergabe.
72.10
Unveränderte Annahme von zwei Wahlvorschlägen (Listenkreuze) ohne Einzelstimmvergabe
1Die wählende Person kennzeichnet zwei Wahlvorschläge in der Kopfleiste, die zusammen weniger sich bewerbende Personen enthalten, als ihr Stimmen zustehen, lässt den Stimmzettel im Übrigen aber unverändert.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Da die Gesamtstimmenzahl trotz der zwei Listenkreuze nicht überschritten ist, erhalten die Bewerberin Dr. Straßer und der Bewerber Wutz je drei Stimmen, die übrigen je eine Stimme. 4Auf die restliche Stimme wurde verzichtet.
5 Mehrere Listenkreuze können nur gültig sein, wenn alle angekreuzten Wahlvorschläge zusammen nicht mehr Namen sich bewerbender Personen haben, als die Gesamtstimmenzahl beträgt.
72.11
Zwei Listenkreuze und Kumulieren ohne Überschreitung der Stimmenzahl in einem Wahlvorschlag
1Die wählende Person kennzeichnet zwei Wahlvorschläge in der Kopfleiste und kennzeichnet in einem dieser Wahlvorschläge unter voller Ausnutzung der ihr zustehenden Stimmenzahl einzelne sich bewerbende Personen.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Nach dem Grundsatz „Einzelstimmvergabe vor Listenkreuz“ sind die gesetzten Listenkreuze unbeachtlich, da die wählende Person durch die Einzelstimmvergabe ihre Gesamtstimmenzahl voll ausgenutzt hat. 4Die beiden Listenkreuze machen die Stimmvergabe nicht insgesamt ungültig; sie bleiben ohne Bedeutung.
5Nur wenn in dem dargestellten Fall zwei Listenkreuze gesetzt werden, ohne dass Einzelstimmen vergeben werden, ist die Stimmvergabe insgesamt ungültig.
72.12
Zwei Listenkreuze, Kumulieren und Panaschieren in mehreren Wahlvorschlägen ohne Überschreitung der Stimmenzahl
1Die wählende Person kennzeichnet zwei Wahlvorschläge in der Kopfleiste und vergibt ferner in mehreren Wahlvorschlägen weniger Stimmen an sich bewerbende Personen, als ihr zustehen.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Nach dem Grundsatz des Vorrangs der Einzelstimmvergabe interessieren die Listenkreuze zunächst nicht.
4Durch Einzelstimmvergabe hat die wählende Person nur neun gültige Stimmen vergeben, ihre Gesamtstimmenzahl von 14 also nicht voll ausgenutzt. 5Die nicht ausgenutzten fünf Reststimmen können aber nicht gerettet werden, weil bei zwei Listenkreuzen nicht erkennbar ist, welchem Wahlvorschlag die Reststimmen zufallen sollen.
72.13
Ein Listenkreuz, Kumulieren und Panaschieren ohne Überschreitung der Stimmenzahl, aber mehr als drei Stimmen für einzelne sich bewerbende Personen
1Die wählende Person kennzeichnet einen Wahlvorschlag in der Kopfleiste und vergibt zugleich unter Nichtausnützung ihrer Gesamtstimmenzahl in zwei Wahlvorschlägen Einzelstimmen; dabei gibt sie einer sich bewerbenden Person mehr als drei Stimmen.
2Der Stimmzettel ist gültig.
3Das gesetzte Listenkreuz bleibt zunächst unberücksichtigt, da Einzelstimmen vergeben wurden. 4Die wählende Person hat insgesamt acht Einzelstimmen vergeben, ihre Gesamtstimmenzahl von 14 Stimmen also nicht voll ausgenutzt. 5Beim Zusammenzählen der Einzelstimmen werden die der Bewerberin Dr. Straßer über die zulässigen drei Stimmen hinaus gegebenen Stimmen mitgerechnet; sie wurden vergeben. 6Die nicht vergebenen sechs Reststimmen kommen den sich bewerbenden Personen Schröder, Dr. Müller, Storch, Böhm, Alexandros und Schenkel des in der Kopfleiste gekennzeichneten Wahlvorschlags zugute. 7Die der Bewerberin Dr. Straßer gegebenen über drei hinausgehenden zwei Stimmen sind ungültig. 8Diese beiden Stimmen sind verbraucht und können dem in der Kopfleiste angekreuzten Wahlvorschlag nicht zugutekommen. 9Gewählt sind demnach die sich bewerbenden Personen Burghauser, Schröder, Dr. Müller, Storch, Böhm, Alexandros und Schenkel mit je einer, der Bewerber Moser mit zwei und die Bewerberin Dr. Straßer mit drei Stimmen. 10Zwei Stimmen sind ungültig.