7. Hinweise zur Beurteilung doppischer Haushalte
7.1 Anforderungen an die Haushaltsunterlagen – ergänzende Informationen
Erste Erfahrungen zeigen, dass die Umstellung auf die Doppik auch bei gründlicher Vorbereitung ein längerfristiger Prozess ist und die ersten doppischen Haushalte nicht alle formalen Anforderungen vollständig erfüllen. Insoweit kann im Einzelfall eine enge Abstimmung zwischen Kommune und Rechtsaufsicht geboten sein. Für die Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit bzw. der Schuldentilgungsfähigkeit wird die Rechtsaufsicht, vor allem soweit es um die Genehmigung von Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften geht (siehe unten Nr. 7.2), in aller Regel nicht darauf verzichten können, ergänzende Unterlagen, Berechnungen bzw. Erläuterungen zu verlangen, solange die von der Gemeinde vorgelegten Haushaltsunterlagen noch nicht vollständig sind oder von den Vorgaben der KommHV-Doppik oder den unter Nr. 6.3 genannten Musterentwürfen abweichen. Für die Beurteilung von Anträgen auf Gewährung von Bedarfszuweisungen und sonstigen Förderleistungen gilt Entsprechendes.
Die systematische Betrachtung der wesentlichen Haushaltsdaten ist vielfach auch dadurch erschwert, dass ein (erster) doppischer Haushalt, aber noch keine Eröffnungsbilanz vorliegt.
Soweit im ersten doppischen Haushalt die Abschreibungen nicht in vollem Umfang ausgewiesen werden können, ist der Stand der Vermögenserfassung und -bewertung zu erläutern. In jedem Fall muss bei der Vorlage des ersten doppischen Haushalts sichergestellt sein, dass die Eröffnungsbilanz und der Anhang bis zum 30. November des ersten Haushaltsjahres mit doppischer kommunaler Buchführung festgestellt werden können (§ 91 Abs. 2 KommHV-Doppik). Die Rechtsaufsichtsbehörden werden gebeten, im Wege der aufsichtlichen Beratung darauf hinzuwirken.
Die überörtliche Prüfung umfasst formelle und materielle Vorgaben für die doppelte kommunale Buchführung, insbesondere auch die Beachtung von Verwaltungsvorschriften wie der Bewertungsrichtlinie – BewertR – vom 29. September 2008 (AllMBl S. 558), und der Vorschriften über die kommunale Haushaltssystematik nach den Grundsätzen der doppelten kommunalen Buchführung – VVKommHSyst-Doppik – vom 1. Oktober 2008 (AllMBl S. 584). Dabei ist auch der Grundsatz der Kontinuität zu beachten. Nach Maßgabe von § 91 KommHV-Doppik gelten für die Eröffnungsbilanz die allgemeinen Grundsätze für die Vermögensrechung entsprechend. Deshalb sind die Vorgaben unter Nr. 7 der BewertR, soweit sie nicht Besonderheiten der §§ 91 f. KommHV-Doppik zum Gegenstand haben, auch auf die Bilanzen der Folgejahre anzuwenden. Die Rechtsaufsichtsbehörden wirken darauf hin, dass die Prüfungsfeststellungen Zug um Zug umgesetzt werden und die doppischen Haushalte auch interkommunal vergleichbar bleiben. Eine Überprüfung des neuen Haushaltsrechts allgemein mit dem Ziel einer möglichen Anpassung an die Erfordernisse der Praxis erscheint grundsätzlich erst nach einem längeren Erprobungszeitraum sachgerecht.
7.2 Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit
Die dauernde Leistungsfähigkeit bleibt nach Art. 71 Abs. 2 Satz 3 GO, Art. 65 Abs. 2 Satz 3 LKrO, Art. 63 Abs. 2 Satz 3 BezO unabhängig vom Buchungsstil zentrales Kriterium für die Genehmigung von Krediten. Sie kann als gesichert gelten, wenn die Kommune in der Lage ist,
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ihren laufenden und einmaligen Verpflichtungen nachzukommen und zwar einschließlich derer aus bereits bestehenden und geplanten Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften,
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ihr Vermögen pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten und im notwendigen Umfang zu erhalten und
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die (Folge-)Lasten auch bevorstehender notwendiger Investitionen zu tragen.
Wesentliche Anhaltspunkte dafür liefert in der Kameralistik die Zuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt. In der Doppik bleibt die Trennung zwischen laufender Verwaltungs- und Investitionstätigkeit erhalten und zwar im Ergebnis- ebenso wie im Finanzhaushalt. Das erlaubt, von vergleichbaren Überlegungen auszugehen wie in der Kameralistik. Der kameralen Zuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt entspricht in der Doppik im Wesentlichen der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 KommHV-Doppik), wobei es für die Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit vertretbar erscheint, den betragsmäßig geringen Unterschied zwischen kameralen Einnahmen und Ausgaben einerseits und doppischen Einzahlungen und Auszahlungen andererseits zu vernachlässigen.
Im Interesse einer kontinuierlichen Haushaltsbetrachtung (Vergleich auch mit vorangegangenen kameralen Jahren) wird bei der rechtsaufsichtlichen Würdigung kommunaler Haushalte und der Genehmigung von Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften in den ersten Jahren nach der Umstellung auf die Doppik besonders auf den Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit und die Übersicht über die dauernde Leistungsfähigkeit (im Internet unter http://www.innenministerium.bayern.de/buerger/kommunen/finanzen/detail/08206/) zu achten sein. Soweit erforderlich, ist über Hinweise sowie Bedingungen und Auflagen (Art. 71 Abs. 2 Satz 2 GO, Art. 65 Abs. 2 Satz 2 LKrO, Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BezO) auf eine geordnete Haushaltswirtschaft und die Einhaltung der Grundsätze über den Haushaltsausgleich (§ 24 KommHV-Doppik), insbesondere auf Ergebnisebene hinzuwirken. Denn die grundsätzliche Verpflichtung zum Ausgleich des Ergebnishaushalts nach § 24 KommHV-Doppik bleibt unberührt. Daneben ist – ggf. unter Berücksichtigung eventueller Fehlbeträge – auch die Entwicklung in der mittelfristigen Finanzplanung (Art. 70 GO, Art. 64 LKrO, Art. 62 BezO) einzubeziehen.
7.3 Wertansätze der Vermögensgegenstände – Herstellungskosten (§ 77 Abs. 3 KommHV-Doppik)
In § 77 Abs. 3 KommHV-Doppik wurde der Herstellungskostenbegriff des Handelsrechts übernommen (§ 255 Abs. 2 HGB). Dieser hat sich nun in der Praxis insbesondere im Hinblick auf die kommunalen Finanzierungsstrukturen und die Bindung der Kreditaufnahme an die Erfüllung des Investitionsbegriffs (Art. 71 GO in Verbindung mit § 98 Nrn. 38 und 39 KommHV-Doppik) als problematisch erwiesen. Wir halten es daher zumindest bei (betragsmäßig) wesentlichen Sanierungs-, Modernisierungs- und Erneuerungsmaßnahmen für vertretbar, einstweilen im Vorgriff auf eine entsprechende Rechtsänderung bzw. Klarstellung in einer noch zu erlassenden Verwaltungsvorschrift den Herstellungskostenbegriff des § 77 Abs. 3 Satz 1 und 2 KommHV-Doppik als erfüllt anzusehen, wenn die Kommune für die Maßnahme Zuschüsse, Zuweisungen oder zinsgünstige Darlehen von Körperschaften oder Förderbanken erhält oder für die Maßnahme Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz erheben kann. Die Maßnahme muss zudem – mit Blick auf das Ziel der intergenerativen Gerechtigkeit –, wenn nicht insgesamt, so doch in wesentlichen Teilen der Einrichtung zu einem im Vergleich zur vorhandenen Situation nachhaltig höherwertigen Zustand der Einrichtung führen. Wesentliche Kriterien sind der Umfang der Maßnahme bezogen auf die Einrichtung, verbesserte Nutzungsmöglichkeiten der Einrichtung oder verlängerte Nutzungsdauern. Bloße Reparatur-, Ausbesserungs- oder geringfügige Auswechslungsarbeiten erfüllen nicht den Herstellungskostenbegriff; sie sind weiterhin als bloßer Unterhalt zu sehen.