6. Genehmigung von Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften – Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit von Kommunen (Art. 71, 72 GO, Art. 65, 66 LKrO, Art. 63, 64 BezO)
6.1 Genehmigung von Kreditaufnahmen für sog. „rentierliche“ Investitionen
Die Aufnahme von Krediten für Investitionen in kostenrechnenden Einrichtungen steht grundsätzlich mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune im Einklang. Gegen die Gesamtgenehmigung der Kreditaufnahme im Rahmen der Art. 71 Abs. 2 GO, Art. 65 Abs. 2 LKrO, Art. 63 Abs. 2 BezO bestehen insoweit keine Bedenken. Das gilt vor allem deshalb, weil allgemeine Haushaltsmittel nicht – auch nicht zeitweise – beansprucht werden, wenn durch entsprechende Gebührenbemessung nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG auch die sog. kalkulatorischen Kosten (angemessene Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten und angemessene Verzinsung des Anlagekapitals – vgl. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG) voll gedeckt werden und der Schuldendienst so festgelegt wird, dass er laufend aus den Gebührenerlösen für die kalkulatorischen Kosten erbracht werden kann (insbesondere Laufzeitkongruenz).
Bei Krediten für sonstige Investitionen, die durch künftige Einsparungen die dauernde Leistungsfähigkeit langfristig verbessern, aber zunächst allgemeine Haushaltsmittel beanspruchen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob und in welcher Höhe eine Kreditaufnahme gemäß Art. 71 Abs. 2 GO, Art. 65 Abs. 2 LKrO, Art. 63 Abs. 2 BezO genehmigt werden kann.
6.2 Derivative Finanzierungsinstrumente
Das OLG Bamberg hat mit Urteil vom 11. Mai 2009 Az.: 4 U 92/08 die Klage zweier privatrechtlich organisierter Tochterunternehmen einer Kommune auf Rückerstattung u. a. im Zusammenhang sog. CMS-Spread-Ladder-Swaps geleisteter Zahlungen abgewiesen. Die Entscheidung befasst sich vorwiegend mit Fragen der Beratungspflichten der Bankseite. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, noch einmal auf die Eigenverantwortung der Kommune bei derivativen Finanzierungsinstrumenten hinzuweisen. Eigenverantwortliche Entscheidungen setzen ein eigenes Finanzmanagement der Kommune mit entsprechendem Fachwissen voraus. Auch (langfristige) Beraterverträge können eigenes Fachwissen der Kommune nicht ersetzen. Soweit die Berater Finanzprodukte verkaufen oder vermitteln, verfolgen sie auch eigene Interessen, die sich nicht automatisch mit denen der Kommune decken. Eine Erfolgsbeteiligung des Beraters hilft nicht notwendig weiter; sie kann vielmehr gerade Anreiz zu riskanten Geschäften bieten, da mögliche Verluste in vollem Umfang die Kommune zu tragen hat.
Die beträchtlichen Verluste verschiedener Kommunen im Zusammenhang mit Derivatgeschäften haben gezeigt, dass solche Geschäfte die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune nachhaltig negativ beeinflussen können. Im Einzelfall kann deshalb eine Begrenzung solcher Geschäfte auf einen bestimmten Anteil der genehmigten Kredite in Betracht kommen. Auf unser Schreiben vom 8. November 1995 Az.: IB4-1513.1-2, das wir mit Schreiben vom 14. September 2009 aktualisiert haben, weisen wir hin.
6.3 Sicherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune bei kommunalen Unternehmen, Beteiligungsverwaltung
Unter Nr. 5 der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 6. Februar 2008 (AllMBl S. 152) wurde ausgeführt, dass in die Würdigung kommunaler Haushalte und insbesondere in die Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit auch mögliche (Haftungs- und Nachschuss-) Verpflichtungen der Kommune aus kommunalen Unternehmen und Beteiligungen einzubeziehen sind (Art. 87 Abs. 1 Nr. 2 GO, Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 LKrO, Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 BezO). Die Rechtsaufsichtsbehörden stützen sich dabei auf die kamerale Übersicht über den voraussichtlichen Stand der Schulden (Muster zu § 2 Abs. 2 Nr. 3 KommHV-Kameralistik), die auch Angaben zu den kommunalen Unternehmen und den kreditähnlichen Rechtsgeschäften vorsieht. Wir verweisen insoweit auf Nr. 8 der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern vom 23. Oktober 2001 (AllMBl S. 496). Die kameralen Muster werden derzeit aktualisiert. Die Entwürfe dazu und für entsprechende Doppik-Muster sind im Internet unter http://www.innenministerium.bayern.de/buerger/kommunen/finanzen/detail/08206/ abrufbar.
Kommunales Unternehmensrecht und kommunales Haushaltsrecht stehen nicht isoliert nebeneinander. Das kommunale Unternehmensrecht bietet den Kommunen die rechtlichen Instrumente zur Erfüllung ihrer Aufgaben, erweitert damit aber nicht ihr Aufgabenspektrum und insbesondere nicht den finanziellen Handlungsspielraum. Die Kommune kann ihrem Unternehmen bzw. ihrer Beteiligungsgesellschaft nicht mehr an Rechten übertragen, als ihr im Rahmen eines öffentlichen Zwecks selbst zustehen. Das gilt u. a. auch hinsichtlich des Einsatzes von Derivaten (siehe oben Nr. 6.2).
Die Verantwortung der Kommune endet nicht mit der Errichtung, Übernahme oder Beteiligung an einem kommunalen Unternehmen. Es besteht vielmehr eine Verpflichtung der Kommune, dafür zu sorgen bzw. darauf hinzuwirken, dass ihr Unternehmen den öffentlichen Zweck, der ihm bei seiner Errichtung zugrunde gelegt wurde, einhält. Die Erfüllung des öffentlichen Zwecks und die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune bleiben maßgebliche Kriterien auch für den laufenden Betrieb kommunaler Unternehmen und Beteiligungen (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GO, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 LKrO, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BezO). Die Kommunen sind nach Maßgabe von Art. 95 Abs. 1 GO, Art. 83 Abs. 1 LKrO, Art. 81 Abs. 1 BezO verpflichtet, im Rahmen ihrer Steuerungs- und Überwachungsfunktion insbesondere den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und die Beachtung des öffentlichen Zwecks durchzusetzen (als Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin) bzw. darauf hinzuwirken (als Minderheitsgesellschafterin). Daraus resultiert die Pflicht zu einer dem Umfang der unternehmerischen Beteiligungen angemessenen Beteiligungsverwaltung bzw. einem entsprechenden Beteiligungscontrolling. Die durch die Ausgliederung von der Kommune angestrebte größere Selbstständigkeit bestimmter Aufgabenbereiche soll damit nicht wieder rückgängig gemacht werden. Aufgabe der Beteiligungsverwaltung ist es vielmehr, im Interesse der Kommune die Einhaltung der grundlegenden Zielvorgaben, die finanzielle Situation und die Wirtschaftlichkeit zu überwachen und zwar auch im Hinblick darauf, dass die aus der Beteiligung oder Trägerschaft des Unternehmens resultierenden Verpflichtungen die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune mit bestimmen.
Zusätzlich zur rechtsaufsichtlichen Beratung kann es daher bei einer Kreditgenehmigung geboten sein, ggf. durch Nebenbestimmungen darauf hinzuwirken, dass die kommunale Beteiligungskontrolle ausreichend wahrgenommen wird.
6.4 Verpflichtung zur Deckung von Betriebskostendefiziten
Verpflichtungen der Kommune zur Deckung von Betriebskostendefiziten in einer schuldrechtlichen Nebenabrede oder durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw. dessen nachträgliche Änderung nach Maßgabe der Art. 72 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 71 Abs. 2 GO, Art. 66 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 65 Abs. 2 LKrO, Art. 64 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2 BezO können im Einzelfall genehmigungspflichtig sein, auch wenn eine Genehmigungspflicht nach Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO, Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LKrO, Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BezO oder eine Anzeigepflicht nach Art. 96 GO, Art. 84 LKrO, Art. 81a BezO nicht besteht.
Das Registergericht kann die Eintragung eines unter Beteiligung einer Gemeinde abgeschlossenen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags im Handelsregister ablehnen, wenn eine nach Mitteilung der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde erforderliche Genehmigung nicht erteilt ist (Urteil des OLG München vom 14. Juli 2009 Az.: 31 Wx 16/09).
Zum EU-rechtlichen Erfordernis eines Betrauungsaktes siehe unten Nr. 9.1.2.