Inhalt

Text gilt ab: 01.07.2022

4. Unterrichtung der Gewerbebehörden

4.1 

Nach Nr. 90 RiStBV ist den Gewerbebehörden Gelegenheit zur Äußerung zu einer beabsichtigten Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft zu geben, wenn sie Anzeige erstattet haben oder sonst an dem Ausgang des Verfahrens interessiert sind.

4.2 

Unabhängig davon, ob die Gewerbebehörden zu der Einleitung des Verfahrens einen Anstoß gegeben haben, gilt Folgendes:

4.2.1 

Nach Nr. 39 Abs. 1 MiStra sind ihnen in Strafsachen gegen Gewerbetreibende rechtskräftige Entscheidungen mitzuteilen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass Tatsachen, die den Gegenstand des Verfahrens betreffen und auf eine Verletzung von Pflichten schließen lassen, die bei der Ausübung des Berufs oder des Gewerbes zu beachten oder in anderer Weise geeignet sind, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen, den Widerruf, die Rücknahme oder die Einschränkung einer behördlichen Erlaubnis, Genehmigung oder Zulassung zur Ausübung eines Gewerbes oder eines Berufs, zum Führen einer Berufsbezeichnung, die Untersagung der gewerblichen Tätigkeit oder der Einstellung, Beschäftigung oder Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen zur Folge haben können.

4.2.1.1 

Mitteilungen nach Nr. 39 Abs. 1 MiStra kommen bei Straftaten in Betracht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem erlaubnispflichtigen oder erlaubnisfreien Gewerbe stehen.

4.2.1.2 

1Auch wenn ein solcher unmittelbarer Zusammenhang fehlt, ist Nr. 39 Abs. 1 MiStra anzuwenden, wenn die Entscheidung Rückschlüsse auf eine mögliche Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zulässt. 2Dies gilt insbesondere bei Verfahren wegen Betrugs, Hehlerei, Untreue, Geldwäsche, Steuerhinterziehung (vgl. insoweit auch Nr. 6), Missbrauchs von Schutzbefohlenen oder vorsätzlicher Körperverletzung. 3Vor allem aus der Häufung solcher Straftaten kann sich ergeben, dass der Gewerbetreibende nicht zuverlässig ist.

4.2.2 

1Gemäß MiStra Nr. 39 Abs. 2 Satz 1 und 2 unterbleibt die Mitteilung in Privatklageverfahren, in Verfahren wegen fahrlässig begangener Straftaten und in sonstigen Verfahren bei Verurteilung zu einer anderen Maßnahme als einer Strafe oder einer Maßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls sie erfordern. 2Sie ist insbesondere erforderlich, wenn die Tat bereits ihrer Art nach geeignet ist, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung für die gerade ausgeübte berufliche oder gewerbliche Tätigkeit hervorzurufen. 3Dies gilt beispielsweise im Zusammenhang mit fahrlässig begangenen Straßenverkehrsdelikten eines Taxifahrers. 4MiStra Nr. 39 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt nicht bei Straftaten, durch die der Tod eines Menschen verursacht worden ist, und bei gefährlicher Körperverletzung (vgl. Nr. 39 Abs. 2 Satz 3 MiStra).

4.2.3 

Eine Mitteilungspflicht besteht ferner, wenn in der Entscheidung entweder die Ausübung des Gewerbes untersagt oder eine Untersagung der Ausübung des Gewerbes ausdrücklich abgelehnt worden ist (vgl. Nr. 39 Abs. 3 MiStra).

4.2.4 

1Nach Nr. 1 Abs. 3 MiStra ist eine Mitteilung auch dann zu machen, wenn sie zwar nicht – wie in Nr. 39 MiStra – ausdrücklich vorgeschrieben ist, aber rechtlich zulässig und wegen eines besonderen öffentlichen Interesses unerlässlich ist. 2Rechtlich zulässig kann die Übermittlung personenbezogener Daten insbesondere unter den Voraussetzungen des § 17 Nr. 3 EGGVG sein. 3Vor allem zur Frage des besonderen öffentlichen Interesses ist Folgendes zu bemerken:

4.2.4.1 

1Erscheint die umgehende Prüfung der Frage einer Gewerbeuntersagung angezeigt, so besteht ein besonderes öffentliches Interesse daran, die Gewerbebehörden bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über Straftaten zu unterrichten, die Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Gewerbetreibende unzuverlässig ist und dass die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist (§ 35 Abs. 1 GewO). 2Entsprechendes gilt, wenn die Voraussetzungen der für einzelne Gewerbe bestehenden, auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellenden Vorschriften über die Rücknahme oder den Widerruf der Erlaubnis erfüllt sind (z. B. § 15 GastG).

4.2.4.2 

1In diesen Fällen kommt namentlich eine Mitteilung der Anklageschrift oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls in Betracht. 2Ist eine vorläufige Entscheidung nach § 132a StPO ergangen oder beantragt oder kommt vorbehaltlich des Ergebnisses der Hauptverhandlung ein Berufsverbot in Betracht, so ist dies bei der Mitteilung anzugeben.

4.2.4.3 

1Mitteilungen über den Fortgang des Verfahrens sind, soweit für sie die Voraussetzungen der Nr. 1 Abs. 3 MiStra gegeben sind, von Amts wegen zu machen. 2§ 20 EGGVG ist zu beachten.

4.2.4.4 

1Ein besonderes öffentliches Interesse (Nr. 1 Abs. 3 MiStra) kann unter den Voraussetzungen der Nr. 4.2.4.1 auch an der Mitteilung von Einstellungsverfügungen bestehen. 2Dies gilt vor allem für Verfügungen nach § 153a StPO oder wenn sich Verfahren wegen Straftaten, die Rückschlüsse auf die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zulassen, häufen oder wenn Verfahren wegen solcher Taten lediglich aus subjektiven Gründen eingestellt werden. 3Da die Schuldunfähigkeit die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht ausschließt, sind für die Gewerbebehörden namentlich auch die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 BZRG genannten Entscheidungen von Interesse.

4.2.4.5 

1Auch bei Straftaten Dritter im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb kann sich eine Mitteilungspflicht aus Nr. 1 Abs. 3 MiStra ergeben. 2Ein besonderes öffentliches Interesse kann dann angenommen werden, wenn die Straftaten Dritter Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden ermöglichen und deshalb Anlass zu Maßnahmen nach § 35 GewO oder zu einem Widerruf oder einer Rücknahme der gewerberechtlichen Erlaubnis (z. B. nach § 15 GastG) geben können. 3Das ist insbesondere der Fall, wenn der Gewerbetreibende, an dessen eigener Lauterkeit ansonsten keine Zweifel zu bestehen brauchen, Straftaten der in seinem Betrieb beschäftigten Personen oder Straftaten Dritter duldet oder keine geeigneten Vorkehrungen gegen sie trifft, weil er dazu nicht Willens oder nicht in der Lage ist. 4Hierbei kommen insbesondere Hehlerei, verbotene Glücksspiele, Rauschgiftgeschäfte oder Schlägereien in Gaststätten in Betracht.