Inhalt

Text gilt ab: 01.10.2021
Gesamtvorschrift gilt bis: 30.09.2026

1. Anwendungsbereich

1.1 Erfasste Behörden und Stellen

1.1.1 Keine Anwendung auf Bundesbehörden

1Die Regelungen des Art. 15 AGVwGO zum Widerspruchsverfahren gelten nur für Verfahren der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung in Bayern, das heißt der Behörden des Freistaates Bayern, der bayerischen Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Art. 15 Abs. 3 Satz 1 AGVwGO). 2Keine Anwendung findet Art. 15 AGVwGO auf Bundesbehörden (zum Beispiel Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), auch wenn sie ihren Sitz oder eine Zweigstelle in Bayern haben.

1.1.2 Delegierte Staatsaufsicht

Da Art. 15 Abs. 3 Satz 1 AGVwGO nur auf eine Abgrenzung der bayerischen Behörden von Bundesbehörden abzielt, gehören zu den sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts auch solche, die zwar nicht der unmittelbaren Aufsicht des Freistaates unterstehen, jedoch der Aufsicht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen, die ihrerseits der Aufsicht des Freistaates oder einer seiner Aufsicht unterstehenden juristischen Person untersteht (delegierte Staatsaufsicht).

1.2 Sachlicher Anwendungsbereich

1.2.1 Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Art. 15 AGVwGO modifiziert das Vorverfahren gemäß § 68 VwGO und kommt daher nur zur Anwendung, wenn der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO eröffnet ist.

1.2.2 Verhältnis zu den Regelungen in § 68 VwGO

1Die in § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 VwGO geregelten Ausnahmen vom Erfordernis des Vorverfahrens gehen dem fakultativen Widerspruchsverfahren gemäß Art. 15 Abs. 1 AGVwGO vor (Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO). 2Dies bedeutet:

1.2.2.1 

1Ein Vorverfahren entfällt grundsätzlich gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO, wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Landesbehörde erlassen wurde. 2Art. 15 Abs. 1 AGVwGO ist kein Gesetz im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO, das die Nachprüfung in einem Vorverfahren vorschreibt, obwohl eine oberste Landesbehörde entschieden hat. 3Deshalb kommt beispielsweise bei personenbezogenen Prüfungsentscheidungen des Landesjustizprüfungsamtes nicht das fakultative Widerspruchsverfahren gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO zur Anwendung.

1.2.2.2 

Da die Ausnahmevorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO sich auf oberste Landesbehörden bezieht und nicht auf Landesoberbehörden (zum Beispiel Bayerische Versorgungskammer), fallen letztere in den Anwendungsbereich des Art. 15 AGVwGO.

1.2.2.3 

1Von Art. 15 AGVwGO unberührt bleiben andere Gesetze und Rechtsverordnungen, die abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO die Nachprüfung in einem Vorverfahren auch für den Fall anordnen, dass eine oberste Landesbehörde den Verwaltungsakt erlassen hat. 2Da für beamtenrechtliche Angelegenheiten einerseits § 54 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG bestimmt, dass es auch bei Maßnahmen einer obersten Dienstbehörde eines Vorverfahrens bedarf, andererseits § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG eine Länderöffnungsklausel enthält, von der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AGVwGO Gebrauch macht, findet bei beamtenrechtlichen Maßnahmen einer obersten Dienstbehörde das fakultative Widerspruchsverfahren Anwendung.

1.2.2.4 

Wird im Rahmen des fakultativen Widerspruchsverfahrens gemäß Art. 15 Abs. 1 AGVwGO ein Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid erlassen, der erstmalig eine Beschwer enthält, besteht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO nur die Möglichkeit der unmittelbaren Klage.

1.2.3 Abweichende Regelungen in anderen Gesetzen und Rechtsverordnungen

Soweit andere (bundes- oder landesrechtliche) Gesetze und Rechtsverordnungen von Art. 15 AGVwGO abweichende Regelungen über das Vorverfahren enthalten (zum Beispiel § 141 Abs. 1 des Flurbereinigungsgesetzes – FlurbG; §§ 336 bis 339 des Lastenausgleichsgesetzes), gehen diese als Sondervorschriften vor (Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO).