Inhalt

Text gilt ab: 01.01.2024

3. Prüfgegenstand des Sonderungsverbotes

3.1 Erfordernis der Einzelfallprüfung

1Aus dem Sonderungsverbot ergibt sich kein allgemeines rechtliches Gebot, von sämtlichen Schülerinnen und Schülern Schulgeld lediglich in einer Höhe zu erheben, die auch für niedrige Einkommensgruppen leistbar erscheint. 2Vielmehr kann von wirtschaftlich leistungsfähigeren Erziehungsberechtigten auch ein höheres Schulgeld verlangt werden; eine feste Höchstgrenze existiert nicht. 3Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Anforderungen der vom Sonderungsverbot erfassten Schulen an Personal- und Schulaufwand ist zudem eine landesweite und schulartübergreifende Festsetzung eines einheitlichen Betrages nicht möglich. 4Je nach angebotenen Bildungsinhalten (z. B. besonderer pädagogischer Betreuungsaufwand, Ganztagesangebot, besonders kostenintensive Ausbildungsrichtungen, etwa im Bereich der beruflichen Schulen) und -abschlüssen können seitens der Erziehungsberechtigten unterschiedliche Anstrengungen für die Aufbringung des Schulgeldes erwartet werden; ein höherer Bildungsabschluss allein berechtigt aber nicht zur Erhebung eines höheren Schulgeldes. 5Entscheidend ist eine Einzelfallprüfung des Schulgeldmodells der Ersatzschule, d. h. insbesondere der Höhe des Schulgeldes (Nr. 3.2) sowie Art und Umfang der gewährten Erleichterungen (Nr. 3.3).

3.2 Definition des zu beurteilenden Schulgeldes

1Bei der Höhe des zu beurteilenden Schulgeldes sind in erster Linie die Kosten zu berücksichtigen, die für die Teilnahme am verpflichtenden Unterricht erforderlich und somit zwingend von den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigten zu tragen sind. 2Dazu zählen insbesondere:
die Kosten für den Schulbesuch im engeren Sinn, d. h. für die Teilnahme am Pflicht- und Wahlpflichtunterricht,
Kosten für die Beschaffung von Schulbüchern, sofern der Schulträger für die Schülerinnen und Schüler nicht Lernmittelfreiheit nach Art. 21 BaySchFG gewährt,
weitere verpflichtend zu zahlende Kostenbeiträge, z. B. für EDV-Ausstattung im Rahmen einer EDV-Abgabe,
einmalige oder regelmäßige Gebühren für die Aufnahme, die Einschreibung, die Verwaltung und die Durchführung von Prüfungen,
Mitgliedsbeiträge in einem Förderverein o. Ä., sofern die Mitgliedschaft Voraussetzung für die Aufnahme an der Schule bzw. für die Teilnahme am Unterricht ist.
3Sollten Beträge einen Zeitraum über mehrere Schuljahre hinweg betreffen (z. B. einmalige Einschreibegebühren), so sind diese für die Berechnung des Schulgeldes auf die typische Verweildauer an der Schule aufzuteilen. 4Zu berücksichtigen ist auch die sondernde Wirkung verpflichtender Darlehen und Vorschüsse oder Sicherheitsleistungen zugunsten des Schulträgers oder eines Fördervereins, wobei es hier aufgrund des Rückzahlungsanspruchs nicht zu einer Anrechnung des Gesamtbetrages auf das regelmäßige Schulgeld kommt; vielmehr sind die in Nr. 3.3 vorgesehenen Erleichterungen (Ermäßigungen, Freistellung) im Bedarfsfall entsprechend anzuwenden. 5Unberücksichtigt bleiben regelmäßig insbesondere die Kosten:
der Schülerbeförderung,
der Ganztagsbetreuung,
der Mittags- und Hausaufgabenbetreuung,
der Verpflegung und Unterkunft,
der Betreuung für Zeiten außerhalb des Pflicht- und Wahlpflichtunterrichts,
für Material- und Kopiergeld, soweit sie sich in einem angemessenen, an vergleichbaren Ersatzschulen üblichen Rahmen bewegen,
der Übernahme von freiwilligen Leistungen, wie etwa freiwillige Beiträge zur Verbesserung der Schulverhältnisse nach Art. 47 Abs. 2 BaySchFG, sofern sie nicht seitens des Schulträgers eingefordert werden,
Kompensationszahlungen für vertraglich geschuldete Mitwirkungshandlungen der Erziehungsberechtigten im Rahmen eines pädagogischen Gesamtkonzepts der Elternbeteiligung, soweit sie aus den Vertragsunterlagen in Art und Umfang klar ersichtlich sind.
6Die Beiträge nach Satz 5 Spiegelstriche 1 bis 5 können nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Schulbesuch auch ohne Inanspruchnahme dieser Leistungen und damit Zahlung der entsprechenden Kostenbeiträge möglich ist. 7Unberücksichtigt bleibt auch der staatliche Schulgeldersatz nach Art. 47 Abs. 3 BaySchFG sowie § 22 Ausführungsverordnung Schulfinanzierungsgesetz (AVBaySchFG). 8Für eine ggf. bestehende Karenzzeit bis zur vollen Bezuschussung nach dem BaySchFG kann von den gründenden oder an der Gründung beteiligten Erziehungsberechtigten ein erhöhtes Schulgeld erhoben werden, soweit diese dadurch eigene bildungspolitische Ziele verfolgen, die über den Zugang des eigenen Kindes zur Schule hinausreichen.

3.3 Erleichterungen

3.3.1 Allgemeines

1Nach Art. 96 BayEUG sind von den Schulträgern Erleichterungen bezüglich des Schulgeldes oder Beihilfen in einem Umfang zu gewähren, der es auch einer für die Größe der Schule oder des Schülerheimes angemessenen Zahl finanziell bedürftiger Schülerinnen und Schüler ermöglicht, die Schule zu besuchen. 2Erziehung, Unterricht und Heimleben sind so zu gestalten, dass keine Unterscheidungen nach Herkunft, Stand, Einkommen und Vermögen der Erziehungsberechtigten gemacht werden. 3Die Ersatzschule muss allgemein zugänglich sein; zwar nicht in dem Sinn, dass sie wie die öffentliche Schule jede Schülerin bzw. jeden Schüler bei Erfüllung allgemeiner Voraussetzungen aufnehmen muss, wohl aber in dem Sinne, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf deren Wirtschaftslage besucht werden kann.

3.3.2 Unzulässige Sonderungswirkung

1Es ist sicherzustellen, dass die Ersatzschule in angemessener Zahl von Schülerinnen und Schülern aus Familien mit niedrigen und durchschnittlichen Einkommen besucht werden kann. 2Eine unzulässige Sonderungswirkung ist jedenfalls dann gegeben, wenn das Schulgeldmodell nicht durch Ermäßigungen und Freiplätze verhindert, dass das Nettoeinkommen der Familie einer Schülerin oder eines Schülers abzüglich aller Belastungen, die für den Schulbesuch zwingend aufzubringen sind, unter den Regelbedarf nach SGB II absinkt. 3Das Nettoeinkommen der Familie setzt sich aus den Nettoeinkommen derjenigen Personen zusammen, welche für die Schülerin oder den Schüler unterhaltspflichtig sind (vgl. § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) oder die in eheähnlicher Gemeinschaft oder häuslicher Gemeinschaft mit der Person leben, die das Sorgerecht bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht innehat.

3.3.3 Konkrete Ausgestaltungsmöglichkeiten

1Zur Sicherstellung der Vereinbarkeit mit dem Sonderungsverbot kommen – neben einer allgemeinen Schulgeldhöhe, die mit einem durchschnittlichen Einkommen leistbar ist (Nr. 3.3.2 Satz 2 bleibt unberührt) – insbesondere Schulgeldnachlässe, Freiplätze sowie auch, aber nicht ausschließlich, Geschwisterermäßigungen in Betracht. 2Nicht ausreichend sind insbesondere
Angebote lediglich einzelner weniger Freiplätze oder Schulgeldstipendien in Ausnahmefällen für besonders begabte oder besonders arme Kinder;
Allgemeine Hinweise auf mögliche staatliche Unterstützungsleistungen, wie z. B. eine mögliche Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder andere staatliche Maßnahmen.
3Zulässig können insbesondere folgende Modelle sein:
Staffelung des Schulgeldes nach dem Einkommen der Erziehungsberechtigten,
1Einheitliches, dem Sonderungsverbot entsprechendes Schulgeld von maximal 150 Euro monatlich oder, sofern das Schulgeld ein Ganztagsangebot umfasst, maximal 250 Euro monatlich (Prüfgrenze) zuzüglich im Einzelfall ggfs. notwendiger Ermäßigungen und Freiplätze nach Nr. 3.3.2 Satz 2. 2Die Prüfgrenze unterliegt mit Beginn des Jahres 2024 jährlichen Dynamisierungen nach dem Verbraucherpreisindex Bayern, wie vom Landesamt für Statistik veröffentlicht1;
oder
Einheitliches Schulgeld oberhalb der Prüfgrenze mit der Möglichkeit von Ermäßigungen und Freiplätzen in angemessenem Umfang (d. h. soweit geeignete Interessenten aus Familien mit niedrigen und durchschnittlichen Einkommen vorhanden sind und der Umfang ihrer Berücksichtigung für die Schule keine unzumutbare Härte darstellt).
4Die Zulässigkeit des Schulgeldes kann sich auch aus einer Kombination der Modelle nach Satz 3 ergeben; eine Höchstgrenze existiert nicht.

3.3.4 Benachteiligungsverbot und Transparenzgebot

1Eine Benachteiligung im Aufnahmeverfahren alleine aufgrund der Einkommenssituation ist unzulässig. 2Die Schule ist verpflichtet, im Aufnahmegespräch auf alle von ihr angebotenen Möglichkeiten zur Vermeidung einer finanziellen Überforderung hinzuweisen und diesen Hinweis zu dokumentieren. 3Potentielle Interessentinnen und Interessenten sind in geeigneter Weise auf die Möglichkeit von Erleichterungen und Ermäßigungen hinzuweisen (z. B. auf der Webseite, im Rahmen von Veranstaltungen und/oder durch Auslagen/Aushänge).

3.4 Nachträgliche Änderung des Schulgeldes

1Die Schulträger sind verpflichtet, die entsprechende Genehmigung einzuholen, sofern es sich um wesentliche Änderungen der Schulgeldhöhe oder des im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorgelegten Schulgeldkonzeptes im Sinne von Art. 99 Abs. 1 Satz 1 BayEUG handelt. 2Unwesentliche Änderungen liegen insbesondere vor, wenn es sich lediglich um jährliche Dynamisierungen des Schulgeldes nach dem Verbraucherpreisindex Bayern, wie vom Landesamt für Statistik für das letzte Kalenderjahr veröffentlicht, handelt oder sich die Schulgeldhöhe auch nach der Änderung unterhalb der Prüfgrenze bewegt. 3Wesentlich ist eine Änderung insbesondere, sobald sich das Schulgeld in einem oder mehreren Schritten insgesamt um eine Differenz erhöht, die die Änderung des Verbraucherpreisindex Bayern übersteigt, sofern die Prüfgrenze überschritten ist oder wird. 4Sofern keine wesentliche Änderung vorgenommen wird, wird dennoch empfohlen, Änderungen des Schulgeldkonzeptes der zuständigen Schulaufsichtsbehörde anzuzeigen.

1 [Amtl. Anm.:] Abrufbar unter https://www.statistik.bayern.de/statistik/preise_verdienste/preise/index.html.