Inhalt

Text gilt ab: 01.09.2023
Gesamtvorschrift gilt bis: 31.08.2028

1.   Voraussetzungen einer Freistellung für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach Art. 46 Abs. 5 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG)

1.1   Gesetzliche Vorgaben

1Nach Art. 46 Abs. 5 BayPVG sind die Mitglieder des Personalrats sowie das jeweils erste Ersatzmitglied unter Fortzahlung der Bezüge für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen vom Dienst freizustellen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die unmittelbar für die Tätigkeit im Personalrat erforderlich sind; dabei sind die dienstlichen Interessen angemessen zu berücksichtigen. 2Diese Bestimmung gilt für die Mitglieder von Stufenvertretungen (Bezirks- und Hauptpersonalräten) entsprechend (Art. 54 Abs. 1 BayPVG). 3Sie findet sinngemäß auf die Mitglieder von Jugend- und Auszubildendenvertretungen und von Jugend- und Auszubildendenstufenvertretungen Anwendung (Art. 62, 64 BayPVG).

1.2   Begriff der unmittelbaren Erforderlichkeit

1Dem Begriff der unmittelbaren Erforderlichkeit kommt eine sach- und personenbezogene Bedeutung zu. 2Es wird darauf hingewiesen, dass Art. 46 Abs. 5 Satz 2 BayPVG zwei Regelbeispiele enthält, die Art. 46 Abs. 5 Satz 1 BayPVG konkretisieren, diesen grundsätzlichen Schulungsanspruch jedoch nicht erschöpfen. 3Unter Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 5 Satz 1 BayPVG sind über die Regelbeispiele des Satzes 2 hinausgehende Schulungen von Personalratsmitgliedern möglich.

1.3   Begriff der Schulungs- und Bildungsveranstaltung

1Schulungs- und Bildungsveranstaltungen im Sinne des Art. 46 Abs. 5 BayPVG zeichnen sich nach der Rechtsprechung durch eine auf einen Lernerfolg angelegte Wissensvermittlung mittels eines zugrundeliegenden didaktischen Konzepts aus. 2Kennzeichnend ist danach die Vermittlung eines bestimmten, in einem Arbeitsplan festgelegten Lehrstoffs durch Unterricht, der einen individuellen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden ermöglicht. 3Tagungs- und Messebesuche sind daher keine Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, weil es ihnen an der Vermittlung eines bestimmten, in einem Arbeitsplan festgelegten Lehrstoffs durch Unterricht fehlt. 4Formate, die im Schwerpunkt dem Erfahrungs- und Meinungsaustausch, nicht aber der auf einen Lernerfolg angelegten Wissensvermittlung dienen, sind ebenfalls keine Schulungs- und Bildungsveranstaltungen im Sinne des Art. 46 BayPVG. 5Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass ein in eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung integrierter (einführender) Erfahrungsaustausch oder eine (abschließende) Diskussion ohne Weiteres erstattungsfähig sind, wenn die Formate in das didaktische Konzept der Schulungsveranstaltung eingebettet sind und sich zeitlich in einem angemessenen Gesamtrahmen halten.

1.4   Objektive Erforderlichkeit

1.4.1  

1Die Schulung muss objektiv unmittelbar erforderlich sein, also Sachgebiete direkt betreffen, ohne deren Kenntnis die jeweiligen Personalvertretungen ihre gesetzlichen Aufgaben nicht sachgerecht erfüllen können. 2Nicht jede für die Personalratsarbeit lediglich nützliche Veranstaltung erfüllt diese Anforderungen.

1.4.2  

1Objektiv erforderlich sind mindestens Kenntnisse des Personalvertretungsrechts in seinen Grundzügen (Grundschulungen). 2Darüber hinaus gehört zur Grundschulung regelmäßig auch die Vermittlung von Grundkenntnissen des Dienst-, Tarif- und Arbeitsrechts. 3Für die Prüfung der Erforderlichkeit wird darauf hingewiesen, dass die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Personalvertretung und die dafür notwendigen Kenntnisse auch im Interesse der Dienststellenleitung sind.

1.4.3  

1Die erforderliche Dauer der Schulung richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit des zu behandelnden Themas sowie nach den Erfahrungen und Kenntnissen, welche die einzelnen Teilnehmer bereits besitzen. 2Die Freistellung für eine Grundschulung umfasst in der Regel fünf Kalendertage (Art. 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayPVG), die für eine Spezialschulung bis zu fünf Kalendertage je regulär andauernder Amtszeit (Art. 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayPVG), wobei auch eine Aufteilung der Freistellung (z. B. drei und zwei Kalendertage) möglich ist. 3Nach Art. 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 a. E. BayPVG kann die fünftägige Grundschulung ganz oder teilweise auch in der unmittelbar folgenden Amtszeit in Anspruch genommen werden. 4Damit werden Fälle berücksichtigt, in denen eine Ausschöpfung des pauschalierten Grundschulungsanspruchs innerhalb der ersten Amtszeit nicht möglich ist. 5Ein Grund muss hierfür nicht angegeben werden. 6Eine Übertragung der verbleibenden Tage des Schulungsanspruchs in die sich unmittelbar anschließende Amtszeit ist daher möglich. 7Es wird zugleich darauf hingewiesen, dass derartige Schulungen für erstmals in den Personalrat gewählte Personalratsmitglieder die für die praktische Tätigkeit erforderlichen Grundkenntnisse vermitteln. 8Eine zeitnahe Schulung in der ersten Amtszeit ist daher sehr wünschenswert.

1.4.4  

1Eine vorherige Schulung als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung lässt den Anspruch auf eine Grundschulung als Personalvertretungsmitglied nicht entfallen. 2Schulungen für Jugend- und Auszubildendenvertretungen sind speziell auf die andersartigen und im Umfang abweichenden Aufgaben und Rechte der Jugend- und Auszubildendenvertretung zugeschnitten. 3Gleiches gilt für eine vorherige Tätigkeit in der Schwerbehindertenvertretung.

1.4.5  

Bei grundlegenden Änderungen in für die Personalvertretungstätigkeit wichtigen Rechtsmaterien – insbesondere bei einer umfangreichen inhaltlichen und/oder systematischen Novellierung des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes selbst – ist jedenfalls eine gegenüber der Grundschulung kürzere Einführungsschulung erforderlich, wenn die neuen Kenntnisse nicht zumutbar in einem Selbststudium erlernt werden können.

1.4.6  

1Eine Spezialschulung dient der Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse für die Wahrnehmung besonderer Aufgaben bzw. auf besonderen Sachgebieten in der Personalvertretung. 2Sie ist für solche Personalvertretungen erforderlich, die mit diesen Aufgaben oder Sachgebieten in nicht unwesentlichem Umfang gegenwärtig befasst sind oder in naher Zukunft befasst sein werden.
3Zu den Themen von Spezialschulungen hat sich eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet, wobei die Erforderlichkeit der Schulung stets dienststellen- und anlassbezogen im Einzelfall zu prüfen und durch die Personalvertretung darzulegen ist. 4In aller Regel nicht dazu gehören allgemeine Fortbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten (z. B. allgemeine Rhetorik- und EDV‑Kurse).
5Die Vermittlung von Kenntnissen über ein Spezialgebiet ist regelmäßig nur an ein Mitglied der betroffenen Personalvertretung notwendig. 6Behandeln Schulungen Themen von übergreifender Bedeutung für den gesamten Personalrat, kann es auch erforderlich sein, je ein Mitglied der im Personalrat vertretenen Gruppen zu entsenden.
7Auch Spezialschulungen sollten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zeitnah zur Entstehung des aktuellen Schulungsbedarfs erfolgen (Aktualität der Schulung), damit die vermittelten Kenntnisse für einen möglichst langen Zeitraum der regelmäßig fünfjährigen Amtszeit zur Verfügung stehen. 8Der Grundsatz der Aktualität der Schulung gebietet es nicht, abzuwarten bis erforderliche Kenntnisse tatsächlich benötigt werden. 9Bei einem vorhersehbaren Schulungsbedarf sollten Spezialschulungen bereits im Vorfeld der Übernahme spezieller Aufgaben erfolgen, um zukünftige Aufgaben vorbereitet übernehmen zu können.
10Eine wiederholte Spezialschulung ist dagegen nur erforderlich, wenn sich die rechtlichen oder tatsächlichen Grundlagen seit der Erstschulung grundlegend geändert haben, z. B. durch eine wesentliche Änderung der Rechtslage oder grundlegende technische Neuerungen, und die neuen Kenntnisse nicht zumutbar in einem Selbststudium erworben werden können.
11Spezialschulungen dauern in der Regel ein bis drei Tage.

1.4.7  

1Der Besuch von Veranstaltungen über künftig möglicherweise zu erwartende Änderungen im Arbeits-, Dienst- oder Tarifrecht ist nicht objektiv erforderlich, da die Gestaltung der tariflichen und dienstrechtlichen Grundlagen nicht zu den Aufgaben der Personalvertretung gehört. 2Dies gilt auch z. B. für Schulungen zum Arbeitskampfrecht sowie für rein gewerkschaftsspezifische Veranstaltungen.

1.5   Subjektive Erforderlichkeit

1.5.1  

Die Schulung muss subjektiv erforderlich sein, d. h. das zu entsendende Mitglied muss der Schulung auf den Sachgebieten bedürftig sein, die Gegenstand der Veranstaltung sind.

1.5.2  

1Einer Grundschulung im Personalvertretungsrecht bedürfen alle erstmals in eine Personalvertretung gewählten Mitglieder sowie das jeweilige erste Ersatzmitglied. 2Bei einer Wiederwahl in die Personalvertretung oder als jeweiliges erstes Ersatzmitglied – auch nach einer Unterbrechung – besteht grundsätzlich kein neuer Grundschulungsanspruch, sofern eine Teilnahme an einer Grundschulung bereits erfolgt ist. 3Eine Ausnahme kann bei Unterbrechungen von langer Dauer in Betracht kommen. 4Für eine wiederholte Grundschulung müssen daher besondere Gründe dargelegt werden. 5Haben Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder bis zur Wiederwahl noch nicht oder nicht vollständig an einer fünftägigen Grundschulung teilgenommen, gilt Art. 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 a. E. BayPVG hinsichtlich der Wahrnehmung der Grundschulung.

1.5.3  

Für weitere Ersatzmitglieder kann eine Freistellung für eine Grundschulung sinnvoll sein, wenn zu erwarten ist, dass diese aufgrund ihres jeweiligen Listenplatzes ähnlich häufig an den Sitzungen der Personalvertretung wie die ordentlichen Mitglieder teilnehmen werden, z. B. bei einer absehbar längeren Abwesenheit eines Personalvertretungsmitglieds.

1.5.4  

1Einer Spezialschulung sind nur solche Mitglieder bedürftig, denen innerhalb ihrer Personalvertretung besondere in der Schulung zu behandelnde Aufgaben zugewiesen sind (Art. 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayPVG), für die kein anderes Mitglied entsprechende Kenntnisse besitzt. 2Kenntnisse aus anderen Tätigkeiten – auch außerhalb der Personalvertretung – sind dabei zu berücksichtigen. 3Schulungen, die erst kurz vor Ende der Amtszeit des zu entsendenden Mitglieds erfolgen würden, sind in der Regel nicht erforderlich.

1.6   Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1.6.1  

1Bei der Ermittlung der unmittelbaren Erforderlichkeit ist auch zu beachten, dass die Dienststellen nach Art. 44 Abs. 1 BayPVG die Kosten für die Schulungen zu tragen haben. 2Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere dem auch für die Personalvertretung als Teil der öffentlichen Verwaltung geltenden Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel dürfen die Kosten und die dienstlichen Beeinträchtigungen nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu dem zu erwartenden Schulungseffekt stehen. 3Dies gilt auch für die Zahl der an Schulungen teilnehmenden Personalratsmitglieder, für die Schulungsdauer sowie für die Wahl des Veranstaltungsortes wegen der dadurch entstehenden Reisekosten. 4Daraus ergibt sich für die Dienststelle auch die Möglichkeit, einen Personalrat auf ein in Dauer und Umfang der behandelten Schulungsinhalte gleichwertiges Angebot zu verweisen, wenn dieses erheblich günstiger ist.

1.6.2  

1Bestehen kostengünstigere Veranstaltungen – auch durch einen anderen Anbieter – sind diese grundsätzlich vorzuziehen. 2Personalvertretungsmitglieder haben zwar grundsätzlich das Recht, Bildungsangebote in von ihnen bevorzugten Bildungseinrichtungen auszuwählen. 3Soweit sich die hierdurch entstehenden Mehrkosten im angemessenen Rahmen halten, sind diese zu erstatten. 4Sofern aber Schulungs- und Bildungsangebote angeboten werden, die eine vergleichbare Kenntnisvermittlung anbieten und wesentlich niedrigere Kosten verursachen, sind diese Angebote vorzuziehen. 5Wurden diese Angebote dennoch nicht vorgezogen, so hat die Dienststelle nur die Kosten zu erstatten, die bei Wahrnehmung des kostengünstigeren Angebots angefallen wären.

1.6.3  

1Die Dienststellen haben bei der Haushaltsaufstellung und -bewirtschaftung darauf zu achten, dass im Rahmen der allgemeinen Haushaltsentwicklung die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden. 2Nach den turnusmäßigen Personalratswahlen (vgl. Art. 26 BayPVG) besteht regelmäßig ein erhöhtes Schulungsbedürfnis für die neu gewählten Personalräte. 3Eine Abweichung bei Erschöpfung der haushaltsplanmäßig angesetzten Mittel kommt nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Schulungsbedürfnisses in Betracht (vgl. Art. 37 Abs. 1 BayHO). 4In diesem Fall hat die Personalvertretung den Bedarf an zusätzlichen über- oder außerplanmäßigen Mitteln so rechtzeitig anzuzeigen, dass diese noch vor Entstehen der Verpflichtung nachbewilligt werden können. 5Die Personalvertretungen sind rechtzeitig auf die Haushaltssituation hinzuweisen.

1.7   Formen von Schulungsveranstaltungen

1.7.1  

1Neben Seminaren, z. B. bei einer Gewerkschaft, einem Berufsverband oder einem neutralen Schulungsanbieter, kommen auch andere Bildungsformen zur Wissensvermittlung in Betracht. 2Hierzu zählen z. B. durch die Dienststelle organisierte Schulungen, Fernlehrgänge im Selbststudium und ggf. mit einer abschließenden Präsenzveranstaltung zur Reflexion und Vertiefung der Schulungsinhalte sowie Online-Schulungen. 3Diese Formate stehen gleichwertig nebeneinander. 4Bei der Auswahl des Schulungsformats durch die Personalvertretung sind die spezifischen Vor- und Nachteile zu berücksichtigen. 5Die Personalvertretung trifft ihre Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen. 6Das geeignetste und für die Wissensvermittlung effektivste Schulungsformat berücksichtigt individuelle Präferenzen der zu entsendenden Mitglieder, z. B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Grad der Selbstständigkeit der Wissensaneignung und persönliche Lernpräferenzen. 7Zwischen den Schulungsformaten und auch innerhalb der Schulungsformate hat die Personalvertretung auch den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung zu tragen. 8Allein aus Kostengründen haben digitale Lernformate jedoch keinen Vorrang vor Präsenzveranstaltungen.

1.7.2  

1Sind mehrere Mitglieder der Personalvertretungen zu schulen, sollte falls möglich eine ressort- oder hausinterne Schulungsveranstaltung (ggf. in Kooperation mit gewerkschaftlichen oder anderen Schulungsanbietern) in Betracht gezogen werden. 2Hierdurch entfallen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten sowie Kosten für Schulungsräumlichkeiten. 3Die Dienststelle muss jedoch organisatorisch sicherstellen, dass der ungestörte Ablauf der Veranstaltung und die ununterbrochene Teilnahme aller Personalvertretungsmitglieder gewährleistet ist. 4Die Gewerkschaften und Berufsverbände können im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit frühzeitig aktiv in die Planung einer derartigen Veranstaltung (Zweck, Form, Ablauf) einbezogen werden.