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Text gilt ab: 28.03.2013

3.   Genehmigungsfähigkeit von Bürgschaften; Bürgschaftsmuster einzelner Banken

Nach Nr. 9.1 der Bekanntmachung über das Kreditwesen der Kommunen vom 5. Mai 1983 (MABl S. 408), geändert durch Bekanntmachung vom 12. November 2001 (AllMBl S. 676), sollen Bürgschaften im Allgemeinen nur für dinglich gesicherte Kredite übernommen werden (vgl. auch Schreiben vom 23. Januar 2012, Az.: IB4-1513.1-0, das die Regierungen in Kopie erhalten haben). Zudem dürfen Kommunen grundsätzlich nur Ausfallbürgschaften oder einfache Bürgschaften übernehmen. Selbstschuldnerische Bürgschaften kommen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, z.B. wenn eine gesetzliche oder satzungsmäßige Verpflichtung besteht. Maßgeblich sind jeweils die konkreten Verpflichtungen der Kommune im Einzelfall. Soweit
der Bürge eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernimmt und auf die Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB verzichtet oder
der Ausfall bereits dann als eingetreten gilt, wenn der Hauptschuldner – aus welchen Gründen auch immer – die Zahlung einstellt,
kann die rechtsaufsichtliche Genehmigung nach Art. 72 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 71 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GO, Art. 66 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 65 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LKrO, Art. 64 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BezO nicht erteilt werden. Einen Verzicht des Bürgen auf die Rechte aus § 770 (Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit) und § 776 BGB (Freigabe von Sicherheiten) halten wir ebenfalls für bedenklich (vgl. unser Schreiben vom 23. Januar 2012, das die Regierungen in Kopie erhalten haben).
Inzwischen werden Muster für kommunale Ausfallbürgschaften mit folgendem Inhalt verwendet:
„Die (Name des Kreditinstituts) kann den Bürgen aus der Bürgschaft erst in Anspruch nehmen, wenn und soweit ein Ausfall festgestellt ist. Der Ausfall gilt als festgestellt, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners insbesondere durch
Zahlungseinstellung des Hauptschuldners oder
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners oder Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
Leistung einer eidesstattlichen Offenbarungsversicherung nach § 807 ZPO oder
aus sonstigen Gründen feststeht
und  aufgrund objektiv nachprüfbarer Kriterien nennenswerte Eingänge aus der Verwertung von Sicherheiten oder aus der Verwertung sonstigen Vermögens des Hauptschuldners nicht oder nicht mehr in absehbarer Zeit zu erwarten sind.“
Solche modifizierten Bürgschaftserklärungen knüpfen insbesondere an die in § 773 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BGB genannten Fälle an, in denen eine Vorausklage ohnehin ausgeschlossen ist. Sie lockern die bei einer reinen Ausfallbürgschaft bestehenden anspruchsbegründenden Tatsachen und erleichtern für das Kreditinstitut – zulasten der bürgenden Kommune – den Nachweis, dass der Ausfall des Hauptschuldners eingetreten ist.
Hiergegen bestehen Bedenken.
In den Fällen, in denen der Ausfall nicht – nach vorheriger Inanspruchnahme des Hauptschuldners als anspruchsbegründende Tatsache – festgestellt, sondern lediglich fingiert wird, wird faktisch und durch Anerkennung in der Bürgschaftserklärung auch rechtlich bindend auf die Einrede der Vorausklage (§§ 771, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB) verzichtet. Durch diese Modifizierung wird die Bürgschaft einer selbstschuldnerischen Bürgschaft stark angenähert (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1998, WM 1998, S. 976). Das gilt insbesondere deshalb, weil nach dem vorstehenden Text bereits die bloße Zahlungseinstellung bzw. nicht spezifizierte „sonstige Gründe“ wesentliches Ausfallkriterium und die objektiv nachprüfbaren Kriterien, die ergänzend herangezogen werden, zu wenig konkret sind. Auf diese Weise wird der Gläubigerbank die Feststellung des Forderungsausfalls erleichtert, gleichzeitig wird das Ausfallrisiko zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf die bürgende Kommune verlagert. Eine solche Verlagerung widerspricht der Zielsetzung des kommunalrechtlich normierten Risikominimierungsgebots, wonach die Risiken zwischen den Beteiligten entsprechend den jeweiligen Verantwortungsbereichen zu verteilen sind. Die Kommunen erleichtern mit der Gewährung von Bürgschaften den Zugang zu Fremdkapital. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Kommunen,
dem Kreditnehmer unternehmerische Verantwortung in der Weise abzunehmen, dass bereits bei Zahlungseinstellung kommunales Vermögen für unternehmerische Entscheidungen haftet, oder
den Gläubiger der Obliegenheiten zu entheben,
die Zahlungsfähigkeit des Schuldners vorab kritisch zu prüfen, was umso weniger notwendig ist, je mehr die kommunale Haftung einem Selbsteintrittsrecht angenähert ist,
sich um eine Beitreibung beim Schuldner zu bemühen.
Es bleibt deshalb dabei, dass im Allgemeinen – vor allem mit Blick auf das Risikominimierungsgebot – auf die Einrede der Vorausklage nach §§ 771, 773 BGB nicht verzichtet werden kann.