Inhalt

Text gilt ab: 28.02.2012

3. Derivative Finanzinstrumente

3.1  Beratungspflichten der Banken

Unter Nr. 6.2 der Bekanntmachung vom 10. März 2010 (AllMBl S. 87, im Internet unter http://www.innenministerium.bayern.de/buerger/kommunen/finanzen/) haben wir auf ein Urteil des OLG Bamberg vom 11. Mai 2009 (Az.: 4 U 92/08) hingewiesen. Inzwischen hat der BGH mit Urteil vom 22. März 2011 (Az.: XI ZR 33/10) die Schadenersatzpflicht von Banken bei Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit der Empfehlung eines Spread Ladder Swap-Vertrages bejaht. Solche komplexen und risikoreichen Geschäfte bayerischer Kommunen sind uns nicht bekannt. Inwieweit vergleichbare Pflichten auch bei anders – evtl. auch einfacher – strukturierten derivativen Finanzinstrumenten bestehen, ist offen.

3.2  Verjährungsfristen

Bei der Durchsetzung möglicher Ansprüche aus der Verletzung von Beratungspflichten sind zudem die einschlägigen Verjährungsfristen zu beachten. Nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195 ff. BGB gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem die Kommune die Falschberatung erkennt oder hätte erkennen müssen. Unabhängig von dieser Kenntnis verjähren die Schadenersatzansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Ob bei Derivatgeschäften ggf. auch kürzere spezialgesetzlich geregelte Verjährungsfristen einschlägig sein können, bedarf der Prüfung im Einzelfall. § 37a WpHG a. F. etwa regelte eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Fristbeginn war der Zeitpunkt des Erwerbs des Wertpapiers, über das der Anleger unzureichend aufgeklärt oder beraten worden ist. Ob Derivatgeschäfte den Erwerb eines Wertpapiers zum Gegenstand haben, was Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Spezialvorschrift wäre, ist strittig. Gefestigte Rechtsprechung dazu liegt bislang nicht vor.

3.3  Eigenverantwortung der Kommunen auch bei Einschaltung externer Berater

Die immer wieder bekannt werdenden z. T. beträchtlichen Verluste – auch bei Einschaltung externer Berater – erfordern es, noch einmal die Eigenverantwortung der Kommune bei der Entscheidung über den Einsatz derivativer Finanzinstrumente und die Notwendigkeit ausreichenden eigenen Fachwissens in der Kommune hervorzuheben (vgl. Schreiben vom 8. November 1995, Az.: IB4-1513, aktualisiert mit Schreiben vom 14. September 2009, im Internet unter http://www.innenministerium.bayern.de/buerger/kommunen/finanzen/). Das gilt gerade auch bei der Einschaltung externer Berater (vgl. Nr. 6.2 der o. a. Bekanntmachung). Ob die zuständigen Bediensteten der Kommune über ausreichende Fachkenntnisse verfügen, muss die Kommune eigenverantwortlich beurteilen. Ggf. muss sie für eine ausreichende Qualifikation (z.B. durch Schulungen und Fortbildungen) sorgen. Angesichts der schwierigen Materie kann es auch geboten sein, sich entsprechend dem vorhandenen Fachwissen auf einfacher strukturierte Geschäfte und eine risikoärmere Zinssteuerungsstrategie (z.B. Zinssicherung statt Zinsoptimierung) zu beschränken. Dies gilt insbesondere auch bei knapper Personalausstattung.

3.4  Derivatgeschäfte kommunaler Unternehmen

Da – wie sich in der kommunalen Praxis ebenfalls gezeigt hat – nicht nur eigene Derivatgeschäfte der Kommune, sondern – z.B. über Einstands- bzw. Nachschusspflichten – auch solche Geschäfte kommunaler Unternehmen die Haushaltswirtschaft bzw. die dauernde Leistungsfähigkeit der Kommune beeinträchtigen können, weisen wir erneut darauf hin, dass kommunale Unternehmen im Rahmen ihrer öffentlichen Zweckbestimmung nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie dem Gebot der Minimierung finanzieller Risiken zu führen sind. Das gilt u. a. auch hinsichtlich des Einsatzes von Derivaten. Zudem endet die Verantwortung der Kommune nicht mit der Errichtung, Übernahme oder Beteiligung an einem kommunalen Unternehmen. Auf die Erfordernisse einer dem Umfang der unternehmerischen Beteiligungen angemessenen Beteiligungsverwaltung bzw. eines entsprechenden Beteiligungscontrollings haben wir unter Nr. 6.3 der Bekanntmachung vom 10. März 2010 (AllMBl S. 87) hingewiesen.
Im Einzelfall kann es geboten sein, bei der Erteilung von Kreditgenehmigungen durch Nebenbestimmungen darauf hinzuwirken, dass die kommunale Beteiligungskontrolle, gerade auch was den Einsatz derivativer Finanzinstrumente zur Zinssteuerung betrifft, ausreichend wahrgenommen wird.