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LG München I, Endurteil v. 19.12.2019 – 17 HK O 11322/18
Titel:

Werbung mit Preisnachlass für schönheitschirurgische Eingriffe

Normenketten:
UWG § 2, § 3a
GoÄ § 1, § 5
Heilberufe-Kammergesetz - HKaG Art. 18 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Die Regelungen in § 5 der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ), nach denen Preisnachlässe für ärztliche Heilbehandlungen nicht vorgesehen sind, stellen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG dar (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Rechtsbruch
Fundstellen:
WRP 2020, 518
LSK 2019, 39903
GRUR-RS 2019, 39903

Tenor

I) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr mit Rabatten auf ärztliche Behandlungen und/oder Operationen zu werben,
insbesondere mit den Werbeaussagen „10 % Rabatt auf alle Behandlungen & Operationen“ und/oder „30 % Rabatt auf Ihre nächste Unterspritzung“, wenn dies geschieht, wie nachfolgend eingelichtet:
II) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer I) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1
Die Klagepartei, ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, macht gegen die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
2
Die Beklagte ist nach ihren eigenen Angaben mit 28 Standorten und rund 10.000 Behandlungen im Jahr einer der führenden Betreiber von ärztlichen Einrichtungen für plastische und ästhetische Medizin in Deutschland und Europa. Das Leistungsangebot der Beklagten umfasst die Bereiche Schönheitschirurgie bzw. plastische Chirurgie. Neben Klinikstandorten betreibt die Beklagte hierfür auch ärztliche Beratungszentren und Behandlungspraxen, wie etwa in …. Entsprechend ihren eingehenden Angaben schließt die Beklagte die Verträge mit den Patienten ab.
3
Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit bewirbt die Beklagte mit einem Anschreiben anlässlich des Bezuges neuer Praxisräume der Beklagten in München die dem Patienten zu erbringenden ärztlichen Leistungen zum Teil mit pauschalen Rabatten. Insoweit wird auf Anlage K1 Bezug genommen, in der die Beklagte einen pauschalen Rabatt von 10 % „auf alle Behandlungen & Operationen“ sowie von 30 % „auf Ihre nächste Unterspritzung“ auslobt wie folgt:
4
Weil die Klagepartei hierin einen Verstoß gegen §§ 3 a UWG, 1, 5 GoÄ sieht, mahnte sie die Beklagte mit Schreiben vom 07.03.2018 (Anlage K2) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Nachdem eine solche nicht abgegeben wurde, macht die Klagepartei den Unterlassungsanspruch im Klagewege geltend.“
5
Die Klagepartei trägt vor, die Bewerbung der zu erbringenden Leistungen mit pauschalen Rabatten sei wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil ein Verstoß gegen §§ 3 a UWG, 1, 5 GoÄ vorliege. Der Anwendungsbereich der GoÄ für die Beklagte sei unmittelbar gegeben. Die GoÄ regele, für welche Leistungen und in welcher Höhe für Leistungen, die von Ärzten erbracht werden, Vergütung verlangt werden könne. Die Vorschrift des § 5 GoÄ diene speziell dem Patientenschutz, Transparenz privatärztlicher Liquidationen und angemessene leistungsgerechte Vergütung solle erreicht werden. § 5 GoÄ diene auch der Regelung des (Preis)-Wettbewerbs unter den Ärzten, dem Schutz von Patienten vor Dumping-Preisen. Die Vorschriften sollten auch zum Schutz der Patienten eine gleichbleibend hohe Qualität flächendeckend gewährleisten. Sie dienten auch dazu, einen ruinösen Wettbewerb im Interesse eines funktionierenden Gesundheitswesens entgegenzuwirken. Dieser Gesetzeszweck könne nicht durch die Auslagerung auf juristische Personen umgangen werden. § 1 GoÄ gelte auch dann, wenn der Verhandlungsbetrag mit einer juristischen Person geschlossen werde. Die GoÄ komme immer dann zur Anwendung, wenn die beruflichen Leistungen der Ärzte abgerechnet werden, unabhängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten geworden ist. Die Leistung werde hier dem Patienten erbracht.
6
Mit der in Rede stehenden Werbung lobe die Beklagte Rabatte aus, um eine Praxis kennen zu lernen. Es handle sich somit nicht um einen totalen Krankenhausaufnahmevertrag, für den die GoÄ nicht gelte, sondern um die Bewerbung ärztlich zu erbringender Leistungen. Die Beklagte biete Operationen und Unterspritzungen, somit ärztliche Leistungen an, die GoÄ gelte somit für die Beklagte unmittelbar.
7
Aus den oben ausgeführten Gründen handele es sich bei den Vorschriften der §§ 1, 5 GoÄ um Marktverhaltensvorschriften im Sinne von § 3 a UWG, da diese Vorschriften im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln würden. Der Verstoss der Beklagten sei auch geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.
8
Die Klagepartei beantragt daher:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr mit Rabatten auf ärztliche Behandlungen und/oder Operationen zu werben,
insbesondere mit den Werbeaussagen „10 % Rabatt auf alle Behandlungen & Operationen“ und/oder „30 % Rabatt auf Ihre nächste Unterspritzung“, wenn dies geschieht, wie nachfolgend eingelichtet:
9
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
10
Die Beklagte trägt vor, sie müsse die Vorgaben der GoÄ nicht einhalten, weil § 1 GoÄ unmittelbar nur für die beruflichen Leistungen der Ärzte, nicht auch die anderer Heil - oder Heilhilfsberufe gelte. Arzt sei jeder, der aufgrund der BÄO (Bundesärzteordnung) zur Ausübung des Berufes „Arzt“ berechtigt sei. Die Anwendung der GoÄ setze somit voraus, dass dem Arzt gegenüber dem Patienten ein zivilrechtlicher Vergütungsanspruch zustehe, §§ 611 ff BGB. Dies sei aber vorliegend nicht gegeben. Ermächtigungsgrundlage für die GoÄ sei § 11 BÄO, die GoÄ regele die Vergütung der Ärzte im Sinne einer Taxe nach § 612 Abs. 2 BGB. Die Beklagte sei aber kein Arzt, weshalb die Gebührenordnung für die Beklagte nicht anwendbar sei. Eine analoge Anwendbarkeit der GoÄ auf die Beklagte scheide ebenfalls aus. Aus diesem Grunde sei die Klage unbegründet.
11
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 19.12.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A)
12
Die zulässige Klage ist aus den nachfolgenden Gründen begründet:
I)
13
Die Aktivlegitimation der Klagepartei im Sinne von § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nummer 2 UWG ist nicht substantiiert bestritten und ist im Übrigen allgemein anerkannt (vergleiche Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, Einleitung Rn. 2.45).
II)
14
Bei der Werbung der Beklagten mit Ihrem Schreiben vom Januar 2018 (Anlage K1) handelt es sich um eine geschäftliche Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nummer 1 UWG, weil dieses Schreiben dem Zweck dient, Waren bzw. Dienstleistungen der Beklagten abzusetzen, sodass es sich um ein Verhalten der Beklagten zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt, welches mit der Förderung des Absatzes oder des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen unmittelbar objektiv zusammenhängt.
III)
15
Die Bewerbung der Beklagten mit der Auslobung „10 % Rabatt auf alle Behandlungen & Operationen“ sowie „30 % Rabatt auf Ihre nächste Unterspritzung“ ist wettbewerbsrechtlich unzulässig nach den §§ 3 a UWG, 5,1 GoÄ:
16
1) Die GoÄ ist auf die Beklagte unmittelbar anwendbar.
17
Zunächst ist einmal festzuhalten, dass nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 HKaG (Heilberufe-Kammergesetz - HKaG) das Führen einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechtes nicht statthaft ist, so dass sich die Beklagte zur Erbringung der ärztlichen Leistungen Dritter, nämlich Ärzten bedient.
18
Die Beklagte erbringt für Patienten, mit denen sie Verträge abschließt, somit mittelbar ärztliche Leistungen, nämlich Behandlungen und Operationen sowie Unterspritzungen, bei denen es sich ebenfalls um ärztliche Leistungen handelt, wobei sie selbst den Behandlungsvertrag mit dem Patienten abschließt und die Leistung sodann von einem Arzt erbracht wird.
19
An der Anwendbarkeit der GoÄ ändert der Umstand nichts, dass das Angebot, hier entsprechend Anlage K1, nicht von einem Arzt unmittelbar stammt, sondern einer juristischen Person (vergleiche Kammergericht, Urteil vom 04.10.2016, Aktenzeichen 5U8/16 mit weiteren Nachweisen). Denn § 1 Abs. 1 GoÄ stellt allein auf die beruflichen Leistungen der Ärzte ab, ohne zwischen Leistungen zu differenzieren, die aufgrund eines Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Angestellten- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses ohne eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden (vergleiche Kammergericht a.a.O.). Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass der Wortlaut der Vorschrift des § 1 GoÄ weit gefasst ist und die Vergütung für ärztliche Leistungen insgesamt erfasst (vergleiche Kammergericht a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Es besteht auch keine Notwendigkeit, den Gesetzeswortlaut einschränkend auszulegen. Denn nur die oben dargestellte Auffassung ist geeignet, den in der Ermächtigungsnorm zum Ausdruck kommenden Zweck der Gebührenordnung, einen angemessenen Ausgleich der berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten herbeizuführen, zur Durchsetzung zu verhelfen. Gründe dafür, dass die Interessen der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten weniger schutzwürdig und die Interessen der an den Entgelten Berechtigten weniger regelungsbedürftig sein sollten, wenn die ärztliche Tätigkeit durch einen Berufsträger erbracht wird, der von einer juristischen Person beschäftigt wird und diese juristische Person Vertragspartner des Patienten wird, sind nicht ersichtlich (so auch Kammergericht a.a.O.).
20
Die Beklagte bewirbt mit den Rabatten, die sie gewährt, Behandlungen, Operationen und Unterspritzungen, somit ärztliche Leistungen, die durch von ihr beauftragte Ärzten erbracht werden. Es geht auch nur um ärztliche Leistungen alleine und nicht um mehrere unterschiedliche Leistungen umfassende Pakete wie bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag.
21
Aus diesem Grunde sind die Vorschriften der GoÄ für die Beklagte unmittelbar anwendbar.
22
2) Mit der Gewährung der hier in Rede stehenden Rabatte entsprechend der Bewerbung in Anlage K1 verstößt die Beklagte gegen §§ 1,5 GoÄ.
23
Die Beklagte bietet hier für Behandlungen, Operationen und Unterspritzungen die Gewährung von Rabatten an und verstößt somit gegen § 5 GoÄ, welcher regelt, in welcher Höhe für welche ärztlicherseits erbrachten Leistungen Honorare verlangt werden können und der die Gewährung von Rabatten, wie von der Beklagten ausgelobt, nicht vorsieht.
24
3) Damit hat die Beklagte einen Rechtsbruch nach § 3 a UWG In Verbindung mit § 5 GoÄ begangen. Bei § 5 GoÄ handelt es sich um eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne von § 3a UWG, weil durch diese im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten geregelt wird. Wie von der Klagepartei zutreffend ausgeführt, dient § 5 GoÄ speziell dem Patientenschutz, die Transparenz privatärztlicher Liquidationen, sowie eine angemessene leistungsgerechte Vergütung sollen erreicht werden. § 5 GoÄ dient auch der Regelung des (Preis)-Wettbewerbs unter den Ärzten und dem Schutz der Patienten vor Dumping-Preisen. Es soll eine gleichbleibend hohe Qualität flächendeckend gewährleistet werden und die Vorschrift soll einem ruinösen Wettbewerb zum Interesse eines funktionierenden Gesundheitswesens entgegen wirken.
25
Der Rechtsverstoß der Beklagten ist auch grundsätzlich geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, weil auch Patienten, die sich einer plastischen - oder Schönheitschirurgie unterziehen wollen, wie sonstige Konsumenten auch dazu neigen, die Leistung zu einem möglichst günstigen Preis zu erlangen. Würde die Gewährung von Rabatten bei ärztlichen Leistungen zugelassen, bestünde zu Lasten der Verbraucher die Gefahr, dass der Patientenschutz, nämlich eine gleichbleibend hohe Qualität flächendeckend zu gewährleisten, beeinträchtigt würde.
26
Damit erweist sich der von der Klagepartei geltend gemachte Unterlassungsanspruch als begründet nach den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 a UWG, 1, 5 GoÄ und war daher der Klage stattzugeben.
B)
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
C)
28
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.