Titel:
Keine jederzeitige Widerrufsmöglichkeit des Auftragsverhältnisses zwischen Nachlasspfleger als Vertreter der Erben und Erbenermittler
Normenketten:
BGB § 662, § 671
ZPO § 308
Leitsätze:
1. Erteilt der Nachlasspfleger dem Erbenermittler im Namen der Erben eine Vollmacht, liegt dem in der Regel ein Auftragsverhältnis zugrunde (anders nachfolgend OLG München BeckRS 202, 40643). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei vom Nachlasspfleger begründeten Auftragsverhältnis zwischen Erben und Erbenermittler ist ein jederzeitiger Widerruf nicht möglich. (Rn. 36 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erbenermittler, Auftrag, Vollmacht, Widerruf, Bestimmtheit des Klageantrags, Auskunftsanspruch, Nachlasspfleger
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.10.2020 – 33 U 4381/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 40644
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 12.3.2020 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die durch ihre Säumnis entstandenen Kosten, die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Erteilung von Auskünften bzw. die Herausgabe diverser Unterlagen aufgrund der Tätigkeit der Beklagten als Erbenermittlerin.
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Herr … ist am … verstorben. Das Amtsgericht - Nachlassgericht - … ordnete am 26.2.2013 Nachlasspflegschaft an und bestellte … zum Nachlasspfleger, dessen Wirkungskreis die Ermittlung der Erben, Sicherung des Nachlasses und dessen Verwaltung ist.
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Mit Schreiben vom 10.2.2017 bat der Nachlasspfleger die Beklagte um Aufnahme der Erbenermittlung.
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Mit Schreiben vom 17.2.2017 betätigte die Beklagte die Übernahme des Auftrages zur Ermittlung der Erben des ….
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In diesem Schreiben heißt es u.a. unter 3.: „Wir bestätigen Ihnen hiermit ausdrücklich, dass Ihnen, sehr geehrter …, als Nachlasspfleger sowie dem Nachlassgericht aufgrund unserer Tätigkeit keinerlei Kosten und Gebühren entstehen. (…)
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Sofern wir Erben ermitteln, wovon wir ausgehen, werden wir den Erben einen Vorschlag für die Honorierung unserer Tätigkeit unterbreiten und bei Zustimmung durch die Erben mit diesen eine entsprechende Gebührenvereinbarung abschließen.
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Hinsichtlich unserer Vergütung teilen wir Ihnen mit, dass wir prinzipiell nur eine Vergütung im mittleren Rahmen dessen, was die Rechtsprechung für angemessen und üblich erachtet, mit den Erben vereinbaren. (…)
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Durch uns ermittelte Miterben werden vor Abschluss einer Gebührenvereinbarung ausführlich über
- a)
-
das Nachlassverfahren
- b)
-
den vorhandenen Nachlass
- c)
-
die erbrechtlichen Verhältnisse und
- d)
-
auf die Erben entfallende Erbanteile informiert
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Nach vollständiger Information der Erben werden wir die Erben um Abschluss einer Gebührenvereinbarung für unsere Tätigkeiten bitten. Gegenüber dem Nachlassgericht und Ihnen gegenüber werden wir keinerlei Gebühren oder Kosten geltend machen. (…)“
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Unter Ziffer 6 heißt es: „Wir werden Sie als Nachlasspfleger und das Nachlassgericht laufend über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten in Kenntnis setzen.“
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagen vom 17.2.2017 überschrieben mit Eingangsbestätigung Bezug genommen (unnummerierte Anlage der Klagepartei zur Klageschrift).
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Mit Schreiben vom 17.2.2017 erteilte der Nachlasspfleger der Beklagten Auftrag und Vollmacht, die Erbenermittlung durchzuführen (Anhang zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.6.2020).
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Die Beklagte fertigte im Lauf der Ermittlungen Sachstandsberichte, die sie dem Nachlasspfleger zukommen ließ. Der letzte datiert vom 4.12.2018.
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Nachdem die Bekagtenpartei auf Sachstandanfragen des Nachlasspflegers vom 7.3.2019 und vom 10.4.2019 nicht reagiert hatte, entzog der Nachlasspfleger mit Schreiben vom 2.5.2019 der Beklagten den erteilten Auftrag.
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Die Klagepartei trägt vor, dass zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestehe, wonach sie gemäß § 666 BGB von der Beklagten Auskunft verlangen könne; zudem habe die Beklagte alles, was sie im Rahmen des ihr übertragenen Auftrages erlangt habe, an die Klagepartei herauszugeben.
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Am 12.3.2020 erging wegen Säumnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ein Versäumnisurteil, wonach die Beklagte wie folgt verurteilt wurde:
1. a) Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Auskunft über ihre Tätigkeit im Rahmen der Erbenermittlung der verstorbenen … zu erteilen, insbesondere darzulegen welche Standesämter, Kirchenämter bzw. sonstige Behörden incl. deren Anschriften in welchen Ländern mit welchem Ergebnis von ihr kontaktiert wurden, weiterhin anzugeben, welche Personenstandsurkunden ihr aufgrund ihrer Ermittlungstätigkeit über Verwandte der Verstorbenen vorliegen, die als Erben in Betracht kommen.
1. b) Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, nach Maßgabe der von ihr gemäß Ziff. 1 a) zu erteilenden Auskunft die zwischen ihr und den dort erwähnten Dritten (Behörden, Kirchen, etc.) geführte Korrespondenz (Anfragen und Antworten) sowie Personenstands- und sonstige Urkunden an die Kläger zu Händen des Nachlasspflegers … herauszugeben.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € freizustellen,
Gegen das Versäumnisurteil, das der Beklagten am 21.3.2020 zugestellt wurde, legt die Beklagte mit Schriftsatz vom 1.4.2020 Einspruch ein.
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Die Klagepartei beantragt zuletzt,
das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 12.3.2020 aufrechtzuerhalten
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Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 12.3.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Es fehle an einem Auftragsverhältnis zwischen den Parteien. Insoweit nimmt die Beklagte Bezug auf einen Beschluss des OLG Düsseldorf vom 5.3.2014, Az. I-3 Wx 192/13, wonach ein Nachlasspfleger in der Praxis typischerweise kein Vertragsverhältnis mit dem gewerblichen Erbenermittler eingehe, sondern diesem den betreffenden Fall lediglich herantrage und ihm seine Unterlagen zusammen mit einer Ermittlungsvollmacht übergebe.
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Es sei keine Vereinbarung zwischen den Parteien dergestalt getroffen worden, dass es einen Anspruch auf vollständige und abschließende Auskunft bereits vor Abschluss der Erbenermittlung gebe. Die Beklagte habe sich lediglich verpflichtet, Nachlasspfleger und Nachlassgericht laufend über den Stand der Erbenermittlung in Kenntnis zu setzen.
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Der Beklagte habe ein berechtigtes Interesse daran, ihre vertragliche Pflicht zur Berichterstattung von der Ermittlung der übrigen Erben abhängig zu machen.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 12.3.2020 und 28.5.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage war unbegründet. Das Versäumnisurteil vom 12.3.2020 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Grundsätzlich ist ein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret (beziffert oder gegenständlich) bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) erkennbar abgegrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko des (evtl. teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und wenn er (als Leistungsantrag) die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, NJW 1999, 954, Zöller, ZPO-Kommentar, 31. Aufl. 2016, § 253 ZPO, Rn. 13).
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Gemessen an diesen Gesichtspunkten sind die Klageanträge hinreichend bestimmt.
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Die Beklagte soll über alles, worüber sie aufgrund der Erbenermittlung im Fall des verstorbenen … Kenntnis erlangte, Auskunft erteilen und alle hierdurch erlangten Unterlagen herausgeben. Die Kläger können die Klageanträge, weil sie gerade nur eingeschränkt über die Sachstandsberichte Kenntnis von der Ermittlungen haben, nicht konkreter fassen, sondern nur erahnen, über welche Informationen die Beklagte verfügen könnte bzw. welche Unterlagen die Beklagte haben könnte. Entsprechend wurden die Klageanträge formuliert.
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Aus Sicht des Gerichts ist zwischen den Parteien entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei ein Auftrag zur Ermittlung der Erben i.S.v. § 662 BGB geschlossen worden.
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Ausweislich der vorgelegten Schriftstücke hat der Nachlasspfleger der Beklagten einen Auftrag zur Erbenermittlung erteilt, den die Beklagte auch annahm. Beide Parteien verwendeten den Begriff „Auftrag“ explizit in ihren jeweiligen Schreiben. Zudem erteilte der Nachlasspfleger der Beklagten auch Vollmacht zur Durchführung der Erbenermittlung und der damit einhergehenden Auskunftserholung bei Behörden etc., sowie verpflichtete sich die Beklagte, den Nachlasspfleger über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten in Kenntnis zu setzen.
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Zwar ist dem Gericht bewusst, dass der von den Parteien mehrfach benutzte Ausdruck „Auftrag“ noch nicht besagt, dass das der Vollmachtserteilung zugrunde liegende Kausalverhältnis rechtlich nur als Auftrag anzusehen ist, allerdings wird dies, sofern kein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, wie hier, in der Regel angenommen.
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Die Besorgung „Erbenermittlung“ liegt auch im fremden Interesse, da der Nachlasspfleger (auch) zur Ermittlung der Erben vom Nachlassgericht bestellt wurde. Dass der Beauftrage auch eigene Interessen verfolgt, wie hier ein möglicher Abschluss einer Honorarvereinbarung mit den ermittelten Erben, steht dem nicht entgegen (Palandt, BGB-Kommentar, 78. Auflage, 2019, § 662, Rdnr. 7).
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Die Besorgung des Geschäfts erfolgt auch ausdrücklich unentgeltlich.
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Der Ansicht des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 5.3.2014, Az. I-3 Wx 192/13) folgt das Gericht nicht, wonach der Nachlasspfleger in der Praxis typischerweise kein Vertragsverhältnis - auch kein Auftragsverhältnis - mit dem Erbenermittler eingehe. Dies wird immer Sache der Einzelfallentscheidung sein.
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Der Auftrag ist aber noch nicht beendet, auch nicht durch den Widerruf der Klagepartei vom Mai 2019.
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Jedenfalls bei Beendigung des Auftrages könnte die Klagepartei Rechenlegung sowie die Herausgabe des Erlangten vom Beauftragten verlangen (Palandt, BGB-Kommentar, 78. Auflage, 2019, § 666 BGB, Rdnr. 4; § 667 BGB, Rdnr. 8).
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Bei Erteilung des Auftrages war der Klagepartei bewusst, dass die Beklagte als gewerbliche Erbenermittlerin den Auftrag nur angenommen hatte, weil sie davon ausging, die Erben zu ermitteln, um dann ihre Kosten und ihren Zeitaufwand über eine Honorarvereinbarung erstattet zu bekommmen. Der Auftrag konnte, was allen Parteien bewusst war, mehrere Jahre dauern, insbesondere bei der Ermittlung von Erben im Ausland. Der Nachlasspfleger hat offensichtlich selbst mehrere Jahre (2013 bis 2017) ermittelt, bevor er den Auftrag an einen gewerblichen Erbenermittler weitergab. Der Auftrag an die Beklagte erfolgte erst im Jahre 2017. Die Erben wurden unstreitig (noch) nicht ermittelt, so dass der Auftrag noch nicht beendet ist.
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Laut § 671 BGB ist der Widerruf des Auftrages durch den Auftraggeber zwar jederzeit möglich, dies aber vor allem vor dem Hintergrund, dass der Auftrag im Allgemeinen auf dem Wesen des Auftrages als eines persönlichen Vertrauensverhältnisses, das grundsätzlich ein unbeschränkte Bindung des Auftraggebers an den Willen des Beauftragten verbietet, beruht (BGH, Urteil vom 13.5.1971, Az. VII ZR 310/69). Deshalb ist das Widerrufsrecht jedenfalls dann unverzichtbar, wenn der Auftrag nur den Interessen des Auftraggebers dient. Anders ist es dagegen, wenn die Ausführung des Auftrages auch im Interesse des Beauftragten liegt und dessen Interesse denjenigen des Auftraggebers zumindest gleichwertig sind.
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Dem Nachlasspfleger war bei Auftragserteilung bewusst, dass die Beklagte als gewerbliche Erbenermittlerin auch gewinnorientiert agiert, und den Auftrag nur annahm, mit der Aussicht, mit dem ermittelten Erben eine Gebührenvereinbarung zu schließen; nur aus diesem Grund arbeitete die Beklagte zunächst. Der Auftrag war auch erkennbar auf mehrere Jahre ausgerichtet.
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Ein jederzeitiger Widerruf des Auftrages war aus diesem Grund nicht möglich.
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Andernfalls würde der Beklagte die Möglichkeit genommen, zu einer Bezahlung ihrer Tätigkeit zu kommen. Dass eine Erbenermittlung im Ausland schwierig sein dürfte und durchaus Jahre in Anspruch nehmen kann, dürfte beiden Parteien bei Vertragsschluss klar gewesen sein.
40
Somit wäre ein Widerruf nur aus wichtigem Grund zulässig, der beide Interessen ausreichend berücksichtigt. Ein solcher ist aber nicht gegeben.
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Nachdem der Nachlasspfleger selbst mehrere Jahre (von 2013 an) die Erbenermittlung durchführte, nahm er 2017 mit der Beklagten professionelle Hilfe in Anspruch. Der Auftrag war somit von vornherein auf eine längere Dauer, über mehrere Jahre, gerichtet.
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Bis zum erklärten Widerruf am 2. Mai 2019 erfolgten beklagtenseits, wenn auch auf Nachdruck des Nachlasspflegers, insgesamt 3 mit Sachstandsbericht überschreibende Mitteilungen sowie drei weitere Schreiben (vom 28.11.2018, 1.12.2018 und 4.12.2018).
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Zwar sollte der Nachlasspfleger laufend über den Stand der Ermittlungen informiert werden, eine zweimalige Mitteilung pro Jahr erscheint dem Gericht allerdings ausreichend, zumal der Nachlasspfleger auch nur einmal pro Jahr einen Tätigkeitsbericht gegenüber dem Nachlassgericht vorlegen muss.
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Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte überwog das Interesse der Beklagten an einer weiteren insbesondere erfolgreichen Ermittlung der Erben, und damit einhergehend die Möglichkeit, ihre Kosten und ihren Arbeitsaufwand erstattet zu bekommen, gegenüber den Interessen der Klagepartei, möglichst andauernd über Sachstandsberichte auf dem Laufenden gehalten zu werden.
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Für das Gericht steht hingegen nicht fest, dass der Beklagte tatsächlich die Ermittlungen eingestellt hat, nur weil er auf Anfragen des Nachlasspflegers vom 7.3.2019 und 10.4.2019 nicht umgehend antwortete, zumal der letzte Sachstandsbericht Anfang Dezember 2018 erfolgte, also erst ein halbes Jahr zuvor.
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Die Fortsetzung des Auftrages erscheint dem Gericht daher zumutbar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO; die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1 und S. 2 ZPO.