Titel:
Erweiterte Gewerbeuntersagung wegen gewerbebezogener Straftaten
Normenkette:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Die Verwaltungsgerichte müssen sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegt - wobei sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürfen -, und in eigener Verantwortung prüfen, ob dies eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigt. Hiervon ist bei erheblichen gewerbebezogene Straftaten auszugehen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vorsätzliche Insolvenzverschleppung, vorsätzliche Verletzung der Buchführungspflicht und vorsätzlicher Bankrott legen eine Unzuverlässigkeit nahe. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Nichtabgabe der Vermögensauskunft, Gewerbebezogene Straftat, Insolvenzverschleppung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27775
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
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Zum 1. Oktober 2016 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Ausübung des Gewerbes "Einbau von genormten Baufertigteilen (z.B. Fenster, Türen, Zargen, Regale); Durchführung von Entrümpelungen und/oder Wohnungsauflösungen" an.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 2019 teilte die Staatsanwaltschaft München I der Beklagten mit, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 18. Dezember 2018 rechtskräftig wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott gemäß §§ 15a Abs. 4 Insolvenzordnung, 283 Abs. 1 Nr. 7b, Abs. 6, 283b Abs. 1 Nr. 3b, 53 Strafgesetzbuch zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt wurde. Der Verurteilung liegt nach den Feststellungen des Amtsgerichts München zugrunde, dass die GM Umzüge M. UG (haftungsbeschränkt), deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer seit 30. September 2014 der Kläger war, spätestens seit 6. Juni 2016 zahlungsunfähig war. Obwohl dem Kläger die Zahlungsunfähigkeit spätestens seit 6. Juni 2016 bekannt gewesen sei, weil an diesem Tag das Geschäftskonto der Gesellschaft vom Finanzamt wegen offener Steuern gepfändet worden sei, habe er es unterlassen, innerhalb von drei Wochen für die UG Insolvenzantrag zu stellen. Auch sei der Kläger seiner Verpflichtung, innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres die Bilanz über das Vermögen der Gesellschaft zu erstellen, für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 nicht nachgekommen. Am 4. August 2016 wurde seitens des Finanzamts Fremdinsolvenzantrag gestellt. Mit Beschluss vom 16. November 2016 hat das Amtsgericht München - Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgewiesen. Bei der Strafzumessung hat das Amtsgericht München zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass der Kläger weitestgehend geständig war, die Verbindlichkeiten auf Steuerschätzbescheiden beruhten und die Bilanz 2014 lediglich verspätet erstellt wurde. Strafschärfend wurde berücksichtigt, dass der Kläger erheblich vorbestraft ist und keinen Eigeninsolvenzantrag gestellt hat.
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Das Finanzamt M. teilte der Beklagten am 12. März 2019 mit, dass hinsichtlich des Klägers ein Steuerrückstand in Höhe von 2.988,62 Euro bestehe. Nach Auskunft des Finanzamts habe sich dieser zum 27. November 2019 auf 135,- Euro belaufen. Das Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt M. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 4. März 2019 mit, dass hinsichtlich der GM Umzüge M. UG ein Gewerbesteuerrückstand in Höhe von 20.511,- Euro bestehe. Nach Auskunft des Kassen- und Steueramts habe dieser zum 27. November 2019 in gleicher Höhe bestanden. Die AOK teilte der Beklagten am 27. November 2019 mit, dass der Kläger Beitragsrückstände in Höhe 7.165,85 Euro habe und eine Zahlungsvereinbarung nicht bestehe. Nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten hatte der Kläger am 20. Februar 2019 sechs Eintragungen im Vollstreckungsportal. Am 27. November 2019 hatte der Kläger noch zwei Eintragungen im Vollstreckungsportal, davon eine Eintragung wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft und eine Eintragung wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung.
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Mit Schreiben vom 21. Februar 2019 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung angehört. Der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer wurde mit Schreiben vom 13. Februar 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Am 28. März 2019, 2. Mai 2019 und 21. Mai 2019 nahm der Kläger Stellung und führte im Wesentlichen aus, es sei eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt geplant. Die Forderung des Kassen- und Steueramts der Landeshauptstadt M. betreffe die GM Umzüge UG und nicht ihn persönlich. Von den Eintragungen im Vollstreckungsportal würden sich zwei Eintragungen auf die UG beziehen, zwei weitere Eintragungen seien unberechtigt, da er die Ware nicht erhalten habe. Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 reichte er Unterlagen zu den Eintragungen im Vollstreckungsportal sowie Schreiben des Finanzamts ein. Mit Schreiben vom 1. Juli 2019 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 2. Dezember 2019 Belege über die Löschung aller Einträge im Vollstreckungsportal sowie Nachweise über die Tilgung aller Rückstände beim Finanzamt M. und beim Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt M. vorzulegen. Derartige Unterlagen legte der Kläger nicht vor.
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Mit Bescheid vom 2. Dezember 2019, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 11. Dezember 2019, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes "Einbau von genormten Baufertigteilen (z.B. Fenster, Türen, Zargen, Regale); Durchführung von Entrümpelungen und/oder Wohnungsauflösungen" (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nummer 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4). Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 454,98 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummer 5).
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Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme. Die beharrliche Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen lasse nicht nur auf wirtschaftliche Schwierigkeiten schließen, sondern offenbare einen mangelnden Leistungswillen. Wie sich aus den Eintragungen im Vollstreckungsportal ergebe, befinde sich der Kläger in ungeordneten Vermögensverhältnissen. Der Zustand der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit halte unvermindert an. Anzeichen für eine Besserung seien nicht erkennbar. Des Weiteren ergebe sich die Unzuverlässigkeit des Klägers aus den der Verurteilung wegen Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzverschleppung zugrunde liegenden Tatsachen. Zwar habe der Kläger die Straftat in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der von ihm vertretenen Gesellschaft begangen, jedoch lasse diese Rückschlüsse auf das gewerberechtliche Verhalten des Klägers als Einzelgewerbetreibender zu. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Durch die Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen verschaffe sich der Kläger einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern. Auch bestehe die Gefahr weiterer Vermögensschädigungen Dritter. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Gewerbetreibenden an der Ausübung einer von der Gewerbeuntersagung erfassten Tätigkeit habe hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zurückzutreten. Die Frist zur Einstellung des Betriebes sei angemessen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsgeld verspreche im Hinblick auf die finanzielle Situation des Klägers keinen Erfolg.
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Mit Schreiben vom 17. Dezember 2019, eingegangen am 30. Dezember 2019, wandte sich der Kläger an das Verwaltungsgericht München und legte "Widerspruch" ein.
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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, ihm sei eine Frist bis zum 2. Dezember 2019 zur Vorlage von Unterlagen gesetzt worden, der Bescheid sei allerdings am 2. Dezember 2019 schon geschrieben gewesen. Die Eintragungen im Schuldnerportal seien gelöscht und die Schulden beim Finanzamt beglichen. Die Rückstände beim Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt M. würden sich auf die Firma GM Umzüge beziehen und nicht auf ihn. Hinsichtlich der Forderung der AOK überprüfe die AOK derzeit die Gebührenhöhe.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt die Beklagte mit Schreiben vom 27. Januar 2020 im Wesentlichen aus, für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit sei auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, nachträgliche Änderungen würden außer Betracht bleiben. Die gewerberechtliche Zuverlässigkeit beurteile sich allein nach objektiven Maßgaben, subjektive Aspekte seien nicht entscheidungserheblich. Bei der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung handele es sich um ein Vermögensdelikt mit Gewerbebezug für alle Gewerbezweige.
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Mit Beschluss vom 13. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Das Gericht hat am 31. August 2020 zur Sache mündlich verhandelt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. August 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2020 entschieden werden, obwohl seitens der Klagepartei niemand erschienen ist. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 15. Juli 2020, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 17. Juli 2020, rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Sitzung geladen. Mit der Ladung wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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Das an das Verwaltungsgericht München gerichtete und als "Widerspruch" bezeichnete Schreiben des Klägers wird, da ein Widerspruch gemäß Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) im vorliegenden Fall nicht statthaft ist, im wohlverstandenen Interesse des Klägers gemäß § 88 VwGO als Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 2. Dezember 2019 aufzuheben, ausgelegt.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
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a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm "mildernde Umstände" zur Seite stehen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff; BayVGH, B.v. 8.5.2015 - 22 C 15.760 - juris).
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Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese - durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete - Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris).
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Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - juris). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (BayVGH, B.v. 8.7.2013 - 22 C 13.1163 - juris).
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Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt (BVerwG, B.v. 11.11.1996 - 1 B 226/96 - juris). Dies bedeutet aber nicht, dass die die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände bei rechtswidrigem Verhalten des Gewerbetreibenden ausnahmslos in jedem Fall bejaht werden können, ohne dass hierbei die Frage in den Blick genommen würde, inwieweit Pflichtverletzungen vorsätzlich bzw. fahrlässig begangen wurden. Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann die Prüfung, ob sich der Gewerbetreibende künftig erneut falsch verhalten und damit die Allgemeinheit oder die im Betrieb Beschäftigten gefährden wird, regelmäßig nicht zutreffend beurteilt werden, ohne zum einen die Gründe für das Verhalten des Gewerbetreibenden zu kennen und zum anderen zu berücksichtigen, ob sich der Betreffende der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war (BayVGH, B.v. 20.7.2016 -22 ZB 16.284 - juris).
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Nicht das Strafurteil, sondern das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat, kann eine Gewerbeuntersagung erfordern (BVerwG, B.v. 23.5.1995 - 1 B 78/95 - juris). Die Gewerbebehörden und Verwaltungsgerichte müssen sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Strafe zugrunde gelegen hat - wobei sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürfen -, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34/97 - juris). Dabei kann sich die von der Behörde anzustellende Prognose, wonach der Gewerbetreibende auf Grund der für die Vergangenheit festgestellten Verstöße auch für die Zukunft als unzuverlässig gilt, schon auf eine erhebliche gewerbebezogene Straftat stützen (OVG NW, B.v. 16.6.2016 - 4 B 1401/15 - juris).
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Die Beantwortung der Frage, ob länger zurückliegende Straftaten einem Gewerbetreibenden im Rahmen eines Untersagungsverfahrens nach § 35 GewO noch entgegengehalten werden dürfen, hat auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände zu erfolgen, in die namentlich die Art und die Umstände der Delikte sowie die Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen einzubeziehen sind (BayVGH, B.v. 5.3.2014 - 22 ZB 12.2174 - juris).
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Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus der Zusammenschau der im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen. Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer bzw. Liquidator für die Rückstände der inzwischen gelöschten GM Umzüge M. UG beim Kassen- und Steueramt der Landeshauptstadt M. zu haften hat. Selbst wenn diese Rückstände beim Kassen- und Steueramt außer Acht gelassen werden, hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist und ausweislich der Eintragungen im Vollstreckungsportal die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger die zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflicht, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (BayVGH, B.v. 28.8.2013 - 22 ZB 13.1419 - juris). Zudem hat die Beklagte die Unzuverlässigkeit des Klägers zu Recht auch auf den der Verurteilung vom 18. Dezember 2018 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht und vorsätzlichem Bankrott gemäß §§ 15a Abs. 4 Insolvenzordnung (InsO), 283 Abs. 1 Nr. 7b, Abs. 6, 283b Abs. 1 Nr. 3b, 53 Strafgesetzbuch (StGB) zugrunde liegenden Sachverhalt, wie er vom Amtsgericht München ermittelt wurde, gestützt. Danach ist der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt) nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene UG einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl ihm bekannt war, dass diese zahlungsunfähig ist. Auch ist er nach den Ermittlungen des Amtsgerichts München seiner Verpflichtung, die Handelsbücher zu führen und Bilanzen über das Vermögen der Gesellschaft zu erstellen, nicht nachgekommen. Dieser gewerbebezogene Rechtsverstoß ist geeignet, die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers auch als Einzelgewerbetreibender zu begründen. Zwar hat der Kläger diesen Rechtsverstoß nicht als Einzelgewerbetreibender, sondern in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer UG begangen. Jedoch wird aus dem Verhalten des Klägers deutlich, dass er den finanziellen Vorteil für die von ihm vertretene UG über die ihm als Geschäftsführer obliegende Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern, zur Erstellung von Bilanzen und zur unverzüglichen Stellung eines Insolvenzantrags gestellt hat und dabei in Kauf genommen hat, dass den Gläubigern der UG aufgrund des Risikos der Verringerung der Haftungsmasse ein erheblicher Schaden entstehen könnte. Dies lässt auf einen Charakter des Klägers schließen, der - auch wenn seit Begehung der Tat inzwischen einige Jahre vergangen sind - die negative Zukunftsprognose, wie sie von der Beklagten angestellt wurde, trägt.
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b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der Zahlungsrückstände des Klägers, der Eintragungen im Vollstreckungsportal sowie dem der Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht und vorsätzlichem Bankrott zugrunde liegenden Sachverhalt war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
30
c) Die Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 - 1 B 5/94 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen ex-tremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
31
2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
32
a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
33
Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff).
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Indem der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist und ausweislich der Eintragung im Vollstreckungsportal die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat, hat er Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten. Zudem wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 18. Dezember 2018 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht und vorsätzlichem Bankrott rechtskräftig verurteilt, weil er nach den Feststellungen des Amtsgerichts München als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt) weder seiner Verpflichtung nachgekommen ist, innerhalb von drei Wochen für die von ihm vertretene UG einen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl ihm bekannt war, dass diese zahlungsunfähig ist, noch die Handelsbücher geführt und die Bilanzen über das Vermögen der Gesellschaft erstellt hat. Dies rechtfertigt die Annahme, dass er ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde.
35
b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
36
Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6/14 - juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.
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c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
38
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17/79 - BVerwGE 65, 9 ff). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
39
d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 - 1 B 1/93 - juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
40
3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
41
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.