Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 15.09.2020 – Au 9 S 20.1627
Titel:

Anordnung zur häuslichen Isolation

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 2 Nr. 3, § 28 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 2, § 30 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Die Festlegung einer 14-tägigen Quarantäne für Kontaktpersonen von positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen begegnet bei summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. (Rn. 30 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Quarantäneanordnung, Kontaktperson der Kategorie I, 14-tägige häusliche Isolation, Sars-CoV-2, Corona-Virus, Kontaktperson, häusliche Isolation, 14-tägig, Gesundheitsamt, aktueller Erkenntnisstand, Abwägung, Grundrechte, summarische Prüfung, Covid 19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 25292

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Aufhebung, hilfsweise die Verkürzung der ihm gegenüber angeordneten häuslichen Isolation als Kontaktperson der Kategorie I.
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Die Allgemeinverfügung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen (Az. GZ6a-8000-2020/572, BayMBl. 2020 Nr. 464), enthält insoweit folgende Regelungen:
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„Allgemeinverfügung (…)
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2.1.1 Kontaktpersonen der Kategorie I müssen sich unverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamts gemäß Nr. 1.1 und bis zum Ablauf des 14. Tags nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall, in Isolation begeben, sofern keine anderweitige Anordnung des Gesundheitsamts erfolgt.“
(…)
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6.1 Bei Kontaktpersonen der Kategorie I, bei denen kein positives Testergebnis auf das Vorhandensein von Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegt, endet die häusliche Isolation, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Isolation keine für COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind. Hierüber entscheidet das Gesundheitsamt.“
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Der Antragsteller hatte Kontakt mit der 11-jährigen C., die am 31. August 2020 auf SARS-CoV-2 getestet wurde und am 4. September 2020 durch das Gesundheitsamt des Landratsamts * über das positive Testergebnis informiert wurde. Da der Antragsteller zuvor Kontakt zu C. hatte, ordnete das Gesundheitsamt * ihm gegenüber am 4. September 2020 mündlich die häusliche Isolation als Kontaktperson der Kategorie I bis einschließlich 17. September 2020 an.
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Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht Augsburg.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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den Antragsgegner zu verpflichten, die ihm gegenüber am 4. September 2020 mündlich angeordnete häusliche Isolation aufzuheben, hilfsweise bis zum 14. September 2020 zu verkürzen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass das positive Testergebnis von C. einen CT Value N-Gene Wert von 37,07 aufweise und der vom Hausarzt durchgeführte Antikörpertest negativ gewesen sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Virus im Zeitpunkt der Durchführung des Tests nicht mehr ansteckend gewesen sei.
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Der Antragsteller habe zuletzt am 31. August 2020 engen Kontakt mit der positiv getesteten C. gehabt. Aus erzieherischen Gründen seien die Kinder ab dem 31. August 2020 gegen 19:00 Uhr räumlich und zeitlich getrennt worden. Es habe danach keinen Face-to-Face Kontakt zwischen den Kindern mehr gegeben. Die Anordnung der Quarantäne bis zum 17. September 2020 gehe fälschlicherweise von einem letztmaligen engen Kontakt am 4. September 2020 aus.
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Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ist dem Antrag mit Schreiben vom 4. September 2020 für den Beklagten entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag sei bereits unzulässig, weil der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine anhängige Klage in der Hauptsache voraussetze. Für den Antragsteller sei bislang jedoch keine Anfechtungsklage erhoben worden, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller ordnungsgemäß vertreten sei. Aufgrund der nach §§ 1626, 1629 BGB bestehenden gemeinsamen Vertretungsbefugnis der Eltern des Antragstellers hätte eine Bevollmächtigung auch durch den Vater erfolgen müssen. Es fehle dem Antragsteller auch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Es lägen keine Belege dafür vor, dass der letztmalige Kontakt zu C. tatsächlich am 31. August 2020 bestanden habe. Es sei erforderlich und auch zumutbar gewesen, sich zuvor mit der substantiierten Schilderung des vermeintlich tatsächlichen letzten Kontakts an das Gesundheitsamt zu wenden und mit diesem eine Klärung herbeizuführen. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Die angegriffene Allgemeinverfügung sei rechtmäßig. Sie könne sich auf § 28 Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1 und 2, § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG stützen und sei unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erlassen worden. Das Gesamtkonzept der Allgemeinverfügung sei darauf gerichtet, einen möglichst hohen Schutzstandard für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten, um eine unkontrollierte Verbreitung des Virus zu verhindern. Die für bestimmte Personengruppen angeordnete Isolation sei zur bezweckten Verlangsamung des Ansteckungsgeschehens geeignet und erforderlich, da mildere gleich wirksame Mittel nicht ersichtlich seien. Die für den vorliegenden Fall geregelte 14-tägige Isolation entspreche der nach derzeitigem Erkenntnisstand bestehenden 14-tägigen Inkubationszeit. Eine in der aktuellen pandemischen Situation vorzunehmende Folgenabwägung ergebe, dass die geringen Beschränkungen der Interessen des Antragstellers gegenüber den Gefahren für Leib und Leben von zahlreichen Menschen in Bayern zurücktreten müsse. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Isolationszeit im Fall des Antragstellers größtenteils bereits abgelaufen sei. Dem Testergebnis der C. sowie dem negativen Antikörpertest könne eine nicht gegebene Übertragbarkeit des Virus nicht entnommen werden. Der negative Antikörpertest sei nicht überraschend. Antikörper würden infolge einer Immunreaktion stets mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung gebildet. Zuvor falle ein Test zu deren Nachweis trotz bestehender Infektion und möglicher Übertragbarkeit des Virus negativ aus.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Anordnung der häuslichen Isolation für Kontaktpersonen der Kategorie I bis zum 17. September 2020 im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung voraussichtlich rechtmäßig ist. Daher fällt vorliegend die Interessenabwägung zugunsten des Antragsgegners aus.
I.
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Der Antrag ist zulässig.
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1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage kraft Gesetzes entfällt, ganz oder teilweise anordnen. Da die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 (Az. GZ6a-G8000-2020/572) zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist der Antrag gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft.
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2. Der Antrag kann vorliegend gemäß § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage eingereicht werden, weil aufgrund der Eilbedürftigkeit der Entscheidung von vorneherein absehbar ist, dass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht rechtzeitig ergehen kann. In diesem Fall ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ausnahmsweise auch unabhängig von einer zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erfolgten Klageerhebung zulässig. Im Übrigen wäre der auf Aufhebung bzw. Verkürzung der Quarantäne gerichtete Antrag des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers auch dahingehend auszulegen, dass alle für die Erreichung des genannten Ziels erforderlichen Rechtsbehelfe erhoben werden.
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3. Der Antrag war gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, zu richten, nachdem sich die Verpflichtung zur Isolation unmittelbar aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 ergibt. Eines weiteren Verwaltungsaktes seitens der Kreisverwaltungsbehörde bedarf es deshalb nicht.
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4. Aufgrund der gegebenen Eilbedürftigkeit ist zugunsten des Antragstellers im Rahmen des Eilverfahrens vom Vorliegen einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung auszugehen. Eine weitergehende Aufklärung der gesetzlichen Vertretung des Antragstellers war im Eilverfahren nicht angezeigt.
II.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung - hier § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG - zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der streitgegenständliche Verwaltungsakt bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
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Vorliegend spricht bei summarischer Prüfung viel dafür, dass eine Klage des Antragstellers in der Hauptsache gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 erfolglos bleiben wird. Die Allgemeinverfügung erweist sich nicht als offensichtlich rechtswidrig. Der Antragsteller ist gemäß Nr. 2.1.1 i.V.m. Nr. 1.1 i.V.m. Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 bis einschließlich 17. September 2020 zur Isolation verpflichtet. Der Antrag war daher abzulehnen.
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2. Die Verpflichtung des Antragstellers zur Einhaltung der 14-tägigen häuslichen Isolation ergibt sich aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 (Az.: GZ6a-G8000-2020/572). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller Kontaktperson der Kategorie I im Sinne der Allgemeinverfügung ist, nachdem Kontakt zu der am 31. August 2020 positiv auf SARS-CoV-2 getesteten C. bestand. Der Antragsteller ist damit nach Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung verpflichtet, sich unverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamts gemäß Nr. 1.1 der Allgemeinverfügung in Isolation zu begeben und dort bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten COVID-19-Fall zu bleiben.
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a) Für den Beginn der Isolation ist dabei auf den Zeitpunkt der Mitteilung durch das Gesundheitsamt, dass es sich beim Antragsteller um eine Kontaktperson der Kategorie I handelt, abzustellen. Von diesem Zeitpunkt an hat sich der Betroffene bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem vom Gesundheitsamt mitgeteilten letzten Kontakt zur positiv getesteten Person in Isolation zu begeben. Nach Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung vom 18. August 2020 endet bei Kontaktpersonen der Kategorie I, bei denen kein positives Testergebnis bezüglich des Vorhandenseins von SARS-CoV-2 vorliegt, die häusliche Isolation, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten Covid-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Isolation keine für COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind.
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b) Die Anknüpfung des Beginns der häuslichen Isolation des Antragstellers an den Zeitpunkt der Mitteilung des positiven Testergebnisses an C. begegnet vorliegend keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit wird für den Antragsteller zwar geltend gemacht, dass ein enger Kontakt zur positiv getesteten C. aus erzieherischen Gründen letztmalig am 31. August 2020 gegen 19:00 Uhr bestanden habe. Im Hinblick auf die bestehende häusliche Gemeinschaft entzieht sich dies jedoch der Kenntnis und der Überprüfbarkeit des Antragsgegners. Anders als im Fall von lediglich punktuellen Kontakten zu positiv getesteten Personen, kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass im familiären Umfeld der C. bereits ab dem Tag der Testung (31. August 2020) die (erst) im Fall eines positiven Ergebnisses erforderlichen strikten Maßnahmen ergriffen wurden. Vielmehr ist bei lebensnaher Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei dem Antragsteller und der positiv getesteten C. um im selben Haushalt lebende Kinder handelt, anzunehmen, dass ein Kontakt zwischen den Kindern erst ab Mitteilung des positiven Testergebnisses am 4. September 2020 und den damit verbundenen Vorgaben gezielt unterbunden wurde. Es ist mangels weitergehender Angaben des Antragstellers auch nicht davon auszugehen, dass eine Isolierung der positiv getesteten C. bereits im Zeitraum zwischen erfolgter Testung (31. August 2020) und Mitteilung des positiven Testergebnisses (4. September 2020) erfolgt ist. Da aufgrund der bestehenden Wohngemeinschaft und mangels weitergehenden Angaben des Antragstellers ein Kontakt der Kinder im Zeitraum zwischen der Testung am 31. August 2020 und der Mitteilung des positiven Testergebnisses am 4. September 2020 nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, begegnet die Festlegung der 14-tägigen Quarantäne ab dem 4. September 2020 vorliegend keinen rechtlichen Bedenken. Nach der Mitteilung des Gesundheitsamts beginnt die 14-tägige Quarantäne für den Antragsteller demnach am 4. September 2020 und endet mit Ablauf des 17. September 2020.
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c) Die häusliche Isolation des Antragstellers ist auch nicht im Hinblick auf die behauptete fehlende Übertragbarkeit des Virus aufzuheben. Der insoweit angeführten Argumentation zur fehlenden Übertragbarkeit des Virus im Zeitpunkt der Durchführung des Tests bei C. kann nicht gefolgt werden. Weder der bei C. durchgeführte und negativ ausgefallene Antikörpertest, noch der für C. gemessene CT-Wert von 37,07 rechtfertigen eine Aufhebung bzw. Verkürzung der 14-tägigen Quarantäne. Die für C. festgestellten Testergebnisse tragen die im Antrag gezogene Schlussfolgerung nicht. Aufgrund des bei C. festgestellten CT-Werts von 37,07 ist von einer ansteckungsfähigen Infektion auszugehen, weil eine bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2 ausweislich des vorgelegten Testergebnisses bei einem CT-Wert von gleich oder weniger 39 vorliegt. Eine über die Feststellung einer bestehenden Infektion hinausgehende Aussage über die Höhe eines etwaigen Ansteckungsrisikos ist dem Testergebnis hingegen nicht zu entnehmen. Der im Eilantrag aufgestellten Behauptung, dass eine Ansteckungsgefahr bei einem CT-Wert von 37,07 nicht gegeben ist, fehlt damit letztlich eine nachvollziehbare Grundlage. Auch der negative Antikörpertest trifft letztlich keine Aussage über die von C. ausgehende Ansteckungsgefahr.
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3. Bei summarischer Prüfung begegnet die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18. August 2020 im Übrigen auch keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage und ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
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a) Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit dem SARS-CoV-2, der zur Lungenkrankheit Covid-19 führen kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, sodass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist.
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b) Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. § 28 Abs. 1 Satz 1 1. HS IfSG n.F. enthält insoweit eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet. Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt, das sie entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung im Interesse des effektiven Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuüben hat.
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Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in der Allgemeinverfügung getroffenen Maßnahmen ist der im allgemeinen Polizei- und Sicherheitsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.
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Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine wirksame Therapie gegen eine COVID-19- Erkrankung vorhanden sind und insbesondere bei älteren Menschen und bei Menschen mit Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs der Erkrankung mit erheblichen Folgen für Leben und Gesundheit der Bevölkerung und einer Überforderung des Gesundheitssystems besteht. Nach der Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts handelt es sich weltweit und in Deutschland nach wie vor um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland ist nach wie vor insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen. Angesichts teilweise schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe ist es Ziel, durch geeignete Maßnahmen eine Ausbreitung der Infektion mit SARS-CoV-2 einzudämmen und so weit wie möglich zeitlich zu verlangsamen. Nur so können die vorgenannten Risikogruppen ausreichend geschützt werden. Die häusliche Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I ist dabei aus infektionsmedizinischer Sicht eine entscheidende Maßnahme zur Unterbrechung möglicher Infektionsketten, sodass diese Maßnahme daher nicht zu beanstanden ist.
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c) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Allgemeinverfügung keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Quarantäne z.B. wegen eines negativen Testergebnisses vorsieht. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen. Nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts, das bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist (§ 4 IfSG), ist davon auszugehen, dass bis zum 14. Tag nach dem letzten direkten Kontakt noch eine (geringe) Wahrscheinlichkeit für eine Infektion besteht. Auch eine Person, die in den Tagen davor noch negativ auf das Virus getestet wurde, kann also bis zum 14. Tag noch eine Infektion entwickeln, so dass ein Test erst zu einem späteren Zeitpunkt positiv anschlägt (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/In-fAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText10). Daher müssen sich alle Personen, die in den letzten 14 Tagen einen engen Kontakt im Sinne der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts mit einem COVID-19-Fall hatten, in Quarantäne befinden. Erst nach dem Ablauf von 14 Tagen ist sichergestellt, dass sich diese Person nicht bei der ursprünglich positiv getesteten Person angesteckt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Quarantäne daher zwingend.
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d) Die durch die Quarantäneverpflichtung zwangsweise eintretende Einschränkung der Grundrechte des Antragstellers ist voraussichtlich auch in Abwägung mit den Grundrechten der Allgemeinheit angemessen. Das Corona Virus stellt eine ernste Bedrohung für Leben und Gesundheit einzelner, insbesondere älterer und kranker Menschen, sowie auch für das Gesundheitssystem und die medizinische Versorgung als Ganzes dar. In der Abwägung der privaten Interessen des Antragstellers mit den Interessen der Allgemeinheit an einer effektiven Eindämmung des Virus ist den Interessen der Allgemeinheit im konkreten Fall der Vorrang einzuräumen. Woraus sich im Einzelfall aus der nur einige Tage dauernden Quarantäne eine dem Antragsteller unzumutbare Lage ergeben sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Dabei ist zu auch berücksichtigen, dass die Quarantäne nach momentanem Kenntnisstand nur noch bis zum 17.9.2020 und damit nur noch wenige Tage andauern soll.
III.
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Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.