Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 18.05.2020 – W 9 K 19.31503
Titel:

Unbegründeter Asylantrag - Einzelfall

Normenketten:
AsylG § 3, § 3a Abs. 3, § 3b, § 4 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 11, § 60 Abs. 5
Leitsatz:
Somalische Staatsangehörige, die in die Region Jubbada Hoose zurückkehren, sind keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt, da die Gefahrendichte in der betreffenden Region nicht so hoch ist, dass jede Person allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer erheblichen individuellen Gefährdung, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, ausgesetzt ist. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Somalia, Region Jubbada, Hoose, Clan der Tumal, Versuchte Zwangsverheiratung (unglaubhaft), Heirat eines somalischen Staatsangehörigen im Inland, Kleinkind, Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots, 24-jährige Frau, Abschiebungsverbot, Asyl, Gefahrenprognose, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutzstatus, Region Jubbada Hoose
Fundstelle:
BeckRS 2020, 17824

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

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1. Die nach eigenen Angaben am … … 1996 geborene Klägerin ist somalische Staatsangehörige und muslimisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit. Sie gehört zum Volk der Tumal und stammt aus der Region Jubbada Hoose. Sie reiste am 17. August 2017 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 6. September 2017 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 7. September 2017 gab die Klägerin im Wesentlichen an, sie habe die Schule bis zur 5. Klasse besucht. Einen Beruf habe sie nicht erlernt. Die Familie habe von dem Einkommen des Vaters gelebt. Ihre Mutter sei Hausfrau gewesen. Zu den Gründen, weshalb die Klägerin Somalia verlassen hat, erklärte die Klägerin, sie habe Somalia wegen eines Mannes verlassen, der sie habe zwingen wollen, ihn zu heiraten. Dieser Mann habe zu Al-Shabaab gehört. Sie habe ihn während einer Arbeit in einem Bistro kennen gelernt. Die Leute von Al-Shabaab seien drei Mal zu ihr nach Hause gekommen. Die Eltern seien gegen diese Heirat gewesen. Ihr Vater sei getötet worden. Sie selbst sei am Arm verbrannt und am Bauch mit einem Messer verletzt worden. Sie sei zu einem Mann mitgenommen worden. Ihr sei nicht erlaubt worden, von dort wegzugehen. Sie sei dann doch zu ihrer Mutter gegangen. Ihre Mutter habe ihr geraten, zu fliehen. In Somalia sei sie beschnitten worden.
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Im Verfahren legte die Klägerin eine Heiratsurkunde der somalischen Botschaft in Berlin vor, wonach sie in Deutschland am 5. April 2018 einen somalischen Staatsangehörigen geheiratet habe.
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Mit Bescheid vom 24. Juli 2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin ab (Ziffer 2 des Bescheids). Die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt (Ziffern 1 und 3). Es wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorlägen (Ziffer 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. im Falle einer Klageerhebung 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde der Klägerin die Abschiebung nach Somalia angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 42 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor. Die Klägerin sei kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG. Der Umstand, dass die Klägerin im Heimatland verfolgt worden sei, wirke nicht weiter fort. Die Klägerin sei inzwischen verheiratet, so dass damit ausgeschlossen werden könne, dass sie in Mogadischu erneut verheiratet werden würde. Gleichzeitig seien auch die Voraussetzungen für die Asylanerkennung gemäß Art. 16a Abs. 1 GG nicht erfüllt. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus käme ebenfalls nicht in Betracht. Aus dem Vorbringen der Klägerin sei nicht ersichtlich, dass ihr bei Rückkehr nach Somalia die Todesstrafe drohen würde. Ebenfalls sei nicht erkennbar, dass ein ernsthafter Schaden durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG scheide ebenfalls aus. Der Klägerin drohe bei einer Rückkehr nach Mogadischu aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Im Übrigen wird nach § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung im Bescheid Bezug genommen.
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Laut Einlieferungsbeleg wurde der Bescheid, an den Klägerbevollmächtigten adressiert, am 25. Juli 2019 zur Post gegeben.
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2. Hiergegen ließ die Klägerin am 12. August 2019 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen,
unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts vom 24. Juli 2019 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise ihr den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vorliegen;
hilfsweise das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu verkürzen.
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Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, sie nehme Bezug auf die gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben. Zudem legte sie weitere medizinische Unterlagen vor. Aus diesen gehe hervor, dass sie ein Augenleiden habe und an Tuberkulose erkrankt sei.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verwies sie auf den streitgegenständlichen Bescheid.
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3. Mit Beschluss vom 17. Februar 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Durch weiteren Beschluss vom 11. März 2020 wurde der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten abgelehnt.
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4. In der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2020 war die Klägerin mit ihrem Kind, welches am … … 2020 geboren worden sein soll, erschienen. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Klägerin wurde informatorisch befragt. Das Gericht machte die Erkenntnismittelliste Somalia, April 2020, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Bezüglich des weiteren Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
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5. Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Bundesamtsakte des Ehemanns der Klägerin lag dem Gericht vor.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass ein Vertreter der Beklagten an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der klagegegenständlichen Schutzansprüche (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch die Abschiebungsandrohung und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es wird diesbezüglich in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung.
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1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
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Die Furcht vor Verfolgung ist begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 -, BVerwGE 1989, 162 f.; BVerwG, U.v. 15.3.1988 - 9 C 278/86 -, BVerwGE 1979, 143 f.). Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011, Richtlinie 2011/95/EU) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (BVerwG, U.v. 24.11.2009 - 10 C 24.08 - juris Rn. 14).
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Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 - Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 - 9 C 141/83 - Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
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An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 - InfAuslR 1991, 94/95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 - 9 C 72/89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; BVerwG, B.v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 113).
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1.2. Die Klägerin ist aufgrund des von ihr vorgetragenen Verfolgungsschicksals nicht als Flüchtling i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG anzuerkennen. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Somalia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG droht. Insbesondere ist die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts nicht vorverfolgt aus Somalia ausgereist.
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Ihr Vortrag zu dem angeblichen Verfolgungsschicksal ist widersprüchlich und insgesamt als unglaubhaft zu bewerten. Zwar hat die Klägerin im Wesentlichen den Vortrag, den sie bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt angegeben hatte, bestätigt. Der Vortrag ist aber teilweise widersprüchlich, was für das Gericht nicht erklärbar ist, wenn sich die Schilderungen der Klägerin tatsächlich zugetragen hätten. Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt gab die Klägerin an, sie sei durch eine heiße Eisenstange durch Al-Shabaab - Männer verbrannt worden, die vorher am Herd in dem Haus der Klägerin erhitzt worden sei, weil man gerade gekocht habe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin angegeben, sie sei mit der Eisenstange erst bei dem Mann, der sie festgehalten habe, verbrannt worden. Nach Vorhalt durch das Gericht wurde die Angabe ungenau, und die Klägerin hat dies nunmehr in der Weise ausgeführt, dass es in dem Zusammenhang mit der Tötung des Vaters und ihrer Entführung gewesen sei, aber schon im Haus des Mannes, der sie entführt habe. Damit ist die Klägerin in einem nicht unwesentlichen Umstand von ihrer ursprünglichen Darstellung abgewichen, wofür es aus Sicht des Gerichts keine vernünftige Erklärung gibt, weil sie es noch bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt detailliert anders geschildert hatte. Darüber hinaus hat sie gegenüber dem Gericht erklärt, dass sie zuerst am Arm mit der Eisenstange verletzt worden sei. Die weitere Verletzung am Bauch mit einem Messer müsste folglich später erfolgt sein und mithin auch erst bei dem Mann, zu dem sie gebracht wurde. Dies widerspricht wiederum der Angabe beim Bundesamt, dass ihr der Mann wegen der Verletzungen helfen sollte. Zudem fällt auf, dass die Angaben der Klägerin ohne emotionale Äußerung getätigt wurden, was im Hinblick auf die durch sie vorgeblich erlittene Gewalt nicht nachvollziehbar ist.
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Der Klägerin droht auch bei einer Rückkehr keine erstmalige Verfolgung. Hierzu hat sie nichts Substantiiertes vorgetragen.
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1.3. Einen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung hat die Klägerin nicht unter Berücksichtigung von § 26 Abs. 1 oder Abs. 3 AsylG. Der Asylantrag des Ehemanns der Klägerin, den sie erst im Inland geheiratet hat, ist unanfechtbar abgelehnt. Dass das jüngst geborene Kind eine Anerkennung als Asylberechtigter zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hätte, wurde weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich.
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Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft steht der Klägerin damit nicht zu.
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2. Auch die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG sind im Fall der Klägerin nicht gegeben.
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Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 QRL die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt, wenn inländische Fluchtalternativen i.S.v. § 3e AsylG bestehen.
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Auch im Rahmen von § 4 AsylG ist bei der Prognose, ob für einen Kläger im Abschiebezielstaat die konkrete Gefahr besteht, der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 - 10 C 11/09 - juris Rn. 14).
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Vorliegend muss die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Somalia nicht damit rechnen, landesweit einen ernsthaften Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden.
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2.1. Anhaltspunkte für einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG sind nicht ersichtlich.
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2.2. Auch ist es nicht im erforderlichen Umfang wahrscheinlich, dass der Klägerin ein Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Aufgrund des unglaubhaften Vortrags der Klägerin ist davon auszugehen, dass ihr keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
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Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (so auch BayVGH, U.v. 17.7.2018 - 20 B 17.31659 - juris Rn. 24; anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden. Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 - 20 ZB 17.30875 - juris Rn. 14). Die Versorgungslage in Somalia kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und periodisch wiederkehrende Dürreperioden gehören (vgl. etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand: 17.9.2019, S. 122 ff.).
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2.3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dass ihr ein ernsthafter Schaden im Sinne dieser Vorschrift landesweit drohen würde, ist von dieser selbst weder vorgetragen noch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln im erforderlichen Umfang wahrscheinlich.
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Nach den maßgeblichen Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar:
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Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikalislamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2018 - 20 B 17.31663 - juris Rn. 20 m.w.N.).
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Was die tatsächliche Lage in Somalia angeht, so gehen somit sämtliche Auskünfte von einer unterschiedlichen Intensität des Konflikts in Somalia, insbesondere was Süd- und Zentralsomalia auf der einen und die relativ friedlichen Regionen Puntland und Somaliland auf der anderen Seite angeht, aus.
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Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 - C-465/07 [Elgafaji]; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12, LS 1 und Rn. 13/14; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 - 10 A 10689/15 - juris = Asylmagazin 2016, 29; BayVGH, U.v. 17.7.2018 - 20 B 17.31659 - juris Rn. 25). Im Falle der Klägerin ist dies nach ihren Angaben die Region Jubbada Hoose.
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Die den Erkenntnisquellen zu entnehmende Entwicklung in Jubbada Hoose/Lower Juba lässt nicht darauf schließen, dass aufgrund der bloßen dortigen Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Der Stadt Kismaayo und der nominell für die Region zuständigen Jubaland Interim Administration (JIA) wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der JIA ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren. Die Stadt gilt als ruhig und sicher, die Sicherheitslage hat sich seit der Eroberung wesentlich verbessert. In der Stadt sind etwa 1.700 Soldaten der AMISOM stationiert. Zivilisten können sich in Kismaayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismaayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Hinsichtlich der Clan-Dimension gilt die Stadt als kosmopolitisch. Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften. Das verhängte Waffentrageverbot wird in der Stadt umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau; es gibt kaum Meldungen über Morde. Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismaayo entsprechend gut funktioniert. Die Al-Shabaab ist in Kismaayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, 12.1.2018, S. 24; EASO, Country of Origin Information Report - Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 68; Danish Immigration Service, South and Central Somalia, Security Situation, al-Shabab Presence, and Target Groups, Januar 2017, S. 14).
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Die jüngere Presseberichterstattung führt zu keinem anderen Ergebnis. Es wird in der Süddeutschen Zeitung am 14. Juli 2019 berichtet, dass islamistische Extremisten ein Hotel angegriffen und mindestens 29 Menschen getötet haben. Die Angreifer verschanzten sich mehr als zehn Stunden in dem Hotel, bis Sicherheitskräfte den Anschlag beendeten. Dabei seien mindestens 56 Menschen verletzt worden, sagte ein Sprecher der Regionsregierung. Die Al-Shabaab beanspruchte den Anschlag für sich. Das Hotel in Kismaayo ist bei Politikern und im Ausland lebenden Somaliern beliebt. Bei wertender Betrachtung ergibt sich, dass in Kismaayo stattfindende Angriffe zielgerichtet auf bestimmte Personen und Objekte bezogen sind, weshalb unbeteiligte Zivilpersonen eher zufällig Opfer werden.
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Hiervon ausgehend kann vorliegend offenbleiben, ob in Jubbada Hoose, der Heimatregion der Klägerin, ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt gegeben ist, denn jedenfalls ist die Klägerin im vorliegenden Einzelfall bei einer Rückkehr keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt, da die Gefahrendichte in der betreffenden Region nicht so hoch ist, dass jede Person allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer erheblichen individuellen Gefährdung, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, ausgesetzt ist (vgl. HessVGH, U.v. 14.10.2019 - 4 A 1575/19.A - juris; OVG Niedersachen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 - juris Rn. 46). Gefahrerhöhende persönliche Umstände liegen bei der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts und unter Berücksichtigung der unglaubhaften Angaben zu ihrem angeblichen Verfolgungsschicksal nicht vor. Ein gefahrerhöhender Umstand kann auch nicht aus der von der Klägerin behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Tumal abgeleitet werden (vgl. hierzu im Einzelnen BayVGH, U.v. 27.03.2018 - 20 B 17.31663 - juris Rn. 32).
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Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, wenn man vor dem Hintergrund der Herkunft des Ehemanns der Klägerin aus der Provinz Mogadischu, auf diese Region abstellen wollte. Die dortige Sicherheitslage veranlasst nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung (vgl. VG München, U.v. 26.2.2020 - M 11 K 17.35649 - juris).
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3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.
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3.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris; VG München, U.v. 8.5.2014 - M 15 K 12.30903 - juris Rn. 37).
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Die humanitären Bedingungen in Somalia sind nicht so schlecht, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Klägerin ihr Existenzminimum erarbeiten kann, wobei das Gericht unterstellt, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem hier geheirateten Ehemann, mit dem sie in einer Lebensgemeinschaft lebt, und dem jüngst geborenen Kind zurückkehrt.
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Die aktuelle Lage stellt sich wie folgt dar:
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Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 2,3%, 2018 bei ca. 2,8% und wird vom Internationalen Währungsfonds für 2019 und 2020 auf jeweils 3,5% prognostiziert. Das Wachstum hat sich also erholt, die Inflation wurde gebremst und das Handelsdefizit reduziert. Zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben gute Regenfälle und wachsende Remissen, die Erstarkung des Agrarsektors, die Konsolidierung von Sicherheit und die Zunahme privater Investitionen und von Geldflüssen aus Geberländern. Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung ist also die Diaspora, welche begonnen hat, in Somalia (v.a. Mogadischu und die Hauptstädte der Bundesstaaten) zu investieren. Auch zahlreiche Agenturen der Vereinten Nationen (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen.
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Es gibt jedoch kein nationales Mindesteinkommen. Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar, auch wenn in Puntland und Teilen Südsomalias - insbesondere Mogadischu - der tertiäre Bildungsbereich boomt. Der Wirtschaft ist es nicht gelungen, ausreichend Beschäftigung zu schaffen - v.a. für Frauen und Junge. In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund ab. Aufgrund des Fehlens eines formellen Banksystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debtcredit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clan-Verbindungen eine wichtige Rolle - und natürlich auch der ökonomische Hintergrund.
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Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, haben sich auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen. NGOs und der Privatsektor bieten den Menschen grundlegende Dienste - vor allem in urbanen Zentren (Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 17. September 2019, S. 116 ff.)
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Trotz der extremen Dürre und Heuschreckenplage in weiten Teilen des Landes ist jedenfalls die Versorgungslage in Mogadischu nicht kritisch (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 17. September 2019, S. 123 f.).
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Die medizinische Versorgungslage im gesamten Land ist zwar äußerst mangelhaft und medizinische Grunddienste stehen nicht ausreichend zur Verfügung. Der Zugang zu medizinischer Versorgung variiert jedoch zwischen den einzelnen Regionen des Landes (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia - vom 17. September 2019, S. 132).
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Unter Zugrundelegung dieser Umstände geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin mit ihrem Mann insgesamt das Existenzminimum für die Familie wird sichern können. Hierfür spricht, dass die Klägerin jung, gesund und arbeitsfähig ist. Die vorgelegten ärztlichen Atteste veranlassen zu keiner anderen Bewertung und sind zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits mehr als ein Jahr alt. Dass die Klägerin aktuell wegen Tuberkulose noch in Behandlung ist, wurde weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Die Klägerin ist in Somalia aufgewachsen und hat dort bereits als Haushaltshilfe und in einem Bistro gearbeitet, sodass sie erste Erfahrungen im Erwerbsleben gesammelt hat. Auch wenn sie vor dem Hintergrund der Versorgung ihres Kindes bei einer Rückkehr nach Somalia nicht mehr vollumfänglich wird arbeiten können, ist die Unterstützung durch ihren Ehemann einzustellen. Dieser ist ebenfalls jung, gesund und arbeitsfähig.
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Dass sich an dieser Bewertung etwas durch die jüngsten Berichte zu Heuschrecken in Somalia (vgl. bspw. FAZ, 7. Mai 2020, Die Angst vor dem Hunger ist größer) geändert hätte, kann zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht angenommen werden. Hierfür sind die wenig substantiellen Berichte in ihrer Bewertung zu offen.
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Auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG kann sich die Klägerin daher nicht berufen.
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3.2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
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Wann allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60 AufenthG Rn. 101). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).
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Bei der Klägerin handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um eine junge, gesunde und arbeitsfähige Frau, die nach Überzeugung des Gerichts die Existenzgrundlage gemeinsam mit ihrem Mann für die Familie sichern kann.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die COVID-19-Pandemie mittlerweile auch Somalia erreicht hat (vgl. hierzu die Angaben der WHO unter https://covid19.who.int/, zuletzt abgerufen am 18.5.2020, wonach es in Somalia bislang 1.421 bestätigte Corona-Infizierte und 56 Corona-Tote gibt). Insbesondere handelt es sich bei der Klägerin um eine junge, grundsätzlich gesunde Frau, so dass es nicht im hier notwendigen Maße wahrscheinlich ist, dass sie (ernsthaft) an COVID-19 erkrankt (vgl. hierzu etwa https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html, Stand: 13.5.2020, abgerufen am 18.5.2020).
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Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht der Klägerin daher ebenfalls nicht zu.
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4. Schließlich bestehen auch gegen die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine rechtlichen Bedenken. Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Befristung sind nicht ersichtlich. Der Ehemann der Klägerin hat ebenfalls kein Aufenthaltsrecht und auch für das gemeinsame Kind besteht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, soweit ersichtlich, kein gesichertes Aufenthaltsrecht. Gegen die Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Klägerin vormaligen Abschiebebemühungen der Beklagten nach Italien durch Kirchenasyl entzogen hat, bei der Länge der Wiedereinreisesperre sprechen aus Sicht des Gerichts keine rechtlichen Bedenken.
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Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).