Titel:
Nichtigkeit einer herangezogenen Verbesserungsbeitragssatzung
Normenketten:
KAG Art. 5, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b, Nr. bb 1, Nr. cc 2
VwGO § 67 Abs. 2 S 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1, Abs. 2
BGW-EWS 2013 § 3 Abs. 3
AGO § 169 Abs. 2 S. 1, § 170 Abs. 1
VES-EWS § 3 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung ist unwirksam, wenn sie keinen ordnungsgemäßen textlichen Beschrieb der Verbesserungsmaßnahme aufweist (vgl. hierzu BayVGH, U. v. 16.3.1988 - 23 CS 87.04228). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein auf eine unwirksame Verbesserungsbeitragssatzung gestützter Verbesserungsbeitragsbescheid kann als Herstellungsbeitragsbescheid aufrechterhalten werden (so BayVGH, U. v. 16.3.2005 -23 BV 04.2295, BeckRS 2010, 45325). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verbesserungsbeitrag;, Nichtigkeit der herangezogenen Verbesserungsbeitragssatzung;, Austausch der Rechtsgrundlage;, Verjährung (verneint), Ablauf der 20jährigen Ausschlussfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG (verneint), Vorteilslage, Ausschlussfrist, Abwasserbeseitigung, Rechtsgrundlage, Bescheid, Gemeinde, Gemarkung, Herstellungsbeitrag, Entwässerung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 16693
Tenor
1. Der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 15. November 2018 (Az. …*) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Verbesserungsbeitragsbescheids.
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Die Klägerin, ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform der Anstalt des Öffentlichen Rechts, betreibt für die Marktgemeinde … auf der Grundlage der „Satzung für die Öffentliche Entwässerungseinrichtung der Gemeindewerke … (Entwässerungssatzung EWS) vom 16. Juli 2012“ eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) für das Gemeindegebiet.
3
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks mit der FlNr. … der Gemarkung … im Gemeindegebiet der Gemeinde … Mit Bescheid vom 17. August 2012 setzte die Klägerin gegenüber der Beigeladenen einen Verbesserungsbeitrag in Höhe von 968,88 EUR fest. Als Rechtsgrundlage wurde Art. 5 KAG i.V.m. der Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (VES-EWS) vom 9. August 2012 (im Folgenden: VES-EWS 2012) genannt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2014 wurde der Verbesserungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 17. August 2012 durch die Widerspruchsbehörde aufgehoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die abzurechnende Gesamtmaßnahme zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbesserungsbeitragsbescheides vom 17. August 2012 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Dies sei laut Globalberechnung und gemäß der Aussage der Gemeindewerke erst im September 2012 der Fall gewesen. Aus diesem Grunde sei nur der Erlass eines Vorauszahlungsbescheides möglich gewesen. Eine Umdeutung eines endgültigen Beitragsbescheides in einen Vorauszahlungsbescheid nach § 128 der Abgabenordnung (AO) sei nicht möglich. Denn gemäß § 128 Abs. 3 AO könne eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen könne, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
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Mit Bescheid vom 10. September 2015 setzte die Klägerin gegenüber der Beigeladenen erneut einen Verbesserungsbeitrag in Höhe von 968,88 EUR für das Grundstück mit der FlNr. … der Gemarkung … fest.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Grundstück der Beigeladenen gemäß VES-EWS 2012 der Beitragspflicht unterliege. Die Gemeindewerke hätten zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abwasserentsorgung für die bereits angeschlossenen und für die künftig bebaubaren und anschließbaren Grundstücke erhebliche Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen der Entwässerungseinrichtung gemäß § 1 VES-EWS durchzuführen. Bis zum Eingang der erwarteten Verbesserungsbeiträge hätten die Gemeindewerke die Aufwendungen vorzufinanzieren. Die Beitragsschuld entstehe gemäß § 3 Satz 1 VES-EWS mit Abschluss der Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahmen. Da die Verbesserungsmaßnahmen nunmehr abgeschlossen seien, würde der Verbesserungsbeitrag gegenüber der Beigeladenen gemäß Art. 5 KAG i.V.m. der VES-EWS 2012 erhoben werden.
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Mit Schreiben vom 25. November 2015 legte die Beigeladene bei der Klägerin Widerspruch ge-gen den Beitragsbescheid vom 10. September 2015 ein. Die Beigeladene führte aus, dass sie mit ihrem Widerspruch „Verjährungseinrede“ erhebe. Hilfsweise beantrage sie, den Verbesserungsbeitrag um 136,00 EUR zu ermäßigen. Dies entspreche der Hälfte des Beitrages bezogen auf das Kellergeschoss. Zur Begründung verweise sie auf die mehrfach vorgetragenen „Widrigkeiten im Keller (Schimmel, Modergeruch, Feuchtigkeit, Salpeterausblühungen)“. Letztlich sei nur ein Teil der Kellerräume nutzbar.
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Mit Schreiben vom 26. November 2015 teilte die Klägerin der Beigeladenen mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen, sondern dieser dem Landratsamt … zur Entscheidung vorgelegt werde.
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 nahm die Widerspruchsbehörde zum Widerspruch der Beigeladenen Stellung und führte aus, dass dieser keine Aussicht auf Erfolg habe und daher zurückgewiesen werden müsse. Zwar sei die VES-EWS 2012, auf welche der Bescheid gestützt worden sei, in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit vom Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 25. Juli 2017 (Az. AN 1 K 15.01781) für unwirksam erklärt worden. Allerdings liege mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeindewerke … vom 10. Oktober 2013 (im Folgenden: BGS-EWS 2013) erstmals wirksames Herstellungsbeitragsrecht vor. Die Voraussetzungen für einen Austausch der Rechtsgrundlage der Bescheide seien aufgrund der Gerichtsentscheidung gegeben. Demnach finde sich die Rechtsgrundlage für den Verbesserungsbeitragsbescheid vom 10. September 2015 in der BGS-EWS 2013. Dass dem Verbesserungsbeitragsbescheid insoweit eine falsche Begründung zugrunde liege, schade nicht, denn maßgeblich sei, ob das objektive Recht eine Beitragsschuld in der geltend gemachten Höhe rechtfertige. Dies sei im Falle der Beigeladenen gegeben. Dies gelte auch, wenn man alle früher geleisteten Beitragszahlungen in Höhe von 5.184,20 DM (vgl. Bescheid vom 27.5.1994) anrechne, da die Summe aus bereits geleisteten Zahlungen und nunmehr festgesetztem Beitrag die Höhe eines neuen Erschließungsbeitrags nach der BGS-EWS 2013 nicht erreichen würde. Dieser betrage im Fall der Beigeladenen 6.359,09 EUR (1,37 EUR/m² Grundstücksfläche und 12,05 EUR/m² Geschossfläche).
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Eine Verjährung sei vorliegend nicht eingetreten, weil die Beitragsschuld erst mit Inkrafttreten der Satzung entstehe (§ 3 Abs. 3 BGW-EWS 2013).
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Im Hinblick auf den Keller der Beigeladenen führte die Widerspruchsbehörde aus, dass Keller nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stets mit der vollen Fläche zum Beitrag heranzuziehen seien, und zwar ungeachtet dessen, ob sie einen Wasseranschluss oder eine Schmutzwasserableitung hätten, ob sie zum Aufenthalt von Menschen geeignet seien oder welchen Verwendungszweck die einzelnen Räume aufwiesen. Dass die bisherige und zukünftige Nutzungsmöglichkeit des Kellers aufgrund der ständigen Feuchtigkeit verbunden mit Schimmel an den Wänden eingeschränkt sei, finde aufgrund der dem Abgabenrecht zugrunde liegenden Pauschalierungen und Typisierungen keine Berücksichtigung.
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Mit Schreiben vom 17. November 2017 wandte sich die Beigeladene an die Widerspruchsbehörde und führte aus, dass die Verjährung von Amts wegen zu prüfen sei. Im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids (am 28. Oktober 2015) sei bereits Verjährung eingetreten. Aufgrund der erfolgten Verjährungseinrede sei der Bescheid ersatzlos aufzuheben. Daran ändere auch die vom Landratsamt angesprochene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach nichts. Die Umdeutung von einer Satzung zu einer anderen entspreche sicherlich nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung.
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Mit Schreiben vom 29. November 2017 wies die Widerspruchsbehörde die Klägerin darauf hin, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG die Vorschrift des § 169 AO mit der Maßgabe anzuwenden sei, dass die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten sei, nicht mehr zulässig sei. Die Schlussrechnung für die Kanalarbeiten sei bereits im Jahre 1993 ergangen, sodass die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungsanlage der Gemeindewerke … für das Grundstück mit der FlNr. … der Gemarkung … somit bereits ab dem Jahre 1993 bestanden habe. Im vorliegenden Fall sei die Vorteilslage im Jahr 1993 eingetreten. Die 20jährige Ausschlussfrist habe damit mit Ablauf des Jahres 2013 geendet. Nach diesem Zeitpunkt sei keine Beitragserhebung mehr zulässig gewesen. Die von der Beigeladenen angefochtene Beitragsfestsetzung sei jedoch erst mit Bescheid vom 10. September 2015 erfolgt, also nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist, sodass der Bescheid rechtswidrig und damit aufzuheben sei. Es werde daher empfohlen, den Bescheid vom 10. September 2015 aufzuheben.
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Unter dem 15. November 2018 erließ der Beklagte folgenden Widerspruchsbescheid:
„1. Der Verbesserungsbeitragsbescheid der Gemeindewerke … vom 10. September 2015 für die öffentliche Entwässerungseinrichtung für das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens tragen die Gemeindewerke …
3. Verwaltungskosten werden nicht erhoben.“
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Zur Begründung bezog sich die Widerspruchsbehörde auf den Ablauf der zeitlichen Höchstgrenze gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG i.V.m. § 169 AO. Im Fall der Beigeladenen sei die Vorteilslage bereits im Jahr 1993 eingetreten, weil in diesem Jahr die Schlussrechnung für die Kanalarbeiten ergangen sei und somit die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungsanlage für das Grundstück der Beigeladenen bestanden habe.
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Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018, beim Verwaltungsgerichts Ansbach am 10. Dezember 2018 eingegangen, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
„Der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 15. November 2018, Az. …, wird aufgehoben.“
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Im Schriftsatz vom 14. November 2019 ließ die Klägerin zur Begründung ihrer Klage ausführen, dass die BGS-EWS vom 10.10.2013 eine rechtswirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid gegenüber der Beigeladenen darstelle. Entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde sei die zeitliche Höchstgrenze für die Beitragsfestsetzung nicht erreicht. Das Landratsamt verkenne, dass die Klägerin bereits im Jahr 2012 die streitgegenständliche Beitragsforderung durch Bescheid vom 17. August 2012 festgesetzt habe. Das anschließende Widerspruchsverfahren habe dazu geführt, dass der Ablauf laufender Fristen jedenfalls für die Dauer des Widerspruchsverfahrens gehemmt gewesen sei. Der Zeitraum vom 17. September 2012 mit Einlegung des Widerspruchs bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids am 10. September 2015 sei damit gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) dd) KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 AO gehemmt. Die Hemmung habe zur Folge, dass während des anhängigen Widerspruchsverfahrens laufende Fristen gleichsam zum Stillstand kämen und die Frist damit erst nach bestands- oder rechtskräftiger Entscheidung über die Rechtswirksamkeit eines angefochtenen Bescheids ende. Der streitgegenständliche Verbesserungsbeitrag sei jedenfalls als fiktiver Verbesserungsbeitrag rechtmäßig erhoben worden. Die Auffassung der Widerspruchsbehörde, die Erhebung von Verbesserungsbeiträgen sei aufgrund der absoluten Festsetzungsverjährung rechtswidrig, sei fehlerhaft. Eine etwaige Festsetzungsverjährung könne im Hinblick auf die nun bestehende öffentliche Einrichtung der Klägerin, die erst mit Abschluss der Verbesserungsmaßnahme entstanden sei, nicht eingetreten sein. Die Beitragspflicht entstehe grundsätzlich erst mit dem Vorliegen einer Vorteilslage. Die Vorteilslage im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG werde geprägt durch die tatsächlichen und rechtlich wirksamen Verhältnisse am beitragspflichtigen Grundstück im Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Vorteilslage (BayVGH, U.v. 20.5.2019, Az. 20 B 18.1431 - juris). Der Begriff des Vorteils sei somit rein tatsächlich, bezogen auf den Ausbauzustand der öffentlichen Einrichtung zu verstehen. Die Beitragspflicht für das Grundstück der Beigeladenen habe daher für die (verbesserte) öffentliche Einrichtung der Klägerin auch erst mit Abschluss der Verbesserungsmaßnahme entstehen können. Insoweit sei der Begriff des Vorteils nicht nur grundstücksbezogen, sondern auch investitionsbezogen zu verstehen (unter Hinweis auf BayVGH, a.a.O.). Dies entspreche der Vorgabe des bayerischen Gesetzgebers in Art. 5 KAG, welcher zwischen Herstellungsbeiträgen und Verbesserungsbeiträgen investitionsbezogen zwischen Neu- und Altanschließern unterscheide. Bei entsprechend abgrenzbarem Investitionsaufwand sei es daher notwendig und geboten, den Herstellungsbeitrag für Altanschließer durch einen „fiktiven“ Verbesserungsbeitrag abzurechnen (vgl. BayVGH, a.a.O.). Damit sei auch die Erhebung der Verbesserungsbeiträge mit Bescheid vom 10. September 2015 rechtmäßig erfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 beantragte der Beklagte,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der angefochtene Verbesserungsbeitragsbescheid auf die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 10. Oktober 2013 gestützt werden könne. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Diese betrage gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 3. Spiegelstrich KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AGO grundsätzlich vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginne grundsätzlich mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabeschuld entstanden sei (§ 170 Abs. 1 AGO). Erweise sich eine Satzung insgesamt als nichtig und trete eine gültige Satzung (mit oder ohne Rückwirkung) in Kraft, beginne die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) 2. Spiegelstrich KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO). Da die Gemeindewerke … aufgrund des in einem gleichgelagerten Fall ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Juli 2017 (AN 1 K 15.01781) erstmals mit Inkrafttreten der BGS-EWS 2013 über wirksames Herstellungsbeitragsrecht verfügt hätten, beginne die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2013, da in diesem Jahr die BGS-EWS 2013 bekannt gemacht worden sei. Die vierjährige Festsetzungsfrist habe somit mit Ablauf des Jahres 2017 geendet. Allerdings sei vorliegend die zeitliche Höchstfrist von 20 Jahren gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG i.V.m. § 169 AO abgelaufen. Insoweit sei auf die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungsanlage, welche erstmals im Jahre 1993 bestanden habe, abzustellen. Die 20jährige Ausschlussfrist habe damit mit Ablauf des Jahres 2013 geendet.
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Nach Mitteilung durch die Klägervertreterin im Schriftsatz vom 31. März 2020 erfolgte der Abschluss der Verbesserungsbeitragsmaßnahmen im September 2012 (Bl. 86 f der Gerichtsakte).
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In der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2020 bezogen sich die Beteiligten auf ihre bereits im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge, der Beigeladenenvertreter stellte keinen Antrag für die Beigeladene.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die vorliegende Klage ist zulässig und begründet, weil der angefochtene Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … - … vom 15. November 2018 rechtswidrig ist und die Klägerin in eigenen Rechten verletzt, so dass der Klage stattzugeben und der Widerspruchsbescheid aufzuheben war, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Gegenstand der Klage ist der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 15. November 2018 (AZ.: …), der den Verbesserungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 10. September 2015 für die öffentliche Entwässerungseinrichtung hinsichtlich des Grundstückes mit der Flurnummer … der Gemarkung … zum Gegenstand und diesen aufgehoben hatte, § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.
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Der angefochtene Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig. Denn der gegen den Verbesserungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 10. September 2015 gerichtete Widerspruch der Beigeladenen vom 25. November 2015 ist zwar zulässig, insbesondere wurde er form- und fristgerecht eingereicht, erweist sich jedoch als unbegründet, weil der zugrunde liegende Bescheid rechtmäßig ist. Dies führt zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung des hier angefochtenen Widerspruchsbescheids.
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1. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
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Die Klägerin, ein Kommunalunternehmen in der Rechtsform der Anstalt des Öffentlichen Rechts, betreibt für die Marktgemeinde … auf der Grundlage der „Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Gemeindewerke … (Entwässerungssatzung EWS) vom 16. Juli 2012“ eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) für das Gemeindegebiet.
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Die von der Klägerin im Verbesserungsbeitragsbescheid vom 10. September 2015 explizit herangezogene Rechtsgrundlage, nämlich die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung (VES-EWS) vom 9. August 2012, stellt sich zwar nach Auffassung der erkennenden Kammer als unwirksam dar. So hat bereits die 1. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach in ihrem Urteil vom 25. Juli 2017 unter dem gerichtlichen Az.: AN 1 K 15.01781 festgestellt, dass die VES-EWS 2012 unwirksam sei, weil sie keinen ordnungsgemäßen textlichen Beschrieb der Verbesserungsmaßnahme aufweise, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dies fordere (unter Hinweis auf BayVGH, U.v.16.3.1988 - 23CS87.04228, GK 1989/9). Eine Feststellung der Nichtigkeit einer Satzung durch ein Verwaltungsgericht ist nicht allgemeinverbindlich, sondern bindet nur die Parteien des dem Urteil zugrundeliegenden Verfahrens. Allerdings schließt sich die erkennende Kammer den ausführlichen und überzeugenden Urteilsgründen der 1. Kammer an, sodass auch im vorliegenden Verfahren von einer Unwirksamkeit der VES-EWS 2012 ausgegangen wird.
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Als Rechtsgrundlage für den Verbesserungsbeitragsbescheid vom 10. September 2015 kann jedoch die „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) der Gemeindewerke … vom 10. Oktober 2013“ (im Folgenden: BGS-EWS 2013) herangezogen werden. Insoweit hatte die 1. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach in ihrem Urteil vom 25. Juli 2017 (a.a.O.) weiter ausgeführt, dass mit der BGS-EWS 2013 die Klägerin „erstmals gültiges Herstellungsbeitragsrecht geschaffen“ habe. Nachdem auch im vorliegenden Verfahren keine Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der BGS-EWS 2013 vorgetragen wurden oder ersichtlich sind, geht die erkennende Kammer hier ebenfalls von der Rechtswirksamkeit aus. Dieser Rechtsauffassung hat sich auch die Widerspruchsbehörde angeschlossen (vgl. u.a. Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 an die Widerspruchsführerin, Bl. 29 ff. der Widerspruchsakte).
30
Ein auf eine unwirksame Verbesserungsbeitragssatzung gestützter Verbesserungsbeitragsbescheid kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als Herstellungsbeitragsbescheid aufrechterhalten werden (BayVGH, U.v.1.3.2007 - 23 B06.1668, Rn. 37 - juris, BayVGH, U.v.16.3.2005, 23 BV 04.2295, - juris). Dem BayVGH folgend ist im Falle einer nichtigen Verbesserungsbeitragssatzung die Heranziehung einer - rechtswirksamen - Herstellungsbeitragssatzung nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, „wenn er (gemeint ist der angefochtene Beitragsbescheid, Anm. der Kammer) sich aus anderen Gründen, als sie die Verwaltungsbehörde angegeben hat, als rechtmäßig erweist, ohne dass an dem Spruch etwas Wesentliches geändert zu werden braucht“ (BayVGH, U.v.16.3.2005, 23 BV 04.2295, Rn. 35, - juris). So liegt der Fall auch hier, weil für das Grundstück der Beigeladenen ein Beitrag in einer bestimmten Höhe festgesetzt worden ist, wobei die mit der VES-EWS 2012 angegebene Rechtsgrundlage nicht Bestandteil des „Spruchs“, also der Verfügung, sondern der Begründung ist. Maßgeblicher Bestandteil des verfügenden Teils der Beitragsfestsetzung ist hingegen die Umlegung der Verbesserungsmaßnahme auf das Grundstück der Beigeladenen. Die hier abgerechnete Verbesserungsmaßnahme ist jedoch auch in die nunmehr heranzuziehende BGS-EWS rechnerisch interniert, mithin einkalkuliert worden, um auf diese Weise eine abgabenrechtlich gebotene Gleichbehandlung von sog. Alt- und Neuanschließern sicherzustellen. Jedenfalls ist auch diesbezüglich nichts Gegenteiliges von den Beteiligten vorgetragen worden bzw. für das Gericht ersichtlich.
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2. Entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde erweist sich der Verbesserungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 10. September 2015 in formeller und materieller Hinsicht als rechtmäßig.
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Nach Mitteilung der Klägervertreterin durch Schriftsatz vom 31. März 2020 an das Gericht (Bl. 86f. der Gerichtsakte) erfolgte der Abschluss der Verbesserungsbeitragsmaßnahmen im September 2012 (vgl. Mitteilung des Ingenieurbüros an die Klägerin vom 1. Oktober 2012, wonach die Betriebsfähigkeit des Bauwerks in der letzten Septemberwoche 2012 fertiggestellt worden sei, Bl. 183 der Gerichtsakte), so dass die Beitragsschuld - im Zeitpunkt des Erlasses des dem Widerspruchsverfahren zugrundeliegenden Bescheids - entstanden war, § 3 Abs. 1 BGS-EWS 2013.
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Die Summe aus bereits geleisteten Zahlungen der Beigeladenen auf den ursprünglichen Herstellungsbeitrag und dem nunmehr geforderten Verbesserungsbeitrag in Höhe von 968,88 Euro erreicht im Übrigen nicht die Höhe des Herstellungsbeitrages aufgrund der BGS-EWS 2013, so dass eine abgabenrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern auch insoweit ausgeschlossen ist. Insgesamt hat die Beigeladene nämlich bereits 2592,10 Euro (entspricht 5184,20 DM) an Herstellungsbeiträgen entrichtet (vgl. Herstellungsbeitragsbescheid vom 27. Oktober 1994, Bl. 18 der Widerspruchsakte). Dies ergibt - zzgl. der nunmehr festgesetzten 968,88 Euro - eine Veranlagungssumme von insgesamt 3560,98 Euro. Auf der Grundlage der BGS 2013 (1,37 pro m² Grundstücksfläche und 12,05 Euro pro m² Geschossfläche) ergäbe sich für das Grundstück der Beigeladenen ein (fiktiver) Herstellungsbeitrag in Höhe von 6359,09 Euro ((1572 m² x 1,37 Euro)+(349 m² x 12,05 Euro)). Mithin war die Klägerin berechtigt, von der Beigeladenen, welche eine sog. Altanschließerin ist, einen Verbesserungsbeitrag in der geforderten Höhe geltend zu machen.
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3. Die Widerspruchsbehörde ist richtigerweise davon ausgegangen, dass die Festsetzungsverjährungsfrist im vorliegenden Fall nicht abgelaufen ist. Diese beträgt für Kommunalabgaben grundsätzlich 4 Jahre (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 3. Spiegelstrich KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO). Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabenschuld entstanden ist, im Falle der Ungültigkeit der Beitragssatzung jedoch erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die gültige Beitragssatzung bekanntgemacht worden ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) 2. Spiegelstrich KAG). Demnach begann der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2013 und endete am 31. Dezember 2017. Die Festsetzung erfolgte jedoch bereits durch Bescheid vom 10. September 2015, sodass eine Verjährung nicht eingetreten ist.
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4. Entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde ist allerdings auch die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG festgelegte Höchstfrist von 20 Jahren, die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BVR 2457/08 - juris) Eingang in das Gesetz gefunden hat, wonach eine Beitragserhebung mehr als 20 Jahre nach Eintritt der „Vorteilslage“ ausgeschlossen ist, im vorliegenden Fall nicht überschritten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die daraufhin eingefügte Regelung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG knüpft an die Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) 2. Spiegelstrich KAG an, „dass im Fall der Ungültigkeit einer Beitragssatzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Beitragssatzung bekanntgemacht worden ist“. Diese Regelung führte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu folgendem Problem: „Der Gesetzgeber hat jedoch in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) 2. Spiegelstrich KAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Eine zeitliche Obergrenze für den Beginn der Verjährungsfrist fehlt; der Interessenkonflikt ist einseitig zu Lasten des Bürgers aufgelöst.“ (BVerfG, aaO, Orientierungssatz 2b).
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Maßgeblich ist demnach der Eintritt der Vorteilslage. Abzustellen ist insoweit auf die durch die inmitten stehende Verbesserungsmaßnahme entstandene Vorteilslage, welche in der Betriebsfähigkeit des Verbesserungsbauwerks im September 2012 (s.o.) zu sehen ist.
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Denn der Begriff des Vorteils ist nach der Rechtsprechung des BayVGH rein tatsächlich zu verstehen (so z.B. BayVGH, U.v. 20.5.2019, 20 B 18.1431, Rn. 40, - juris). Vorliegend geht es gerade nicht mehr um den Vorteil, der einst aus der ursprünglichen Herstellung erwachsen ist, sondern um denjenigen, welcher aus der Verbesserungsmaßnahme resultiert. In diesem Sinne führt der BayVGH (a.a.O., Rn. 41 - juris) aus: „Bei der Bestimmung des Vorteils kann allerdings nicht alleine auf die erstmalige Anschlussmöglichkeit an die leitungsgebundene Einrichtung abgestellt werden, sondern es ist zu differenzieren. Denn der Eintritt einer neuen Vorteilslage setzt hinsichtlich des neu hinzukommenden Vorteils die Ausschlussfrist gesondert in Gang (LT-Drs. 17/370 S. 13 Nr. 1 a).“
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Demgegenüber hat die Widerspruchsbehörde für das Entstehen der hier maßgeblichen Vorteilslage auf die Fertigstellung der Entwässerungsanlage im Jahre 1993 abgestellt. Denn nach Auskunft der Klägerin ist die Schlussrechnung über die Kanalarbeiten bereits im Jahre 1993 ergangen, sodass die Ausschlussfrist bereits im Jahre 2013 geendet habe und der Bescheid vom 10. September 2015 daher zu spät ergangen sei.
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Dieser Auffassung liegt letztlich ein falsches Verständnis von dem hier maßgeblichen Begriff der „Vorteilslage“ zugrunde: Die Widerspruchsbehörde geht offenbar davon aus, dass durch den Rückgriff auf die BGS-EWS 2013 die ursprüngliche Herstellungsmaßnahme, das heißt die erstmalige Herstellung der Entwässerungsanlage im Jahre 1993, sozusagen „wiederauflebt“.
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Dabei wird jedoch verkannt, dass die Kanalarbeiten im Jahre 1993 längst abgerechnet sind und für die Festsetzung des nunmehr geltend gemachten Verbesserungsbeitrages nur noch insoweit eine Rolle spielen, als die Summe der bereits geleisteten Herstellungsbeiträge und dem Verbesserungsbeitrag nicht die Höhe des nunmehr im Falle einer Neuanschließung fälligen Herstellungsbeitrages, in den kalkulatorisch auch die Verbesserungsmaßnahme aus dem Jahre 2012 eingeflossen ist, erreichen darf. Dies ist jedoch nicht der Fall (siehe oben).
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Vorliegend steht daher allein die Vorteilslage inmitten, wie sie sich aufgrund der Verbesserungsmaßnahme des Jahres 2012 darstellt. Würde man der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde folgen, dass nämlich auf die ursprüngliche Herstellungsmaßnahme und deren Abschluss abzustellen sei, würde dies zu dem - vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewünschten - Ergebnis führen, dass sogenannte Altanschließer nach Ablauf von 20 Jahren nach der Fertigstellung der Herstellungsmaßnahme nicht mehr zu einem Verbesserungsbeitrag herangezogen werden könnten. Dies wiederum würde eine nicht begründbare und daher willkürliche Ungleichbehandlung zwischen Alt- und Neuanschließern nach sich ziehen. Der Gesetzgeber hat jedoch in Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeinden berechtigt sind, auch für Verbesserungsmaßnahmen kostendeckende Beiträge zu erheben.
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Im vorliegenden Falle ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Beigeladene mit den bisher geleisteten Herstellungsbeiträgen und dem nunmehr festgesetzten Verbesserungsbeitrag deutlich unter dem bleibt, was ein (fiktiver) Neuanschließer zu zahlen hätte.
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Dass der Verbesserungsbeitrag aufgrund der Nichtigkeit der VES-EWS 2012 auf der Grundlage der BGS-EWS 2013 erhoben wird, führt demnach nicht dazu, dass auf die im Jahre 1993 eingetretene Vorteilslage abzustellen wäre.
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Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) KAG wurde aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) in das Gesetz eingefügt, um zu verhindern, dass der grundsätzlich abgabenpflichtige Bürger ohne für ihn erkennbaren Grund, nämlich aufgrund fehlenden wirksamen Satzungsrechts, jahrzehntelang nicht zu einem Beitrag herangezogen wird, obwohl die Erschließungsanlage bereits seit mehr als 20 Jahren ersichtlich fertiggestellt und benutzbar ist. Vergleichbarer Vertrauensschutz liegt dem vorliegenden Fall jedoch gerade nicht zugrunde: Denn die Kanalarbeiten aus dem Jahre 1993 sind - jedenfalls für das Grundstück der Beigeladenen - längst abgerechnet (durch Bescheide aus dem Jahre 1994) und spielen für die hiesige Vorteilslage ersichtlich keine Rolle mehr.
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Nach alledem ist die zwanzigjährige Ausschlussfrist im vorliegenden Fall bei Weitem noch nicht abgelaufen. Weitere Gründe, die den Bescheid der Klägerin vom 10. September 2015 rechtswidrig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Der von der Beigeladenen angeführte teilweise feuchte Keller ist nicht geeignet, eine teilweise Rechtswidrigkeit des festgesetzten Betrages zu begründen. Etwaige Probleme mit der Nutzbarkeit an die Entwässerungseinrichtung angeschlossener Räumlichkeiten liegen in der Sphäre des Abgabenschuldners und können sich nicht abgabenmindernd auswirken.
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Der Bescheid der Klägerin vom 10. September 2015 erweist sich daher als rechtmäßig, sodass der angefochtene Widerspruchsbescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klage ist daher begründet und der Widerspruchsbescheid vom 15. November 2018 aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.