Inhalt

ArbG Augsburg, Endurteil v. 07.05.2020 – 3 Ga 9/20
Titel:

Kein Anspruch auf Erbringung der Tätigkeit in Homeoffice oder Einzelbüro

Normenkette:
BGB § 618
Leitsätze:
1. Aus einem ärztlichen Attest (hier für einen 63jährigen Arbeitnehmer) folgt während der COVID-19-Pandemie nicht, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erbringung seiner Tätigkeit im Homeoffice oder einem Einzelbüro hat, da hierfür eine vertragliche oder gesetzliche Regelung fehlt.  (Rn. 11 und 14) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Es obliegt dem Arbeitgeber, gem. § 618 BGB ermessensgerecht die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, was auch die Zuweisung eines Büros mit mehreren Mitarbeitern umfassen kann, wenn die entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen werden. (Rn. 12 und 15) (red. LS Ulf Kortstock)
Schlagworte:
Leistungsbestimmungsrecht, ärztliches Attest, Umstrukturierung, Homeoffice, Einzelbüro, Schutzmaßnahmen, COVID-19
Fundstellen:
BeckRS 2020, 11711
COVuR 2020, 332
LSK 2020, 11711
NZA-RR 2020, 417

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf ... € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger, 63 Jahre alt, ist seit ... bei der Beklagten beschäftigt, er erhielt zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von ... €. Der Kläger ist seit einer Umstrukturierung bei der Beklagten als ... eingesetzt, er arbeitet am Sitz der Beklagten in ... und teilt sich ein Büro mit der Mitarbeiterin.
2
Der Kläger leitet aus einem ärztlichen Attest vom 9.4.2020 einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erbringung seiner Tätigkeit an seinem Wohnsitz im Homeoffice her. Hinsichtlich des ärztlichen Attestes wird auf Blatt 33 der Akte Bezug genommen und verwiesen.
3
Weiter unterrichtet der Kläger nebenamtlich jeweils am Montag 90 Minuten an der .... Auch insoweit leitet der Kläger aus dem vorgenannten ärztlichen Attest einen Anspruch her, dass er diesen nebenamtlichen Unterricht nicht leisten muss.
4
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
1) Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis 25.000,- Euro bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter des Antragsgegners, dem Antragsteller - solange für ihn das Risiko einer Sars-CoV-2-Infektion besteht - entsprechend dem ärztlichen Attest des ... vom 09.04.2020 (Anlage AS 4) Arbeit im Home-Office zu gestatten und, soweit dies aus organisatorischen Gründen nicht möglich ist, ihm im Vorstandsbereich der Zentrale des Antragsgegners ... das Einzelbüro zur Verfügung zu stellen, das auf dem beigefügten Raumplan Anlage AS 5) mit der Arbeitsplatznummer ... gekennzeichnet ist, hilfsweise dasjenige mit der Arbeitsplatznummer ..., wiederum hilfsweise dasjenige mit der Arbeitsplatznummer ....
2) Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3) Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis 25.000,- Euro bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter des Antragsgegners, den Antragsteller - solange für ihn das Risiko einer Sars-CoV-2-Infektion besteht - nicht anzuweisen, an der ... oder an anderen Schulen des Antragsgegners Unterricht zu erteilen.
5
Die Beklagte beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
6
Im Wesentlichen bestreitet die Beklagte einen Verfügungsanspruch. Weiter trägt die Beklagte vor, dass für die Dauer der Anwesenheit des Klägers in der Zentrale die Assistentin ..., ihrer Tätigkeit in einem anderen Büro nachgehen wird. Hinsichtlich der Unterrichtsverpflichtung trägt die Beklagte vor, dass die ... ihre Unterrichtstätigkeit umorganisiert hat und lediglich ... kurse gegeben werden. Die Anwesenheit des Klägers als Dozent vor Ort ist nicht mehr erforderlich, dies habe die Schulleiterin ... dem Kläger mit E-Mail vom 27.4.2020 bereits mitgeteilt.
7
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe

8
Die zulässigen Anträge sind unbegründet, somit war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
9
1. Der Antrag 1 war mangels Verfügungsanspruch abzuweisen.
10
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verfügungsanspruch insoweit nicht ausreichend glaubhaft gemacht ist. Die vom Kläger im Termin 7.5.2020 übergebene eidesstattliche Versicherung, gesetzt auf eine Kopie seines Antragsschriftsatzes, erfüllt nicht die zu stellenden Anforderungen an eine eidesstattliche Versicherung.
11
Unabhängig davon besteht aber auch in der Sache selber kein Anspruch des Klägers auf einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice), ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Vertrag noch aus Gesetz.
12
Es obliegt allein dem Arbeitgeber, wie er seinen Verpflichtungen aus § 518 BGB gerecht wird und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Klägers zu entsprechen.
13
2. Der weitergehende Antrag, der unter Bedingungen und somit hilfsweise gestellt ist, ist ebenfalls mangels Verfügungsanspruch abzuweisen.
14
Ein Anspruch des Klägers auf ein Einzelbüro besteht nicht, auch insoweit fehlt es an einer vertraglichen bzw. gesetzlichen Regelung, welche den Anspruch des Klägers stützen könnte.
15
Auch insoweit ist jedoch der Arbeitgeber verpflichtet, die notwendigen und erforderlichen Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Klägers auf Grund § 618 BGB zu ergreifen, umso mehr eine entsprechende hausärztliche Empfehlung vorliegt. Dies kann auch ein Büro mit mehreren Personen sein, wenn entsprechende Schutzvorkehrungen vorhanden sind. Im Ergebnis kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da nach dem Sachvortragt der Beklagten, sobald seine Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist, in einem Büro alleine beschäftigt wird. Mehr kann der Kläger nicht verlangen.
16
3. Der weitere Antrag 3 war ebenfalls abzuweisen. Der Kläger muss derzeit keiner Unterrichtsverpflichtung an einer ... nachkommen, der Unterrichtsbetrieb ist eingestellt, er beschränkt sich auf die Prüfungsvorbereitung und der Kläger ist von seiner Unterrichtsverplichtung derzeit befreit.
17
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91.
18
Der Streitwertfestsetzung liegt ein volles Bruttomonatsgehalt für den Antrag 1) zu Grunde. Der Antrag 2) wegen der Unterrichtsverpflichtung wurde mit 2.500,00 € bemessen.