Titel:
Unzulässiges Sachurteil bei Säumnis des Klägers trotz zureichender Klagebegründung bei vorausgehendem Mahnverfahren
Normenketten:
ZPO § 128 Abs. 2, § 137 Abs. 1, Abs. 3, § 297 Abs. 1, Abs. 2, § 330, § 331a, § 335, § 338, § 342, § 253 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 330, § 331a , § 511, § 538 Abs. 2, § 696 Abs. 1, Abs. 3, § 697 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
GKG § 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Fehlt im Termin zur mündlichen Verhandlung entgegen § 697 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Anspruchsbegründung, ist die Klage nur dann unzulässig, wenn der (nach Abgabe aus dem Mahnverfahren rechtshängige) Klageanspruch anhand der Angaben aus dem Mahnbescheid und den dort zulässigerweise In Bezug genommen Unterlagen (z.B. Rechnungen) nicht individualisierbar ist und damit den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entspricht (im Anschluss an OLG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2012, 19 U 141/12; Abgrenzung zu OLG München NJW-RR 1989, 1405 = MDR 1988, 973). (Rn. 17)
2. Ist die Klage zulässig und der Kläger im Termin säumig, kann die Klage nicht durch Endurteil (§ 300 Abs. 1 ZPO) abgewiesen werden. Über die Klage ist entweder durch Versäumnisurteil nach § 330 ZPO oder, soweit die Voraussetzungen gegeben sind, durch Urteil nach Lage der Akten (§ 331a ZPO) zu entscheiden. (Rn. 26)
3. Wird eine Klage durch Endurteil anstatt durch Versäumnisurteil nach § 330 ZPO (als unbegründet) abgewiesen, kann dies mit der Berufung angegriffen werden und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz führen. (Rn. 33 und 39 – 45)
Schlagworte:
Mahnverfahren, Klageantrag, Bestimmtheit, Meistbegünstigung, Unzulässigkeit, Begründung, Versäumnisurteil, Sachurteil, Berufung, Zurückverweisung
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 24.09.2018 – 13 O 1607/18 Rae
Fundstellen:
MDR 2019, 1017
RÜ2 2020, 34
LSK 2019, 9587
NJW-RR 2019, 886
BeckRS 2019, 9587
Tenor
1. Das Urteil des Landgerichts München II vom 24.09.2018 (Az. 13 O 1607/18) wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, soweit diese nicht niedergeschlagen sind, an das Landgericht München II zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung gesetzlicher Rechtsanwaltsvergütung für dessen Vertretung in einem Prozess vor dem LG Traunstein, in dem es um einen vom Beklagten erklärten Widerruf eines Darlehensvertrages ging.
2
Im Mahnbescheid vom 15.11.2017 verlangte der Kläger vom Beklagten die Zahlung von „Rechtsanwalts-/Rechtsbeistandshonorar“ gemäß Rechnung 1740 vom 25.09.2017 in Höhe von 5.697,78 € und gemäß Rechnung 1603 vom 17.04.2016 in Höhe von 657,40 € nebst Zinsen und Kosten. Der Beklagte legte am 22.11.2017 Widerspruch ein. Das Verfahren wurde am 25.04.2018 an das Landgericht München II abgegeben und dort auf den Einzelrichter (ER) übertragen.
3
Der Beklagte beantragte am 15.06.2018, Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, dem das Gericht mit Verfügung vom 29.06.2018 nachkam. Es beraumte die Güteverhandlung und den anschließenden Haupttermin für den 24.09.2018 an.
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Der Kläger kam der Aufforderung in der Verfügung vom 29.06.2018, seinen Anspruch nach § 697 Abs. 3 ZPO zu begründen, nicht nach. Im Termin am 24.09.2018 erschien für den Kläger niemand. Das Landgericht München II erließ am 24.09.2018 ein „Endurteil“, das die Klage abwies. In den Gründen führte es aus, dass die Klage zulässig aber unbegründet sei. Da im Termin keine schlüssige Klagebegründung vorgelegen habe, sei die Klage als unbegründet abzuweisen gewesen.
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Das Urteil wurde dem Kläger am 11.12.2018 per PZU zugestellt. Er legte mit Schriftsatz zum Landgericht München II „gegen das (…) Versäumnisurteil“ am 21.12.2018 „Einspruch“ ein, den er zugleich begründete. In den dazu eingereichten umfangreichen Anlagen finden sich die beiden im Mahnbescheid genannten Rechnungen. Diese nehmen Bezug zu den Prozess vor dem LG Traunstein unter namentlicher Bezeichnung der dortigen Parteien; die Rechnungen führen die gesetzlichen Gebührentatbestände näher aus.
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Mit Verfügung der Vorsitzenden der 13. Zivilkammer wurde die Akte dem Oberlandesgericht vorgelegt, da der „Einspruch“ als Berufung auszulegen sei. Die Akte ging beim Oberlandesgericht am 09.01.2019 ein. Mit Verfügung vom 30.01.2019 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und rechtliche Hinweise erteilt.
7
Der Kläger bemängelt, dass das Landgericht statt durch Versäumnisurteil durch Endurteil entschieden habe; zutreffend sei aber, dass seine Klage zulässig gewesen sei, da sich der Gegenstand des Prozesses eindeutig aus dem Mahnbescheid ergeben habe. Der Kläger führt weiter aus, warum ihm die gesetzliche Vergütung zustehe.
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Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 10.03.2019, das Urteil des Landgerichts München II aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
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Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte rügt die fehlende Anspruchsbegründung in erster Instanz. In der Sache wirft er dem Kläger zwei Fehler bei der Durchführung des ihm erteilten Auftrags vor. Der Kläger habe vor dem LG Traunstein einen Feststellungsantrag, statt eines Leistungsantrags gestellt. Weiter habe der Kläger trotz einer Weisung des Beklagten den vor dem LG Traunstein geschlossenen Vergleich nicht widerrufen. Daraus errechnet der Beklagte einen von ihm erlittenen Vermögensschaden, den er der Klageforderung entgegenstellt.
11
Beide Parteien hatten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 09.04.2019 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet, wobei Schriftsätze, die bis zum 24.04.2019 bei Gericht eingehen, berücksichtigt werden.
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Die Berufung hat Erfolg. Das Landgericht hat fehlerhaft durch ein instanzbeendendes Endurteil anstatt durch (erstes) Versäumnisurteil entschieden. Seine Entscheidung war aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen.
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1. Der vom Kläger gegen das Endurteil vom 24.09.2018 am 21.12.2018 eingelegte Rechtsbehelf war statthaft und in eine (zulässige) Berufung umzudeuten.
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a) Die Entscheidung des Landgerichts durch ein klageabweisendes Sachurteil (Endurteil), das die Klage als unbegründet abweist, erfolgte verfahrensfehlerhaft; richtigerweise hätte das Landgericht ein klageabweisendes Versäumnisurteil nach § 330 ZPO erlassen müssen.
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aa) Der Kläger war vor dem LG München II im Termin am 24.09.2018 säumig.
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bb) Die nach Abgabe beim Landgericht München II rechtshängige Klage war zulässig; insbesondere war der Gegenstand des Rechtsstreits hinreichend individualisiert (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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(1) Wird eine Klage rechtshängig, die nicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht, also über keine oder eine unzureichende Begründung verfügt (siehe dazu Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 253 Rdnr. 10) und bessert der Kläger trotz eines Hinweises nicht nach, wird die Klage als unzulässig abgewiesen (Zöller/Greger § 253 Rdnr. 23; Musilak/Voit/Foerste, ZPO, 16. Aufl., 2019, § 253 Rdnr. 26, 28; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 253 Rdnr. 20). Die Klageabweisung als unzulässig erfolgt unabhängig davon, ob der Kläger zum Termin erscheint oder nicht; Säumnis spielt also keine Rolle (Zöller/Herget, vor § 330 Rdnr. 11).
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(2) Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen, ist streitig, ob das Fehlen der Anspruchsbegründung (§ 697 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zur Unzulässigkeit der Klage führt.
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Das ist nach der starken Auffassung in der Literatur der Fall (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 77. Aufl. 2019, § 697 Rdnr. 21; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 697 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., 2018, § 697 Rdnr. 7; Wiezorek/Schütze/Olzen, ZPO, 4. Aufl., 2013, § 697 Rdnr. 6; MüKoZPO/Schüler, 5. Aufl. 2016, § 697 Rdnr. 26). Nach der Gegenauffassung liegt mit Blick auf die Rechtshängigkeit des Mahnverfahrens dagegen kein Fall der nicht ordnungsgemäßen Klageerhebung vor, weshalb die Klage auch nicht unzulässig ist (Zöller/Seibel, § 697 Rdnr. 10; Musilak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 697 Rdnr. 6; Saenger/Gierl, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 697 Rdnr. 19).
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Nach Auffassung des Senats ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Angaben im Mahnbescheid ausreichen, dem Begründungserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen (OLG Stuttgart, Urt. vom 29.11.2012, Az. 19 U 141/12, abrufbar bei juris); ist dies der Fall, führt das Fehlen einer Anspruchsbegründung nicht zu Unzulässigkeit der Klage. Dies folgt aus diesen Erwägungen:
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Nach Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht wird das Verfahren dort mit Eingang der Akten anhängig (§ 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und (ggf. sogar rückwirkend, § 696 Abs. 3 ZPO), rechtshängig (Zöller/Seibel, § 696 Rdnr. 7). Die Frage muss daher lauten, ob über diesen rechtshängigen (Klage-)Anspruch eine Sachentscheidung (zu der auch das Versäumnisurteil nach § 330 ZPO gehört; Zöller/Herget, § 330 Rdnr. 2, 6) ergehen kann. Dies richtet sich danach, ob die Sachurteilsvoraussetzungen (siehe Thomas/Putzo/Seiler, vor § 253 Rdnr. 8, 15; Zöller/Greger vor § 253 Rdnr. 13 ff) vorliegen. Dazu muss der eingeklagte Anspruch hinreichend bestimmt, also „individualisierbar“ sein (siehe § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Schlüssigkeit des Klagevortrags oder gar das Angebot von Beweismitteln durch den Kläger zählen dagegen nicht zum notwendigen Inhalt der Klageschrift und zur danach gebotenen Individualisierung (Zöller/Greger, vor § 253 Rdnr. 22). Zutreffend weist Berger darauf hin, dass die Anspruchsbegründung den erhobenen Anspruch (weiter) substantiieren soll (Stein/Jonas, § 697 Rdnr. 3), was aber zeigt, dass es sich dabei nicht in jedem Fall um eine gesetzliche Zulässigkeitsvoraussetzung handeln muss.
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Entscheidend ist danach, ob der Mahnbescheid vom 15.11.2017 den Klageanspruch bereits so eindeutig beschreibt, dass er auch in einer Klage (ohne weitere Ausführungen zur Begründung des Anspruchs) bestimmt („individualisierbar“) geltend macht wird (siehe Zöller/Greger, vor § 253 Rdnr. 22, 24).
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Dies war vorliegend der Fall, weshalb die Klage zur Zeit der mündlichen Verhandlung vor dem LG München II zulässig war. Zwischen den Parteien bestehen außer dem hier streitigen Rechtsanwaltsvertrag keine weiteren (Rechts-)Beziehungen. Die im Mahnbescheid aufgeführten Rechnungen waren dem Beklagten zuvor übersandt worden. Aus den darauf Bezug nehmenden Angaben des Mahnbescheids konnte eindeutig entnommen werden, welche anwaltliche Vergütungsforderung für welche anwaltliche Vertretung der Kläger vom Beklagten fordert. Auch eine Klageschrift (§ 253 Abs. 1 ZPO) nur mit den Informationen aus den beiden Rechnungen zusammen mit den Angaben des Mahnbescheids hätte die Klageforderung vor dem Hintergrund des einfach strukturierten Sachverhalts ausreichend bestimmt vorgetragen.
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cc) Die Entscheidung durch klageabweisendes Sachurteil war unzulässig; das Landgericht München II wendet § 330 ZPO fehlerhaft nicht an. Es hat stattdessen durch kontradiktorisches Urteil entschieden, obwohl es - auf der Grundlage seiner zutreffenden Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Klage - (nur) durch Versäumnisurteil hätte entscheiden können.
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(1) Das Landgericht geht bei Säumnis des Klägers - unausgesprochen - von einem Wahlrecht des Gerichts oder des Gegners zwischen einem Versäumnisurteil (VU) nach § 330 ZPO und einem klageabweisenden Endurteil (EU) bei einer unschlüssigen Klage aus, wenn der Kläger säumig ist.
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Dies findet im Gesetz keine Stütze, da bei Säumnis des Klägers bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 330 ZPO durch VU oder nach Lage der Akten entschieden wird (Zöller/Herget § 330 Rdnr. 1; vor § 330 Rdnr. 11). Die Kommentierungen zu § 697 ZPO, die bei Fehlen einer Anspruchsbegründung von der Zulässigkeit der Klage ausgehen, gehen nicht näher darauf ein, in welcher Urteilsform bei Säumnis des Klägers zu entscheiden ist.
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Der dort zu findende Hinweis, dass bei Fehlen einer Anspruchsbegründung die Klage „im Termin“ als unbegründet abzuweisen ist, setzt das Verhandeln beider Parteien und damit die Anwesenheit des Klägers voraus. Damit ist aber keine Aussage dazu verbunden, dass eine solche Klage (ggf. wahlweise) bei Säumnis des Klägers mit Endurteil als unbegründet abgewiesen werden kann. Dies richtet sich vielmehr nach den Dispositionsmöglichkeiten, die §§ 330 ff. ZPO dem Beklagten eröffnen.
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Nach dem in der ZPO verfolgten Prinzip der Mündlichkeit wird der in den vorbereitenden Schriftsätzen enthaltene Tatsachenvortrag erst mit dem Verhandeln der Partei zum Gegenstand des Verfahrens (§§ 137 Abs. 1, 3 Satz 1, 297 Abs. 1, 2 ZPO). Soweit eine Partei säumig ist oder nicht verhandelt (§ 333 ZPO), trägt sie nicht vor, mögen entsprechende Ausführungen in Schriftsätzen vorliegen oder nicht. Das Fehlen einer Anspruchsbegründung des Klägers spielte daher im Termin am 24.09.2018 keine entscheidende Rolle, da auch eine vorhandene Klage- oder Anspruchsbegründung ohne Bedeutung gewesen wäre. Zudem lagen die Voraussetzungen eines Endurteils nach § 300 Abs. 1 ZPO am 24.09.2018 nicht vor, da der Rechtsstreit ohne eine streitige mündliche Verhandlung noch nicht im Sinne einer Klageabweisung als unbegründet „entscheidungsreif“ ist. Gegen die Möglichkeit eines Sachurteils in Form eines Endurteils spricht schließlich auch die Vorschrift des § 331a ZPO. Diese soll in der Säumnissituation statt des VU eine alternative Möglichkeit der Sachentscheidung durch ein kontradiktorisches Urteil mit instanzbeendender Wirkung schaffen (MüKoZPO/Prütting, § 331a Rdnr. 1). Auch dies zeigt, dass ein einseitiges Verhandeln keine Grundlage für instanzbeendendes Endurteil nach § 300 Abs. 1 ZPO sein kann.
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(2) Das Endurteil vom 24.09.2018 stellt auch kein kontradiktorisches Urteil nach Lage der Akten (§ 331a ZPO) dar.
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Insoweit fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen. Dazu hätte ein diesbezüglicher Antrag gestellt werden müssen; die vom Beklagten beantragte „Klageabweisung, auch durch Versäumnisurteil“ bietet dafür keinen Anhaltspunkt. Schließlich hätte die Entscheidung ausdrücklich „nach Lage der Akten“ ergehen müssen (siehe Zöller/Greger, § 251a Rdnr. 8), was auch nicht der Fall ist.
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(3) Das Landgericht München II hätte im Termin am 24.09.2018 die Klage nur durch Säumnisurteil nach § 330 ZPO (als unbegründet) abweisen dürfen. Ein entsprechender Antrag des Beklagten war gestellt, Versagungsgründe (§ 335 ZPO) lagen nicht vor.
32
b) Der vom Kläger eingelegte Einspruch vom 21.12.2018 war nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung statthaft und wirksam.
33
Hat ein Gericht eine Entscheidung abweichend von der im Gesetz vorgesehenen Form als Urteil oder Beschluss erlassen, dann darf der Fehler des Gerichts nicht zu Lasten der Parteien gehen; deshalb ist sowohl das Rechtsmittel gegeben, das der erkennbar gewordenen Entscheidungsart entspricht, wie dasjenige, das der Entscheidung entspricht, für die die Voraussetzungen gegeben waren (Grundsatz der Meistbegünstigung: BGHZ 40, 265; 98, 362; BGH NJW 97, 1448; MDR 2002, 1204; Schenkel MDR 2003, 136; Althammer/Löhnig NJW 2004, 1567; Zöller/Heßler, vor §§ 511-541, Rdnr. 30). Der Meistbegünstigungsgrundsatz greift auch ein, wenn ein nach dem Inhalt kontradiktorisches Urteil im Rubrum irrig als Versäumnisurteil bezeichnet wird (BGH NJW 99, 583) oder statt eines Versäumnisurteils ein Endurteil verkündet wird (OLG München FamRZ 89, 1204).
34
Danach waren gegen das Urteil vom 24.09.2018 sowohl der Einspruch als auch die Berufung statthaft. Ersterer, weil dieser die gegen die gesetzlich vorgeschriebene Urteilsform der statthafte Rechtsbehelf gewesen wäre (§ 338 ZPO), letztere als das statthafte Rechtsmittel gegen die tatsächlich gewählte Entscheidungsform (§ 511 ZPO).
35
c) Der Einspruch war in eine Berufung umzudeuten, um eine Korrektur des Verfahrensfehlers durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen.
36
Der Kläger hat sich nach Abgabe des Verfahrens an das Oberlandesgericht und den ihm vom Senat erteilten rechtlichen Hinweisen dahingehend eingelassen, dass der vorstehende beschriebene Verfahrensfehler vom Berufungsgericht korrigiert werden soll. Der Einspruch kann entsprechend dem ergänzten Antrag des Klägers in eine Berufung gegen das Endurteil vom umgedeutet werden. Die Einspruchsschrift vom 21.12.2018 erfüllt alle Formanforderungen einer Berufung. Diese wurde danach insbesondere fristgerecht beim Oberlandesgericht eingereicht und begründet (§§ 519, 520 ZPO).
37
2. Das Endurteil vom 24.09.2018 war aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen.
38
a) Das Verfahren des Landgerichts München I war fehlerhaft, da es anstatt durch Versäumnisurteil nach § 330 ZPO durch Endurteil nach § 300 ZPO entschieden hatte. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 1. Bezug genommen.
39
b) Das Endurteil vom 24.09.2018 war aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zurückzuverweisen.
40
aa) Ein Zurückweisungsantrag nach § 538 Abs. 2 Satz 2 ZPO liegt vor.
41
bb) Nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und, soweit erforderlich, des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen werden, wenn das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
42
Das Verfahren in erster Instanz leidet an einem wesentlichen Mangel, weil durch streitiges, anstatt durch Versäumnisurteil erkannt wurde. Das angegriffene Urteil stellt keine Grundlage für eine Instanzbeendigung dar (vgl. BGH WM 2010, 892). Aufgrund dieses Mangels muss der Rechtsstreit nach dem Einspruch des Klägers erstmals mit allen streitigen Einwendungen des Beklagten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufgearbeitet werden.
43
cc) Ein weiter Grund für eine Zurückverweisung ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO.
44
Danach kann eine Zurückverweisung auch erfolgen, wenn das angefochtene Urteil einen Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen hat. Indem das Landgericht durch Endurteil entschieden hat und den dagegen eingelegten Einspruch des Klägers dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, hat es zu erkennen gegeben, dass es den Einspruch als unzulässig betrachtet.
45
Der Senat ist angehalten, den Verfahrensfehler zu korrigieren, um den Prozess in die Lage, in der er sich nach Einlegung des Einspruchs befindet, zurückzuversetzen. Damit kann im erstinstanzlichen Verfahren erstmals über die Klage und die dagegen vorgebrachten Einreden entschieden werden (vgl. dazu auch OLG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2012). Dies erfordert eine Aufhebung des Urteils und des Verfahrens sowie eine Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.
46
4. Die Entscheidung im Berufungsverfahren ergeht im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO).
47
5. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren nach § 21 Abs. 2 GKG niederzuschlagen. Die Kosten für das Berufungsverfahren wären bei richtiger Sachbehandlung nicht angefallen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG), da der Prozess bei zutreffender Entscheidung durch Versäumnisurteil und nach Eingang des Einspruchs in erster Instanz weiter geführt worden wäre (§ 342 ZPO).
48
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 10 ZPO.
49
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Insbesondere liegt keine entscheidungserhebliche Divergenz zur Entscheidung des OLG München (NJW-RR 1989, 1405 = MDR 1988, 973) vor. Aus dem dort mitgeteilten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, ob der dortige Klageanspruch im Mahnverfahren schon hinreichend individualisiert war, so dass auch nach Auffassung des erkennenden Senats eine unzulässige Klage vorgelegen haben kann. Dem mehrfach zitierten Urteil des OLG Stuttgart vom 29.11.2012 folgt der Senat.