Inhalt

LG Landshut, Endurteil v. 04.10.2019 – 44 O 3587/18
Titel:

Innenausgleich zwischen den Versicherern eines Fahrzeuggespanns

Normenketten:
VVG § 77, § 78 Abs. 2 S. 1
ROM II-VO Art. 19, Art. 20
Leitsatz:
Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfalle nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen (Anschluss an BGH BeckRS 2010, 29733; s. auch BGH BeckRS 2018, 15039). (Rn. 19 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haftpflichtversicherer, Innenausgleich, Gesamtschuldnerausgleich, Zugfahrzeug, Anhänger, Gespann, Mehrfachversicherung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 17.06.2020 – 10 U 6240/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 44456

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.461,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 5.939,92 € und ab 18.07.2019 auf 1.461,32 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Regressansprüche im Rahmen eines Gesamtschuldner-Innenausgleichs im Rahmen der Regulierung eines Verkehrsunfalles geltend.
2
Am 19.06.2015 gegen 11:45 kam es auf der Bundesautobahn A 92, Fahrtrichtung München, Abschnitt - - Kilometer -, N. zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Gespann aus der Zugmaschine A) nebst Anhänger/Aufleger B) und dem Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen C), dessen Halterin und Eigentümerin die XY KG war. Nach einem Fahrspurwechsel des Gespannes fuhr der Pkw BMW auf das Heck des Gespannes auf. Zum Schadenszeitpunkt war die Klägerin Kfz-Haftpflichtversicherer des Lkw-Zugfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen A), die Beklagte Kfz-Haftpflichtversicherer des Anhängers/Aufliegers mit dem ausländischen (slowakischen) amtlichen Kennzeichen B).
3
Das Unfallereignis wurde durch die Verkehrspolizeiinspektion Freising zum Aktenzeichen - polizeilich aufgenommen.
4
Am Pkw BMW C) entstand ein reparaturwürdiger Schaden. Im Einzelnen entstand der zum Vorsteuerabzug berechtigten XY KG aus dem Unfallereignis folgender Schaden: Reparaturkosten gemäß Gutachten netto in Höhe von 30.569,64 €, Sachverständigenkosten netto in Höhe von 2.149,25 €, Abschleppkosten netto in Höhe von 341,50 €, Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 16.556,20 € netto in Höhe von 924,80 €.
5
Nach einer behaupteten Haftungsquote von 50% machte die XY KG die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 19.06.2015 vor dem Landgericht Landshut zum Aktenzeichen - gerichtlich geltend. Im Termin am 24.02.2016 verglichen sich die Parteien bei Zugrundelegung einer Haftungsquote des Gespanns von 25% auf von der hiesigen Klägerin zu leistende Zahlungen in Form von Schadensersatz netto in Höhe von 8.278,10 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten netto in Höhe von 679,10 €.
6
Die Klägerin hat folgende Aufwendungen getätigt: Vergleichsbetrag Hauptforderung netto in Höhe von 8.278,10 €, Vergleichsbetrag außergerichtliche Rechtsanwaltskosten netto in Höhe von 679,10 € sowie eigene Verfahrenskosten in Höhe von 2.922,64 €, also insgesamt 11.879,84 €.
7
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 29.03.2016 zur Zahlung auf und mahnte die Zahlung mit Schreiben vom 20.06.2018 bei der Beklagten an. Die Mahnung ging per Email am 20.06.2018 bei der Beklagten ein. Eine Zahlung blieb aus.
8
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG in der beantragten Höhe hat. Die Beklagte sei der Klägerin zur Erstattung der Hälfte ihrer Aufwendungen, mithin in Höhe von 5.939,92 € zum Ausgleich verpflichtet Ein Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherer schulde aus dem Kraftfahrzeughaftpflicht-Vertrag die Befriedigung berechtigter und die Abwehr unberechtigter Ansprüche. Die Regulierungsbefugnis und damit die Entscheidungsbefugnis werde dem Versicherer dabei durch die AKB übertragen. Der Versicherer habe sein Ermessen pflichtgemäß auszuführen. Bei den im gerichtlichen Verfahren zwangsläufig entstandenen Rechtsanwaltsgebühren der seinerzeit tätigen Rechtsanwältin I.H. handele es sich mithin um den internen Ausgleich von Aufwendungen der Klägerin für ein Unterliegen im Prozess gegen die XY KG, welchen die Klägerin pflichtgemäß aufgenommen habe. Dabei habe sich die Klägerin im landgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten lassen müssen. Allein aus prozessökonomischen Gründen und im Vertrauen auf den pflichtgemäßen internen Ausgleich habe die Klägerin der hiesigen Beklagten im Verfahren vor dem LG Landshut, -, nicht den Streit verkündet.
9
Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.939,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2018 zu zahlen. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.06.2019 einen Teilbetrag in Höhe von 4.478,60 € anerkannt hatte, wurde die Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil vom 17.07.2019 verurteilt, an die Klägerin 4.478,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.03.2018 zu zahlen.
10
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 1.461,32 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2018 zu zahlen.
11
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei den eigenen Verfahrenskosten der Klägerin in Höhe von 2.922,64 € für den Rechtsstreit XY GmbH gegen - vor dem Landgericht Landshut, I. Instanz mit dem Aktenzeichen - um keine Kosten, die gemäß den Ausführungen auch in der Klage ausgleichspflichtig sind. Ausgleichspflichtig seien Kosten, die den Schaden selbst betreffen, aber nicht die Rechtsanwaltskosten, die die Klägerin berechtigt oder unberechtigt in einem Verfahren gegen den Schadensverursacher führt. Diese Kosten der Rechtsanwältin I.H. gemäß Kostennote vom 18.03.2016 gemäß Anlage B 1 würden nicht dem Gesamtschuldnerausgleich unterliegen, weshalb diese Kosten entsprechend der Aufstellung in der Klage auf Seite 5 nicht mit aufzunehmen seien.
13
Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.
14
Mit Schriftsatz vom 26.07.2019 und mit Schriftsatz vom 30.07.2019 haben sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
16
Die Zuständigkeit des Landgerichts Landshut ergibt sich aus § 32 ZPO iVm Art. 7 Nr. 2 der VO (EU) Nr. 1215/2012 (“Brüssel Ia“), da sich das dem Anspruch zugrunde liegende Unfallgeschehen im Gerichtsbezirk ereignete.
B.
17
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von weiteren 1.461,32 € gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG.
18
I. Es ist deutsches Recht anwendbar, denn Art. 20 und 19 der Verordnung 864/2007/EG (Rom II-Verordnung) erklären sowohl hinsichtlich der Frage des Ausgleichsanspruchs unter mehreren für dieselbe Forderung haftenden Schuldnern, als auch hinsichtlich der Frage des gesetzlichen Forderungsübergangs nach Leistung eines Dritten direkt an den Gläubiger, bzgl. des Inhalts des Anspruchs jeweils das Recht für anwendbar, das den Anspruch des Gläubigers gegen den an ihn zunächst leistenden Schuldner bzw. Dritten beherrscht.
19
II. Anhänger und Zugfahrzeug bilden haftungsrechtlich eine Einheit. Für beide besteht eine eigene Kfz-Haftpflicht gemäß den rechtlichen Vorgaben. Daher muss grundsätzlich sowohl der Halter des Anhängers als auch der Halter des Zugfahrzeugs in vollem Umfang für einen durch das Gespann verursachten Schaden haften. Im Innenverhältnis haben sie die Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachversicherung (§ 77 VVG ff.) zu teilen (vgl. Hierzu BGH, Urt. V. 27.10.2010 - IV ZR 279/08, NJW 2011, 447).
20
Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfalle nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen (BGH, a.a.O.).
21
III. Die Versicherung des Zugfahrzeugs erstreckt sich im Außenverhältnis auch auf Schäden, die durch einen Anhänger verursacht werden, der mit dem Kraftfahrzeug verbunden ist oder sich während des Gebrauchs von diesem löst und noch in Bewegung befindet. Mitversichert sind dabei auch Halter, Eigentümer und Fahrer des Anhängers (vgl. BGH NJW 1971, 940 = VersR 1971, 611 und BGH VersR 1981, 322), wobei dies auch für die Versicherung des Anhängers bei der Beklagten gilt.
22
IV. Nachdem sich der Unfall auf dem Gebiet der Bundesrepublik ereignete, gilt deutsches Haftungsrecht, dem sich der Versicherungsnehmer der Beklagten, indem er das Fahrzeug auf bundesdeutsche Straßen schickt, unterworfen hat. Über § 6 PflVAusl gelten auch für ausländische Fahrzeuge § 3 PflVG sowie § 115 VVG über den Direktanspruch des Geschädigten gegen den jeweiligen Versicherer.
23
V. Auf der Grundlage der obigen Ausführungen ist die Beklagte der Klägerin zur Erstattung der Hälfte der von der Klägerin getätigten Aufwendungen in Höhe von ursprünglich 5.939,92 € zum Ausgleich verpflichtet.
24
1. Für den Vergleichsbetrag Hauptforderung netto in Höhe von 8.278,10 € und den Vergleichsbetrag außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten netto in Höhe von 679,10 € ist dies auch unstreitig, nachdem die Beklagte diese Beträge zur Hälfte bereits anerkannt hat und insoweit auch bereits mit Teilanerkenntnisurteil vom 17.07.2019 zur Zahlung verurteilt wurde.
25
2. Aber die Beklagte hat auch die Hälfte der eigenen Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 2.922,64 €, mithin 1.461,32 € zu erstatten.
26
Nach § 78 II 1 VVG sind die Versicherer im Verhältnis zueinander zu Anteilen nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, die sie dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen haben. Den allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2015) mit Stand vom 12.10.2017 kann unter A.1.1.3 entnommen werden, dass die Kfz-Versicherung Schadensersatzansprüche auf ihre Kosten abwehrt, wenn diese unbegründet sind. Auch insoweit hat die Kfz-Versicherung also dem Versicherungsnehmer die Kosten für einen Anwalt im Prozess zu erstatten, soweit dieser Anwalt im Prozess gegen den Unfallgegner nicht nur den Versicherer, sondern auch den Versicherungsnehmer vertreten hat. Zudem ist es unbillig, dass für diese Kosten kein Ausgleich stattfinden soll. Denn es hängt vom Zufall ab, welche Versicherung der Unfallgegner in Anspruch nimmt. Der Unfallgegner hätte auch die ausländische Krafthaftpflichtversicherung in Anspruch nehmen können oder beide. Es ist nicht einzusehen, warum nur deshalb, weil die Klägerin vom Unfallgegner allein in Anspruch genommen wurde, sie die Kosten zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche alleine tragen muss.
C.
27
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte spätestens seit Eingang der Mahnung in Zahlungsverzug befindet.
D.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO iVm § 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.