Inhalt

VGH München, Urteil v. 12.11.2019 – 22 BV 17.2452
Titel:

Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 3
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Leitsätze:
Die in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 enthaltenen fachlichen Aussagen können als antizipiertes Sachverständigengutachten dahingehend verstanden werden, dass bei einer Unterschreitung des dort genannten Abstands zwischen WEA (heute üblicher Bauart) und seismologischer Messstation (5 km) im Regelfall die seismologische Messstation einen nicht unerheblichen Teil der zu erkennenden „Nutzsignale“ (Erdbeben- und Atomtest-Wellen) nicht detektieren kann. Ist dies der Fall, so wird der ungeschriebene öffentliche Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) der bestimmungsgemäßen Funktion einer der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten seismologischen Messstationen beeinträchtigt. (Rn. 79)
1. Der Katalog der in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB genannten öffentlichen Belange, die einem Vorhaben entgegenstehen können, ist nicht abschließend; neben den in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB beispielhaft aufgezählten Belangen gibt es auch sogenannte „unbenannte öffentliche Belange“. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen stellt einen unbenannten öffentlichen Belang iSv § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB dar. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
3. Um feststellen zu können, ob ein in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB genannter oder ein unbenannter öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben „entgegensteht“, bedarf es grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden „nachvollziehenden Abwägung“. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage, Funktionsfähigkeit einer Erdbebenmessstation als unbenannter öffentlicher Belang, Vorgabe von Mindestabständen in einem Windenergieerlass, steckengebliebenes Genehmigungsverfahren, Erschütterungen, nachvollziehende Abwägung, Vorbelastung, Prioritätsprinzip
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.07.2017 – RO 7 K 15.1736
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 23.03.2021 – 4 B 24.20
Fundstellen:
BauR 2020, 1281
DÖV 2020, 697
BeckRS 2019, 41615
LSK 2019, 41615

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen jeweils ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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1. Die Klägerin begehrt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Bau und Betrieb zweier Windenergieanlagen - WEA - auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung E… bzw. dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung W…, beide im Gebiet der Beigeladenen zu 2. Geplant sind eine WEA vom Typ „REpower 3.2 M“ mit einer Nabenhöhe von 143 m und einem Rotorradius von 57 m (sog. WEA 8) und eine WEA vom Typ “Vestas Gridstreamer“ mit einer Nabenhöhe von 125 m und einem Rotorradius von 45 m (sog. WEA 9).
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1.1. Die Beigeladene zu 1 ist Trägerin der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR); diese unterhält seismologische Messstationen und aus mehreren Einzelstationen bestehende Messnetze in Deutschland, u.a. das aus 13 seismologischen Breitbandstationen (sog. GRA1 bis GRA4, GRB1 bis GRB5, GRC1 bis GRC4) bestehende sog. Gräfenberg-Array (GRF-Array) in der Fränkischen Alb. Das GRF-Array dehnt sich ca. 100 km in Nord-Süd-Richtung und ca. 40 km in Ost-West-Richtung aus, die 13 Stationen liegen auf einer gedachten Linie in Form eines „L“. Die Messstation GRC4 als Teil des GRF-Arrays ist von den beantragten WEA 4,48 km bzw. 4,96 km entfernt. Die BGR erhob im Genehmigungsverfahren zunächst (mit Schreiben vom 24.3.2014) zwar grundsätzliche Bedenken gegen das beabsichtigte Vorhaben, stellte diese aber im Hinblick darauf zurück, dass die Station GRC4 schon durch mehrere bestehende WEA beeinträchtigt sei und dass zwei hinzukommende WEA keinen nennenswerten zusätzlichen Rauscheintrag erwarten ließen. Von dieser Aussage rückte die BGR mit Schreiben vom 17. Juni 2014 ab: Es sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die in der Nähe der Station GRC4 schon betriebenen WEA nur eine begrenzte Betriebsdauer hätten und daher diese Station nach Ablauf der Betriebsdauer wieder voll funktionsfähig werden könne. Zudem sei die seismologische Messstation GRC4 Teil des GRF-Arrays; die Vorbelastung einzelner Stationen schließe nicht die erhebliche Beeinträchtigung im GRF-Array als Gesamtanlage aus. Der Abstand zu den geplanten WEA (4,48 km bzw. 4,96 km) sei jeweils geringer als der Mindestabstand von 5 km. Nach Einzelfallprüfung des beantragten Anlagentyps sei nicht ersichtlich, dass Störeinträge vermieden oder vermindert werden könnten. Die 13 Stationen des GRF-Arrays würden für weiter entfernte seismologische Ereignisse als gemeinsame Anlage betrieben (Array-Technologie). Ein zentrales Element sei die Summenbildung über alle Stationen. Störsignale lieferten Beiträge zur Summe unabhängig davon, an welcher Einzelstation die Störungen tatsächlich auftreten würden. Inzwischen seien an der Gesamtanlage ohne Beteiligung der BGR innerhalb des Schutzradius von 5 km viele WEA errichtet worden, weitere WEA könnten nicht toleriert werden. Auch für die Einzelstation GRC4 seien durch die neuen WEA Verschlechterungen zu erwarten. Denn neu errichtete WEA könnten stets auch bisher nicht oder weniger stark belastete Frequenzen treffen, vor allem dann, wenn ein weiterer Anlagentyp installiert werde (hier: Vestas V 90).
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1.2. Die Beigeladene zu 2 erklärte mit Schreiben vom 5. Juni 2014, sie verweigere ihr gemeindliches Einvernehmen. Zugleich beantragte sie die Zurückstellung des Baugesuchs der Klägerin. Mit Bescheid vom 29. Juli 2014 ordnete das Landratsamt die Zurückstellung des Baugesuchs und die sofortige Vollziehung dieses Bescheids an. Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg stellte aber mit Beschluss vom 2. Dezember 2014 die aufschiebende Wirkung der gegen die Zurückstellung des Baugesuchs erhobenen Anfechtungsklage wieder her; die hiergegen von der Beigeladenen zu 2 eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 20.3.2015 - 22 CS 15.58). Aufgrund eines Ratsbeschlusses vom 23. Juni 2015 versagte die erneut beteiligte Beigeladene zu 2 wieder ihr gemeindliches Einvernehmen.
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1.3. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 6. Oktober 2015 versagte das Landratsamt Neumarkt i.d.Opf. die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die beiden WEA und begründete dies mit der Beeinträchtigung der seismologischen Messstation GRC4. Das ungestörte Funktionieren dieser Station sei erforderlich für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags der BGR; dieser sei ein öffentlicher Belang, der bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Zweck der im Außenbereich privilegierten beiden WEA und dem öffentlichen Belang im Ergebnis dem Bau und Betrieb der beiden WEA entgegenstehe. Weitere Gründe für eine Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung führte das Landratsamt nicht an.
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2. Gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2015 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Mit Urteil vom 27. Juli 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
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Die Klägerin könne die begehrte Verpflichtung des Beklagten, über ihren Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, nicht beanspruchen. Denn das Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig. Eine sie bindende Zustimmung zu dem Vorhaben habe die Beigeladene zu 1 nicht abgegeben; vielmehr seien ihre Zustimmung und deren „Widerruf“ rein interne Verwaltungsvorgänge und änderten nichts daran, dass die Genehmigungsbehörde die Genehmigungsvoraussetzungen aufgrund der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung prüfen müsse. Es sei vorliegend ausreichend wahrscheinlich, dass die beantragten WEA die Funktion der Messstation GRC4 der Beigeladenen zu 1 und damit des GRF-Arrays als Gesamtanlage erheblich beeinträchtigen und dadurch erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorrufen würden. Zu diesem Ergebnis komme das Gericht, ohne dem Beklagten oder der Beigeladenen zu 1 einen Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative einzuräumen. Die Funktionsfähigkeit der Messstationen im GRF-Array diene der Allgemeinheit; sie sei daher durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geschützt. Die Messstation GRC4 sei Teil des Verbundes des GRF-Arrays, das aus 13 seismologischen Breitbandstationen bestehe. Sie sei damit ein wesentlicher Baustein der Infrastruktur zur Abwehr nuklearer und radiologischer Bedrohungen. Das GRF-Array sei auch für die Landesverteidigung, etwa im Hinblick auf das Kernwaffenteststoppabkommen, von großer Bedeutung, da die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen unterhalte. Auch im Zivil- und Katastrophenschutz seien die seismologischen Messeinrichtungen zur Warnung vor Erdbeben sehr wichtig. Die Registrierung der Signale in unveränderter Qualität und Konfiguration sei unentbehrlich. Die Erkenntnisse aus den Messstationen dienten auch zur Beratung und Information der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwissenschaftlichen Fragen sowie dem internationalen wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und internationalen Forschungsprojekten. Die beantragten WEA würden der für das Gericht nachvollziehbaren Darlegung durch die Beigeladene zu 1 (BGR) zufolge erhebliche Nachteile für das dargelegte Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit der Messstation GRC4 und des GRF-Arrays als Gesamtsystem verursachen; die zu befürchtenden Beeinträchtigungen seien auch trotz der Vorbelastung der Station durch andere bestehende WEA in einem Abstand bis 5 km noch erheblich; eine Art Sättigungseffekt dergestalt, dass bei den Messungen ab einer bestimmten Stärke störender Schwingungen die weitere Verstärkung dieser störenden Schwingungen nicht mit einer noch stärkeren Störwirkung einhergehe, sei bisher nicht beobachtet worden. Vielmehr würden bereits gestörte Frequenzbänder durch zusätzliche WEA noch stärker beeinträchtigt; bislang unbeeinträchtigte Frequenzbereiche könnten - weil die neuen WEA möglicherweise andere Frequenzcharakteristiken hätten - erstmals gestört werden. Die Störwirkung der beiden neuen WEA wirke sich über die Station GRC4 hinaus auf die Funktionsfähigkeit des GRF-Arrays als Gesamtsystem („Summenspur“) aus. Für die „Summenspur“ des Arrays sei unerheblich, ob die neuen WEA an einer bisher wenig gestörten oder an einer bereits stark gestörten Messstation errichtet würden, da sich die Amplituden aller Stationen linear aufsummierten. Dies ergebe sich in für das Gericht nachvollziehbarer Weise aus den von der Beigeladenen zu 1 vorgenommenen umfangreichen systematischen Auswertungen ihrer Daten.
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Dass das Vorhaben erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorrufe, ergebe sich daraus, dass die streitgegenständlichen WEA den in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b WEE 2016 genannten Mindestabstand von 5 km zur Station GRC4 nicht einhielten. Diese Bestimmung in Nr. 7.3.4 WEE 2016 sei zu beachten, da sie seit dem 1. September 2016 in Kraft sei und der WEE 2016 den Windkrafterlass (Hinweise zur Planung und Genehmigung von WEA vom 20.12.2011, AllMBl 2012 S. 34) abgelöst habe. Die Bewertungen des WEE 2016 in Nr. 7.3.4 seien keine „lediglich normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“, sondern ein für die Gerichte grundsätzlich verbindliches „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon für andere Regelungen im Windenergie-Erlass angenommen habe (BayVGH, B.v. 29.12.2016 - 22 CS 16.2162 - unter Verweis auf U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358). Die Bewertung in Nr. 7.3.4 BayWEE, wonach erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bei Nichteinhaltung des Mindestabstands von 5 km zur Station GRC4 hervorgerufen würden, habe die Klägerin nicht substantiiert erschüttert; ihre bloßen Einwände, wonach pauschale Mindestabstände nicht zulässig seien, sondern im Einzelfall eine erhebliche Störung nachzuweisen sei, reichten hierfür nicht aus. Diese Überzeugung gewinne das Gericht auch unter Berücksichtigung der Äußerungen der Beteiligten und der vorgelegten Dokumente im Parallelverfahren RO 7 K 14.1558.
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Unabhängig vom Fehlen der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG stütze auch § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 BauGB die Versagung der Genehmigung. Denn die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen sei ein ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 1 und 3 BauGB; dies ergebe sich entweder aus einer entsprechenden Anwendung von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB oder aus dem Rücksichtnahmegebot. Die durch die geplanten WEA zu erwartende Störung der Funktionsfähigkeit der Messstation GRC4 und des Gesamt-Arrays sei gewichtig; bei nachvollziehender Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und des öffentlichen Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien einerseits und der Vermeidung weiterer Verschlechterungen der Funktionsfähigkeit der Messstation als Teil des GRF-Arrays andererseits habe das letztere Interesse Vorrang, es stehe dem Vorhaben der Klägerin im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Nachvollziehbar habe die Beigeladene zu 1 dargelegt, dass die hochsensiblen Messstationen zur Vermeidung von Erschütterung des Bodens durch anthropogene Einflüsse wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollten (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Unberechtigt sei der Einwand der Klägerin, wonach die Messstation baurechtlich nicht genehmigt und daher nicht schutzwürdig sei. Denn viel spreche dafür, dass die Messstation zumindest bei ihrer Errichtung nicht genehmigungsbedürftig gewesen sei. Zudem sei der Betrieb der Messstationen, die seit Jahrzehnten bestünden, von den Bauaufsichtsbehörden nie in Frage gestellt worden und werde es - wie sich dem Windenergie-Erlass entnehmen lasse - auch künftig nicht. Sollte die Messstation aber genehmigungsbedürftig sein, so bestehe wegen ihrer geringen Auswirkungen auf die Umgebung kein Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit; eine eventuelle rein formelle Baurechtswidrigkeit der Messstation könne ihr Gewicht gegenüber dem Außenbereichsvorhaben der Klägerin nicht entscheidend schwächen. Auch die Angewiesenheit der Messstation auf ihren gewählten Standort und der Prioritätsgrundsatz sprächen gegen die WEA und für die Messstation.
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3. Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragt (Schriftsatz vom 9.1.2018),
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. Juli 2017 und den Bescheid des Landratsamts Neumarkt i.d.OPf. vom 6. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Genehmigungsantrag der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu zu entscheiden.
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3.1. Zur Begründung macht die Klägerin (in Schriftsätzen vom 9.1.2018 und 25.7.2018) im Wesentlichen geltend:
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3.1.1. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei weder Nr. 7.3.4 WEE 2016 noch der Windenergie-Erlass insgesamt ein antizipiertes Sachverständigengutachten. Dies zeige ein Vergleich mit der Anlage 6 der bis 31. August 2016 gültigen „Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA)“ vom 20. Dezember 2011 - WKE 2011; diese Anlage 6 sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als antizipiertes Sachverständigengutachten zu qualifizieren.
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3.1.2. Es gebe in Bezug auf die von WEA verursachten Einflüsse auf seismologische Messstationen weder eine Unsicherheit, die sich nicht durch bestimmte und allgemein geltende Berechnungsmethoden ausräumen ließe, noch bestehe bezüglich solcher Einflüsse ein behördlicher Beurteilungsspielraum oder ein Defizit an über- oder untergesetzlich festgelegten Verfahren zur Ausfüllung dieses Spielraums oder an normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, noch beruhten die Vorgaben unter Nr. 7.3.4 WEE 2016 auf landesweit fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen, die von Fachleuten anhand allgemein anerkannter Quellen zusammengestellt worden seien, noch handele es sich bei den Vorgaben unter Nr. 7.3.4 WEE 2016 um solche, die regionale und lokale Partikularinteressen in den Hintergrund treten ließen. Die Aussage des Seismologen Dr. W… (vom Erdbebendienst Bayern) in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2017 im Verfahren M 1 K 14.1682 vor dem Verwaltungsgericht München habe ergeben, dass die in den WEE 2016 aufgenommenen Schutzradien für Erdbebenmessstationen nur auf den Daten der Beigeladenen zu 1 und nicht auf landesweit fachlichen Erfahrungen und Erkenntnissen beruhten; Dr. W… sei als Vertreter des Erdbebendienstes Bayern ein Angehöriger der Beigeladenen selbst. Die Festlegung der Mindestabstände in Nr. 7.3.4 WEE 2016 beruhe allein auf den von der Beigeladenen zu 1 am GRF-Array durchgeführten Messungen; eigene, unabhängige Messungen im dortigen geologisch relevanten Bereich oder in vergleichbarem Untergrund gebe es dagegen nicht. Soweit das LfU Untersuchungen veranlasst habe, sei weder die Bodenbeschaffenheit noch der Anlagentyp berücksichtigt worden. Aus allgemein anerkannten Quellen stammende fachliche Erkenntnisse gebe es sogar bis heute nicht, wie der aktuelle Windenergie-Erlass in Nordrhein-Westfalen (vom 8.5.2018) besage, wonach „wissenschaftlich fundiert begründete Ausarbeitungen von Mindestabständen von WEA zu Erdbebenmessstationen bislang nicht vorliegen“; schon die Uneinigkeit darüber, ob von WEA verursachte Störungen im konkreten Fall bestimmbar seien, zeige, dass die Festlegung pauschaler Mindestabstände, die nur auf eigenen Messungen der Beigeladenen zu 1 beruhten, gerade keine „landesweiten fachlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus allgemein anerkannten Quellen“ seien.
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Dagegen könnten die von WEA ausgehenden Störungen an jeder einzelnen Station genau bestimmt werden, wie der (als Anlage BKl.1 vorgelegte) wissenschaftliche Bericht zeige. Dass Methoden für die Berechnung der Ausbreitung von Erschütterungen über mehrere Kilometer erst entwickelt würden, ändere an der generellen Berechenbarkeit nichts. Die Beeinträchtigung einer seismologischen Messstation lasse sich generell durch mathematische Berechnungen ermitteln. Es sei unzulässig, sich vorliegend insoweit auf die Angaben der Beigeladenen zu 1 zu verlassen, zumal es sich dabei nur um Daten aus der Vergangenheit handele, § 6 Abs. 1 BImSchG aber eine Prüfung des aktuellen Sachstands und - nicht anders als bei einer gegebenen Vorbelastung durch Lärm - eine Prognose hinsichtlich der zusätzlichen Beeinträchtigung erfordere. Dass - wie die Beigeladene zu 1 anführe - Erdbeben und Kernwaffentests nicht berechenbar seien, sei vorliegend bedeutungslos, es gehe allein um die mögliche Beeinträchtigung der Erdbebenmessstation durch die streitige WEA.
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3.1.3. Die Mindestabstandsvorgaben im WEE 2016 seien zudem in sich nicht stimmig, wissenschaftlich nicht haltbar und zu wenig differenziert. Nr. 7.3.4 WEE 2016 lege pauschal feste Mindestabstände fest, die größtenteils keine Einzelfallbewertung zuließen, und schränke damit die Verwirklichung von nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhaben in einer Weise ein, die einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten sei. Unabhängig davon müsse es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358) möglich sein, auch von den Vorgaben eines antizipierten Sachverständigengutachtens unter bestimmten Voraussetzungen abzuweichen; die Fassung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 („…einzig wirksames Gegenmittel…“) lasse Derartiges aber nicht zu. Nr. 7.3.4 WEE 2016 sei zudem verfassungswidrig; die Regelung verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG, indem sie (der Überschrift zu Nr. 7 „Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren“ zufolge) nur für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige WEA gelte, aber solche WEA von ihrer Geltung ausnehme, die wegen ihrer geringen Höhe (höchstens 50 m) nach der Anlage 1 Nr. 1.6 der 4. BlmSchV nur baugenehmigungspflichtig seien.
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3.1.4. Dass die beantragten Anlagen trotz Vorbelastung schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen, müsse angesichts des Anspruchs aus § 6 Abs. 1 BlmSchG bewiesen werden; das pauschale Behaupten einer zukünftigen Beeinträchtigung unter Vorlage von Berechnungen anhand von Daten aus der Vergangenheit und das bloße Fehlen einer anerkannten Berechnungsmethode seien ungeeignet, den Rechtsanspruch aus § 6 Abs. 1 BImSchG zu vereiteln. Die Beigeladene zu 1 habe keinen Beurteilungsspielraum. Die Klägerin habe das Vorbringen der Beigeladenen zu 1 nicht nur hinreichend substantiiert in Frage gestellt, sondern widerlegt und belegt, dass es entscheidungserhebliche Vorbelastungen gebe, so dass fraglich sei, ob die beantragten WEA noch einen wesentlichen niederfrequenten Beitrag zur Störung der Station GRC4 oder des Gesamtarrays liefern würden. Die bezüglich der Vorbelastung von der Beigeladenen zu 1 vorlegten Berechnungen (sog. psd-Spektren) hätten überdies keine Aussagekraft für das hiesige Verfahren, weil in solchen Spektren z.B. auch Verkehrslärm erfasst werde, der vorliegend aber auf nicht näher erklärte Art und Weise wieder aus den Spektren entfernt worden sei. Die Klägerin dagegen habe substantiiert aufgezeigt, dass die Nichteinhaltung des sowohl von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als auch seitens der Beigeladenen zu 1 geforderten Mindestabstands von 5 km vorliegend nicht pauschal herangezogen werden könne, sondern dass es zum Einen Ermittlungsmethoden gebe, um das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung nachzuweisen, und zum Andern Abhilfemaßnahmen gebe wie z.B. eine horizontale und vertikale Schallentkopplung oder das Herausrechnen von Störeinträgen. Belegt habe die Klägerin auch, dass eventuelle Beeinträchtigungen im Fernbereich einer seismologischen Messstation, nämlich mittels einer künstlichen Anregungsquelle, ermittelt werden könnten. Die Beigeladene zu 1 gebe mit ihrem Vortrag selbst zu, dass das am seismologischen Messort ankommende Störsignal nicht bekannt sei, also ein Nachweis für die Beeinträchtigung ihrer Station durch die streitigen WEA nicht erbracht sei; es komme ausschließlich darauf an, ob gerade die von den beantragten WEA zu erwartenden Störeinträge zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seismologischen Messstation führten.
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3.1.5. Gegen die vom Beklagten vorgelegte (wiederum gerade von Dr. W… erstellte) fachliche Stellungnahme des LfU vom 28. Februar 2018 bestünden verschiedene fachliche Bedenken. So fordere er (auf S. 2) für die sichere Verortung der Seismizität des GRF-Arrays und damit für die Arbeit des Erdbebendienstes Bayern mindestens drei, besser fünf „unbelastete“ Stationen. Derzeit erfüllten aber die Stationen GRA2, GRA3, GRA4, GRB4 und GRC2 diese Voraussetzungen. Widersprüchlich und unwissenschaftlich bestimme der Seismologe Abstandsradien zu den einzelnen Stationen ohne jegliche Abhängigkeit von den spezifischen Eigenschaften der jeweiligen WEA, räume dann aber ein, dass die Erheblichkeit des Einflusses einer WEA von deren Bauweise und Höhe abhänge. Die von Dr. W… genannten Veröffentlichungen könnten seine Auffassung z.T. nicht stützen, sondern sprächen eher gegen sie; andere genannte Autoren seien nicht unabhängig. Wenn Dr. W… (auf S. 4 der Stellungnahme) anführe, dass von einem Bauwerksuntergrund aus anstehendem Fels ausgegangen worden sei, so gebe er damit zu, dass es bei den Untersuchungen auch auf den Untergrund ankomme; zugleich aber setze sich Dr. W… nicht mit dem seitens der Klägerin eingereichten Gutachten der G** GmbH auseinander. Soweit Dr. W… anführe, bei der Festlegung der Mindestabstande sei die „damals noch übliche WEA mit max. 70 m Nabenhöhe als Vorlage“ hergezogen worden, sei dem entgegenzuhalten, dass die Forderung der Beigeladenen zu 1 nach einem Mindestabstand zu einem Zeitpunkt erhoben worden sei, zu dem WEA schon eine Naben- bzw. Gesamthöhe von 140 m bzw. 200 m erreicht hätten.
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3.1.6. Entgegen der Ansicht der Verwaltungsgerichts stehe dem Vorhaben der Klägerin nicht § 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG i.V.m. § 35 BauGB entgegen, denn bei der Erdbebenmessstation handele es sich weder um einen öffentlichen Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB noch sei das Rücksichtnahmegebot verletzt. Seismologischen Messstationen habe der Gesetzgeber - anders Funk- und Radarstellen - keinen besonderen rechtlichen Schutz eingeräumt; um als ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB gelten zu können, fehle es der Messstation an der hierfür erforderlichen bodenrechtlichen Relevanz, und auf den Belang der Wissenschaft, der in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2016 angesprochen worden sei, könne sich die Beigeladene zu 1 noch weniger berufen, weil ein Bezug zum Baurecht oder zur Thematik der städtebaulichen Ordnung nicht erkennbar sei. Die vorliegend streitgegenständliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 erschöpfe sich darin, in der Vergangenheit aufgezeichnete Daten auszuwerten und registrierte Erdbeben oder andere Erschütterungen den zuständigen Stellen zu melden, nicht aber solche Vorkommnisse im Vorhinein zu erkennen.
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Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1 habe die Klägerin substantiiert zum Funktionsverlust der Station GRC4 und des GRF-Arrays insgesamt vorgetragen. Insoweit obliege es zudem gerade der Beigeladenen zu 1, vorzutragen und im Zweifel zu beweisen, dass die Station GRC4 und das GRF-Array insgesamt nicht bereits derart vorbelastet seien, dass von einem Funktionsverlust auszugehen sei. Denn nur dann könne eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegen. Wie die Klägerin ihrerseits dargelegt habe, seien schon so viele WEA im unmittelbaren Nahfeld der seismologischen Station GRC4 vorhanden, dass - unter Anwendung der von der Beigeladenen zu 1 selbst vorgegebenen Maßstäbe - bereits von einer Unbrauchbarkeit jedenfalls der GRC4 auszugehen sei. Die Darlegungsobliegenheit und die Beweislast treffe die Beigeladene zu 1 ohnehin auch für ihre Behauptung, dass die von den geplanten WEA zu erwartenden Störeinträge die seismologische Station in einem rechtserheblichen Maß in ihrer Funktion beeinträchtigten, wobei es darauf ankomme, dass das Überschreiten der Unzumutbarkeitsgrenze der Gesamtbeeinträchtigungen gerade durch die streitige WEA geschehe. Den erforderlichen Beweis habe die Beigeladene zu 1 nicht führen können.
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3.2. Der Beklagte beantragt (mit Schriftsatz vom 16.3.2018),
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er macht geltend: Die Errichtung der WEA führe zu schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 3 BlmSchG, weil die WEA (durch die Rotation des Rotors, das Schwingungs- und Neigungsverhalten des Turms und die Übertragungseigenschaften des Fundaments verursachte) Erschütterungen erzeugen würden, die an der Station GRC4 als Störsignale wahrgenommen und auch auf das Gräfenberg-Array als Gesamtsystem als Sachgut (§§ 1, 3 Abs. 2 BlmSchG) einwirken würden. Mangels festgelegter Werte für diese Art von Immissionsbelastungen müsse im Einzelfall in der Regel aufgrund eines Sachverständigengutachtens geprüft werden, ob die Immissionsbelastung eine schädliche Umwelteinwirkung sei. Diese Funktion erfülle Nr. 7.3.4 WEE 2016. Dort sei bayernweit festgeschrieben, in welchen Abständen die durch eine WEA erzeugten Erschütterungen über die Erhöhung des Rausch- und Störpegels in jedem Fall zur Verschlechterung der Detektions- und Auswertegenauigkeit der seismologischen Messdaten bis hin zum Ausschluss der Nutzbarkeit der Anlage führten. Nr. 7.3.4 WEE 2016 gehe davon aus, dass sich Immissionen im Sinn von § 3 BlmSchG, verursacht durch eine WEA, auf eine Erdbebenmessstation auswirken und deshalb bestimmte Abstände einzuhalten seien. Unterhalb dieser Abstände führe der Betrieb einer WEA zu erheblichen Nachteilen für die Allgemeinheit, denn die seismologischen Erdbebenmessstationen würden im öffentlichen Interesse betrieben. In den Schutzbereich einbezogen sei als Teil der Nachbarschaft auch die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) betriebene Erdbebenmessstation; sie liege im Einwirkungsbereich der WEA. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen seien als erheblich einzustufen. Wie das Bayer. Landesamt für Umwelt (LfU; Erdbebendienst Bayern) in seiner Stellungnahme (vom 28.2.2018) ausführe, sei das Gräfenberg-Array ein (bezüglich Geräteausstattung und Dauer der Registrierung weltweit einzigartiges) Instrument zur globalen und lokalen Seismizitätsüberwachung. Zu dessen Schutz sei ein Mindestabstand von 5 km zu WEA unbedingt erforderlich. Auch neue fachwissenschaftlich überprüfte Arbeiten bestätigten, dass unterhalb eines Abstands von 5 km ein erheblicher Qualitätsverlust der seismologischen Stationen infolge der WEA eintrete, und dass es derzeit keine technischen Lösungen gebe, um den Schwingungseintrag durch WEA zu vermindern. In Bezug auf die Einhaltung des unbedingten Radius von 5 km gemäß Nr. 7.3.4 WEE 2016 gebe es keinen behördlichen Beurteilungsspielraum. Das Bestehen eines solchen Spielraums sei entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht erforderlich, damit ein antizipiertes Sachverständigengutachten angenommen werden könne.
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Nr. 7.3.4 WEE 2016 verstoße nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG). Der Regelungsbereich der Vorschrift beschränke sich auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige WEA, zu anderen treffe sie keine Aussage.
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Das Verwaltungsgericht habe die gerade nicht schutzmindernd durchgreifende Vorbelastung der GRC4 durch bereits errichtete WEA zutreffend dargelegt (UA S. 14). Die Beigeladene zu 1 habe (im Schriftsatz vom 23.2.2018) zu Recht ausgeführt, dass durch hinzutretende Anlagen weitere bereits beeinträchtigte Frequenzbereiche stärker geschädigt würden, und (im Schriftsatz vom 5.1.2015) nachvollziehbar dargelegt, dass das GRC4 trotz Vorbelastung weiterhin eingeschränkt funktionsfähig bleiben müsse und dass es nicht zu weiteren Beeinträchtigungen von Arrayelementen kommen dürfe.
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Der Errichtung der privilegierten WEA stünden zudem bauplanungsrechtlich öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen, so dass sie auch deshalb nicht genehmigungsfähig seien (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG). Das Vorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das in Bezug auf „schädliche Umwelteinwirkungen“ in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ausdrücklich geregelt sei und - soweit es nicht um (schädliche) Immissionen, sondern um andere nachteilige Wirkungen eines Außenbereichsvorhabens gehe - als ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu beachten sei. Die WEA verursachten schädliche Umwelteinwirkungen gegenüber der Erdbebenmessstation, deren Betrieb im öffentlichen Interesse liege. Der Betrieb sei auch besonders schutzwürdig. Die Station GRC4 sei Teil des Verbundes des GRF-Arrays, das aus 13 seismologischen Breitbandstationen bestehe und zwischen 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet worden sei. Die Erdbebenmessstation könne sich nicht gegen die Schwingungen schützen und könne daher nach der Rechtsprechung umso mehr an Rücksichtnahme verlangen. Beeinträchtigt sei zudem der ungeschriebene öffentliche Belang, die Funktionsfähigkeit seismologischer Messstationen nicht zu beeinträchtigen. Obgleich - anders als Radar- und Funkstellen - Erdbebenmessstationen nicht in der (nicht abschließenden - „insbesondere“) Aufzählung des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufgeführt seien, handele es sich um einen öffentlichen Belang. Denn die Thematik sei mit § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB vergleichbar. Auch Erdbebenmessstationen wie die Station GRC4 und das GRF-Array erfüllten wichtige Aufgaben im Allgemeininteresse, hinter ihnen stünden öffentliche Zwecke. Der öffentliche Belang sei beeinträchtigt, weil die Funktion der Messstation in einem Maß beeinträchtigt werde, das sich auf die Aufgabenerfüllung der BGR auswirke; die für die Aufgaben der Erdbebenmessstation nötigen Ergebnisse könnten infolge der Beeinträchtigung durch die WEA nicht mehr erzielt, jedenfalls aber ihre Erlangung erheblich verschlechtert und erschwert werden.
26
Bei der gebotenen Abwägung des jeweils verschiedenen Gewichts der privilegierten Außenbereichsvorhaben der WEA einerseits und dem öffentlichen Belang andererseits sei zu bedenken, dass die Erdbebenmessstation ihrerseits im Außenbereich privilegiert sei, dass sie dort seit vielen Jahren betrieben werde und keine Möglichkeit habe, sich vor Schwingungen zu schützen. Diese Gesichtspunkte führten insgesamt dazu, dass den WEA öffentliche Belange entgegenstünden. Aufgrund der Bedeutung des GRF-Arrays insgesamt ändere sich diese Bewertung auch nicht unter Berücksichtigung dessen, dass die Errichtung der WEA nicht nur wirtschaftlichen Interessen, sondern der Betrieb auch der Förderung erneuerbarer Energien diene.
27
3.3. Die Beigeladene zu 1 hat keinen Antrag gestellt, aber (mit Schriftsätzen vom 23.2.2018 und 12.11.2018) geltend gemacht:
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3.3.1. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten gewertet. Rechtsfolge dieser Qualifizierung sei, dass - auch bei Vorliegen eines Beurteilungsspielraums - nicht ohne fachlichen Grund und nicht ohne gleichwertigen Ersatz von dem antizipierten Sachverständigengutachten abgewichen werden dürfe. Die anderen von der Klägerin genannten angeblichen Voraussetzungen für die Bejahung eines solchen antizipierten Sachverständigengutachtens habe der Verwaltungsgerichtshof dagegen nicht aufgestellt. Insbesondere meine die Klägerin zu Unrecht, dass schon die potentielle Möglichkeit der Existenz einer fachlichen Methode ausreiche, um Nr. 7.3.4 WEE 2016 nicht als antizipiertes Sachverständigengutachten ansehen zu können; eine solche Methode, erst recht eine fundierte Methode, sei derzeit aber nicht ermittelt.
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3.3.2. Die Voraussetzung, dass ein antizipiertes Sachverständigengutachten auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen beruhen müsse, sei vorliegend erfüllt. Keineswegs seien die Regelungen in Nr. 7.3.4 WEE 2016 ohne unabhängige Untersuchungen, nur aufgrund der Angaben der BGR zustande gekommen. Derartiges habe auch Dr. W… (Verfahren M 1 K 14.1682) nicht ausgesagt, sondern ausweislich des Verhandlungsprotokolls erklärt, dass bei den Untersuchungen im Auftrag des LfU vier Bestandswindkraftanlagen in unterschiedlichen Abständen zu vier existierenden Stationen des bayerischen Erdbebendienstes untersucht und jeweils Vergleichsmessungen vor und nach Errichtung der WEA durchgeführt worden seien und dass der Abstand von 5 km zu den Stationen des GRF-Arrays von Messungen aus den Abständen existierender Messstationen zu bestehenden WEA abgeleitet worden sei, dann für die regionalen Messstationen des Erdbebendienstes Bayern ein Zuschlag gemacht und die so gewonnenen Schutzradien analog auf die Breitbandstationen der BGR übertragen worden seien.
30
Es sei anhand der in Nr. 7.3.4 WEE 2016 als schützenswert gekennzeichneten Erdbebenmessstationen auch nicht ersichtlich, dass regionale oder lokale Partikularinteressen verfolgt würden.
31
Zu Unrecht bestreite die Klägerin eine „fachliche Unsicherheit“, die für die Annahme eines antizipierten Sachverständigengutachtens Voraussetzung sei, mit der - überdies pauschalen - Behauptung, dass die von WEA erzeugten Erschütterungen (am Emissionsort) messbar seien. Es komme aber auf die Auswirkungen am Immissionsort an. Hierfür gebe es noch keine bestehende oder nach verlässlichen Kriterien zu entwickelnde Berechnungsmethode, mit der man ermitteln könne, in welchem Umfang die Erhöhung des Rausch- und Störpegels am Immissionsort zu einer Verschlechterung der Detektions- und Auswertegenauigkeit der seismologischen Messdaten führe. Die Ansicht der Klägerin, dass eine Berechnungsmethode lediglich „denkbar“ und nicht auch vorhanden sein müsse, um das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums bzw. einer Unsicherheit verneinen zu können, sei durch die Rechtsprechung zum naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum nicht gedeckt. Ausreichend erforscht sei, dass eine WEA in einem Radius von 10 km zu einer Erdbebenmessstation die Messung seismologischer Ereignisse beeinträchtige. Nicht abschließend untersucht sei (nur), wie sich der Beitrag einer einzelnen WEA zur Erhöhung des Rauschpegels einer Erdbebenmessstation im Einzelfall bestimmen lasse; es gebe derzeit kein verlässliches, allgemein akzeptiertes Prognoseverfahren für die Erschütterungswirkung einzelner WEA oder Gruppen von WEA unterschiedlicher Bauart bei unterschiedlichen Betriebszuständen und geologischem Untergrund. Eine genaue Bestimmung des Immissionseintrags der beantragten WEA an der Station GRC4 sei somit jetzt und auch für absehbare Zeit nicht möglich. Sicher sei aber, dass WEA der beantragten Art die für die Messung von Erdbeben maßgeblichen Frequenzen erheblich beeinträchtigten, weil ihre Immissionen den Rauschpegel der Messstation verfälschten mit der Folge, dass insbesondere kleinere oder weit entfernte seismologische Ereignisse in dem Rauschpegel „untergehen“ würden (Stellungnahme des LfU vom 28.2.2018, S. 2, u.a.). Technisch möglich sei zwar, die Schwingungsemissionen der beantragten WEA im Anlagenbereich oder im Nahbereich annähernd zu bestimmen, nicht aber, die Wellenausbreitungen bis zum Immissionsort modellhaft zu berechnen; dies habe auch der vom Verwaltungsgericht hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. W… ausgeführt und darauf hingewiesen, dass ein modellierter Eintrag in die Erde nicht ohne Kenntnis der elastischen Struktur und der Dämpfungseigenschaften aus dem Ausbreitungsweg von der WEA in 3 km oder 4 km Entfernung prognostiziert werden könne, weil dafür Kenntnisse über den Tiefenbereich von ca. 2 km nötig seien, was wiederum direkte Messungen der Auswirkung in den relevanten Entfernungen erfordere, die die Klägerin bislang nicht geleistet habe. Grund dafür dürfte der unverhältnismäßige Aufwand für die Erbringung dieser Aussagen zu den durch die beantragten WEA verursachten Emissionen bzw. das Fehlen von Geländemodellparametern für die Ausbreitungsberechnung sein. Aufgrund der Vorbelastung durch WEA im GRF-Array könne jede weitere WEA zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seismologischen Messungen im maßgeblichen Frequenzbereich von 1 Hz bis 10 Hz führen. Große seismologische Ereignisse, wie sehr starke Erdbeben oder Explosionen von Wasserstoffbomben könnten eventuell trotz des Betriebs der beantragten Anlagen noch gemessen werden, nicht aber die - deutlich häufiger vorkommenden - Ereignisse kleinerer Magnituden, die beispielsweise zu Gebäudeschäden führen könnten.
32
Überdies verwechsle die Klägerin die Voraussetzungen für die Bejahung eines naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums mit den Kriterien zur Anerkennung von Abschnitten des WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten. Ob ein solcher Beurteilungsspielraum im Zusammenhang mit der Erheblichkeit der Beeinträchtigung seismologischer Messstationen bestehe, sei rechtlich umstritten; jedenfalls aber sei er nicht Voraussetzung für die Wertung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten.
33
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es zulässig, dass die Verwirklichung eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhabens durch die Festsetzung von Mindestabständen außerhalb eines förmlichen Gesetzgebungsverfahrens eingeschränkt werde. Insoweit habe der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 BauGB selbst seinen Willen ausgedrückt, öffentliche Belange, die der privilegierten Nutzung entgegengehalten werden können, nicht abschließend regeln zu wollen bzw. zu können. Somit gebe es auch ungeschriebene öffentliche Belange, zu der auch die Funktionsfähigkeit der Station GRC4 und des GRF-Arrays zählten. Es sei auch nicht notwendig, im WEE 2016 konkrete Abweichungsmöglichkeiten von den Abstandsflächen zu regeln. Denn die Wertung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten schließe es nicht aus, den Gegenbeweis gegen die dort genannten Mindestabstände anzutreten, sobald sich eine fachlich korrekte, nachvollziehbare und in der Praxis erprobte Berechnungsmethode zur Ermittlung und auch zur Vermeidung der durch Windenergieanlagen auf seismologische Messstationen verursachte Störeinträge durchgesetzt habe; sei dies der Fall, so liege ein „fachlicher Grund und gleichwertiger Ersatz“ im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - juris) vor, um von den Vorgaben abweichen zu dürfen. Außerdem schließe Nr. 7.3.4 WEE 2016 ein solches Abweichen nicht aus, was sich aus der Formulierung „bis auf Weiteres“ ergebe.
34
Entgegen der Ansicht der Klägerin schließe die Qualifikation als antizipiertes Sachverständigengutachten nicht aus, eine gegebenenfalls nötige Einzelfallprüfung vorzunehmen. Die in einem Aufsatz des Klägerbevollmächtigten (Dr. L) geäußerte Befürchtung, die Wertung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten bewirke, dass mit den dort geregelten Mindestabständen „zwangsweise eine faktisch undurchbrechbare Bindungswirkung“ einhergehe, da „bei einem ‚Mindestabstand‘ wohl kaum ein ‚fachlich gleichwertiger Ersatz‘ angeboten werden“ könne, habe sich gerade im vorliegend angegriffenen Urteil (S. 18) als unberechtigt erwiesen; die mit Nr. 7.3.4 WEE 2016 angegebenen Prüfradien hätten nur die Wirkung einer widerleglichen Vermutung, wobei das VG Regensburg noch nicht einmal einen fachlich gleichwertigen Ersatz verlange, sondern die substantiierte Erschütterung der Abstandsregelung genügen lasse. Dies sei der Klägerin vorliegend aber nicht gelungen. Ein antizipiertes Sachverständigengutachten werde unabhängig von einem konkreten Einzelfall gefertigt mit dem Zweck, zu gewährleisten, dass die Fälle möglichst nach einheitlichen Grundsätzen bearbeitet würden. Die Festlegung von Mindestabständen bezwecke, die Anwendung gleicher Maßstäbe sicherzustellen und eine ergebnisoffene Einzelfallprüfung entbehrlich zu machen. So habe die Rechtsprechung u.a. die Zulässigkeit der Festlegung von Mindestabständen bei Planung und Genehmigung von WEA anerkannt, soweit es um den Abstand zu Wohnbebauung unter Zugrundelegung der TA Lärm und um die Vorsorge (Schutzpuffer) zu Waldflächen oder Naturschutzgebieten gehe.
35
Die Vorgaben in Nr. 7.3.4 WEE 2016 beruhten auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen, nämlich neben solchen Erfahrungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe auch solchen des bayerischen Erdbebendienstes, der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) und des Bayerischen Landesamts für Umwelt. Dass der für das GRF-Array festgelegte Mindestabstand gerade 5 km betrage und unabhängig vom WEA-Typ gelte, liege daran, dass das GRF-Array insgesamt bereits derart gestört sei, dass keine weiteren WEA innerhalb dieses Radius toleriert werden könnten. Dies ergebe sich auch aus der Aussage von Dr. W… (M 1 K 14.1682). Zu Unrecht folgere die Klägerin, dass ein Windpark mit 5 WEA mit jeweils einer Gesamthöhe von 200 m in einer Entfernung von 5,01 km zu einer GRF-Station zulässig wäre; vielmehr hinge in einem solchen Fall die Zulässigkeit von der behördlichen Einzelfallprüfung ab. Die von der Klägerin angesprochene Nr. 8.2.12 des Windenergieerlasses des Landes Nordrhein-Westfalen (vom 8.5.2018) - WEE NRW - lasse sich nicht gegen die Annahme ins Feld führen, dass in Bayern Nr. 7.3.4 WEE 2016 auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhe. Die Hinweise im WEE NRW regelten nämlich nur den Nutzungskonflikt von WEA mit seismologischen Messstationen des Geologischen Dienstes und den stationsbetreibenden Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, somit seismologischen Stationen mit einer ganz anderen Funktion und Wertigkeit als vorliegend die Station GRC4 als Teil des GRF-Arrays. Nur der Geologische Dienst NRW, nicht aber die BGR, die maßgebliche Fachbehörde zur Beurteilung der bundesweit vorliegenden Erkenntnisse im geowissenschaftlichen Bereich, sei im Verfahren zur Novelle des WEE NRW als Fachbehörde beteiligt worden.
36
3.3.3. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG liege schon deshalb nicht vor, weil die Ungleichbehandlung nicht auf dem WEE 2016 beruhe, sondern auf der gesetzlichen, auf die Gesamthöhe (50 m) abstellenden Abgrenzung zwischen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen einerseits und nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen andererseits. Diese Abgrenzung beruhe ihrerseits auf sachgerechten Kriterien; zusätzlicher, im WEE 2016 angelegter Rechtfertigungen für diese Differenzierung bedürfe es nicht. Überdies bedeute der Umstand, dass WEA, die nur einer Baugenehmigung, nicht aber einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürften, die Mindestabstände nach dem WEE 2016 nicht einhalten müssten, nicht, dass solche WEA ohne weiteres innerhalb des Schutzradius zuzulassen seien. Vielmehr müssten deren Auswirkungen dann im Baugenehmigungsverfahren geprüft werden.
37
Weshalb die in Nr. 7.3.4 WEE 2016 geregelten Abstände unverhältnismäßig sein sollten, sei nicht ersichtlich. Der WEE 2016 enthalte auch in anderem rechtlichen Zusammenhang, nämlich bezüglich des Naturschutzes, Vorgaben zu freizuhaltenden Bereichen und Ausschlussgebieten, z.B. in Nr. 8.2.1 Sätze 1 und 2. Auch in den die Errichtung von WEA betreffenden Erlassen anderer Bundesländer gebe es vergleichbare Abstandsregelungen. Vorliegend verfolge die Einhaltung der Abstände den verfassungsrechtlich zulässigen Zweck, seismologische Anlagen, die der Umsetzung völkerrechtlicher Vereinbarungen, der Daseinsvorsorge und der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit dienten, vor der erheblichen Beeinträchtigung durch Störeinträge von WEA zu schützen. Angesichts der drastisch gestiegenen Zahl genehmigter WEA im Bereich des GRF-Arrays und mangels sicherer Methoden zur Vermeidung der Störeinträge gebe es derzeit kein milderes Mittel, um den Schutz des GRF-Arrays und seiner einzelnen Messstationen zu erreichen; der Schutz des GRF-Arrays als einzigartige seismologische Breitbandstation mit internationalem wissenschaftlichen Wert sei zudem so gewichtig, dass er den Eingriff in die beabsichtigte Windenergienutzung rechtfertige.
38
Auf die von der Klägerin behauptete vermeintlich erhebliche Vorbelastung der Station GRC4 im Frequenzbereich bis 2 Hz habe das Verwaltungsgericht zu Recht nicht abgestellt, weil durch die beantragten WEA auch die weiteren bislang ungestörten Frequenzbereiche erheblich gestört werden könnten. Die von der Klägerin angesprochenen vermeintlichen Möglichkeiten zur Vermeidung der Störwirkung („horizontale und vertikale Schallentkopplung“, „Bodenpolsterung“, Einsatz von Dämmstoffen oder Vergrößerung der Fundamentfläche) seien nie zum Gegenstand ihres Genehmigungsantrags gemacht worden; zutreffend habe daher das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin nie ernsthaft zu prüfende mildere Mittel vorgetragen habe, die als Schutzauflagen Gegenstand des Genehmigungsbescheids hätten werden können. Zudem wäre die tatsächliche Eignung solcher Maßnahmen so fraglich gewesen, dass sie als Nebenbestimmungen nicht in Betracht gekommen wären. Auch dass es keine Möglichkeit gebe, die Störeinträge herauszurechnen, sei erstinstanzlich dargelegt worden; Grund hierfür sei, dass die am seismologischen Messort ankommenden (von den WEA erzeugten) Störsignale unbekannt seien. Diese Signale wiederum anhand einer „Vorwärtsrechnung“ vom Quellort (der WEA) aus zu qualifizieren, gelinge deswegen nicht, weil über das Ausbreitungsmedium bis in mindestens 1 km Tiefe keine ausreichenden Kenntnisse bestünden. Sei aber eine Quantifizierung des Störsignals nicht zuverlässig möglich, so könne es auch nicht nachträglich entfernt werden. Schon die Messung der Störsignale unmittelbar an den streitigen WEA sei problematisch, weil sich auch dort akustische und seismologische Signale der WEA überlagerten, aber ab etwa 1 km Entfernung nur die seismologischen Signale für seismologische Stationen relevant seien. Aber selbst wenn es gelänge, die Quellsignale quantitativ ausreichend genau zu erfassen, so wäre ein Herausrechnen nicht möglich, weil die Untergrundstruktur im relevanten Bereich zwischen WEA und Messstation nicht genügend bekannt sei und zudem sich die Störsignale der WEA mit dem natürlichen Rauschen überlagerten und in dem Bereich, in dem sie vergleichbare Amplituden hätten, nicht mehr zu trennen seien, wenn beide in gleicher Größenordnung zu den Signaleinträgen beitrügen.
39
Die bestehende Vorbelastung der Station GRC4 durch andere Störsignale sei bereits im Rahmen der Einzelfallprüfung, die zur Festlegung eines Mindestabstands in Nr. 7.3.4 Buchst. b WEE 2016 geführt habe, eingeflossen. Dass der Betrieb der beantragten WEA zu einem zusätzlichen Immissionsbeitrag und somit zu einer weiteren erheblichen Störung der Station GRC4 sowie des Gräfenberg-Arrays führen werde, sei erstinstanzlich außerdem ausführlich vorgetragen worden. Nicht maßgeblich sei dagegen entgegen der Ansicht der Klägerin, ob der Betrieb der geplanten Anlage für sich genommen die schädliche Umwelteinwirkung verursache; entscheidend sei vielmehr die Gesamtbelastung am Immissionsort. Für die Station GRC4 sowie für das GRF-Array sei aufgrund der umfangreichen, seit den 70er Jahren vorliegenden Sammlung an Messdaten geklärt, dass es innerhalb eines 5 km-Radius zur Messstation bei Inbetriebnahme einer Windenergieanlage zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seismologischen Messungen komme. Falsch und auch den Feststellungen des Verwaltungsgerichts München (M 1 K 14.1682) widersprechend seien daher die Ausführungen von Dr. L in seinem Aufsatz, wonach die Abstände gemäß Nr. 7.3.4 Buchst. b WEE 2016 auf nur wenigen tatsächlichen Messungen beruht hätten. Vielmehr seien Grundlage dieser Regelung der seit den 70er Jahren gewonnene Datenbestand aus der Erfassung seismologischer Ereignisse sowie fünf Messungen an Stationen des Bayerischen Erdbebendienstes.
40
Die Methodik des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens sei fehlerbehaftet gewesen. Unberechtigt und entkräftet worden sei dagegen die Kritik der Klägerin an der Methodik der BGR zur Ermittlung der Beeinträchtigung. Auch insoweit sei erstinstanzlich von der Beigeladenen zu 1 dargelegt worden, dass der „Vorher-Nachher-Vergleich“ aussagekräftig sei und dass die Statistik als wissenschaftliche Methodik die wesentliche Grundlage der Datenerfassung und Auswertung in der Seismologie darstelle. Der Vergleich der Aufzeichnungen an den seismologischen Messstationen des GRF-Arrays vor Errichtung mehrerer Windparks und nach deren Errichtung und Inbetriebnahme sei geeignet für den Nachweis, dass die Stationen kausal durch WEA des hier beantragten Typs beeinträchtigt würden. Mit ihrem Vortrag, wonach das an der Station GRC4 ankommende Störsignal nicht bekannt sei, meine die Beigeladene zu 1 die ankommende Stärke des Signals. Dass die maßgeblichen Frequenzbereiche von 1 bis 10 Hz in den Messdaten der Station GRC4 durch WEA gestört würden, lasse sich durch den Vorher-Nachher-Vergleich an vergleichbaren Stationen beweisen und damit auch der Umstand, dass es mit auch nur einer hinzukommenden Anlage zu Summationswirkungen mit den Störeinträgen anderer Bestandswindenergieanlagen kommen könne und dadurch der maßgebliche Frequenzbereich erheblich gestört sei. Für die Ermittlung des konkreten Immissionseintrags an der Station GRC4 dagegen sei ein Ausbreitungsmodell erforderlich, das es derzeit nicht gebe. Das mit dem Gutachten der G** GmbH vorgelegte Ausbreitungsmodell sowie die lediglich über einen kurzen Zeitraum geführten Messungen im Nahbereich seien nicht tauglich, die von der beantragten WEA an der Station GRC4 verursachten Immissionen in ihrer konkreten Signalstärke zu prognostizieren. Auch die von der Klägerin zitierten „Wissenschaftler aus Leipzig“ hätten insoweit noch keinerlei, insbesondere keine zur G** GmbH „vergleichbaren“ Ergebnisse.
41
Die Argumentation der Klägerin, mit der sie der Tätigkeit der BGR den Rang eines öffentlichen Belangs im Sinn von § 35 Abs. 1 oder Abs. 3 BauGB abspreche, sei widersprüchlich. Die BGR sei eine Ressortforschungseinrichtung des Bundes (https://www.r...de/de/home/index.htm); eine wissenschaftliche Basis ihrer Arbeiten zur Wahrnehmung ihrer Beratungsaufgaben sei damit zwingend erforderlich. Der Einwand der Klägerin, wonach sich die Wissenschaft vorliegend nicht auf eine Auswertung aufgezeichneter Daten beschränken dürfe, sondern - hier - Erdbeben im Vorhinein erkennen können müsse, gehe fehl. Denn Erdbeben seien nicht vorhersagbar.
42
Die Bedenken der Klägerin gegen die Unabhängigkeit des Bayerischen Erdbebendienstes und der BGR seien unberechtigt. Dr. W… sei kein Angehöriger der Beigeladenen zu 1. Der Erdbebendienst Bayern sei ein Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, das von der Sektion Geophysik des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Landesamt für Umwelt betrieben werde. Die Firma D** … * … betreibe vorwiegend im Auftrag der Industrie eigene Messnetze zur Beobachtung der Seismizität in Zusammenhang mit Ressourcenabbau. Die BGR sei eine unselbständige öffentlich-rechtliche Anstalt der Bundesrepublik Deutschland; sie sei daher nicht der Bergbau-, Öl- und Gasindustrie zuzuordnen. Falsch sei auch die Aussage der Klägerin, wonach die D** … * … Berater der BGR sei. Die BGR habe eigene, tiefgreifende Expertise in der Beobachtung von Seismizität und sei auf Beratung durch private Firmen wie der D** nicht angewiesen.
43
Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b WEE 2016 sei das Ergebnis einer Einzelfallprüfung und einer Abwägung zwischen der Wertigkeit des GRF-Arrays mit den Interessen der Windenergie-Betreiber. Nicht anders habe das Verwaltungsgericht dies gesehen (UA S. 16) und damit auch die Aussage von Dr. W… (M 1 K 14.1682) berücksichtigt, demzufolge sich in Anbetracht des hohen wissenschaftlichen Wertes der Messungen aus dem GRF-Arrays zwar größere Radien anbieten würden, die Abwägung im Rahmen des WEE 2016 jedoch zu dem dort festgelegten Ergebnis gekommen sei.
44
3.4. Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt, aber (mit Schriftsatz vom 5.3.2018) in vollem Umfang auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
45
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsverfahrensakten (einschließlich derjenigen im Parallelverfahren 22 BV 17.2448) und die Gerichtsakten beider Rechtszüge mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2019 Bezug genommen. In dieser hat der Verwaltungsgerichtshof über die vorliegende Berufung und die vom selben erstinstanzlichen Gericht zugelassene Berufung derselben Klägerin im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 verhandelt. Dieses Verfahren betrifft eine einzelne WEA an einem anderen Standort, gegen die sich die Beigeladene zu 1 wegen der Beeinträchtigung einer anderen seismologischen Messstation innerhalb des GRF-Arrays (GRB5) wandte. Über beide Berufungen hat der Senat mit Urteil jeweils vom 12. November 2019 entschieden.

Entscheidungsgründe

46
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
I.
47
Die Klage ist zulässig.
48
Rechtsschutzziel der Klägerin ist ausweislich ihres Klageantrags und ihres Vortrags nur die Aufhebung des Versagungsbescheids vom 6. Oktober 2015, verbunden mit der Verpflichtung des Beklagten, über ihren Genehmigungsantrag neu zu entscheiden. Die Klägerin macht geltend, durch die auf § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gestützte Versagung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Einen Antrag dagegen, den Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung zu verpflichten, hat die Klägerin nicht gestellt. Dies stößt vorliegend nicht auf Bedenken, obwohl § 42 Abs. 1 VwGO als Regelfall vorsieht, dass die Versagung eines beantragten begünstigenden Verwaltungsakts mit der Versagungsgegenklage verfolgt wird, die auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts gerichtet ist. Vorliegend ist der lediglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs gerichtete Klageantrag deswegen statthaft, weil bei Klageerhebung wie auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof die Sache nicht im Sinn einer solchen weitergehenden Verpflichtung des Beklagten spruchreif gewesen ist und nicht spruchreif gemacht werden konnte, vielmehr ein sogenanntes „steckengebliebenes Genehmigungsverfahren“ vorlag.
II.
49
Die Klage ist unbegründet.
50
Bau und Betrieb der von der Klägerin geplanten beiden Windenergieanlagen (WEA) bedürfen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Das Vorhaben erweist sich indes in dem auch für Bescheidungsklagen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 217, 218) als nicht genehmigungsfähig. Deshalb verletzt der Bescheid des Landratsamts Neumarkt i.d.OPf. vom 6. Oktober 2015 die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass der Beklagte über ihren Genehmigungsantrag nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu entscheidet (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
51
1. Die Errichtung und der Betrieb der streitgegenständlichen 200 m bzw. 170 m hohen WEA sind genehmigungspflichtig gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV. Wann die Genehmigung erteilt oder versagt werden muss, richtet sich nach § 6 Abs. 1 BImSchG und nach weiteren die Genehmigungsvoraussetzungen regelnden Vorschriften.
52
Von diesen Genehmigungsvoraussetzungen bzw. -hindernissen streiten die Beteiligten vorliegend nur um die Frage, ob die geplanten WEA deswegen nicht genehmigt werden können, weil sich ihr Betrieb nachteilig auf den Betrieb der seismologischen Messstation GRC4 und/oder das sogenannte „Gräfenberg-Array“ (kurz: GRF-Array) auswirkt, zu dem die Station GRC4 als eine von 13 Messstationen gehört. Auch das Landratsamt hat die Versagung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung allein darauf gestützt, dass dem streitigen Vorhaben ein öffentlicher Belang entgegenstehe (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BauGB), weil der Betrieb der beiden WEA die Funktion der Station GRC4 der Beigeladenen zu 1 beeinträchtige. Klagebegehren ist demnach, dass der Verwaltungsgerichtshof die eigene Rechtsauffassung der Klägerin als Rechtsauffassung des Gerichts bestätigt und sie gegenüber dem Beklagten durch Verpflichtungsurteil durchsetzt (vgl. zu einer solchen Konstellation z.B. BVerwG, U.v. 3.12.1981 - 7 C 30/80, 7 C 31/80 - juris Rn. 13). Die Genehmigungsvoraussetzungen sind indes wegen der nachteiligen Auswirkungen des WEA-Betriebs auf den Betrieb der seismologischen Messstation GRC4 und des GRF-Arrays nicht erfüllt; das Landratsamt hat hierin im Ergebnis zu Recht einen Versagungsgrund gesehen.
53
Dass die Beigeladene zu 1 zu Beginn des Genehmigungsverfahrens zunächst gegenüber dem Landratsamt ihr Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt hat (von dem sie dann wieder abgerückt ist), schränkt die Befugnis und die Pflicht der Genehmigungsbehörde, sämtliche einschlägigen Genehmigungsvoraussetzungen im Zeitpunkt ihrer Verwaltungsentscheidung zu prüfen, in keiner Weise ein. Eine irgendwie geartete rechtliche Bindungswirkung kommt diesem Einverständnis (Schreiben vom 24.3.2014) nicht zu. Die erstinstanzlich seitens der Klägerin vertretene Gleichstellung dieses Einverständnisses mit dem gemeindlichen Einvernehmen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB) oder der Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG im Weg der analogen Anwendung kommt schon mangels einer ausfüllungsbedürftigen gesetzlichen Regelungslücke nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene zu 1 rechtsmissbräuchlich handeln würde, indem sie entgegen ihrem zunächst erteilten Einverständnis nunmehr die Beeinträchtigung ihrer seismologischen Messstation GRC4 und des Gräfenberg-Arrays durch die geplanten WEA geltend macht, bestehen nicht.
54
2. Für die rechtliche Einordnung des nachteiligen Einflusses von WEA auf seismologische Messungen kommen - ausgehend von § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG - verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass unter anderem die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden; außerdem dürfen auch keine anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Wenn eine der unter § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und auch nicht durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden kann, so muss die Genehmigung versagt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV).
55
2.1. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung kann sich ein WEA-Vorhaben auf eine seismologische Messstation in technischer Hinsicht folgendermaßen auswirken:
56
Die Messgeräte einer seismologischen Station sind - ihrem Zweck (nämlich der möglichst weltweiten Erfassung von Erdbeben und z.B. durch Kernwaffentests ausgelösten Erschütterungen) entsprechend - hochempfindlich und in der Lage, Bodenbewegungen im Bereich von Nanometern (Millionstel Millimeter) aufzulösen (BGR vom 19.6.2014 an das Landratsamt, Nr. 1, Bl. 71 der Behördenakte). Diese Bodenbewegungen sind „Erschütterungen“ mit einer - nach dem menschlichen Empfinden und im Vergleich mit den meisten technischen Vorgängen - äußerst geringfügigen Stärke. Seismologische Messgeräte von der Art der Station GRC4 messen auch äußerst schwache Erschütterungen, deren Quelle Hunderte oder Tausende von Kilometern entfernt ist.
57
2.2. Nachteilige Auswirkungen des Betriebs der WEA hat die Beigeladene zu 1 - BGR - nachvollziehbar und unbestritten folgendermaßen beschrieben: WEA erzeugen durch die Bewegung des Rotors Erschütterungssignale, die über den Turm und das Fundament in den Boden übertragen werden und sich von dort in alle Richtungen ausbreiten. Die Signale sind über einen breiten Frequenzbereich „verschmiert“, weil die Signaleinträge durch verschiedenartige und außerdem nicht ständig gleiche, sondern sich vielfach ändernde Bewegungen von Teilen einer WEA hervorgerufen werden und Einflüssen auf dem Übertragungsweg von einer WEA zur seismologischen Messstation unterliegen. Die Signale hängen nämlich zunächst ab von der Rotationsbewegung der Rotorblätter, vom Schwingungs- und Neigungsverhalten des Turms und von den Übertragungseigenschaften des Fundaments. Bei jedem Passieren eines Rotorblatts am Turm werden Signale angeregt (vgl. BGR vom 19.6.2014 ans Landratsamt, Nr. 3.7, Bl. 70 ff. der Behördenakte im Parallelverfahren 22 BV 17.2448). Die einzelnen Parameter (z.B. Frequenz, Amplitude, Geschwindigkeit) dieser Signale, die sich als Wellen unterhalb des hörbaren Frequenzbereichs ausbreiten, sind deswegen so wandelbar, weil sie von zahlreichen, ihrerseits nicht konstanten Faktoren abhängen (Windstärke, Windrichtung, Stellung des Rotors und Neigung [Pitch] der Rotorblätter zum Wind). Die von einer WEA verursachten Erschütterungswellen werden mit zunehmender Entfernung von der WEA schwächer, lassen sich aber auch in einem Abstand von mehreren Kilometern (z.T. bis zu mehr als 10 km) noch nachweisen.
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Diese Erschütterungen hindern das seismologische Messgerät nicht an seiner fehlerfreien Funktion als solcher; das Gerät misst trotz der Erschütterungen fehlerfrei. Allerdings misst es die von einer WEA verursachten Signale ebenso wie solche sehr schwachen Signale, die - der Bestimmung der seismologischen Messstation gemäß - gerade entdeckt werden sollen (Erdbeben, Kernwaffentests). Der vom Betrieb einer WEA verursachte Nachteil für die seismologische Messstation liegt darin, dass die „detektionswürdigen“ Signale (Erdbeben, Kernwaffen) von den störenden anderen Signalen (WEA-Erschütterungen) nicht oder nicht genau genug unterschieden werden können.
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3. Der Bau und die Errichtung der beiden streitigen WEA sind vorliegend nicht genehmigungsfähig, weil § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht erfüllt ist. Dem Vorhaben steht nämlich die öffentlich-rechtliche Anforderung entgegen, dass ein Vorhaben im Außenbereich, auch wenn es privilegiert ist, nur dann zugelassen werden darf, wenn ihm nicht ein öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB entgegensteht. Dies ist vorliegend aber der Fall.
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3.1. Der Katalog der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange, die einem Vorhaben entgegenstehen können, ist nicht abschließend (wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt); neben den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgezählten Belangen gibt es auch sogenannte „unbenannte öffentliche Belange“ (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2003 - 4 C 3/02 - juris Rn. 31 m.w.N.).
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3.2. Die Funktionsfähigkeit der seismologischen Messstation GRC4 und des GRF-Arrays als System, zu dem die Station GRC4 gehört, ist ein solcher unbenannter öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB; unter „Funktionsfähigkeit“ versteht der Verwaltungsgerichtshof bei einer seismologischen Messstation der vorliegenden Art die Fähigkeit, gemäß dem oben unter 2.1 beschriebenen Zweck auch sehr schwache Signale ausreichend zu messen und von anderen Signalen zu unterscheiden.
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3.2.1. Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) ist - den Informationen in ihrem Internetauftritt und ihrem Vortrag im Gerichtsverfahren zufolge - die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Ihre Arbeit dient einer ökonomisch und ökologisch vertretbaren Nutzung und Sicherung natürlicher Ressourcen und somit der Daseinsvorsorge. Die BGR nimmt als nationaler geologischer Dienst zugleich zahlreiche internationale Aufgaben wahr. Im Inland hat sie überwiegend koordinierende Funktionen. Als Bundesoberbehörde ist die BGR Bestandteil der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur Deutschlands und übernimmt auch gesetzlich festgelegte Aufgaben. Auf Basis des Gründungserlasses gehören zum Tätigkeitsprofil der BGR u.a. die Aufgaben der rohstoffwirtschaftlichen und geowissenschaftlichen Beratung der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, der internationalen geowissenschaftlichen und technischen Zusammenarbeit sowie der geowissenschaftlichen Forschung und Entwicklung. Das GRF-Array ist ein Netzwerk von dreizehn seismologischen Messstellen in der fränkischen Alb, das vom Seismologischen Zentralobservatorium, einem Referat der BGR, betrieben wird.
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Im Gerichtsverfahren hat die Beigeladene zu 1 zu den Aufgaben der Station GRC4 und des GRF-Arrays in seiner Gesamtheit, nachvollziehbar und in der Sache auch seitens der Klägerin unwidersprochen, Weiteres dargelegt: Das GRF-Array wurde zwischen 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet. Es liefert die zeitlich am weitesten zurückreichende digitale Breitbanddatenbasis in Deutschland. Alle seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen wurden und werden in diesen Messstationen aufgezeichnet. Die Messstation GRC4 und das GRF-Array bieten die Infrastruktur zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen und sind damit auch für die Landesverteidigung bedeutsam, insbesondere weil die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung nuklearer und chemischer Explosionen unterhält. Die seismologischen Messeinrichtungen sind - wenngleich Erdbeben sich nicht vorhersagen lassen - auch für die Vorwarnung vor Erdbeben für den Zivil- und Katastrophenschutz bedeutsam. Die Registrierung der Signale in unveränderter Qualität und Konfiguration sowie der Vergleich mit den bisher aufgezeichneten Daten sind auch im Hinblick auf das Kernwaffenteststoppabkommen von Bedeutung. Die Erkenntnisse aus den Messstationen dienen zur Beratung und Information der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwissenschaftlichen Fragen, der durch die Messstationen gewonnene Datenbestand wird auch für den internationalen seismologischen Austausch und für internationale Forschungsprojekte bereitgehalten. Speziell zu den Aufgaben der Station GRC4 im Zusammenhang mit dem Kernwaffenteststoppvertrag (BT-Drs. 13/10075 vom 9.3.1998 und Gesetz zum Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen sowie Ausführungsgesetz zum Nuklearversuchsverbotsvertrag) hat die Beigeladene zu 1 im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 dargelegt (Schriftsätze vom 19.6.2014, vom 18.12.2014 mit Anlage: Auswärt. Amt vom 21.3.1996 an die BGR, Schriftsatz vom 10.3.2015 an das Verwaltungsgericht), dass die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag unterzeichnet, ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt hat, und dass daher die BGR Aufbau und Betrieb der Mess-Infrastruktur zur Verifikation des Vertrags leistet, dass sie ausführende Behörde bei Überwachungsaufgaben im Rahmen des Kernwaffenteststoppabkommens ist und dass diese Aufgaben u.a. mit den Messstationen des GRF-Arrays wahrgenommen werden. Das GRF-Array ist hierbei ein sogenanntes nationales Verifikationsmittel, wie es die Vertragsstaaten kraft eigenen Entschlusses in Ergänzung zum international vereinbarten Stationssatz einsetzen dürfen; nationale Verifikationsmittel sind im CTBT-Vertrag definiert und dienen der Datenerhebung für Verifikationsaufgaben im Rahmen des CTBT.
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3.2.2. Die Klägerin hat erstinstanzlich u.a. unter Hinweis auf die Vollzugsanordnung zum Baugesetzbuch und zur bayerischen Bauordnung vom 26. Juni 1987 (Abschnitt III Abs. 1 und 2), in der die BGR nicht als einer der im Baugenehmigungsverfahren zu hörender Träger öffentlicher Belange aufgeführt ist, bezweifelt, dass die BGR Träger eines öffentlichen Belangs sei. Indes ist es - anders als die Argumentation der Klägerin nahelegen will - für die Bejahung eines „öffentlichen Belangs“ nicht erforderlich, dass es hierfür überhaupt einen „Träger“, eine Institution oder eine Behörde (hier die BGR) gibt, die diesen Belang „trägt“. Dies folgt schon daraus, dass auch das Rücksichtnahmegebot als öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB anerkannt ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 11 m.w.N.), das sich, ohne einen „Träger“ zu haben, an jedermann wendet. Es kommt nicht darauf an, ob die BGR als einer der „Träger öffentlicher Belange“ im Genehmigungsverfahren hat beteiligt werden müssen.
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3.2.3. Der Bejahung eines öffentlichen Belangs steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber seismologischen Messstationen nicht wie etwa Radarstationen einen ausdrücklichen Schutzstatus zugestanden und Bauschutzbereiche oder Ähnliches festgelegt hat. Die lediglich beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung öffentlicher Belange in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB dient gerade dem sachgerechten Zweck, diese Vorschrift offen zu halten gegenüber künftigen, noch nicht absehbaren Entwicklungen, die einen öffentlichen Belang möglicherweise erst dann ins Licht rücken, wenn die Beeinträchtigung ein bislang hingenommenes Ausmaß übersteigen.
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Die geschilderten Aufgaben der BGR, die diese u.a. mittels des GRF-Arrays (deren Teil die Station GRC4 ist) wahrnimmt, reichen aus, um die unbeeinträchtigte bestimmungsgemäße Funktion des GRF-Arrays als unbenannten öffentlichen Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu bejahen. In der Rechtsprechung ist ohne weiteres die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen als öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB angesehen worden (OVG NW, B.v.9.6.2017 - 8 B 1264/16 - juris Leitsatz Nr. 3; VG Aachen, U.v. 13.12.2017 - 6 K 2371.15 - juris Rn. 314). Ob dies für alle Erdbebenmessstationen gilt, kann dahinstehen. Der erkennende Senat hat jedenfalls - aus den geschilderten Gründen - keine Zweifel daran, dass die Funktionsfähigkeit der Station GRC4 als Teil des GRF-Arrays ein öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist.
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3.3. Anhaltspunkte dafür, dass die Schutzwürdigkeit der seismologischen Messstation GRC4 als öffentlicher Belang deswegen gemindert sein könnte, weil sie baurechtlich nicht genehmigt sei, sieht der Verwaltungsgerichtshof nicht; die Klägerin hat diesen erstinstanzlich (vergeblich) erhobenen Einwand im Berufungsverfahren auch nicht weiterverfolgt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der im Zeitpunkt der Errichtung der Station GRC4 geltenden Rechtslage die Anlage künstlicher Hohlräume unter der Erdoberfläche mit einem Rauminhalt bis zu 50 cbm genehmigungsfrei war (Art. 83 Abs. 1 Nr. 22 BayBO i.d.F. vom 1.10.1974 - GVBl 1974, 513) und dass solche seismologische Messstationen, die in einem unterirdischen, ca. 3 m bis 5 m tiefen und ca. 2 m im Durchmesser messenden Schacht das eigentliche Messgerät (Seismometer) beherbergen, samt den wenigen oberirdischen Teilen der Anlage diese Voraussetzungen erfüllen dürften. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass für den Fall einer dennoch bestehenden baurechtlichen Genehmigungspflicht angesichts der beschriebenen Beschaffenheit der Messstation an der Genehmigungsfähigkeit der Station kein Zweifel besteht und eine eventuelle bloße formelle Baurechtswidrigkeit der Station das Gewicht des mit ihrem Betrieb verbundenen öffentlichen Interesses im nachbarlichen Verhältnis zum Außenbereichsvorhaben der Klägerin nicht entscheidend zu schwächen vermag (vgl. OVG Koblenz, U.v.13.1.2016 - 8 A 10535/15 - juris Rn. 115 zu einer Wetterradarstation).
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4. Vorliegend kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob die geplanten WEA den Betrieb der seismologischen Messstation GRC4 durch Erschütterungen so beeinträchtigen werden, dass die Funktionsfähigkeit dieser Station und des GRF-Arrays gemindert ist, und ob - wenn diese erste Frage bejaht worden ist - bei wertender Abwägung zwischen dem öffentlichen Belang und dem privilegierten Vorhaben der öffentliche Belang sich durchzusetzen und die Beeinträchtigung abzuwehren vermag, also der Verwirklichung des privilegierten Vorhabens im Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“. Zur Beurteilung dieser Fragen bedarf es einer noch näheren Untersuchung und Beschreibung dieses Belangs.
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4.1. Hierbei nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar sind die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf das Verständnis der einschlägigen Begriffe bei der Störung des (benannten) öffentlichen Belangs der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage (Wetterradar oder Flugsicherungsradar) angestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 11 bis 13, Rn. 30 und 31, Rn. 44 ff.). Diese Einschränkung beruht darauf, dass im dortigen Fall (Radaranlage) der öffentliche Belang als ungestörte „Funktionsfähigkeit“ von Radaranlagen umschrieben war (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) und das Bundesverwaltungsgericht für die Antwort auf die Frage, wann eine Störung in diesem Sinn vorliegt, auf die Rechtsprechung zu § 18a Abs. 1 LuftVG zurückgegriffen hat, die es - auch wegen des Wortlauts der Vorschrift (Störung der „Funktionsfähigkeit der Radaranlage“) - auf den benannten öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB für übertragbar gehalten hat (BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 11 bis 13). Der unbenannte öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit der seismologischen Messstationen im GRF-Array ist nicht im Gesetz umschrieben und es gibt - anders als im Fall von Wetterradaranlagen - nicht eine zweite gesetzliche geregelte Fallgruppe (nämlich die in § 18a Abs. 1 LuftVG tatbestandlich vorausgesetzte Störung von Flugsicherungseinrichtungen), zu der anhand der gesetzlichen Regelungen, der Gesetzesmaterialien und der bereits ergangenen Rechtsprechung Parallelen gezogen oder Unterschiede herausgearbeitet werden können.
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Jedenfalls aber ist der Zweck seismologischer Messstationen wie derjenigen im GRF-Array so beschaffen, dass - anders als bei einer Wetterradarstation - nicht zwischen den „reinen Basisdaten“ und mehreren nachfolgenden Schritten in einem vergleichsweise aufwendigen Prozess (nämlich der Verwertung dieser Daten und sodann der Gewinnung von „Warnprodukten“ als Endprodukt der Wetterradarbeobachtung) zu unterscheiden ist: Der sich drehende Rotor einer WEA kann die vom Wetterradar zu erkennenden, auf bestimmte „warnwürdige“ Wetterereignisse hinweisenden Signale (dies sind die z.B. von Hagelkörnern zurückgeworfenen „Echos“ eines ausgesandten Radarstrahls) grundsätzlich nur in einem kleinen unteren Bereich eines Winkelsegments unbrauchbar machen, auch wenn das Ausmaß dieser Störung im Detail abhängt von der Entfernung und der höhenmäßigen Lage der WEA zu einer Wetterradarstation. Betroffen sind nämlich die vom Wetterradar zu erkennenden Echos (1.) nur in einer bestimmten Himmelsrichtung, (2.) nur in einem sehr schmalen Kreiswinkelbereich von ca. 1°, (3.) auch der Höhe nach (d.h. von der „waagrechten“, horizontnahen bis zur steil nach oben gerichteten Abtastung) nur in einem kleinen Bereich, und (4.) ist die Detektion von Echos, die „warnwürdige“ Ereignisse anzeigen, nur in solchen Wetterlagen relevant, zu denen überhaupt eine „unwetterträchtige“ Witterung herrscht. Ob diese echoverfälschende oder echovernichtende Wirkung des Rotors eintritt, hängt überdies stark von der Stellung des Rotors zum Wetterradarstrahl ab (ein parallel zum Radarstrahl stehender Rotor wirkt sich wenig aus). Der geringe Bereich, in dem Echos gestört werden, erlaubt es außerdem, wennauch nur eingeschränkt, das „warnwürdige“ Wetterereignis anhand derjenige Signale zu entdecken, die der Radarstrahl ausgelöst hat, bevor und nachdem er den schmalen von der WEA gestörten Kreiswinkelbereich passiert hat.
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Diejenigen Erschütterungssignale dagegen, zu deren Erkennung und Speicherung die Station GRC4 und die übrigen seismologischen Messstationen des GRF-Arrays in der Lage sind (Erschütterungen durch Erdbeben und Kernwaffentests), sind gewissermaßen bereits selbst das „Endprodukt“, zu dessen Gewinnung die Messstationen im GRF-Array eingesetzt werden; es geht mithin um die Aufzeichnung kleinster Erschütterungen, um ihre Qualifizierung als erdbeben- oder explosionsbedingte (insbesondere durch Kernwaffentests verursacht) Erschütterung und ihre Archivierung sowie ihre Analyse im Vergleich mit bereits vorhandenen, in den vergangenen ca. 40 Jahren am selben Ort (GRF-Array) gesammelten Daten. So hat die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2019 ausgeführt, bei der Erfassung und Speicherung der Signale aus Atomtests gehe es auch darum, Vergleiche mit dem Datenbestand aus den 70er Jahren anzustellen und zu beurteilen, wie sich derartige Atomtests und deren Häufigkeit entwickelt hätten (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 5). Es geht dagegen nicht darum, aus den gemessenen seismologischen Wellen erst mittels weiterer Verarbeitungsschritte „Warnprodukte“ herzustellen. Da die (möglichst) lückenlose Erkennung auch sehr schwacher von Erdbeben oder Kernwaffentests herrührender Erschütterungssignale unmittelbar zur Aufgabenerfüllung des GRF-Arrays und der im Verbund dieses Arrays zusammenwirkenden seismologischen Messstationen gehört, ist demnach beim „Verlust“ eines - nicht nur marginalen - Teils dieser Signale auch diejenige Voraussetzung erfüllt, die das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung einer Störung des (benannten) öffentlichen Belangs der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) angewandt hat: Eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit - analog hierzu im vorliegenden Fall eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstation GRC4 und des GRF-Arrays - setzt voraus, dass sich die Beeinträchtigung auf die Aufgabenerfüllung des Betreibers auswirkt (BVerwG, U.v. 22.09.2016 - 4 C 6.15 - Leitsatz 1). Dies ist hier der Fall. Die Messstationen des GRF-Arrays dienen der Schilderung der Beigeladenen zu 1 zufolge auch nicht nur der „Warnung“ vor Erdbeben (die sich - im Vergleich mit Wetterereignissen - ohnehin nicht vorhersagen lassen), sondern auch der Erkennung von Erschütterungen „menschlichen Ursprungs“ (Kernwaffentests) sowie dem Zweck, aus den Datenbeständen analytische Folgerungen und Entscheidungshilfen u.a. für politische Entscheidungen gewinnen zu können.
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Die Funktionsweise der seismologischen Messstation GRC4 und des Verbunds GRF-Array hat die Beigeladene zu 1 im Einzelnen wie folgt beschrieben (im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.1.2015, S. 7 bis 9): Ein Breitband-Seismometer, wie es an der Station GRC4 eingesetzt wird, zählt wegen des (für die Erfassung von Signalen in einem breiten Frequenzbereich) nötigen technischen Aufwandes zu den teuersten seismologischen Aufnehmern. Die Konstruktion moderner Seismometer erlaubt die Registrierung kleinster Bodenbewegungen von einigen Nanometern, also im Bereich von millionstel Millimetern. Unter anderem kann aus den gemessenen Amplituden und der Entfernung zum Erdbebenherd die Stärke des Erdbebens ermittelt werden. Die gemessenen Bodenbewegungen werden kontinuierlich aufgezeichnet und digital gespeichert. Eine permanente Übertragung der aufgezeichneten Datenströme von einem ganzen Netz von Stationen zu einem Datenzentrum ist nötig, um eine zuverlässige und zeitnahe Überwachung der Erdbebenaktivität zu gewährleisten. Die Array-Funktionalität ist auf das Zusammenwirken aller Array-Elemente ausgelegt. Für das Array sowie für die Einzelstation gilt, dass seismologische Ereignisse mit kleinen Amplituden in einem höheren Rauschniveau nicht mehr gemessen werden können. Diese Messergebnisse gehen verloren und können nicht mehr mit bereits vorliegenden Beobachtungen verglichen werden. Da die Häufigkeit von Erdbeben mit sinkender Magnitude exponentiell ansteigt, betrifft das einen Großteil der messbaren seismologischen Ereignisse. Die sichere Erkennung gerade von schwachen Ereignissen ist schwierig und wird durch zusätzliche Störungen noch weiter erschwert. Außerdem ist im Rahmen der Tätigkeit der BGR auch die Aussage, dass kein Ereignis einer bestimmten Magnitude stattgefunden hat, von Relevanz. Diese Aussage wäre für kleinere Magnituden nicht mehr möglich. Weltweit gibt es pro Jahr weit über 10.000 Ereignisse der Magnitude 4. Die Messstationen des GRF-Arrays besitzen eine hohe Detektionsfähigkeit, d.h. Empfindlichkeit gerade gegenüber fernen oder kleinen Ereignissen. Die 13 Seismometer sind in L-Form als eine Art seismologische Antenne angeordnet. Die Standorte der Messeinrichtungen sind sorgfältig gewählt, abseits von größeren Wohn- und Industrieanlagen und häufig frequentierten Verkehrswegen. Die 13 Stationen des GRF-Arrays können zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet werden (Array-Funktionalität). Daraus ergeben sich Informationen über die Einfallsrichtung entfernter Signale. Zusätzlich wird für solche Signale auf der Summenspur das Signal/-Stör-Verhältnis gegenüber den Registrierungen der Einzelspuren verbessert. Störungen auf Einzelspuren übertragen sich auch auf die Summenspur. Die von der Station GRC4 zu detektierenden Signale (aus Erschütterungen durch Erdbeben und Kernwaffentests) können zu jeder beliebigen Sekunde eines jeden Tages aus jeder beliebigen Himmelsrichtung die Station GRC4 erreichen und sollen dann von dieser Station wahrgenommen und aufgezeichnet werden können. Derartige Erschütterungen können ihre Quelle relativ nahe (wenige Hundert Kilometer) oder in einer Entfernung von Tausenden von Kilometern haben; ihr Auftreten ist - anders als die von Wetterradaren zu detektierenden Echos von Regentropfen, Hagelkörnern oder Schneekristallen - nicht von Jahreszeiten, Temperaturen oder Großwetterlagen abhängig. Der nachteilige Einfluss, den der Betrieb einer WEA auf die Erkennung solcher geringer Erschütterungen infolge der von der WEA selbst erzeugten Erschütterungen hat, ist - wiederum anders als bei einem Wetterradar - nicht begrenzt auf einen bestimmten räumlichen Bereich (wie das von der WEA beeinträchtigte schmale Kreissegment eines sich um 360 Grad drehenden Radars), sondern betrifft den gesamten 360 Grad umfassenden Detektionsbereich des seismologischen Messstation, da die von der WEA verursachten Erschütterungen sich in alle Richtungen und außerdem auch über die Entfernung jenseits der seismologischen Messstation hinaus ausbreiten. Eine relevante Störung der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung tritt (insoweit ist die Situation gleich derjenigen bei einem Wetterradar) selbst dann ein, wenn sich der Rotor der WEA gar nicht dreht. Denn - wie oben ausgeführt - ist für die bestimmungsgemäße Aufgabenerfüllung der Messstationen im GRF-Array auch die Aussage von Bedeutung, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums kein detektionswürdiges Ereignis (Erdbeben, Kernwaffentest) gegeben hat. Eine solche Aussage ist aber dann nicht mehr zuverlässig möglich, wenn am Ort der seismologischen Messung unbekannt ist, ob innerhalb eines bestimmten Zeitraums die WEA überhaupt in Betrieb gewesen ist, so dass nicht entschieden werden kann, ob das Nichterkennen eines „detektionswürdigen“ Erschütterungssignals darauf zurückzuführen ist, dass es kein entsprechendes Ereignis (Erdbeben, Kernwaffentest) gegeben hat, oder nur darauf, dass das Erschütterungssignal in dem durch den Betrieb der WEA verstärkten Hintergrundrauschen „untergegangen“ ist.
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4.2. Ob der unbenannte öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit der Station GRC4 und des GRF-Arrays als Verbund durch den Betrieb der beiden WEA beeinträchtigt wird, ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht insoweit der BGR weder bezüglich der Frage zu, ob überhaupt eine Beeinträchtigung vorliegt, noch in Bezug auf das „Entgegenstehen“ dieser Beeinträchtigung. Dies haben der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Beeinträchtigung eines vom Deutschen Wetterdienst (dem damaligen Beigeladenen) betriebenen Wetterradars entschieden und die Ablehnung einer solchen Einschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnis ausführlich mit den gesetzlichen Regelungen, welche die Aufgabenerfüllung des Deutschen Wetterdienstes betreffen, und dem Anwendungsbereich (und gerade auch der Anwendungsgrenzen) des Rechtsinstituts eines Beurteilungsspielraums, einer Einschätzungsprärogative oder eine Letztentscheidungsbefugnis begründet (vgl. BayVGH, U.v. 18.9.2015 - 22 B 14.1263 - juris Rn. 46 ff.; BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 15 bis 29). Rechtsvorschriften, die der BGR in Bezug auf die ihrer Aufgabenerfüllung dienenden seismologischen Messstationen im GRF-Array eine gewichtigere Position einräumen oder Ausdruck einer vom Gesetzgeber zuerkannten höheren Kompetenz sind, als sie der Deutsche Wetterdienst in Bezug auf seine Wetterradarstationen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Auch andere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, anhand derer die Rechtsprechung eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontrollbefugnis trotz des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Kauf nimmt und einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum, einer Einschätzungsprärogative oder eine Letztentscheidungsbefugnis anerkennt, sind vorliegend nicht festzustellen.
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Dies gilt vorliegend insbesondere, soweit an eine wegen wissenschaftlicher Erkenntnisdefizite bestehende Einschätzungsprärogative (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 27 bis 29) gedacht werden könnte, die allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen ohnehin nur sehr zurückhaltend angenommen werden darf (vgl. BVerfG, B.v. 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13 - juris). Die im vorliegenden Fall bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisdefizite betreffen - wie weiter unten noch dargelegt wird - die Frage, in welchem genauen Ausmaß eine erst noch zu errichtende WEA wahrscheinlich Erschütterungen über eine größere Entfernung hinweg (z.B. bis zu einer mehrere Kilometer entfernte seismologischen Messstation) verursachen wird und ob und wie diese Erschütterungen vermindert werden können. Die Erkenntnis dagegen, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Entfernung voraussichtlich Erschütterungen in einem für den bestimmungsgemäßen Betrieb der seismologischen Station beeinträchtigenden Ausmaß auftreten werden, beruht auf gerichtlich nachprüfbaren wissenschaftlich gesicherten Erfahrungswerten - nicht einem „wissenschaftlichen Patt“, das möglicherweise die Gerichte zur Einräumung einer Einschätzungsprärogative nötigt.
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4.3. Der vorliegend in Rede stehende öffentliche Belang besteht nach der Überzeugung, die der Verwaltungsgerichtshof aus dem Inhalt der Akten und dem Vortrag der Beteiligten gewonnen hat, darin, dass durch das GRF-Array mit jeder einzelnen seiner 13 Messstationen möglichst lückenlos in zeitlicher wie räumlicher Hinsicht Erschütterungen, die z.B. durch Erdbebenereignisse oder durch Kernwaffentests ausgelöst werden, registriert werden, dass durch Analyse des Erschütterungssignals auf die vermutliche Herkunft und Ursache des Signals geschlossen wird, und dass die so gewonnenen Daten auch als „Wissensschatz“ archiviert und für die Weiterentwicklung der Wissenschaft und für die Beurteilung später eintretender ähnlicher Fälle vergleichend herangezogen werden können. Dabei kommt es gerade auch auf die Erkennung und zutreffende Beurteilung sehr schwacher Signale an, die von weit entfernten Quellen herrühren; gerade zu diesem Zweck sind die technisch aufwendigen, hochempfindlichen Breitband-Messgeräte im GRF-Array entwickelt und eingerichtet worden. Es kommt außerdem darauf an, dass jede einzelne der 13 Messstationen im GRF-Array ihren Beitrag leistet und möglichst ungestört Signale gewinnen kann. Denn die Anordnung der 13 Messstationen auf der Fränkischen Alb in einem bestimmten Abstand und einer bestimmten Form (Anordnung in Form eines „L“ als eine Art seismologischer Antenne, vgl. im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 12.1.2016 S. 9 vor Nr. 5.2) bezweckt nicht nur, Erschütterungssignale überhaupt zu erkennen. Vielmehr können die Stationen des GRF-Arrays zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet werden und ermöglichen dann, Informationen über die Einfallsrichtung entfernter Signale zu erlangen; zusätzlich wird für solche Signale auf der Summenspur das Signal-/Stör-Verhältnis gegenüber den Registrierungen der Einzelspuren verbessert (im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 12.1.2016 S. 9 Nr. 5.2). Zum Weiteren kommt es darauf an, dass die gewonnenen Daten unter solchen örtlichen Rahmenbedingungen erlangt werden, die über lange Zeiträume möglichst unverändert bleiben; nur auf diese Weise lassen sich aus Vergleichen mit den früheren, seit den Anfängen des GRF-Arrays in den 1970er Jahren gewonnenen Erkenntnissen ausreichend brauchbare weitere Erkenntnisse gewinnen. Zusammengefasst bedeutet dies: Das öffentliche Interesse des Bundes, das sich in dem durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe betriebenen Messsystem des GRF-Arrays manifestiert, geht dahin, gerade durch dieses aus 13 einzelnen Messstationen bestehende Verbundsystem Überwachungsaufgaben in großer Genauigkeit und Beständigkeit wahrzunehmen. Zwar bietet - wie der Verwaltungsgerichtshof den Ausführungen der Beigeladenen zu 1 entnimmt (im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 Schriftsatz vom 12.1.2015) - das Zusammenwirken aller Stationen innerhalb des GRF-Arrays auch eine gewisse Redundanz der von den einzelnen Stationen geleisteten Beiträge. Diese kann aber - wie oben unter 4.1 ausgeführt - mittlerweile die bei einer einzelnen Station eintretenden Beeinträchtigungen praktisch nicht mehr auffangen, weil schon alle Stationen des GRF-Arrays Beeinträchtigungen durch WEA-Signale - mehr oder weniger stark - aufweisen. Hinzu kommt, dass auch die Messungen an einer einzelnen Station für sich genommen von Nutzen sind, wie Dr. S… für die Beigeladene zu 1 in der mündlichen Verhandlung dargestellt hat (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 8, 9).
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5. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die beiden geplanten WEA bei B… im Betrieb Erschütterungen auslösen werden, die von der Messstation GRC4 aufgezeichnet werden, nicht von den bestimmungsgemäß zu erfassenden (von Erdbeben, Nukleartest usw. ausgelösten) Wellen unterschieden werden können und daher die bestimmungsgemäße Aufgabenerfüllung der Messstation GRC4 und des GRF-Arrays beeinträchtigen.
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5.1. Diese Einschätzung beruht darauf, dass die beiden streitigen WEA in einer geringeren als der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten Entfernung zur Station GRC4 (5 km) errichtet werden soll. Die Annahmen in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 sind zwar einer abweichenden Beurteilung im konkreten Einzelfall, bei der die technischen Einzelheiten einer geplanten WEA und die Verhältnisse am Standort betrachtet werden, zugänglich. Die Einzelfallbetrachtung führt im vorliegenden Fall aber nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
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5.1.1. Die Einschätzung, dass - jedenfalls im Hinblick auf das GRF-Array - die Aussagen in Nr. 7.3.4 BayWEE 2016 auf besonderem Sachverstand und besonderen Erfahrungswerten beruhen, hat ein Fachkundiger, nämlich der vorliegend erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht und sodann im Berufungsverfahren vom Verwaltungsgerichtshof als Sachverständiger herangezogene Prof. Dr. … W… in seinen schriftlichen Gutachten (vom 2.10.2019 und 29.10.2019) sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 31. Oktober 2019 ausgeführt. Er hat in seinem schriftlichen Gutachten (vom 2.10.2019) zunächst dargelegt, dass es außerordentlich schwierig ist, die von einer erst noch zu bauenden WEA voraussichtlich verursachten Erschütterungen zu prognostizieren; dies liege am Ausbreitungsverhalten der bei seismologischen Messstationen interessierenden Erschütterungen und der weitgehenden Unkenntnis über die Beschaffenheit des Ausbreitungsmediums auf der Strecke zwischen der WEA und einer seismologischen Messstation, nämlich des Erdbodens in Tiefen von mehreren Hundert bis etwa 1.000 Metern. Prof. Dr. W… hat ausgeführt, man könne heute und in naher Zukunft die Bodenerschütterungen einer WEA oder mehrerer WEAs in mehreren Kilometern Entfernung modellhaft bestenfalls in Größenordnungen abschätzen, sofern man keine empirischen Beobachtungen vor Ort zur Verfügung habe. Gleichzeitig liege mittlerweile eine Reihe von Erfahrungswerten aus seismologischen Messungen vor, die die Vorgaben des BayWEE 2016 stützten. Die Einschätzung des GRF-Arrays der BGR als höher schutzbedürftig als die Breitbandstationen des Bayerischen Erdbebendienstes sei richtig, wenn man bedenke, dass ein Array, das die gleichzeitige Nutzung aller Stationen für Detektions- und Identifikationszwecke erlaube, nur dann funktioniere, wenn alle oder wenigstens die meisten Stationen ein gutes Signal/Stör-Verhältnis aufwiesen. An denjenigen BGR-Stationen, in deren Nähe es schon WEA gebe, könne anhand von Messungen der von diesen WEA schon verursachten Auswirkungen unter Umständen gezeigt werden, ob eine weitere WEA gravierend negative Auswirkungen haben würde, wenn sie in 5 km oder geringerer Entfernung installiert werde; es wäre also vertretbar, für diese Stationen die 3 km Entfernung beizubehalten, aber die Option für 3 bis 5 km einem Nachweis zu überlassen. Bei den Stationen dagegen, die keiner (schon bestehenden) vergleichbaren WEA näher als 5 km ausgesetzt seien, sollte die im BayWEE 2016 genannte Entfernung von 5 km eigehalten werden (vgl. W…, Gutachten vom 2.10.2019, S. 6 zu Frage 2.2). In der mündlichen Verhandlung hat Prof. Dr. W… auf die Fragen des Klägerbevollmächtigten nach der wissenschaftlichen Rechtfertigung der im BayWEE 2016 angegebenen pauschalierenden 3 km bzw. 5 km-Abstände und danach, ob man nicht zwingend immer den jeweiligen Einzelfall prüfen müsse, ausgeführt: Durch die Arbeiten der BGR sei durch lange Datenseiten nachgewiesen, dass bei einem Abstand von 5 km im Prinzip das stets vorhandene Hintergrundrauschen (bestehend aus zufälligen und ungewollten Signalanteilen, die neben dem gewünschten Nutzsignal durch das Messinstrument aufgezeichnet werden) erreicht werde. Dies sei ein experimenteller Nachweis aus vorhandenen Daten. Seiner Ansicht nach sei deshalb der 5 km-Radius absolut zu rechtfertigen, aus wissenschaftlicher Sicht sei er jedenfalls für die Verhältnisse in dieser Region bewiesen. Dahinter stehe die Annahme, dass die geologischen Verhältnisse jedenfalls in der Region annähernd vergleichbar seien. Ein 5 km-Abstand sei daher ein typischer Wert, bei dem das Störsignal auf das Rauschniveau absinke. Dies gelte jedenfalls bei höheren Frequenzen; es stimme dagegen nicht so bei 1 Hertz. In diesem Frequenzbereich gebe es vielmehr immer noch Störungen. Diese würden allerdings durch eine Abstandsvorgabe von 5 km in Kauf genommen; einen Nachteil für die seismologische Messstation gebe es auch bei einem Abstand zur WEA von 5 km. Ein Abweichen von den 5 km sei seiner Meinung nach erst dann kein Problem, wenn Nachweise für entsprechend geringere Energieeinträge geführt werden könnten (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.10.2019, S. .7 und 8).
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5.1.2. Die in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 enthaltenen fachlichen Aussagen können also als antizipiertes Sachverständigengutachten dahingehend verstanden werden, dass bei einer Unterschreitung des dort genannten Abstands zwischen WEA und seismologischer Messstation (5 km) im Regelfall die seismologische Messstation und das GRF-Array einen nicht unerheblichen Teil der zu erkennenden „Nutzsignale“ (Erdbeben- und Atomtest-Wellen) nicht detektieren können. Dies hat in rechtlicher Hinsicht. zur Folge, dass der geplanten WEA der ungeschriebene öffentliche Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) der bestimmungsgemäßen Funktion einer der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten seismologischen Messstationen im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB entgegensteht und damit eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu beachtende, aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften sich ergebende Genehmigungsvoraussetzung nicht erfüllt ist.
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5.1.3. Die antizipierte sachverständige Einschätzung, dass die Station GRC4 von den beiden neu hinzukommenden WEA, die im Abstand von weniger als 5 km betrieben werden sollen, in ihrer bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigt wird, ist nicht widerlegt. Die G** GmbH hat (dem Gutachten vom 16.3.2017 zufolge) experimentell untersucht, welchen zusätzlichen Einfluss eine zusätzliche WEA (in der Modellrechnung die geplante WEA 8) auf die Messstation GRC4 haben könnte, verglichen mit dem schon bestehenden Einfluss der vorhandenen 7 WEA (WEA 1 bis 7). Im Ergebnis leugnet die Klägerin nicht, dass die geplanten beiden WEA einen zusätzlichen nachteiligen Einfluss auf die seismologischen Messungen durch die GRC4 haben. Sie hält ihn - gestützt auf die von ihr vorgelegten Gutachten - indes für so gering, dass eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit der GRC4 und oder des Gräfenberg-Array nicht angenommen werden könne. Diese Einschätzung würde im Ergebnis mit der eigenen Einschätzung der Beigeladenen zu 1 übereinstimmen, die diese im Genehmigungsverfahren anfänglich (mit Schreiben vom 24.3.2014) abgegeben hat, hiervon aber danach - mit für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Gründen - abgerückt ist.
81
5.2. Das Ausmaß, in dem der Betrieb der beiden streitigen WEA bei B… die bestimmungsgemäße Funktion der Station GRC4 und des GRF-Arrays in seiner Gesamtheit beeinträchtigen wird, ist erheblich.
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5.2.1. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Dr. W… hat in seinem Gutachten vom 2. Oktober 2019 (ab S. 5 Mitte) auch zum „Bauvorhaben WEA 8, WEA 9 B…“ Stellung genommen; hierbei hat er sich mit der von der Klägerin aufgebotenen gutachtlichen Äußerung der G** GmbH vom 16. März 2017 befasst. Er hat in dieser ersten gutachtlichen Stellungnahme den Vergleich mit der - in dem Gutachten hauptsächlich behandelten - Situation einer bislang nahezu unbelasteten anderen seismologischen Messstation (GRB5 bei D…) gezogen. Im Vergleich zu dieser Station hat er zwar die zusätzliche Störung im vorliegenden Fall als „nicht erhebliche Störung“ bezeichnet. Er ist hierbei auf die Untersuchung der G** GmbH eingegangen, die zunächst die Leistungsdichtespektren unter verschiedenen Betriebsbedingungen von zweien der schon vorhandenen WEA (WEA 2 in ca. 4 km Abstand von GRC4, WEA 4 in ca. 4 km Abstand) analysiert und sodann den zusätzlichen Einfluss einer einzigen hinzukommenden WEA betrachtet hat, indem sie die Spektren um den Zeitpunkt des Abschaltens der zusätzlichen WEA einerseits und des am folgenden Tag verfolgten Anschaltens der WEA bei erheblicher Windlast (8 bis 12 m/s und 9 bis 7 m/s) miteinander verglichen hat. Weil bei diesem Vergleich kein deutlicher Unterschied zu sehen war, wurde hieraus gefolgert, dass eine zusätzliche WEA in 4 km Entfernung keine erhebliche Störung darstelle. Dieser Folgerung hat Prof. Dr. W… zugestimmt.
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5.2.2. Aus der fachlichen Einschätzung der zusätzlich hinzukommenden Störwirkung im Verhältnis zu einer erstmaligen Störwirkung, die der Sachverständige abgegeben hat („keine erhebliche Störung“), folgt indes nicht, dass die Störwirkung der beiden geplanten WEA keine im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit der GRC4 und des GRF-Arrays wäre. Denn zum einen ist diese fachliche Einschätzung jedenfalls vorrangig auf die Messstation GRC4 bezogen; die Auswirkungen dieser Störung auf das GRF-Array als eines Systems von aufeinander abgestimmten WEA dagegen hat sie nicht im Blick. Davon abgesehen hat der Sachverständige Prof. Dr. W… in seiner vom Verwaltungsgerichtshof erbetenen ergänzenden Stellungnahme (vom 30.10.2019) keinen Zweifel daran gelassen, dass die vorhandenen und die geplanten WEA in ihrer Gesamtheit eine - auch nach seinem Verständnis - erhebliche Störung der Messstation GRC4 verursachen werden (Gutachten vom 30.10.2019 S. 3 oben).
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Sachverständige daran festgehalten, dass nach der ersten und der zweiten WEA, die in der Nähe eines seismologischen Messstation gebaut würden und die er als „entscheidenden Sündenfall“ bezeichnen würde, später noch zusätzlich hinzukommende WEA nur noch geringere Effekte durch zusätzlich hinzukommende Störpegel hätten. Die Messstation GRC4 sei schon jetzt massiv gestört, vor allem bei Volllastbetrieb der WEA. Das Problem sei, zu bestimmen, was als akzeptabel angesehen werden könne. Seismologen wollten natürlich eine möglichst große Empfindlichkeit. Für jede Störung und jeden Einfluss auf das Signal-Störverhältnis müsse man gleichsam einen Preis bezahlen, für dessen Quantifizierung es kein Kriterium gebe. Speziell zum GRF-Array merke er an, dass es sich dabei um eine auch international herausragende Institution handele; dort solle man sehr vorsichtig sein mit der Frage, ob Verluste hingenommen werden könnten oder nicht.
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Der Sachverständige Prof. Dr. W… hat auf Nachfrage von Dr. S… (für die Beigeladene zu 1) auch dessen Einwand bestätigt, dass sich der Zubau zweier zusätzlicher WEA in jedem Fall auf die Funktionalität des Gesamtarrays auswirke, unabhängig davon, ob die neu hinzukommenden WEA im Störbereich einer bislang unbelasteten seismologischen Messstation oder im Störbereich von ohnehin schon durch andere Störwirkungen in ihrer Funktion stark eingeschränkten seismologischen Messstationen errichtet würden. Denn es treffe zu, dass der zusätzliche, von einer der 13 Messstationen des GRF-Arrays erfasste Störpegel hinzukommender WEA - unabhängig von deren Standort - jedenfalls in den Summenpegel des GRF-Arrays einfließe, diesen also erhöhe, auch wenn der diesbezügliche Einfluss einer einzelnen von insgesamt 13 Stationen minimal sei.
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5.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Rechtsauffassung der Klägerin, dass sich die derzeit vorhandene starke „Vorbelastung“ der Station GRC4 durch mehrere große WEA in ihrer Nähe schutzmindernd auswirken würde mit der Folge, dass die seismologische Messstation auch noch eine - für sich genommen relativ geringere - zusätzliche Störwirkung durch die beiden streitigen WEA hinnehmen müsste. Das Gegenteil ist der Fall. Denn der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich entscheidungserheblich von denjenigen Fällen, in denen die Rechtsprechung eine Vorbelastung mit schutzmindernder Wirkung angenommen hat (bzw. eine solche Annahme vom Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nicht beanstandet wurde). Bedeutsam sind Erwägungen zur Vorbelastung regelmäßig im Zusammenhang mit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, z.B. bei konfligierenden Anlagen bzw. beeinträchtigten Objekten, die in aneinandergrenzenden Gebieten verschiedener bauplanungsrechtlicher Qualität gelegen sind, so dass eine Zwischenwertbildung in Betracht kommt, oder bei Erweiterung eines legalen Betriebs, der schon bisher - zwar in geringerem Maß, aber schon vorbelastend - emittiert hat. So hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall landwirtschaftlicher Geruchsimmissionen deren Zumutbarkeit bejaht und hierbei solche Vorbelastungen schutzmindernd gewertet, die daraus resultierten, dass der Ort, an dem sich die schutzbedürftige, nunmehr gegen Immissionen zur Wehr setzende Nutzung „niedergelassen“ hatte, schon durch eine vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt war und dass zudem die vorhandene Immissionssituation zumindest nicht verschlechtert wurde und zugleich die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten war (BVerwG, U.v. 27.6.2017 - 4 C 3/16 - juris Rn. 13). Vorliegend dagegen wurde nicht die Messstation CRG4 an einem „vorbelasteten“ Standort errichtet. Vielmehr hat sich die Beeinträchtigung der CRG4 erst nachträglich im Lauf der Zeit durch immer weitere WEA vergrößert bis zu einem derzeitigen Ausmaß, das die durch die streitigen WEA zu erwartende zusätzliche Störwirkung als relativ gering erscheinen lässt, mit diesen zusammen aber zu einer nochmals erhöhten, ganz beträchtlichen Störung führt.
87
In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht gleichfalls darauf abgestellt, ob die zusätzliche Immission (dort: Erschütterungen) nicht nur absolut messbar, sondern - wie vorliegend - „spürbar“ ist; es hat auch im dortigen Fall darauf hingewiesen, dass unter bestimmten (dort allerdings nicht gegebenen) Voraussetzungen eine beträchtliche Vorbelastung gerade nicht schutzmindernd wirke, sondern zu einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber weiteren Erhöhungen führen könne und ihre Grenze dort habe, wo bereits die Vorbelastung die Schwelle zur Eigentums- bzw. Gesundheitsverletzung überschreitet (BVerwG, U.v. 21.12.2010 - 7 A 14/09 - juris Rn. 30, 37 und 38 m.w.N.; ebenso BVerwG, U.v. 13.12.2018 - 3 A 17/15 - juris Rn. 55). In solchen Fällen müsse gewissermaßen nicht „wegen“, sondern „aus Anlass“ einer notwendigen Planfeststellung eine erforderliche Schutzmaßnahme angeordnet werden (BVerwG, U.v. 31.1.2001 - 11 A 6/00 - juris Rn. 80, 81 m.w.N.).
88
In Bezug auf Erschütterungsimmissionen, denen Menschen ausgesetzt sind, hat das Bundesverwaltungsgericht im genannten Urteil vom 21. Dezember 2010 (Az. 7 A 14/09 - juris) gebilligt, dass in einem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss den Erschütterungsbetroffenen ein Entschädigungsanspruch erst für den Fall zugebilligt wurde, dass die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 nicht eingehalten würden und sich die vor dem Ausbau vorhandene Vorbelastung um mehr als 25% erhöhe. Die in dieser Entscheidung herangezogenen Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 können zwar auf den vorliegenden Fall ebenso wenig wie der Prozentwert 25% übertragen werden, weil es vorliegend nicht um die Wirkung von Erschütterungen auf Menschen geht. Geltung für den vorliegenden Fall beansprucht aber die im dortigen Fall angestellte Erwägung, dass sich die Zumutbarkeit einer Erschütterungsbelastung (dort, wo noch keine Substanzschäden an Gebäuden zu befürchten sind) nicht allein nach technisch messbaren Unterschieden in der Erschütterungsintensität bestimmen, sondern es darauf ankomme, ob die neue Belastung (dort: von dem Betroffenen) auch als Verschlechterung der Situation empfunden werde. Mit dem Hinweis auf medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zum menschlichen Empfinden von Erschütterungen hat das Bundesverwaltungsgericht im dortigen Fall eine solche spürbare Verschlechterung verneint (BVerwG, U.v. 21.12.2010 - 7 A 14/09 - juris Rn. 35). Im vorliegenden Fall steht die durch die beiden streitigen WEA zu erwartende zusätzliche Störwirkung außer Frage; dass sie im Sinn der o.g. Rechtsprechung „spürbar“ ist, ergibt sich daraus, dass die GRC4 und das GRF-Array gerade dazu konstruiert und errichtet worden, Erschütterungssignale von sehr geringer Intensität zu detektieren. Die hinzukommende Störwirkung bleibt demnach gerade nicht unterhalb eines Wertes, der - vergleichbar der Irrelevanz-Schwellen nach Nr. 2.2 Buchst. a und Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 2 der TA Lärm - die Grenze zur Erheblichkeit der Zusatzbelastung markiert.
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5.3. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Weg der gebotenen nachvollziehenden Abwägung zur Überzeugung gelangt, dass das privilegierte streitgegenständliche Vorhaben des Baus und Betriebs der beiden WEA geringeres Gewicht hat als der öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit der seismologischen Messstation GRC4 und des GRF-Arrays, dieser Belang sich mithin gegen die geplante WEA durchsetzt.
90
Um feststellen zu können, ob ein in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannter oder ein unbenannter öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden „nachvollziehenden Abwägung“. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen (BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 30 m.w.N.). Von Bedeutung sein können dabei auch das Angewiesensein der WEA bzw. der technischen Anlage, die dem öffentlichen Belang dient, auf einen bestimmten Standort.
91
Vorliegend hat der Verwaltungsgerichtshof die Überzeugung gewonnen, dass entscheidendes Gewicht der Aufgabe und der dementsprechenden technischen Konzeption beizumessen ist, die seitens der öffentlichen Hand im Allgemeininteresse dem GRF-Array und den in diesem Array zusammenwirkenden Messstationen zugedacht ist. Das System liefert - wie oben bereits ausgeführt - seit mittlerweile etwa 40 Jahren Erkenntnisse über Erdbebenereignisse, aber auch über alle seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen. Hierzu ist das Array aufgrund seiner aufwendigen, besonders sensiblen Breitband-Messtechnik in der Lage, weil auch sehr schwache Signale aus dementsprechend sehr weit entfernten Quellen detektiert werden können. Es erscheint daher nicht übertrieben, die Messstation GRC4 im GRF-Array - mit den Worten der Beigeladenen zu 1 (Schriftsatz vom 19.6.2014 an die Genehmigungsbehörde) - als „wesentlichen Baustein der Infrastruktur des Bundes zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen“ und auch als bedeutsam für die Landesverteidigung zu bezeichnen, da die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung nuklearer und chemischer Explosionen unterhalte. Diese Bedeutung kann nicht - wie dies seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeklungen ist (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 7) - damit relativiert werden, dass es für die Kontrolle des Kernwaffenteststoppabkommens ein globales Netz verschiedener Staaten gebe, das das GRF-Array womöglich ersetzen könne. Eine solche Ersetzbarkeit in Bezug ausschließlich auf die technische Leistungsfähigkeit mag gegeben sein. Es kommt hierauf allein aber nicht an. Der Kernwaffenteststoppvertrag (im Jahr 1996 mit 158 von 173 Stimmen von der UN-Generalversammlung angenommen, mangels Ratifizierung durch alle Staaten aber noch nicht in Kraft) verbietet jede Art von Kernwaffenexplosion, ob für zivile oder für militärische Zwecke. Zur Überwachung dieser Pflicht wurde mittels der eigens hierfür gegründeten Organisation über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) und deren Vorläuferorganisation ein Überwachungssystem aufgebaut, das Kernwaffenexplosionen weltweit registrieren kann (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffenteststopp-Vertrag). Die Beigeladene zu 1 hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass das GRF-Array ein sogenanntes nationales Verifikationsmittel ist, wie es die Vertragsstaaten kraft eigenen Entschlusses in Ergänzung zum international vereinbarten Stationssatz einsetzen dürfen; nationale Verifikationsmittel sind im CTBT-Vertrag definiert und dienen der Datenerhebung für Verifikationsaufgaben im Rahmen des CTBT. Die politische Entscheidung, ein nationales Verifikationsinstrument zu schaffen und sich nicht ausschließlich auf das globale Netz der Staatengemeinschaft zu verlassen, ist zu beachten und verleiht dem Verifikationsinstrument eine hohe Bedeutung auch dann, wenn seine Aufgaben in technischer Hinsicht auch von jenem globalen Netz wahrgenommen werden könnten.
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Hinzu kommt, dass die Vergleichbarkeit der seit 1976 aufgezeichneten Daten mit neu zu gewinnenden Daten leidet, wenn einzelne Messstationen innerhalb des GRF-Arrays erheblich gestört werden, ggf. bis zu ihrer Unbrauchbarkeit und damit praktisch ihrem Ausfall. Denn die lokalen Registrierbedingungen am Standort einer Messstation gehen in die Messdaten des GRF-Arrays ein (dies zeigt sich deutlich an der von der Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2019 vorgelegten und vom Gericht mit den Beteiligten erörterten Grafik zur Detektionsfähigkeit, in der die Entwicklung der vom gesamten Array erkannten Schwellenmagnitude in den Jahren von 1991 bis Januar 2019 dargestellt ist). Hieraus ergibt sich auch, dass sich die Übertragungsfunktion des Arrays als Ganzes ändert, wenn einzelne Stationsstandorte - z.B. weil eine Messstation wegen zu starker Störwirkung einer WEA verlegt werden müsste - geändert werden (vgl. Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 10.3.2015 an das Verwaltungsgericht München, ins vorliegende erstinstanzliche Verfahren eingeführt als Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 10.2.2016). Ein „Umzug“ der Messstation GRC4 wäre - unabhängig von der Frage, ob eine solche Art von Selbsthilfe der Beigeladenen zu 1, die das GRF-Array seit Jahrzehnten betreibt, überhaupt zumutbar wäre - daher kein in Betracht kommender Ausweg aus der Konfliktsituation zwischen öffentlichem Belang und im Außenbereich privilegierter WEA. Für die seismologische Messstation GRC4 spricht demzufolge das „Prioritätsprinzip“ (zur Bedeutung dieses Prinzips insbesondere im Immissionsschutzrecht vgl.: OVG NW, U.v. 16.6.2016 - 8 D 99/13.AK - juris Rn. 461 ff. m.w.N.; BVerwG, U.v. 19.1.1989 - 7 C 77/87 - juris Leits. 4 und Rn. 29) in einem weiteren Sinn: Die seismologische Messstation GRC4 kann, weil sie lange vor den nun geplanten WEA errichtet und in ein Netz von - auch nach ihrem Standort - aufeinander abgestimmten Stationen eingebunden wurde, nicht einfach an einen anderen Standort verlegt werden. Der Bau einer WEA an einem „Ausweichstandort“ hängt zwar gleichfalls von günstigen Voraussetzungen bzw. dem Fehlen etwaiger Hindernisse ab (z.B. Windhöffigkeit, Vorgaben des Artenschutzes usw.). Vorliegend geht es allerdings nur um eine relativ kleine erforderliche Ortsveränderung, um vom bisher geplanten Standort (4,48 km bzw. 4,96 km von der Station GRC4 entfernt) die 5 km-Distanz zu erreichen. Jedenfalls sind die Errichtung und der Betrieb der streitigen WEA nicht in vergleichbarer Weise auf den geplanten Standort angewiesen wie dies im Falle der Messstation GRC4 als Bestandteil des GRF-Arrays in außerordentlichem Maß der Fall ist.
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6. Das Genehmigungshindernis des den geplanten WEA im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehenden Belangs lässt sich vorliegend auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse auch nicht durch eine besondere Art der Konstruktion der WEA, z.B. mittels einer „tieferen Gründung“ ausräumen, wie sie im Parallelverfahren 22 BV 17.2448 erörtert worden sind.
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6.1. Die Gutachterin der Klägerin hatte in diesem Parallelverfahren eine solche Möglichkeit in ihrer ersten fachlichen Stellungnahme (G** GmbH vom 24.9.2015) angesprochen und hat sich - auf die Bedenken des vom Verwaltungsgericht bestellten Gutachters hin - mit der Thematik vertieft befasst (G** GmbH vom 25.10.2016). Der vom Verwaltungsgerichtshof hierzu befragte Sachverständige hat insoweit schlüssig ausgeführt, dass die mit Datum vom 29. September 2016 vorgelegten Berechnungen der G** GmbH keine tiefere Gründung-, betrachteten, sondern eine „Erhöhung des Schubmodules durch Bodenbehandlung unter dem Fundament“. Die Berechnungen seien ermutigend, bedürften allerdings der Überprüfung und Validierung im Licht der wissenschaftlichen Arbeiten und experimentellen Ergebnisse. Von ihm befragte Kollegen der geotechnischen Fachrichtungen hätten indes für unrealistisch gehalten, dass durch tiefe Gründungen oder Bodenverbesserungen die Schwingungsamplituden um Faktoren von 5 bis 10 verringert werden könnten (W… vom 2.10.2019 zu „Frage 1.2“ auf S. 6).
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6.2. Es kann im Übrigen dahinstehen, ob mit einer besonderen Bodenbehandlung am den beiden geplanten Standorten der WEA oder mit einem besonders stabilen oder auf besondere Weise konstruierten Fundament der WEA („tiefe Gründung“) die von den WEA ausgehenden Schwingungen theoretisch so weit verringert werden könnten, dass eine erhebliche Störung der Funktionsfähigkeit des seismologischen Messstation GRC4 und/oder des GRF-Arrays nicht mehr zu besorgen wäre. Denn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Klägerin hat eine derartige Gründung oder vorherige Bodenverbesserung nicht zum Inhalt; solche Maßnahmen werden lediglich im Parallelverfahren in einem „geotechnischen Bericht“ vom 7.5.2015, auf den die G** GmbH auf S. 7 und 14 ihrer Stellungnahme vom 24.9.2015 Bezug nimmt, empfohlen. Die G** GmbH hat den Unterschied zwischen einer Flachgründung und einer Tiefgründung beschrieben und zeichnerisch dargestellt (G** GmbH vom 24.9.2015 S. 44). Dieser Darstellung zufolge besteht eine Tiefgründung z.B. darin, dass unter der Fundamentplatte für die WEA sechs jeweils 15 m lange Großbohrpfähle in den Untergrund eingebracht werden; den gleichen Effekt soll eine Bodenverbesserung mittels „Rüttelstopfverdichtung“ erzielen (G** GmbH vom 24.9.2015 S. 14). Derartige Maßnahmen können - schon wegen ihrer zu überprüfenden bodenschutzrechtlichen Relevanz - nicht als bloße Details der Bauausführung eines im Wesentlichen unveränderten Vorhabens angesehen werden. Vielmehr führten sie zu einem „Aliud“ im Vergleich mit einer in Flachgründung bzw. ohne Rüttelstopfverdichtung geplanten WEA.
96
Die Berufung ist somit zurückzuweisen.
III.
97
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen jeweils keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dass beide ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
98
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
99
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.