Inhalt

VGH München, Urteil v. 12.11.2019 – 22 BV 17.2448
Titel:

Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz:
Die Funktionsfähigkeit einer seismologischen Messstation ist ein unbenannter öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der der Genehmigung des  Baus und der Errichtung einer Windkraftanlage gemäß § § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstehen kann, wenn die geplante Windkraftanlage den Betrieb der seismologischen Messstation durch Erschütterungen so beeinträchtigen wird, dass die Funktionsfähigkeit der Messstation nicht gegeben ist (hier bejaht). (Rn. 52 – 79) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beeinträchtigung einer Erdbebenmessstation durch eine Windenergieanlage, Funktionsfähigkeit einer Erdbebenmessstation als unbenannter öffentlicher Belang, Vorgabe von Mindestabständen in einem Windenergieerlass, immissionsschutzrechtliche Genehmigung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.07.2017 – RO 7 K 14.1558
Fundstelle:
BeckRS 2019, 41544

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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1. Die Klägerin begehrt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Bau und Betrieb einer Windenergieanlage - WEA - auf dem Grundstück FlNr. … … der Gemarkung D., Gemeinde S. Geplant ist eine WEA vom Typ “REpower 3.2 M/114/143 m“ mit einer Nenn-Leistung von (knapp) 3,2 MW und einer Gesamthöhe von 200 m. In dem auf Antrag vom 25. Oktober 2012 (Antragseingang) eingeleiteten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren erhob die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), deren Träger die Beigeladene ist, Bedenken gegen das beabsichtigte Vorhaben: Es sei nur 3,4 km zur seismologischen Breitband-Messstation GRB5 bei Ö./B1. entfernt. WEA erzeugten Erschütterungen, die an den Messeinrichtungen seismologischer Messstationen als Störsignale wahrgenommen würden. Aus fachlicher Sicht sei zum Schutz der Datenregistrierung ein Mindestabstand von 5 km zwischen Messstation und WEA zu fordern. Bereits errichtete WEA in der Nähe anderer Messstationen, bei denen die BGR im Genehmigungsverfahren nicht beteiligt worden sei, würden den Einfluss von WEA belegen. Die Beigeladene versage daher die Zustimmung zu dem Vorhaben.
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Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18. August 2014 versagte das Landratsamt Neumarkt i.d.OPf. die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Zur Begründung führte es aus: Das Vorhaben sei zwar im Außenbereich privilegiert gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB und diene auch dem öffentlichen Interesse an der Nutzung von Windenergie. Ihm stehe aber ein öffentlicher Belang entgegen, weil es die Funktion der Station GRB5 der Beigeladenen beeinträchtige (andere Versagungsgründe führte das Landratsamt nicht an). Die BGR habe als am Verfahren beteiligter Träger öffentlicher Belange dem Vorhaben nicht zugestimmt.
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2. Gegen den Bescheid vom 18. August 2014 erhob die Klägerin Versagungsgegenklage und beantragte zunächst, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die WEA antragsgemäß immissionsschutzrechtlich zu genehmigen; mit Schriftsatz vom 18. März 2016 begehrte sie anstelle der Verpflichtung zur Genehmigung nur noch die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Genehmigungsantrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts. Mit Urteil vom 27. Juli 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage. ab. Zur Begründung führte es - im Wesentlichen - aus:
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Die Klägerin könne auch die mit der Klage zuletzt begehrte Verpflichtung des Beklagten, über ihren Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, nicht beanspruchen. Es sei vorliegend ausreichend wahrscheinlich davon auszugehen, dass die beantragte WEA die Station GRB5 der Beigeladenen und damit das GRF-Array (nachfolgend: GRF-Array) als Gesamtanlage in seiner Funktion erheblich beeinträchtigen und dadurch erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorrufe. Zu diesem Ergebnis komme das Gericht, ohne dem Beklagten oder der Beigeladenen einen Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative einzuräumen. Die Beigeladene habe nachvollziehbar ein Allgemeinwohlinteresse an der Funktionsfähigkeit der Station GRB5 als Teil der Messstationen im GRF-Array, insbesondere im Hinblick auf die Erdbebenerkennung, dargelegt; dass - wie die Klägerin einwende - Deutschland nicht unmittelbar durch Erdbeben gefährdet sei, stehe dem nicht entgegen. Zudem ergebe sich die Bedeutung der Messstationen im GRF-Array für das Allgemeinwohl auch aus den anderen genannten Zwecken. Nicht zu untersuchen sei auch, ob die Station GRB5 bzw. das GRF-Array insgesamt im Hinblick auf den Kernwaffenteststoppvertrag relevant sei oder nur - wie die Klägerin vortrage - die Primärstation GERES oder die Station in der Antarktis. Denn nach nachvollziehbarer Darlegung der Beigeladenen lieferten die Messstationen im GRF-Array unabhängig vom Kernwaffenteststoppvertrag notwendige und im Allgemeinwohlinteresse liegende Daten zur Bewertung, Begegnung und Prävention nuklearer und radiologischer Bedrohungen. Das Gericht gehe auch davon aus, dass die beantragte WEA erhebliche Nachteile für das dargelegte Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit der Station GRB5 und des GRF-Arrays als Gesamtsystem hervorrufe. Dies habe die Beigeladene nachvollziehbar erläutert. Die Beigeladene bzw. Allgemeinheit habe ein schützenswertes Interesse, wenigstens die noch nicht (durch andere Einflüsse in ihrer Umgebung) beeinträchtigten Frequenzbereiche im jetzigen Zustand zu erhalten und Summationswirkungen durch hinzutretende WEA zu vermeiden. Die noch gegebene Funktionalität der Messstation würde durch die beantragte WEA auch in einem so großen Ausmaß zu Lasten der Allgemeinheit beeinträchtigt, dass es als erheblich im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG anzusehen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die streitgegenständliche WEA, bezogen auf die Station GRB5, den in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE genannten Mindestabstand von 5 km nicht einhalte. Nr. 7.3.4 BayWEE sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung zu beachten, da sie gemäß Nr. 12 Sätze 1 und 2 BayWEE seit dem 1. September 2016 die bis dahin anwendbaren Hinweise ersetzt hätte. Die Bewertungen in Nr. 7.3.4 BayWEE seien keine „lediglich normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“, sondern ein für die Gerichte grundsätzlich verbindliches „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon für andere Regelungen im Windenergie-Erlass angenommen habe (BayVGH, B.v. 29.12.2016 - 22 CS 16.2162 - unter Verweis auf U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358). Die Genehmigungsbehörde und das Gericht dürften ein solches „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ nach dieser Rechtsprechung nicht ohne fachlichen Grund und nicht ohne gleichwertigen Ersatz außer Acht lassen. Auf Grund des antizipierten seismologischen Sachverständigengutachtens in Nr. 7.3.4 BayWEE, wonach erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bei Nichteinhaltung des Mindestabstands von 5 km zur Station GRB5 hervorgerufen werden, komme es auf den konkreten Nachweis der Störung der Messergebnisse der Station GRB5 durch die beantragte WEA nicht an. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE genannte Mindestabstand von 5 km vorliegend um 1,6 km unterschritten sei. Die Annahmen des Windenergie-Erlasses seien vorliegend nicht substantiiert erschüttert. Die Klägerin habe sich mit den Hinweisen in Nr. 7.3.4 BayWEE und den Erkenntnissen des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU), der L.-M1.-Universität M. (LMU), des Bayerischen Erdbebendienstes und der Beigeladenen, die als besondere fachliche Expertise in die Regelung der Nr. 7.3.4 BayWEE eingeflossen seien, nicht hinreichend fachlich konkret auseinandergesetzt und noch weniger ihre Richtigkeit erschüttert. Ihr bloßer Hinweis darauf, dass pauschale Mindestabstände nicht zulässig seien, sondern im Einzelfall eine erhebliche Störung nachzuweisen sei, genüge angesichts der Qualifizierung der Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE als „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ nicht. Nach nicht zu bezweifelnder Aussage der BGR gebe es bisher keine verlässliche, allgemein anerkannte Methode, um die Auswirkungen geplanter WEA auf benachbarte seismologische Messstationen zu berechnen. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten der G. („…“, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige und Prüfsachverständige für Erd- und Grundbau - nachfolgend: G. GmbH) ändere daran nichts. Denn es setze sich mit den fachlichen Erkenntnissen und über einen längeren Zeitraum gewonnenen Erfahrungen, die der Regelung in Nr. 7.3.4 BayWEE zugrunde lägen, nicht hinreichend auseinander; zudem verfolge es einen Ansatz mit nur geringem Erkenntniswert. So habe es - was auch die Klägerin einräume - allenfalls Aussagekraft für den Nahbereich von 1 km um eine WEA. Dahinstehen könne daher, ob die Kritik des gerichtlichen Gutachters am Gutachten der G. GmbH berechtigt sei. Mildere Mittel zur Vermeidung der durch die WEA verursachten erheblichen Nachteile im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG als die Einhaltung des Mindestabstands von 5 km gebe es nicht; dies gelte für die von der Klägerin geltend gemachten Möglichkeiten, nämlich das Herausrechnen der Störsignale, die Anordnung von Schutzauflagen zum WEA-Betrieb, Dämpfungsmaßnahmen und eine zeitweilige Abschaltung der WEA.
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Unabhängig vom Fehlen der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sei das Vorhaben auch nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 BauGB nicht genehmigungsfähig. Denn die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen sei ein ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 1 und 3 BauGB; dies ergebe sich entweder aus einer entsprechenden Anwendung von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB oder aus dem Rücksichtnahmegebot. Die durch die WEA zu erwartende Störung der Funktionsfähigkeit der Station GRB5 und des Gesamt-Arrays sei gewichtig; bei nachvollziehender Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und des öffentlichen Interesses am Ausbau erneuerbarer Energien einerseits und der Vermeidung weiterer Verschlechterungen der Funktionsfähigkeit der Messstation als Teil des GRF-Arrays andererseits habe das letztere Interesse Vorrang, es stehe dem Vorhaben der Klägerin im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Nachvollziehbar habe die Beigeladene dargelegt, dass die hochsensiblen Messstationen zur Vermeidung von Erschütterung des Bodens durch anthropogene Einflüsse wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Unberechtigt sei wohl der Einwand der Klägerin wonach die Messstation baurechtlich nicht genehmigt und daher nicht schutzwürdig sei. Denn viel spreche dafür, dass die Messstation zumindest bei ihrer Errichtung nicht genehmigungsbedürftig gewesen sei. Zudem sei der Betrieb der Messstationen, die seit Jahrzehnten bestünden, von den Bauaufsichtsbehörden nie in Frage gestellt worden und werde es - wie sich dem Windenergie-Erlass entnehmen lasse - auch künftig nicht. Sollte die Messstation aber genehmigungsbedürftig sein, so bestehe wegen ihrer geringen Auswirkungen auf die Umgebung kein Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit; eine eventuelle rein formelle Baurechtswidrigkeit der Messstation könne ihr Gewicht gegenüber dem Außenbereichsvorhaben der Klägerin nicht entscheidend schwächen. Auch die Angewiesenheit der Messstation auf ihren gewählten Standort und der Prioritätsgrundsatz sprächen gegen die WEA und für die Messstation.
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3. Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. Juli 2017 und den Bescheid des Landratsamts N. i.d.OPf. vom 18. August 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Genehmigungsantrag der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu zu entscheiden.
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3.1. Zur Begründung macht die Klägerin (in Schriftsätzen vom 2.1.2018 und 27.7.2018) im Wesentlichen geltend:
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3.1.1. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei weder Nr. 7.3.4 WEE 2016 noch der Windenergie-Erlass insgesamt ein antizipiertes Sachverständigengutachten. Dies zeige ein Vergleich mit der Anlage 6 der bis 31. August 2016 gültigen „Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA)“ vom 20. Dezember 2011 - WKE 2011. Nur diese Anlage sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als antizipiertes Sachverständigengutachten zu qualifizieren.
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3.1.2. Es gebe in Bezug auf die von WEA verursachten Einflüsse auf seismologische Messstationen weder eine Unsicherheit, die sich nicht durch bestimmte und allgemein geltende Berechnungsmethoden ausräumen ließe, noch bestehe bezüglich solcher Einflüsse ein behördlicher Beurteilungsspielraum oder ein Defizit an über- oder untergesetzlich festgelegten Verfahren zur Ausfüllung dieses Spielraums oder an normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, noch beruhten die Vorgaben unter Nr. 7.3.4 WEE 2016 auf landesweit fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen, die von Fachleuten anhand allgemein anerkannter Quellen zusammengestellt worden seien, noch handele es sich bei den Vorgaben unter Nr. 7.3.4 WEE 2016 um solche, die regionale und lokale Partikularinteressen in den Hintergrund treten ließen. Die Aussage des Seismologen Dr. W. vom Erdbebendienst Bayern in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2017 im Verfahren M 1 K 14.1682 vor dem Verwaltungsgericht München habe ergeben, dass die in den WEE 2016 aufgenommenen Schutzradien für Erdbebenmessstationen nur auf den Daten der Beigeladenen zu 1) und nicht auf landesweit fachlichen Erfahrungen und Erkenntnissen beruhten; Dr. W. sei als Vertreter des Erdbebendienstes Bayern ein Angehöriger der Beigeladenen selbst. Die Festlegung der Mindestabstände in Nr. 7.3.4 WEE 2016 beruhe allein auf den von der Beigeladenen am GRF-Array durchgeführten Messungen; eigene, unabhängige Messungen im dortigen geologisch relevanten Bereich oder in vergleichbarem Untergrund gebe es dagegen nicht. Soweit das LfU Untersuchungen veranlasst habe, sei weder die Bodenbeschaffenheit noch der Anlagentyp berücksichtigt worden. Aus allgemein anerkannten Quellen stammende fachliche Erkenntnisse gebe es sogar bis heute nicht, wie der aktuelle Windenergie-Erlass in Nordrhein-Westfalen (vom 8.5.2018) besage, wonach „wissenschaftlich fundiert begründete Ausarbeitungen von Mindestabständen von WEA zu Erdbebenmessstationen bislang nicht vorliegen“. Schon die Uneinigkeit darüber, ob von WEA verursachte Störungen im konkreten Fall bestimmbar seien, zeige, dass die Festlegung pauschaler Mindestabstände gerade keine „landesweiten fachlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus allgemein anerkannten Quellen“ seien.
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Dagegen könnten die von WEA ausgehenden Störungen an jeder einzelnen Station genau bestimmt werden, wie der als Anlage BKl.1 vorgelegte wissenschaftliche Bericht zeige. Dass Methoden für die Berechnung der Ausbreitung von Erschütterungen über mehrere Kilometer erst entwickelt würden, ändere an der generellen Berechenbarkeit nichts. Es sei unzulässig, sich vorliegend insoweit auf die Angaben der Beigeladenen zu verlassen, zumal es sich dabei nur um Daten aus der Vergangenheit handele, § 6 Abs. 1 BImSchG aber eine Prüfung des aktuellen Sachstands und - nicht anders als bei einer Vorbelastung durch Lärm - eine Prognose hinsichtlich der zusätzlichen Beeinträchtigung erfordere. Dass - wie die Beigeladene anführe - Erdbeben und Kernwaffentests nicht berechenbar seien, sei vorliegend bedeutungslos, es gehe allein um die mögliche Beeinträchtigung der Erdbebenmessstation durch die streitige WEA.
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3.1.3. Die Mindestabstandsvorgaben im WEE 2016 seien zudem in sich nicht stimmig, wissenschaftlich nicht haltbar und zu wenig differenziert. Nr. 7.3.4 WEE 2016 lege pauschal feste Mindestabstände fest, die größtenteils keine Einzelfallbewertung zuließen, und schränke damit die Verwirklichung von nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhaben in einer Weise ein, die einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten sei. Unabhängig davon müsse es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358) möglich sein, auch von den Vorgaben eines antizipierten Sachverständigengutachtens unter bestimmten Voraussetzungen abzuweichen; die Fassung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 („…einzig wirksames Gegenmittel…“) lasse Derartiges aber nicht zu. Nr. 7.3.4 WEE 2016 sei zudem verfassungswidrig; die Regelung verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG, indem sie (der Überschrift zu Nr. 7 „Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren“ zufolge) nur für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige WEA gelte, aber solche WEA von ihrer Geltung ausnehme, die wegen ihrer geringen Höhe (höchstens 50 m) nach der Anlage 1 Nr. 1.6 der 4. BlmSchV nur baugenehmigungspflichtig seien; deutlich werde dies auch am Vortrag zu den beiden vorhandenen WEA, die - obwohl sie weit über 50 m hoch und von den BGR-Stationen deutlich weniger als 5 km entfernt seien - dem erstinstanzlichen Vortrag der Beigeladenen zufolge in ihren Auswirkungen auf die Station GRB5 unberücksichtigt geblieben seien.
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3.1.4. Dass die beantragte Anlage dennoch schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufe, müsse angesichts des Anspruchs aus § 6 Abs. 1 BlmSchG bewiesen werden; das pauschale Behaupten einer zukünftigen Beeinträchtigung unter Vorlage von Berechnungen anhand von Daten aus der Vergangenheit und das bloße Fehlen einer anerkannten Berechnungsmethode seien ungeeignet, den Rechtsanspruch aus § 6 Abs. 1 BImSchG zu vereiteln. Die Beigeladene habe keinen Beurteilungsspielraum. Was Vorbelastungen im Frequenzbereich von 2 Hz bis 7 Hz angehe, so habe die Klägerin entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts das Vorbringen der Beigeladenen nicht nur substantiiert in Frage gestellt, sondern widerlegt und belegt, dass es solche Vorbelastungen gebe, so dass fraglich sei, ob die beantragte WEA noch einen wesentlichen niederfrequenten Beitrag zur Störung der Station GRB5 oder des Gesamtarray liefern würde. Die bezüglich der Vorbelastung von der Beigeladenen vorlegten Berechnungen (sog. psd-Spektren) hätten überdies keine Aussagekraft für das hiesige Verfahren, weil in solchen Spektren z.B. auch Verkehrslärm erfasst werde, der vorliegend aber auf nicht näher erklärte Art und Weise wieder aus den Spektren entfernt worden sei. Mit dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten werde substantiiert aufgezeigt, dass die Nichteinhaltung des sowohl von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als auch seitens der Beigeladenen geforderten Mindestabstands von 5 km vorliegend nicht pauschal herangezogen werden könne, sondern dass es zum Einen Ermittlungsmethoden gebe, um das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung nachzuweisen, und zum Anderen Abhilfemaßnahmen wie z.B. eine horizontale und vertikale Schallentkopplung oder das Herausrechnen von Störeinträgen. Belegt habe die Klägerin auch, dass eventuelle Beeinträchtigungen im Fernbereich einer seismologischen Messstation, nämlich mittels einer künstlichen Anregungsquelle, ermittelt werden könnten. Dass grundsätzlich die sicherste Methode für die Prognose von Bodenschwingungen die direkte Messung der Auswirkung in den relevanten Entfernungen sei, habe auch der gerichtlich bestellte Sachverständige bestätigt, bevor er vom Gericht vor Erstellung eines endgültigen Gutachtens von der weiteren Bearbeitung entbunden worden sei. Die Beigeladene habe durch ihre Berechnungen und Messungen nicht belegt, dass gerade von der streitigen WEA zu erwartende Erschütterungen für den Betrieb der Station GRB5 oder des GRF-Arrays nicht mehr tolerierbar seien. Sie gebe mit ihrem Vortrag selbst zu, dass das am seismologischen Messort ankommende Störsignal nicht bekannt sei, also ein Nachweis für die Beeinträchtigung ihrer Station durch die streitige WEA nicht erbracht sei; es komme ausschließlich darauf an, ob gerade die von der beantragten WEA zu erwartenden Störeinträge zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seismologischen Messstation führten.
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3.1.5. Gegen die vom Beklagten vorgelegte (wiederum gerade von Dr. W. erstellte) fachliche Stellungnahme des LfU vom 28. Februar 2018 bestünden verschiedene fachliche Bedenken. So fordere er (auf S. 2) für die sichere Verortung der Seismizität des GRF-Arrays und damit für die Arbeit des Erdbebendienstes Bayern mindestens drei, besser fünf „unbelastete“ Stationen. Derzeit erfüllten aber die Stationen GRA2, GRA3, GRA4, GRB4 und GRC2 diese Voraussetzungen. Widersprüchlich und unwissenschaftlich bestimme der Seismologe Abstandsradien zu den einzelnen Stationen ohne jegliche Abhängigkeit von den spezifischen Eigenschaften der jeweiligen WEA, räume dann aber ein, dass die Erheblichkeit des Einflusses einer WEA von deren Bauweise- und Höhe abhänge. Die von Dr. W. genannten Veröffentlichungen könnten seine Auffassung z.T. nicht stützen, sondern sprächen eher gegen sie; andere genannte Autoren seien nicht unabhängig. Wenn Dr. W. (auf S. 4 der Stellungnahme) anführe, dass von einem Bauwerksuntergrund aus anstehendem Fels ausgegangen worden sei, so gebe er damit zu, dass es bei den Untersuchungen auch auf den Untergrund ankomme; zugleich aber setze sich Dr. W. nicht mit dem seitens der Klägerin eingereichten Gutachten der G. GmbH auseinander. Soweit Dr W. anführe, bei der Festlegung der Mindestabstande sei die „damals noch übliche WEA mit max. 70 m Nabenhöhe als Vorlage“ hergezogen worden, sei dem entgegenzuhalten, dass die Forderung der Beigeladenen nach einem Mindestabstand zu einem Zeitpunkt erhoben worden sei, zu dem WEA schon eine Naben- bzw. Gesamthöhe von 140 m bzw. 200 m erreicht hätten.
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3.1.6. Entgegen der Ansicht der Verwaltungsgerichts stehe dem Vorhaben der Klägerin nicht § 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG i.V.m. § 35 BauGB entgegen, denn bei der Erdbebenmessstation handle es sich weder um einen öffentlichen Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB noch sei das Rücksichtnahmegebot verletzt. Seismologischen Messstationen habe der Gesetzgeber - anders Funk- und Radarstellen - keinen besonderen rechtlichen Schutz eingeräumt; um als ungeschriebener öffentlicher Belange im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB gelten zu können, fehle es der Messstation an der hierfür erforderlichen bodenrechtlichen Relevanz, und auf den Belang der Wissenschaft, der in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2016 angesprochen worden sei, könne sich die Beigeladene noch weniger berufen, weil ein Bezug zum Baurecht oder zur Thematik der städtebaulichen Ordnung nicht erkennbar sei. Die vorliegend streitgegenständliche Tätigkeit der Beigeladenen erschöpfe sich darin, in der Vergangenheit aufgezeichnete Daten auszuwerten und registrierte Erdbeben oder andere Erschütterungen den zuständigen Stellen zu melden, nicht aber solche Vorkommnisse im Vorhinein zu erkennen.
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3.2. Der Beklagte beantragt (mit Schriftsatz vom 16.3.2018),
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er macht geltend: Die Errichtung der WEA führe zu schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 3 BlmSchG, weil sie (durch die Rotation des Rotors, das Schwingungs- und Neigungsverhalten des Turms und die Übertragungseigenschaften des Fundaments verursachte) Erschütterungssignale erzeugen werde, die an der Station GRB5 als Störsignale wahrgenommen und auch auf das GRF-Array als Gesamtsystem als Sachgut (§§ 1, 3 Abs. 2 BlmSchG) einwirken würde. Mangels festgelegter Werte für diese Art von Immissionsbelastungen müsse im Einzelfall in der Regel aufgrund eines Sachverständigengutachtens geprüft werden, ob die Immissionsbelastung eine schädliche Umwelteinwirkung sei. Diese Funktion erfülle Nr. 7.3.4 WEE 2016. Dort sei bayernweit festgeschrieben, in welchen Abständen die durch eine WEA erzeugten Erschütterungen über die Erhöhung des Rausch- und Störpegels in jedem Fall zur Verschlechterung der Detektions- und Auswertgenauigkeit der seismologischen Messdaten bis hin zum Ausschluss der Nutzbarkeit der Anlage führten. Nr. 7.3.4 WEE 2016 gehe davon aus, dass sich Immissionen im Sinn von § 3 BlmSchG, verursacht durch eine WEA, auf eine Erdbebenmessstation auswirken und deshalb bestimmte Abstände einzuhalten seien. Unterhalb dieser Abstände führe der Betrieb einer WEA zu erheblichen Nachteilen für die Allgemeinheit, denn die seismologischen Erdbebenmessstationen würden im öffentlichen Interesse betrieben. In den Schutzbereich einbezogen sei als Teil der Nachbarschaft auch die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) betriebene Erdbebenmessstation; sie liege im Einwirkungsbereich der WEA. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen seien als erheblich einzustufen. Wie das Bayer. Landesamt für Umwelt (LfU; Erdbebendienst Bayern) in seiner Stellungnahme (vom 28.2.2018) ausführe, sei das GRF-Array ein weltweit einzigartiges (bzgl. Geräteausstattung und Dauer der Registrierung) Instrument zur globalen und lokalen Seismizitätsüberwachung. Zu dessen Schutz sei ein Mindestabstand von 5 km zu WEA unbedingt erforderlich. Auch neue fachwissenschaftlich überprüfte Arbeiten bestätigten, dass unterhalb eines Abstands von 5 km ein erheblicher Qualitätsverlust der seismologischen Stationen infolge der WEA eintrete, und dass es derzeit keine technischen Lösungen gebe, um den Schwingungseintrag durch WEA zu vermindern. In Bezug auf die Einhaltung des unbedingten Radius von 5 km gemäß Nr. 7.3.4 WEE 2016 gebe es keinen behördlichen Beurteilungsspielraum. Das Bestehen eines solchen Spielraums sei entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht erforderlich, damit ein antizipiertes Sachverständigengutachten angenommen werden könne.
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Nr. 7.3.4 WEE 2016 verstoße nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG). Der Regelungsbereich der Vorschrift beschränke sich auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige WEA, zu anderen treffe sie keine Aussage.
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Der Errichtung der privilegierten WEA stünden zudem bauplanungsrechtlich öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen, so dass sie auch deshalb nicht genehmigungsfähig sei (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG). Das Vorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das in Bezug auf „schädliche Umwelteinwirkungen“ in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ausdrücklich geregelt sei und - soweit es nicht um (schädliche) Immissionen, sondern um andere nachteilige Wirkungen eines Außenbereichsvorhabens gehe - als ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu beachten sei. Die WEA verursache schädliche Umwelteinwirkungen gegenüber der Erdbebenmessstation, deren Betrieb im öffentlichen Interesse liege. Der Betrieb sei auch besonders schutzwürdig. Die Station GRB5 sei Teil des Verbundes des GRF-Arrays, das aus 13 seismologischen Breitbandstationen bestehe und zwischen 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet worden sei. Die Erdbebenmessstation könne sich nicht gegen die Schwingungen schützen und könne daher nach der Rechtsprechung umso mehr an Rücksichtnahme verlangen. Beeinträchtigt sei zudem der ungeschriebene öffentliche Belang, die Funktionsfähigkeit seismologischer Messstationen nicht zu beeinträchtigen. Obgleich - anders als Radar- und Funkstellen - Erdbebenmessstationen nicht in der (nicht abschließenden - „insbesondere“) Aufzählung des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufgeführt seien, handele es sich um einen öffentlichen Belang. Denn die Thematik sei mit § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB vergleichbar. Auch Erdbebenmessstationen wie die Station GRB5 und das GRF-Array erfüllten wichtige Aufgaben im Allgemeininteresse, hinter ihnen stünden öffentliche Zwecke. Der öffentliche Belang sei beeinträchtigt, weil die Funktion der Messstation in einem Maß beeinträchtigt werde, das sich auf die Aufgabenerfüllung der GRB auswirke; die für die Aufgaben der Erdbebenmessstation nötigen Ergebnisse könnten infolge der Beeinträchtigung durch die WEA nicht mehr erzielt, jedenfalls aber ihre Erlangung erheblich verschlechtert und erschwert werden.
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Bei der gebotenen Abwägung des jeweils verschiedenen Gewichts des privilegierten Außenbereichsvorhabens der WEA einerseits und dem öffentlichen Belang andererseits sei zu bedenken, dass die Erdbebenmessstation ihrerseits im Außenbereich privilegiert sei, dass sie dort seit vielen Jahren betrieben werde und keine Möglichkeit habe, sich vor Schwingungen zu schützen. Diese Gesichtspunkte führten insgesamt dazu, dass der WEA öffentliche Belange entgegenstünden Aufgrund der Bedeutung des GRF-Arrays insgesamt ändere sich diese Bewertung auch nicht unter Berücksichtigung dessen, dass die Errichtung der WEA nicht nur wirtschaftlichen Interessen, sondern der Betrieb auch der Förderung erneuerbarer Energien diene
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3.3. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, aber (mit Schriftsätzen vom 15.2.2018 und 30.10.2018) geltend gemacht:
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3.3.1. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten gewertet. Drei der insgesamt fünf von der Klägerin genannten angeblichen Voraussetzungen für die Bejahung eines solchen antizipierten Sachverständigengutachtens habe der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgestellt. Insbesondere meine die Klägerin zu Unrecht, dass schon die potentielle Möglichkeit der Existenz einer fachlichen Methode ausreiche, um Nr. 7.3.4 WEE 2016 nicht als antizipiertes Sachverständigengutachten ansehen zu können; eine solche Methode, erst recht eine fundierte Methode, sei derzeit aber nicht ermittelt.
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3.3.2. Die Voraussetzung, dass ein antizipiertes Sachverständigengutachten auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen beruhen müsse, sei vorliegend erfüllt. Keineswegs seien die Regelungen in Nr. 7.3.4 WEE 2016 ohne unabhängige Untersuchungen, nur aufgrund der Angaben der BGR zustande gekommen. Derartiges habe auch Dr. W. (Verfahren M 1 K 14.1682) nicht ausgesagt, sondern ausweislich des Verhandlungsprotokolls erklärt, dass bei den Untersuchungen im Auftrag des LfU vier Bestandswindkraftanlagen in unterschiedlichen Abständen zu vier existierenden Stationen des bayerischen Erdbebendienstes untersucht und jeweils Vergleichsmessungen vor und nach Errichtung der WEA durchgeführt worden seien und dass der Abstand von 5 km zu den Stationen des GRF-Arrays von Messungen aus den Abständen existierender Messstationen zu bestehenden WEA abgeleitet worden sei, dann für die regionalen Messstationen des Erdbebendienstes Bayern ein Zuschlag gemacht und die so gewonnenen Schutzradien analog auf die Breitbandstationen der BGR übertragen worden seien.
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Es sei anhand der in Nr. 7.3.4 WEE 2016 als schützenswert gekennzeichneten Erdbebenmessstationen auch nicht ersichtlich, dass regionale oder lokale Partikularinteressen verfolgt würden.
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Zu Unrecht bestreite die Klägerin eine „fachliche Unsicherheit“, die für die Annahme eines antizipierten Sachverständigengutachtens Voraussetzung sei, mit der - überdies pauschalen - Behauptung, dass die von WEA erzeugten Erschütterungen (am Emissionsort) messbar seien. Es komme aber auf die Auswirkungen am Immissionsort an. Hierfür gebe es noch keine bestehende oder nach verlässlichen Kriterien zu entwickelnde Berechnungsmethode, mit der man ermitteln könne, in welchem Umfang die Erhöhung des Rausch- und Störpegels am Immissionsort zu einer Verschlechterung der Detektion- und Auswertungsgenauigkeit der seismologischen Messdaten führe. Die Ansicht der Klägerin, dass eine Berechnungsmethode lediglich „denkbar“ und nicht auch vorhanden sein müsse, um das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums bzw. einer Unsicherheit verneinen zu können, sei durch die Rechtsprechung zum naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum nicht gedeckt. Ausreichend erforscht sei, dass eine WEA in einem Radius von 10 km zu einer Erdbebenmessstation die Messung seismologischer Ereignisse beeinträchtige. Nicht abschließend untersucht sei (nur), wie sich der Beitrag einer einzelnen WEA zur Erhöhung des Rauschpegels einer Erdbebenmessstation im Einzelfall bestimmen lasse; es gebe derzeit kein verlässliches, allgemein akzeptiertes Prognoseverfahren für die Erschütterungswirkung einzelner WEA oder Gruppen von WEA unterschiedlicher Bauart bei unterschiedlichen Betriebszuständen und geologischem Untergrund. Eine genaue Bestimmung des Immissionseintrags der beantragten WEA an der Station GRB5 sei somit jetzt und auch für absehbare Zeit nicht möglich. Sicher sei aber, dass WEA der beantragten Art die für die Messung von Erdbeben maßgeblichen Frequenzen erheblich beeinträchtigten, weil ihre Immissionen den Rauschpegel der Messstation verfälschten mit der Folge, dass insbesondere kleinere oder weit entfernte seismologische Ereignisse in dem Rauschpegel „untergehen“ würden (Stellungnahme des LfU vom 28.2.2018, S. 2, u.a.). Technisch möglich sei zwar, die Schwingungsemissionen der beantragten WEA im Anlagenbereich oder im Nahbereich annähernd zu bestimmen, nicht aber, die Wellenausbreitungen bis zum Immissionsort modellhaft zu berechnen; dies habe auch der vom Verwaltungsgericht hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. W. ausgeführt und darauf hingewiesen, dass ein modellierter Eintrag in die Erde nicht ohne Kenntnis der elastischen Struktur und der Dämpfungseigenschaften auf dem Ausbreitungsweg von der WEA in 3 oder 4 km Entfernung prognostiziert werden könne, weil dafür Kenntnisse über den Tiefenbereich von ca. 2 km nötig seien, was wiederum direkte Messungen der Auswirkung in den relevanten Entfernungen erfordere, die die Klägerin bislang nicht geleistet habe. Grund dafür dürfte der unverhältnismäßige Aufwand für die Erbringung dieser Aussagen zu den durch die beantragte WEA verursachte Emissionen bzw. das Fehlen von Geländemodellparametern für die Ausbreitungsberechnung sein. Aufgrund der Vorbelastung durch WEA im GRF-Array könne jede weitere WEA zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seismologischen Messungen im maßgeblichen Frequenzbereich von 1 bis 10 Hz führen. Große seismologische Ereignisse, wie sehr starke Erdbeben oder Explosionen von Wasserstoffbomben könnten eventuell trotz des Betriebs der beantragten Anlage noch gemessen werden, nicht aber die - deutlich häufiger vorkommenden - Ereignisse kleinerer Magnituden, die beispielsweise zu Gebäudeschäden führen könnten.
27
Überdies verwechsle die Klägerin die Voraussetzungen für die Bejahung eines naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums mit den Kriterien zur Anerkennung von Abschnitten des WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten. Ob ein solcher Beurteilungsspielraum im Zusammenhang mit der Erheblichkeit der Beeinträchtigung seismologischer Messstationen bestehe, sei rechtlich umstritten; jedenfalls aber sei er nicht Voraussetzung für die Wertung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten.
28
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es zulässig, dass die Verwirklichung eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhabens durch die Festsetzung von Mindestabständen außerhalb eines förmlichen Gesetzgebungsverfahrens eingeschränkt werde. Insoweit habe der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 BauGB selbst seinen Willen ausgedrückt, öffentliche Belange, die der privilegierten Nutzung entgegengehalten werden können, nicht abschließend regeln zu wollen bzw. zu können. Somit gebe es auch ungeschriebene öffentliche Belange, zu der auch die Funktionsfähigkeit der Station GRB5 und des GRF-Arrays zählten. Es sei auch nicht notwendig, im WEE 2016 konkrete Abweichungsmöglichkeiten von den Abstandsflächen zu regeln. Denn die Wertung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten schließe es nicht aus, den Gegenbeweis gegen die dort genannten Mindestabstände anzutreten, sobald sich eine fachlich korrekte, nachvollziehbare und in der Praxis erprobte Berechnungsmethode zur Ermittlung und auch zur Vermeidung der durch Windenergieanlagen auf seismologische Messstationen verursachte Störeinträge durchgesetzt habe; sei dies der Fall, so liege ein „fachlicher Grund und gleichwertiger Ersatz“ im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - juris) vor, um von den Vorgaben abweichen zu dürfen. Außerdem schließe Nr. 7.3.4 WEE 2016 ein solches Abweichen gar nicht aus, was sich aus der Formulierung „bis auf Weiteres“ ergebe.
29
Falsch sei die Ansicht der Klägerin, wonach die Qualifikation als antizipiertes Sachverständigengutachten nicht dazu führen könne, dass eine Einzelfallprüfung entbehrlich werde, und dass es Aufgabe des antizipierten Sachverständigengutachtens sei, eine Einzelfallprüfung durch Bestimmung fester Kriterien zu ermöglichen. Die in dem Aufsatz des Klägerbevollmächtigten (Dr. L) geäußerte Befürchtung, die Wertung von Nr. 7.3.4 WEE 2016 als antizipiertes Sachverständigengutachten bewirke, dass mit den dort geregelten Mindestabständen „zwangsweise eine faktisch undurchbrechbare Bindungswirkung“ einhergehe, da „bei einem ‚Mindestabstand‘ wohl kaum ein ‚fachlich gleichwertiger Ersatz‘ angeboten werden“ könne, habe sich gerade im vorliegend angegriffenen Urteil (S. 16) als unberechtigt erwiesen; die mit Nr. 7.3.4 WEE 2016 angegebenen Prüfradien hätten nur die Wirkung einer widerleglichen Vermutung, wobei das VG Regensburg noch nicht einmal einen fachlich gleichwertigen Ersatz verlange, sondern die substantiierte Erschütterung der Abstandsregelung genügen lasse. Dies sei der Klägerin vorliegend aber nicht gelungen. Ein antizipiertes Sachverständigengutachten werde unabhängig von einem konkreten Einzelfall gefertigt mit dem Zweck, zu gewährleisten, dass die Fälle möglichst nach einheitlichen Grundsätzen bearbeitet würden. Die Festlegung von Mindestabständen bezwecke, die Anwendung gleicher Maßstäbe sicherzustellen und eine ergebnisoffene Einzelfallprüfung entbehrlich zu machen. So habe die Rechtsprechung u.a. die Zulässigkeit der Festlegung von Mindestabständen bei Planung und Genehmigung von WEA anerkannt, soweit es um den Abstand zu Wohnbebauung unter Zugrundelegung der TA Lärm und um die Vorsorge (Schutzpuffer) zu Waldflächen oder Naturschutzgebieten gehe.
30
Die Vorgaben in Nr. 7.3.4 WEE 2016 beruhten auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen, nämlich neben solchen Erfahrungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe auch solchen des bayerischen Erdbebendienstes, der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) und des Bayerischen Landesamts für Umwelt. Dass der für das GRF-Array festgelegte Mindestabstand 5 km sei und unabhängig vom WEA-Typ gelte, liege daran, dass das GRF-Array insgesamt bereits derart gestört sei, dass keine weiteren WEA innerhalb dieses Radios toleriert werden könnten. Dies ergebe sich auch aus der Aussage von Dr. W. (M 1 K 14.1682). Falsch sei die Schlussfolgerung der Klägerin, dass ein Windpark mit 5 WEA mit jeweils einer Gesamthöhe von 200 m in einer Entfernung von 5,01 km zu einer GRF-Station zulässig wäre; vielmehr hinge in einem solchen Fall die Zulässigkeit von der behördlichen Einzelfallprüfung ab. Die von der Klägerin angesprochene Nr. 8.2.12 des Windenergieerlasses des Landes Nordrhein-Westfalen (vom 8.5.2018) lasse sich nicht gegen die Annahme ins Feld führen, dass Nr. 7.3.4 WEE 2016 auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhe. Diese Hinweise regelten nämlich nur den Nutzungskonflikt von WEA mit seismologischen Messstationen des Geologischen Dienstes und der stationsbetreibenden Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, somit seismologische Stationen mit einer ganz anderen Funktion und Wertigkeit als vorliegend die Station GRB5 als Teil des GRF-Arrays. Nur der Geologische Dienst NRW, nicht aber die BGR, die maßgebliche Fachbehörde zur Beurteilung der bundesweit vorliegenden Erkenntnisse im geowissenschaftlichen Bereich, sei im Verfahren zur Novelle des Windenergieerlasses NRW als Fachbehörde beteiligt worden.
31
3.3.3. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG liege schon deshalb nicht vor, weil die Ungleichbehandlung nicht auf dem WEE 2016 beruhe, sondern auf der gesetzlichen, auf die Gesamthöhe (50 m) abstellenden Abgrenzung zwischen immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen und nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen. Diese Abgrenzung beruhe ihrerseits auf sachgerechten Kriterien; zusätzlicher, im WEE 2016 angelegter Rechtfertigungen für diese Differenzierung bedürfe es nicht. Überdies bedeute der Umstand, dass eine (nur) baugenehmigungspflichtige WEA die Mindestabstände nach dem WEE 2016 nicht zwingend einhalten müssten, nicht, dass eine solche WEA ohne weiteres innerhalb des Schutzradius zuzulassen sei. Vielmehr müssten ihre Auswirkungen dann im Baugenehmigungsverfahren geprüft werden.
32
Weshalb die in Nr. 7.3.4 WEE 2016 geregelten Abstände unverhältnismäßig sein sollten, sei nicht ersichtlich. Dem WEE 2016 seien ebenfalls im Zusammenhang mit den naturschutzrechtlichen Vorgaben freizuhaltende Bereiche und Ausschlussgebiete nicht fremd, z.B. in Nr. 8.2.1 Sätze 1 und 2. Auch in den die Errichtung von WEA betreffenden Erlassen anderer Bundesländer gebe es vergleichbare Abstandsregelungen. Vorliegend verfolge die Einhaltung der Abstände den verfassungsrechtlich zulässigen Zweck, seismologische Anlagen, die der Umsetzung völkerrechtlicher Vereinbarungen, der Daseinsvorsorge und dem internationalen wissenschaftlichen Verbund dienten, vor erheblicher Beeinträchtigung durch Störeinträge von WEA zu schützen. Angesichts der drastisch gestiegenen Zahl genehmigter WEA im Bereich des GRF-Arrays und mangels sicherer Methoden zur Vermeidung der Störeinträge gebe es derzeit kein milderes Mittel, um den Schutz des GRF-Arrays und seiner einzelnen Messstationen zu erreichen; der Schutz des GRF-Arrays als einzigartige seismologische Breitbandstation mit internationalem wissenschaftlichen Wert sei zudem so gewichtig, dass er den Eingriff in die beabsichtigte Windenergienutzung rechtfertige.
33
Auf die von der Klägerin behauptete vermeintlich erhebliche Vorbelastung der Station GRB5 im Frequenzbereich bis 2 Hz habe das Verwaltungsgericht zu Recht nicht abgestellt, weil durch die beantragte WEA auch die weiteren bislang ungestörten Frequenzbereiche erheblich gestört werden könnten. Die von der Klägerin angesprochenen vermeintlichen Möglichkeiten zur Vermeidung der Störwirkung („horizontale und vertikale Schallentkopplung“, „Bodenpolsterung“, Einsatz von Dämmstoffen oder Vergrößerung der Fundamentfläche) seien nie zum Gegenstand ihres Genehmigungsantrags gemacht worden; zutreffend habe daher das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin nie ernsthaft zu prüfende mildere Mittel vorgetragen habe, die als Schutzauflagen Gegenstand des Genehmigungsbescheids hätten werden können. Zudem wäre die tatsächliche Eignung solcher Maßnahmen so fraglich gewesen, dass sie als Nebenbestimmungen nicht in Betracht gekommen wären. Auch, dass es keine Möglichkeit gebe, die Störeinträge herauszurechnen, sei erstinstanzlich dargelegt worden; Grund hierfür sei, dass das am seismologischen Messort ankommende (von der WEA erzeugte) Störsignal unbekannt sei. Dieses Signal wiederum anhand einer „Vorwärtsrechnung“ vom Quellort (der WEA) aus zu qualifizieren, gelinge deswegen nicht, weil über das Ausbreitungsmedium bis in mindestens 1 km Tiefe keine ausreichenden Kenntnisse bestünden. Sei aber eine Quantifizierung des Störsignals nicht zuverlässig möglich, so könne es auch nicht nachträglich entfernt werden. Schon die Messung des Störsignals unmittelbar an der streitigen WEA sei problematisch, weil sich auch dort akustische und seismologische Signale der WEA überlagerten, aber ab etwa 1 km Entfernung nur die seismologischen Signale für seismologische Stationen relevant seien. Aber selbst wenn es gelänge, die Quellsignale quantitativ ausreichend genau zu erfassen, so wäre ein Herausrechnen nicht möglich, weil die Untergrundstruktur im relevanten Bereich zwischen WEA und Messstation nicht genügend bekannt sei und zudem sich die Störsignale der WEA mit dem natürlichen Rauschen überlagerten und in dem Bereich, in dem sie vergleichbare Amplituden hätten, nicht mehr zu trennen seien, wenn beide in gleicher Größenordnung zu den Signaleinträgen beitrügen.
34
Die bestehende Vorbelastung der Station GRB5 durch andere Störsignale sei bereits im Rahmen der Einzelfallprüfung, die zur Festlegung eines Mindestabstands in Nr. 7.3.4 Buchst. b WEE 2016 geführt habe, eingeflossen. Dass der Betrieb der beantragten WEA zu einem zusätzlichen Immissionsbeitrag und somit zu einer weiteren erheblichen Störung der Station GRB5 sowie des GRF-Arrays führen werde, sei erstinstanzlich außerdem ausführlich vorgetragen worden. Nicht maßgeblich sei dagegen entgegen der Ansicht der Klägerin, ob der Betrieb der geplanten Anlage - für sich genommen - die schädliche Umwelteinwirkung verursache; entscheidend sei vielmehr die Gesamtbelastung am Immissionsort. Für die Station GRB5 sowie für das GRF-Array sei aufgrund der umfangreichen seit den 70er Jahren vorliegenden Sammlung an Messdaten geklärt, dass es innerhalb eines 5 km-Radius zur Messstation bei Inbetriebnahme einer Windenergieanlage zu einer erheblichen Beeinträchtigung der seismologischen Messungen komme. Falsch und auch den Feststellungen des Verwaltungsgerichts München (M 1 K 14.1682) widersprechend seien daher die Ausführungen von Dr. L. in seinem Fachaufsatz, wonach die Abstände gemäß Nr. 7.3.4 Buchst. b WEE 2016 auf nur wenigen tatsächlichen Messungen beruht hätten. Vielmehr seien Grundlage dieser Regelung der seit den 70er-Jahren gewonnene Datenbestand aus der Erfassung seismologischer Ereignisse sowie fünf Messungen an Stationen des Bayerischen Erdbebendienstes.
35
Die Methodik des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens sei fehlerbehaftet gewesen. Unberechtigt und entkräftet worden sei dagegen die Kritik der Klägerin an der Methodik der BGR zur Ermittlung der Beeinträchtigung. Auch insoweit sei erstinstanzlich von der Beigeladenen dargelegt worden, dass der „Vorher-Nachher-Vergleich“ aussagekräftig sei und dass die Statistik als wissenschaftliche Methodik die wesentliche Grundlage der Datenerfassung und Auswertung in der Seismologie darstelle. Der Vergleich der Aufzeichnungen an den seismologischen Messstationen des GRF-Arrays vor Errichtung mehrerer Windparks und nach deren Errichtung und Inbetriebnahme sei geeignet für den Nachweis, dass die Stationen kausal durch WEA des hier beantragten Typs beeinträchtigt würden. Mit ihrem Vortrag, wonach das an der Station GRB5 ankommende Störsignal nicht bekannt sei, meine die Beigeladene die ankommende Stärke des Signals. Dass die maßgeblichen Frequenzbereiche von 1 bis 10 Hz in den Messdaten der Station GRB5 durch WEA gestört würden, lasse sich durch den Vorher-Nachher-Vergleich an vergleichbaren Stationen beweisen und damit auch der Umstand, dass es mit auch nur einer hinzukommenden Anlage zu Summationswirkungen mit den Störeinträgen anderer Bestandswindenergieanlagen kommen könne und dadurch der maßgebliche Frequenzbereich erheblich gestört sei. Für die Ermittlung des konkreten Immissionseintrags an der Station GRB5 dagegen sei ein Ausbreitungsmodell erforderlich, das es derzeit nicht gebe. Das mit dem Gutachten der G. GmbH vorgelegte Ausbreitungsmodell sowie die lediglich über einen kurzen Zeitraum geführten Messungen im Nahbereich seien nicht tauglich, die von der beantragten WEA an der Station GRB5 verursachten Immissionen in ihrer konkreten Signalstärke zu prognostizieren. Auch die von der Klägerin zitierten „Wissenschaftler aus Leipzig“ hätten insoweit noch keinerlei, insbesondere keine zur G. GmbH „vergleichbaren“ Ergebnisse.
36
Die Argumentation der Klägerin, mit der sie der Tätigkeit der BGR den Rang eines öffentlichen Belangs im Sinn von § 35 Abs. 1 oder Abs. 3 BauGB abspreche, sei widersprüchlich. Die BGR sei eine Ressortforschungseinrichtung des Bundes (vgl. https://www.ressortforschung.de/de/home/index.htm); eine wissenschaftliche Basis ihrer Arbeiten zur Wahrnehmung ihrer Beratungsaufgaben sei damit zwingend erforderlich. Der Gegeneinwand, wonach sich die Wissenschaft vorliegend nicht auf die Auswertung aufgezeichneter Daten beschränken dürfe, sondern - hier - Erdbeben im Vorhinein erkennen können müsse, gehe fehl; Erdbeben seien nicht vorhersagbar.
37
Die Bedenken der Klägerin gegen die Unabhängigkeit des Bayerischen Erdbebendienstes und der BGR seien unberechtigt. Dr. W. sei kein Angehöriger der Beigeladenen. Der Erdbebendienst Bayern sei ein Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, das von der Sektion Geophysik des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität M. in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Landesamt für Umwelt betrieben werde. Die Firma D. ... betreibe vorwiegend im Auftrag der Industrie eigene Messnetze zur Beobachtung der Seismizität in Zusammenhang mit Ressourcenabbau. Die BGR sei eine unselbständige öffentlich-rechtliche Anstalt der Bundesrepublik Deutschland; sie sei daher nicht der Bergbau-, Öl- und Gasindustrie zuzuordnen. Falsch sei auch die Aussage der Klägerin, wonach die D. ... Berater der BGR sei. Die BGR habe eigene, tiefgreifende Expertise in der Beobachtung von Seismizität und sei auf Beratung durch private Firmen wie der D. nicht angewiesen.
38
Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b WEE 2016 sei das Ergebnis einer Einzelfallprüfung und einer Abwägung zwischen der Wertigkeit des GRF-Arrays mit den Interessen der Windenergie-Betreiber. Nicht anders habe das Verwaltungsgericht dies gesehen (UA S. 16) und damit auch die Aussage von Dr. W. (M 1 K 14.1682) berücksichtigt, demzufolge sich in Anbetracht des hohen wissenschaftlichen Wertes der Messungen aus dem GRF-Arrays zwar größere Radien anbieten würden, die Abwägung im Rahmen des WEE 2016 jedoch zu diesem Ergebnis gekommen sei.
39
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsverfahrensakten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2019 Bezug genommen. In dieser hat der Verwaltungsgerichtshof über die vorliegende Berufung und die vom selben erstinstanzlichen Gericht zugelassene Berufung derselben Klägerin in einem anderen Verfahren (22 BV 17.2452) verhandelt. Dieses Verfahren betrifft zwei WEA an zwei anderen Standorten, gegen die sich die BGR als dortige Beigeladene zu 1 wegen der Beeinträchtigung einer anderen seismologischen Messstation innerhalb des GRF-Arrays (GRC4) wandte. Über beide Berufungen hat der Senat mit Urteil jeweils vom 12. November 2019 entschieden.

Entscheidungsgründe

40
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
I.
41
Die Klage ist zulässig.
42
Rechtsschutzziel der Klägerin ist ausweislich ihres Klageantrags und ihres Vortrags nur die Aufhebung des Versagungsbescheids vom 18. August 2014, verbunden mit der Verpflichtung des Beklagten, über ihren Genehmigungsantrag neu zu entscheiden. Die Klägerin macht geltend, durch die auf § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gestützte Versagung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Einen Antrag dagegen, den Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung zu verpflichten, hat die Klägerin nicht gestellt. Dies stößt vorliegend nicht auf Bedenken, obwohl § 42 Abs. 1 VwGO als Regelfall vorsieht, dass die Versagung eines beantragten begünstigenden Verwaltungsakts mit der Versagungsgegenklage verfolgt wird, die auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts gerichtet ist. Vorliegend ist der lediglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Entscheidung nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs gerichtete Klageantrag deswegen statthaft, weil bei Klageerhebung wie auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof die Sache nicht im Sinn einer solchen weitergehenden Verpflichtung des Beklagten spruchreif gewesen ist und nicht spruchreif gemacht werden konnte, vielmehr ein sogenanntes „steckengebliebenes Genehmigungsverfahren“ vorlag.
II.
43
Die Klage ist unbegründet.
44
Bau und Betrieb der von der Klägerin geplanten Windenergieanlage (WEA) bedürfen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die WEA erweist sich indes in dem auch für Bescheidungsklagen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 113 Rn. 217, 218) als nicht genehmigungsfähig. Deshalb verletzt der Bescheid des Landratsamts Neumarkt i.d.OPf. vom 18. August 2014 die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass der Beklagte über den Genehmigungsantrag der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu entscheidet (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
45
1. Die Errichtung und der Betrieb der streitgegenständlichen 200 m hohen WEA sind genehmigungspflichtig gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV. Wann die Genehmigung erteilt oder versagt werden muss, richtet sich nach § 6 Abs. 1 BImSchG und nach weiteren die Genehmigungsvoraussetzungen regelnden Vorschriften.
46
Von diesen Genehmigungsvoraussetzungen bzw. -hindernissen streiten die Beteiligten vorliegend nur um die Frage, ob die geplante WEA deswegen nicht genehmigt werden kann, weil sich ihr Betrieb nachteilig auf den Betrieb der seismologischen Messstation GRB5 und/oder das sogenannte „Gräfenberg-Array“ (kurz: GRF-Array) auswirkt, zu dem die Station GRB5 als eine von 13 Messstationen gehört. Auch das Landratsamt hat die Versagung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung allein darauf gestützt, dass dem streitigen Vorhaben ein öffentlicher Belang entgegenstehe (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BauGB), weil der Betrieb der WEA die Funktion der Station GRB5 der Beigeladenen beeinträchtige. Klagebegehren ist demnach, dass der Verwaltungsgerichtshof die eigene Rechtsauffassung der Klägerin als Rechtsauffassung des Gerichts bestätigt und sie gegenüber dem Beklagten durch Verpflichtungsurteil durchsetzt (vgl. zu einer solchen Konstellation z.B. BVerwG, U.v. 3.12.1981 - 7 C 30/80, 7 C 31/80 - juris Rn. 13). Die Genehmigungsvoraussetzungen sind indes wegen der nachteiligen Auswirkungen des WEA-Betriebs auf den Betrieb der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays nicht erfüllt; das Landratsamt hat hierin im Ergebnis zu Recht einen Versagungsgrund gesehen.
47
2. Für die rechtliche Einordnung des nachteiligen Einflusses von WEA auf seismologische Messungen kommen - ausgehend von § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG - verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass unter anderem die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden; außerdem dürfen auch keine anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Wenn eine der unter § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und auch nicht durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden kann, so muss die Genehmigung versagt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV).
48
2.1. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung kann sich ein WEA-Vorhaben auf eine seismologische Messstation in technischer Hinsicht folgendermaßen auswirken:
49
Die Messgeräte einer seismologischen Station sind - ihrem Zweck (nämlich der möglichst weltweiten Erfassung von Erdbeben und z.B. durch Kernwaffentests ausgelösten Erschütterungen) entsprechend - hochempfindlich und in der Lage, Bodenbewegungen im Bereich von Nanometern (Millionstel Millimeter) aufzulösen (BGR vom 19.6.2014 an das Landratsamt, Nr. 1, Bl. 71 der Behördenakte). Diese Bodenbewegungen sind „Erschütterungen“ mit einer - nach dem menschlichen Empfinden und im Vergleich mit den meisten technischen Vorgängen - äußerst geringfügigen Stärke. Seismologische Messgeräte von der Art der Station GRB5 messen auch äußerst schwache Erschütterungen, deren Quelle Hunderte oder Tausende von Kilometern entfernt ist.
50
2.2. Nachteilige Auswirkungen des Betriebs der WEA hat die Beigeladene - BGR - nachvollziehbar und unbestritten folgendermaßen beschrieben: WEA erzeugen durch die Bewegung des Rotors Erschütterungssignale, die über den Turm und das Fundament in den Boden übertragen werden und sich von dort in alle Richtungen ausbreiten. Die Signale sind über einen breiten Frequenzbereich „verschmiert“, weil die Signaleinträge durch verschiedenartige und außerdem nicht ständig gleiche, sondern sich vielfach ändernde Bewegungen von Teilen der WEA hervorgerufen werden und Einflüssen auf dem Übertragungsweg von der WEA zur seismologischen Messstation unterliegen. Die Signale hängen nämlich zunächst ab von der Rotationsbewegung der Rotorblätter, vom Schwingungs- und Neigungsverhalten des Turms und von den Übertragungseigenschaften des Fundaments. Bei jedem Passieren eines Rotorblatts am Turm werden Signale angeregt (vgl. BGR vom 19.6.2014 ans Landratsamt, Nr. 3.7, Bl. 70 ff. der Behördenakte). Die einzelnen Parameter (z.B. Frequenz, Amplitude, Geschwindigkeit) dieser Signale, die sich als Wellen unterhalb des hörbaren Frequenzbereichs ausbreiten, sind deswegen so wandelbar, weil sie von zahlreichen, ihrerseits nicht konstanten Faktoren abhängen (Windstärke, Windrichtung, Stellung des Rotors und Neigung [Pitch] der Rotorblätter zum Wind). Die von einer WEA verursachten Erschütterungswellen werden mit zunehmender Entfernung von der WEA schwächer, lassen sich aber auch in einem Abstand von mehreren Kilometern (z.T. bis zu mehr als 10 km) noch nachweisen.
51
Diese Erschütterungen hindern das seismologische Messgerät nicht an seiner fehlerfreien Funktion als solcher; das Gerät misst trotz der Erschütterungen fehlerfrei. Allerdings misst es die von der WEA verursachten Signale ebenso wie solche sehr schwachen Signale, die - der Bestimmung der seismologischen Messstation gemäß - gerade entdeckt werden sollen (Erdbeben, Kernwaffentests). Der vom Betrieb der WEA verursachte Nachteil für die seismologische Messstation liegt darin, dass die „detektionswürdigen“ Signale (Erdbeben, Kernwaffen) von den störenden anderen Signalen (WEA-Erschütterungen) nicht oder nicht genau genug unterschieden werden können.
52
3. Der Bau und die Errichtung der streitigen WEA sind vorliegend nicht genehmigungsfähig, weil § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht erfüllt ist. Dem Vorhaben steht nämlich die öffentlich-rechtliche Anforderung entgegen, dass ein Vorhaben im Außenbereich, auch wenn es privilegiert ist, nur dann zugelassen werden darf, wenn ihm nicht ein öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB entgegensteht. Dies ist vorliegend aber der Fall.
53
3.1. Der Katalog der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange, die einem Vorhaben entgegenstehen können, ist nicht abschließend (wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt); neben den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgezählten Belangen gibt es auch sogenannte „unbenannte öffentliche Belange“ (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2003 - 4 C 3/02 - juris Rn. 31 m.w.N.).
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3.2. Die Funktionsfähigkeit der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays als System, zu dem die Station GRB5 gehört, ist ein solcher unbenannter öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB; unter „Funktionsfähigkeit“ versteht der Verwaltungsgerichtshof bei einer seismologischen Messstation der vorliegenden Art die Fähigkeit, gemäß dem oben unter 2.1 beschriebenen Zweck auch sehr schwache Signale ausreichend zu messen und von anderen Signalen zu unterscheiden.
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3.2.1. Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) ist - den Informationen in ihrem Internetauftritt und ihrem Vortrag im Gerichtsverfahren zufolge - die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Ihre Arbeit dient einer ökonomisch und ökologisch vertretbaren Nutzung und Sicherung natürlicher Ressourcen und somit der Daseinsvorsorge. Die BGR nimmt als nationaler geologischer Dienst zugleich zahlreiche internationale Aufgaben wahr. Im Inland hat sie überwiegend koordinierende Funktionen. Als Bundesoberbehörde ist die BGR Bestandteil der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur Deutschlands und übernimmt auch gesetzlich festgelegte Aufgaben. Auf Basis des Gründungserlasses gehören zum Tätigkeitsprofil der BGR u.a. die Aufgaben der rohstoffwirtschaftlichen und geowissenschaftlichen Beratung der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft, der internationalen geowissenschaftliche und technischen Zusammenarbeit sowie der geowissenschaftliche Forschung und Entwicklung. Das GRF-Array ist ein Netzwerk von dreizehn seismologischen Messstellen in der fränkischen Alb, das vom Seismologischen Zentralobservatorium, einem Referat der BGR, betrieben wird.
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Im Gerichtsverfahren hat die Beigeladene zu den Aufgaben der Station GRB5 und des GRF-Arrays in seiner Gesamtheit, nachvollziehbar und in der Sache auch seitens der Klägerin unwidersprochen, Weiteres dargelegt: Das GRF-Array wurde zwischen 1975 und 1980 als weltweit erstes digitales seismologisches Breitband-Array errichtet. Es liefert die zeitlich am weitesten zurückreichende digitale Breitbanddatenbasis in Deutschland. Alle seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen wurden und werden in diesen Messstationen aufgezeichnet. Die Messstation GRB5 und das GRF-Array bieten die Infrastruktur zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen und sind damit auch für die Landesverteidigung bedeutsam, insbesondere weil die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung nuklearer und chemischer Explosionen unterhält. Die seismologischen Messeinrichtungen sind - wenngleich Erdbeben sich nicht vorhersagen lassen - auch für die Vorwarnung vor Erdbeben für den Zivil- und Katastrophenschutz bedeutsam. Die Registrierung der Signale in unveränderter Qualität und Konfiguration sowie der Vergleich mit den bisher aufgezeichneten Daten sind auch im Hinblick auf das Kernwaffenteststoppabkommen von Bedeutung. Die Erkenntnisse aus den Messstationen dienen zur Beratung und Information der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwissenschaftlichen Fragen, der durch die Messstationen gewonnene Datenbestand wird auch für den internationalen seismologischen Austausch und für internationale Forschungsprojekte bereitgehalten. Speziell zu den Aufgaben der Station GRB5 im Zusammenhang mit dem Kernwaffenteststoppvertrag (BT-Drs. 13/10075 vom 9.3.1998 und Gesetz zum Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen sowie Ausführungsgesetz zum Nuklearversuchsverbotsvertrag) hat die Beigeladene dargelegt (Schriftsätze vom 19.6.2014, vom 18.12.2014 mit Anlage: Auswärt. Amt vom 21.3.1996 an die BGR, Schriftsatz vom 10.3.2015 ans Verwaltungsgericht), dass die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag unterzeichnet, ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt hat, und dass daher die BGR Aufbau und Betrieb der Mess-Infrastruktur zur Verifikation des Vertrags leistet, dass sie ausführende Behörde bei Überwachungsaufgaben im Rahmen des Kernwaffenteststoppabkommens ist und dass diese Aufgaben u.a. mit den Messstationen des GRF-Arrays wahrgenommen werden. Das GRF-Array ist hierbei ein sogenanntes nationales Verifikationsmittel, wie es die Vertragsstaaten kraft eigenen Entschlusses in Ergänzung zum international vereinbarten Stationssatz einsetzen dürfen; nationale Verifikationsmittel sind im CTBT-Vertrag definiert und dienen der Datenerhebung für Verifikationsaufgaben im Rahmen des CTBT.
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3.2.2. Die Klägerin hat erstinstanzlich (Az. RO 7 K 14.1558, Schriftsatz vom 24.11.2014) u.a. unter Hinweis auf die Vollzugsanordnung zum Baugesetzbuch und zur bayerischen Bauordnung vom 26. Juni 1987 (Abschnitt III Abs. 1 und 2), in der die BGR nicht als einer der im Baugenehmigungsverfahren zu hörender Träger öffentlicher Belange aufgeführt ist, bezweifelt, dass die BGR Träger eines öffentlichen Belangs sei. Indes ist es - anders als die Argumentation der Klägerin nahelegen will - für die Bejahung eines „öffentlichen Belangs“ nicht erforderlich, dass es hierfür überhaupt einen „Träger“, eine Institution oder eine Behörde (hier die BGR) gibt, die diesen Belang „trägt“. Dies folgt schon daraus, dass auch das Rücksichtnahmegebot als öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB anerkannt ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 11 m.w.N.), das sich, ohne einen „Träger“ zu haben, an jedermann wendet. Es kommt nicht darauf an, ob die BGR als einer der „Träger öffentlicher Belange“ im Genehmigungsverfahren hat beteiligt werden müssen.
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3.2.3. Der Bejahung eines öffentlichen Belangs steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber seismologischen Messstationen nicht wie etwa Radarstationen einen ausdrücklichen Schutzstatus zugestanden und Bauschutzbereiche oder Ähnliches festgelegt hat. Die lediglich beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung öffentlicher Belange in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB dient gerade dem sachgerechten Zweck, diese Vorschrift offen zu halten gegenüber künftigen, noch nicht absehbaren Entwicklungen, die einen öffentlichen Belang möglicherweise erst dann ins Licht rücken, wenn die Beeinträchtigung ein bislang hingenommenes Ausmaß übersteigen.
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Die geschilderten Aufgaben der BGR, die diese u.a. mittels des GRF-Arrays (deren Teil die Station GRB5 ist) wahrnimmt, reichen aus, um die unbeeinträchtigte bestimmungsgemäße Funktion des GRF-Arrays als unbenannten öffentlichen Belang im Sinn des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu bejahen. In der Rechtsprechung ist ohne weiteres die Funktionsfähigkeit von Erdbebenmessstationen als öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB angesehen worden (OVG NW, B.v.9.6.2017 - 8 B 1264/16 - juris Leitsatz Nr. 3; VG Aachen, U.v. 13.12.2017 - 6 K 2371.15 - juris Rn. 314). Ob dies für alle Erdbebenmessstationen gilt, kann dahinstehen. Der erkennende Senat hat jedenfalls - aus den geschilderten Gründen - keine Zweifel daran, dass die Funktionsfähigkeit der Station GRB5 als Teil des GRF-Arrays ein öffentlicher Belang im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist.
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3.3. Anhaltspunkte dafür, dass die Schutzwürdigkeit der seismologischen Messstation GRB5 als öffentlicher Belang deswegen gemindert sein könnte, weil sie baurechtlich nicht genehmigt sei, sieht der Verwaltungsgerichtshof nicht; die Klägerin hat diesen erstinstanzlich (vergeblich) erhobenen Einwand im Berufungsverfahren auch nicht weiterverfolgt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der im Zeitpunkt der Errichtung der Station GRB5 geltenden Rechtslage die Anlage künstlicher Hohlräume unter der Erdoberfläche mit einem Rauminhalt bis zu 50 cbm genehmigungsfrei war (Art. 83 Abs. 1 Nr. 22 BayBO i.d.F. vom 1.10.1974 - GVBl 1974, 513) und dass solche seismologische Messstationen, die in einem unterirdischen, ca. 3 m bis 5 m tiefen und ca. 2 m im Durchmesser messenden Schacht das eigentliche Messgerät (Seismometer) beherbergen, samt den wenigen oberirdischen Teilen der Anlage diese Voraussetzungen erfüllen dürften. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass für den Fall einer dennoch bestehenden baurechtlichen Genehmigungspflicht angesichts der beschriebenen Beschaffenheit der Messstation an der Genehmigungsfähigkeit der Station kein Zweifel besteht und eine eventuelle bloße formelle Baurechtswidrigkeit der Station das Gewicht des mit ihrem Betrieb verbundenen öffentlichen Interesses im nachbarlichen Verhältnis zum Außenbereichsvorhaben der Klägerin nicht entscheidend zu schwächen vermag (vgl. OVG Koblenz, U.v.13.1.2016 - 8 A 10535/15 - juris Rn. 115 zu einer Wetterradarstation).
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4. Vorliegend kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob die geplante WEA den Betrieb der seismologischen Messstation GRB5 durch Erschütterungen so beeinträchtigen wird, dass die Funktionsfähigkeit dieser Station und des GRF-Arrays nicht möglich ist, und ob - wenn diese erste Frage bejaht worden ist - bei wertender Abwägung zwischen dem öffentlichen Belang und dem privilegierten Vorhaben der öffentliche Belang sich durchzusetzen und die Beeinträchtigung abzuwehren vermag, also der Verwirklichung des privilegierten Vorhabens im Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“. Zur Beurteilung dieser Fragen bedarf es einer noch näheren Untersuchung und Beschreibung dieses Belangs.
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4.1. Hierbei nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar sind die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf das Verständnis der einschlägigen Begriffe bei der Störung des (benannten) öffentlichen Belangs der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage (Wetterradar oder Flugsicherungsradar) angestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 11 bis 13, Rn. 30 und 31, Rn. 44 ff.). Diese Einschränkung beruht darauf, dass im dortigen Fall (Radaranlage) der öffentliche Belang als ungestörte „Funktionsfähigkeit“ von Radaranlagen umschrieben war (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) und das Bundesverwaltungsgericht für die Antwort auf die Frage, wann eine Störung in diesem Sinn vorliegt, auf die Rechtsprechung zu § 18a Abs. 1 LuftVG zurückgegriffen hat, die es - auch wegen des Wortlauts der Vorschrift (Störung der „Funktionsfähigkeit der Radaranlage“) - auf den benannten öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB für übertragbar gehalten hat (BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 11 bis 13). Der unbenannte öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit
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Von der Störung der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage unterscheidet sich die Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstationen im GRF-Array ist nicht im Gesetz umschrieben und es gibt - anders als im Fall von Wetterradaranlagen - nicht eine zweite gesetzliche geregelte Fallgruppe (nämlich die in § 18a Abs. 1 LuftVG tatbestandlich vorausgesetzte Störung von Flugsicherungseinrichtungen), zu der anhand der gesetzlichen Regelungen, der Gesetzesmaterialien und der bereits ergangenen Rechtsprechung Parallelen gezogen oder Unterschiede herausgearbeitet werden können.
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Jedenfalls aber ist der Zweck seismologischer Messstationen wie derjenigen im GRF-Array so beschaffen, dass - anders als bei einer Wetterradarstation - nicht zwischen den „reinen Basisdaten“ und mehreren nachfolgenden Schritten in einem vergleichsweise aufwendigen Prozess (nämlich der Verwertung dieser Daten und sodann der Gewinnung von „Warnprodukten“ als Endprodukt der Wetterradarbeobachtung) zu unterscheiden ist: Der sich drehende Rotor einer WEA kann die vom Wetterradar zu erkennenden, auf bestimmte „warnwürdige“ Wetterereignisse hinweisende Signale (dies sind die z.B. von Hagelkörnern zurückgeworfenen „Echos“ eines ausgesandten Radarstrahls) grundsätzlich nur in einem kleinen unteren Bereich eines Winkelsegments unbrauchbar machen, auch wenn das Ausmaß dieser Störung im Detail abhängt von der Entfernung und der höhenmäßigen Lage der WEA zu einer Wetterradarstation. Betroffen sind nämlich die vom Wetterradar zu erkennenden Echos (1.) nur in einer bestimmten Himmelsrichtung, (2.) nur in einem sehr schmalen Kreiswinkelbereich von ca. 1°, (3.) auch der Höhe nach (d.h. von der „waagrechten“, horizontnahen bis zur steil nach oben gerichteten Abtastung) nur in einem kleinen Bereich, und (4.) ist die Detektion von Echos, die „warnwürdige“ Ereignisse anzeigen, nur in solchen Wetterlagen relevant, zu denen überhaupt eine „unwetterträchtige“ Witterung herrscht. Ob diese echoverfälschende oder echovernichtende Wirkung des Rotors eintritt, hängt überdies stark von der Stellung des Rotors zum Wetterradarstrahl ab (ein parallel zum Radarstrahl stehender Rotor wirkt sich wenig aus). Der geringe Bereich, in dem Echos gestört werden, erlaubt es außerdem, wennauch nur eingeschränkt, das „warnwürdige“ Wetterereignis anhand derjenige Signale zu entdecken, die der Radarstrahl ausgelöst hat, bevor und nachdem er den schmalen von der WEA gestörten Kreiswinkelbereich passiert hat.
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Diejenigen Erschütterungssignale dagegen, zu deren Erkennung und Speicherung die Station GRB5 und die übrigen seismologischen Messstationen des GRF-Arrays in der Lage sind (Erschütterungen durch Erdbeben und Kernwaffentests), sind gewissermaßen bereits selbst das „Endprodukt“, zu dessen Gewinnung die Messstationen im GRF-Array eingesetzt werden; es geht mithin um die Aufzeichnung kleinster Erschütterungen, um ihre Qualifizierung als erdbeben- oder explosionsbedingte (insbesondere durch Kernwaffentests) Erschütterung und ihre Archivierung sowie ihre Analyse im Vergleich mit bereits vorhandenen, in den vergangenen ca. 40 Jahren am selben Ort (GRF-Array) gesammelten Daten. So hat die Bevollmächtigte der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2019 ausgeführt, bei der Erfassung und Speicherung der Signale aus Atomtests gehe es auch darum, Vergleiche mit dem Datenbestand aus den 70er Jahren anzustellen und zu beurteilen, wie sich derartige Atomtests und deren Häufigkeit entwickelt hätten (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 5). Es geht dagegen nicht darum, aus den gemessenen seismologischen Wellen erst mittels weiterer Verarbeitungsschritte „Warnprodukte“ herzustellen. Da die (möglichst) lückenlose Erkennung auch sehr schwacher von Erdbeben oder Kernwaffentests herrührender Erschütterungssignale unmittelbar zur Aufgabenerfüllung des GRF-Arrays und der im Verbund dieses Arrays zusammenwirkenden seismologischen Messstationen gehört, ist demnach beim „Verlust“ eines - nicht nur marginalen - Teils dieser Signale auch diejenige Voraussetzung erfüllt, die das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung einer Störung des (benannten) öffentlichen Belangs der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB) angewandt hat: Eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit - analog hierzu im vorliegenden Fall eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays - setzt voraus, dass sich die Beeinträchtigung auf die Aufgabenerfüllung des Betreibers auswirkt (BVerwG, U.v. 22.09.2016 - 4 C 6.15 - Leitsatz 1). Dies ist hier der Fall. Die Messstationen des GRF-Arrays dienen der Schilderung der Beigeladenen zufolge auch nicht nur der „Warnung“ vor Erdbeben (die sich - im Vergleich mit Wetterereignissen - ohnehin nicht vorhersagen lassen), sondern auch der Erkennung von Erschütterungen „menschlichen Ursprungs“ (Kernwaffentests) sowie dem Zweck, aus den Datenbeständen analytische Folgerungen und Entscheidungshilfen u.a. für politische Entscheidungen gewinnen zu können.
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Die Funktionsweise der seismologischen Messstation GRB5 und des Verbunds GRF-Array hat die Beigeladene im Einzelnen wie folgt beschrieben (im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12.1.2015, S. 7 bis 9): Ein Breitband-Seismometer, wie es an der Station GRB5 eingesetzt wird, zählt wegen des (für die Erfassung von Signalen in einem breiten Frequenzbereich) nötigen technischen Aufwandes zu den teuersten seismologischen Aufnehmern. Die Konstruktion moderner Seismometer erlaubt die Registrierung kleinster Bodenbewegungen von einigen Nanometern, also im Bereich von millionstel Millimetern. Unter anderem kann aus den gemessenen Amplituden und der Entfernung zum Erdbebenherd die Stärke des Erdbebens ermittelt werden. Die gemessenen Bodenbewegungen werden kontinuierlich aufgezeichnet und digital gespeichert. Eine permanente Übertragung der aufgezeichneten Datenströme von einem ganzen Netz von Stationen zu einem Datenzentrum ist nötig, um eine zuverlässige und zeitnahe Überwachung der Erdbebenaktivität zu gewährleisten. Die Array-Funktionalität ist auf das Zusammenwirken aller Array-Elemente ausgelegt. Für das Array sowie für die Einzelstation gilt, dass seismologische Ereignisse mit kleinen Amplituden in einem höheren Rauschniveau nicht mehr gemessen werden können. Diese Messergebnisse gehen verloren und können nicht mehr mit bereits vorliegenden Beobachtungen verglichen werden. Da die Häufigkeit von Erdbeben mit sinkender Magnitude exponentiell ansteigt, betrifft das einen Großteil der messbaren seismologischen Ereignisse. Die sichere Erkennung gerade von schwachen Ereignissen ist schwierig und wird durch zusätzliche Störungen noch weiter erschwert. Außerdem ist im Rahmen der Tätigkeit der BGR auch die Aussage, dass kein Ereignis einer bestimmten Magnitude stattgefunden hat, von Relevanz. Diese Aussage wäre für kleinere Magnituden nicht mehr möglich. Weltweit gibt es pro Jahr weit über 10.000 Ereignisse der Magnitude 4. Die Messstationen des GRF-Arrays besitzen eine hohe Detektionsfähigkeit, d.h. Empfindlichkeit gerade gegenüber fernen oder kleinen Ereignissen. Die 13 Seismometer sind in L-Form als eine Art seismologische Antenne angeordnet. Die Standorte der Messeinrichtungen sind sorgfältig gewählt, abseits von größeren Wohn- und Industrieanlagen und häufig frequentierten Verkehrswegen. Die 13 Stationen des GRF-Arrays können zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet werden (Array-Funktionalität). Daraus ergeben sich Informationen über die Einfallsrichtung entfernter Signale. Zusätzlich wird für solche Signale auf der Summenspur das Signal/-Stör-Verhältnis gegenüber den Registrierungen der Einzelspuren verbessert. Störungen auf Einzelspuren übertragen sich auch auf die Summenspur. Die von der Station GRB5 zu detektierenden Signale (aus Erschütterungen durch Erdbeben und Kernwaffentests) können zu jeder beliebigen Sekunde eines jeden Tages aus jeder beliebigen Himmelsrichtung die Station GRB5 erreichen und sollen dann von dieser Station wahrgenommen und aufgezeichnet werden können. Derartige Erschütterungen können ihre Quelle relativ nahe (wenige Hundert Kilometer) oder in einer Entfernung von Tausenden von Kilometern haben; ihr Auftreten ist - anders als die von Wetterradaren zu detektierenden Echos von Regentropfen, Hagelkörnern oder Schneekristallen - nicht von Jahreszeiten, Temperaturen oder Großwetterlagen abhängig. Der nachteilige Einfluss, den der Betrieb einer WEA auf die Erkennung solcher geringer Erschütterungen infolge der von der WEA selbst erzeugten Erschütterungen hat, ist - wiederum anders als bei einem Wetterradar - nicht begrenzt auf einen bestimmten räumlichen Bereich (wie das von der WEA beeinträchtigte schmale Kreissegment eines sich um 360 Grad drehenden Radars), sondern betrifft den gesamten 360 Grad umfassenden Detektionsbereich des seismologischen Messstation, da die von der WEA verursachten Erschütterungen sich in alle Richtungen und außerdem auch über die Entfernung jenseits der seismologischen Messstation hinaus ausbreiten. Eine relevante Störung der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung tritt (insoweit ist die Situation gleich derjenigen bei einem Wetterradar) selbst dann ein, wenn sich der Rotor der WEA gar nicht dreht. Denn - wie oben ausgeführt - ist für die bestimmungsgemäße Aufgabenerfüllung der Messstationen im GRF-Array auch die Aussage von Bedeutung, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums kein detektionswürdiges Ereignis (Erdbeben, Kernwaffentest) gegeben hat. Eine solche Aussage ist aber dann nicht mehr zuverlässig möglich, wenn am Ort der seismologischen Messung unbekannt ist, ob innerhalb eines bestimmten Zeitraums die WEA überhaupt in Betrieb gewesen ist, so dass nicht entschieden werden kann, ob das Nichterkennen eines „detektionswürdigen“ Erschütterungssignals darauf zurückzuführen ist, dass es kein entsprechendes Ereignis (Erdbeben, Kernwaffentest) nicht gegeben hat, oder nur darauf, dass das Erschütterungssignal in dem durch den Betrieb der WEA verstärkten Hintergrundrauschen „untergegangen“ ist.
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4.2. Ob der unbenannte öffentliche Belang der bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Station GRB5 und des GRF-Arrays als Verbund durch den Betrieb der WEA beeinträchtigt wird, ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht insoweit der BGR weder bezüglich der Frage zu, ob überhaupt eine Beeinträchtigung vorliegt, noch in Bezug auf das „Entgegenstehen“ dieser Beeinträchtigung. Dies haben der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Beeinträchtigung eines vom Deutschen Wetterdienst (dem damaligen Beigeladenen) betriebenen Wetterradars entschieden und die Ablehnung einer solchen Einschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnis ausführlich mit den gesetzlichen Regelungen, welche die Aufgabenerfüllung des Deutschen Wetterdienstes betreffen, und dem Anwendungsbereich (und gerade auch der Anwendungsgrenzen) des Rechtsinstituts eines Beurteilungsspielraums, einer Einschätzungsprärogative oder eine Letztentscheidungsbefugnis begründet (vgl. BayVGH, U.v. 18.9.2015 - 22 B 14.1263 - juris Rn. 46 ff.; BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 15 bis 29). Rechtsvorschriften, die der BGR in Bezug auf die ihrer Aufgabenerfüllung dienenden seismologischen Messstationen im GRF-Array eine gewichtigere Position einräumen oder Ausdruck einer vom Gesetzgeber zuerkannten höheren Kompetenz sind, als sie der Deutsche Wetterdienst in Bezug auf seine Wetterradarstationen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Auch andere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, anhand derer die Rechtsprechung eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontrollbefugnis trotz des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Kauf nimmt und einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum, einer Einschätzungsprärogative oder eine Letztentscheidungsbefugnis anerkennt, sind vorliegend nicht festzustellen.
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Dies gilt vorliegend insbesondere, soweit an eine wegen wissenschaftlicher Erkenntnisdefizite bestehende Einschätzungsprärogative (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 27 bis 29) gedacht werden könnte, die allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen ohnehin nur sehr zurückhaltend angenommen werden darf (vgl. BVerfG, B.v. 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13 - juris). Die im vorliegenden Fall bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisdefizite betreffen - wie weiter unten noch dargelegt wird - die Frage, in welchem genauen Ausmaß eine erst noch zu errichtende WEA wahrscheinlich Erschütterungen über eine größere Entfernung hinweg (z.B. bis zu einer mehrere Kilometer entfernte seismologischen Messstation) verursachen wird und ob und wie diese Erschütterungen vermindert werden können. Die Erkenntnis dagegen, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Entfernung voraussichtlich Erschütterungen in einem für den bestimmungsgemäßen Betrieb der seismologischen Station beeinträchtigenden Ausmaß auftreten werden, beruht auf gerichtlich nachprüfbaren wissenschaftlich gesicherten Erfahrungswerten - nicht einem „wissenschaftlichen Patt“, das möglicherweise die Gerichte zur Einräumung einer Einschätzungsprärogative nötigt.
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4.3. Der vorliegend in Rede stehende öffentliche Belang besteht nach der Überzeugung, die der Verwaltungsgerichtshof aus dem Inhalt der Akten und dem Vortrag der Beteiligten gewonnen hat, darin, dass durch das GRF-Array mit jeder einzelnen seiner 13 Messstationen möglichst lückenlos in zeitlicher wie räumlicher Hinsicht Erschütterungen, die z.B. durch Erdbebenereignisse oder durch Kernwaffentests oder Kernwaffentests ausgelöst werden, registriert werden, dass durch Analyse des Erschütterungssignals auf die vermutliche Herkunft und Ursache des Signals geschlossen wird, und dass die so gewonnenen Daten auch als „Wissensschatz“ archiviert und für die Weiterentwicklung der Wissenschaft und für die Beurteilung später eintretender ähnlicher Fälle vergleichend herangezogen werden können. Dabei kommt es gerade auch auf die Erkennung und zutreffende Beurteilung sehr schwacher Signale an, die von weit entfernten Quellen herrühren; gerade zu diesem Zweck sind die technisch aufwendigen, hochempfindlichen Breitband-Messgeräte im GRF-Array entwickelt und eingerichtet worden. Es kommt außerdem darauf an, dass jede einzelne der 13 Messstationen im GRF-Array ihren Beitrag leistet und möglichst ungestört Signale gewinnen kann. Denn die Anordnung der 13 Messstationen auf der Fränkischen Alb in einem bestimmten Abstand und einer bestimmten Form (Anordnung in Form eines „L“ als eine Art seismologischer Antenne, vgl. Schriftsatz der Beigeladenen vom 12.1.2016 S. 9 vor Nr. 5.2) bezweckt nicht nur, Erschütterungssignale überhaupt zu erkennen. Vielmehr können die Stationen des GRF-Arrays zu einem Gesamtsystem zusammengeschaltet werden und ermöglichen dann, Informationen über die Einfallsrichtung entfernter Signale zu erlangen; zusätzlich wird für solche Signale auf der Summenspur das Signal-/Stör-Verhältnis gegenüber den Registrierungen der Einzelspuren verbessert (Schriftsatz der Beigeladenen vom 12.1.2016 S. 9 Nr. 5.2). Zum Weiteren kommt es darauf an, dass die gewonnenen Daten unter solchen örtlichen Rahmenbedingungen erlangt werden, die über lange Zeiträume möglichst unverändert bleiben; nur auf diese Weise lassen sich aus Vergleichen mit den früheren, seit den Anfängen des GRF-Arrays in den 1970er Jahren gewonnenen Erkenntnissen ausreichend brauchbare weitere Erkenntnisse gewinnen. Zusammengefasst bedeutet dies: Das öffentliche Interesse des Bundes, das sich in dem durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe betriebenen Messsystem des GRF-Arrays manifestiert, geht dahin, gerade durch dieses aus 13 einzelnen Messstationen bestehende Verbundsystem Überwachungsaufgaben in großer Genauigkeit und Beständigkeit wahrzunehmen. Zwar bietet - wie der Verwaltungsgerichtshof den Ausführungen der Beigeladenen entnimmt (Schriftsatz vom 12.1.2015) - das Zusammenwirken aller Stationen innerhalb des GRF-Arrays auch eine gewisse Redundanz der von den einzelnen Stationen geleisteten Beiträge. Diese kann aber - wie oben unter 4.1 ausgeführt - mittlerweile die bei einer einzelnen Station eintretenden Beeinträchtigungen praktisch nicht mehr auffangen, weil schon alle Stationen des GRF-Arrays Beeinträchtigungen durch WEA-Signale - mehr oder weniger stark - aufweisen. Hinzu kommt, dass auch die Messungen an einer einzelnen Station für sich genommen von Nutzen sind, wie Dr. S… für die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung dargestellt hat (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 8, 9).
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5. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die geplante WEA bei D… im Betrieb Erschütterungen auslösen wird, die von der Messstation GRB5 aufgezeichnet werden, nicht von den bestimmungsgemäß zu erfassenden (von Erdbeben, Nukleartest usw. ausgelösten) Wellen unterschieden werden können und daher die bestimmungsgemäße Aufgabenerfüllung der Messstation GRB5 und des GRF-Arrays beeinträchtigen.
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5.1. Diese Einschätzung beruht darauf, dass die streitige WEA in einer geringeren als der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten Entfernung zur Station GRB5 (5 km) errichtet werden soll. Die Annahmen in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 sind zwar einer abweichenden Beurteilung im konkreten Einzelfall, bei der die technischen Einzelheiten einer geplanten WEA und die Verhältnisse am Standort betrachtet werden, zugänglich. Die Einzelfallbetrachtung führt im vorliegenden Fall aber nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
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5.1.1. Die Einschätzung, dass - jedenfalls im Hinblick auf das GRF-Array - die Aussagen in Nr. 7.3.4 BayWEE 2016 auf besonderem Sachverstand und besonderen Erfahrungswerten beruhen, hat ein Fachkundiger, nämlich der vorliegend erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht und sodann im Berufungsverfahren vom Verwaltungsgerichtshof als Sachverständiger herangezogene Prof. Dr. W. in seinen schriftlichen Gutachten (vom 2.10.2019 und 29.10.2019) sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 31. Oktober 2019 ausgeführt. Er hat in seinem schriftlichen Gutachten (vom 2.10.2019) zunächst dargelegt, dass es außerordentlich schwierig ist, die von einer erst noch zu bauenden WEA voraussichtlich verursachten Erschütterungen zu prognostizieren; dies liege am Ausbreitungsverhalten der bei seismologischen Messstationen interessierenden Erschütterungen und der weitgehenden Unkenntnis über die Beschaffenheit des Ausbreitungsmediums auf der Strecke zwischen der WEA und einer seismologischen Messstation, nämlich des Erdbodens in Tiefen von mehreren Hundert bis etwa 1.000 Metern. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, man könne heute und in naher Zukunft die Bodenerschütterungen einer WEA oder mehrerer WEAs in mehreren Kilometern Entfernung modellhaft bestenfalls in Größenordnungen abschätzen, sofern man keine empirischen Beobachtungen vor Ort zur Verfügung habe. Gleichzeitig liege mittlerweile eine Reihe von Erfahrungswerten aus seismologischen Messungen vor, die die Vorgaben des BayWEE 2016 stützten. Die Einschätzung des GRF-Arrays der BGR als höher schutzbedürftig als die Breitbandstationen des Bayerischen Erdbebendienstes sei richtig, wenn man bedenke, dass ein Array, was die gleichzeitige Nutzung aller Stationen für Detektions- und Identifikationszwecke erlaube, nur dann funktioniere, wenn alle oder wenigstens die meisten Stationen ein gutes Signal/Stör-Verhältnis aufwiesen. An denjenigen BGR-Stationen, in deren Nähe es schon WEA gebe, könne anhand von Messungen der von diesen WEA schon verursachten Auswirkungen unter Umständen gezeigt werden, ob eine weitere WEA gravierend negative Auswirkungen haben würde, wenn sie in 5 km oder geringerer Entfernung installiert werde; es wäre also vertretbar, für diese Stationen die 3 km Entfernung beizubehalten, aber die Option für 3 bis 5 km einem Nachweis zu überlassen. Bei den Stationen dagegen, die keiner (schon bestehenden) vergleichbaren WEA näher als 5 km ausgesetzt seien (darunter zählt die vorliegend streitige WEA bei D… in Bezug auf die Station GRB5) sollte die im BayWEE 2016 genannte Entfernung von 5 km eigehalten werden (vgl. W., Gutachten vom 2.10.2019, S. 6 zu Frage 2.2). In der mündlichen Verhandlung hat Prof. Dr. W. auf die Fragen des Klägerbevollmächtigten nach der wissenschaftlichen Rechtfertigung der im BayWEE 2016 angegebenen pauschalierenden 3 km bzw. 5 km-Abstände und danach, ob man nicht zwingend immer den jeweiligen Einzelfall prüfen müsse, ausgeführt: Durch die Arbeiten der BGR sei durch lange Datenseiten nachgewiesen, dass bei einem Abstand von 5 km im Prinzip das stets vorhandene Hintergrundrauschen (bestehend aus in der Natur vorhandenen Signalanteilen - etwa verursacht durch Bewegung der Vegetation im Wind oder den Wellenschlag der Ozeane -, die neben dem gewünschten Nutzsignal durch das Messinstrument aufgezeichnet werden) erreicht werde. Dies sei ein experimenteller Nachweis aus vorhandenen Daten. Seiner Ansicht nach sei deshalb der 5 km-Radius absolut zu rechtfertigen, aus wissenschaftlicher Sicht sei er jedenfalls für die Verhältnisse in dieser Region bewiesen. Dahinter stehe die Annahme, dass die geologischen Verhältnisse jedenfalls in der Region annähernd vergleichbar seien. Ein 5 km-Abstand sei daher ein typischer Wert, bei dem das Störsignal auf das Rauschniveau absinke. Dies gelte jedenfalls bei höheren Frequenzen; es stimme dagegen nicht so bei 1 Hertz. In diesem Frequenzbereich gebe es vielmehr immer noch Störungen. Diese würden allerdings durch eine Abstandsvorgabe von 5 km in Kauf genommen; einen Nachteil für die seismologische Messstation gebe es auch bei einem Abstand zur WEA von 5 km. Ein Abweichen von den 5 km sei seiner Meinung nach erst dann kein Problem, wenn Nachweise für entsprechend geringere Energieeinträge geführt werden könnten (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.10.2019, S. .7 und 8).
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5.1.2. Die in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 enthaltenen fachlichen Aussagen können also als antizipiertes Sachverständigengutachten dahingehend verstanden werden, dass bei einer Unterschreitung des dort genannten Abstands zwischen WEA und seismologischer Messstation (5 km) im Regelfall die seismologische Messstation und das GRF-Array einen nicht unerheblichen Teil der zu erkennenden „Nutzssignale“ (Erdbeben- und Atomtest-Wellen) nicht detektieren können. Dies hat in rechtlicher Hinsicht. zur Folge, dass der geplanten WEA der ungeschriebene öffentliche Belang (§ 35 Abs. 3 BauGB) der bestimmungsgemäßen Funktion einer der in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten seismologischen Messstationen im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB entgegensteht und damit eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu beachtende, aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften sich ergebende Genehmigungsvoraussetzung nicht erfüllt ist. Einen Gegenbeweis hat die Klägerin als Genehmigungsantragstellerin, etwa im Weg einer fachgerechten Prognose, dass trotz der Unterschreitung des in Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 genannten Abstands der Betrieb der Messstation und des GRF-Arrays als Gesamtheit nicht beeinträchtigt ist, nicht erbracht und konnte ihn auch mangels einer anerkannten Berechnungsmethode im Ergebnis nicht erbringen.
74
5.2. Die antizipierte sachverständige Einschätzung, dass die Station GRB5 von WEA, die im Abstand von weniger als 5 km betrieben wird, in ihrer bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigt wird, wird durch die von der Klägerin vorgelegten sachverständigen Stellungnahmen nicht widerlegt.
75
Zur Widerlegung der genannten sachverständigen Einschätzung aus Nr. 7.3.4 Satz 4 Buchst. b BayWEE 2016 hat die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren den Bericht „Aufstellung einer Windenergieanlage in der Gemeinde D…, Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz - Untersuchungen zur Schwingungsausbreitung“ der G. GmbH vom 24. September 2015 vorgelegt. In diesem Bericht werden Schlussfolgerungen gezogen aus Messergebnissen, die an einer der geplanten WEA baugleichen Anlage am Standort W. (REpower-Anlage WEA 4) gewonnen wurden; eingeflossen sind in die fachliche Einschätzung auch das Schwingungsverhalten der Gründung einer WEA, Störquellen in der Umgebung der Messstation, die - allerdings nicht vollständig bekannten - Baugrundverhältnisse am Standort der untersuchten WEA und am geplanten WEA-Standort. Die Schlussfolgerungen lauten, dass aus dem Betrieb der streitgegenständlichen WEA „im Mittel nur geringe Auswirkungen auf die in einer Entfernung von 3,3 km vorhandenen Messstation GRB5 zu erwarten“ seien; „nur unter Volllast und somit bei Windgeschwindigkeiten größer 11 m/s könn[t]en sich die maximalen Schwingungsamplituden mit dem Faktor 2-4 (PSD-Amplituden) aus dem allgemeinen Rauschpegel an der Messstation GRB5 herausheben“ und „unter Berücksichtigung einer steiferen Fundamentierung, z.B. durch eine Pfahlgründung“ würden die Fundamentschwingungen der WEA deutlich reduziert. Es werde daher empfohlen, die Gründung genau zu dimensionieren, auch in Hinblick auf die in den Untergrund eingeleiteten dynamischen Kräfte mit dem Ziel einer möglichst geringen resultierenden Schwingungsemission (vgl. G. GmbH vom 24.9.2015, Nr. 9 auf S. 46 = Bl. 167 der VG-Akte).
76
Der vom Verwaltungsgericht beauftragte gerichtliche Gutachter Prof. Dr. W. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 5. August 2016 in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die von den Gutachtern der Klägerin (G. GmbH) vorgenommene Messung an der baugleichen WEA W. nach Art und Weise und/oder den eingesetzten Messinstrumenten nicht geeignet sei, die von der streitgegenständlichen Windkraftanlage voraussichtlich ausgelösten Schwingungen im für die seismologischen Messstationen relevanten Bereich abzuschätzen. Die Methodik der G. GmbH, die Schwingungen modellhaft im Nahfeld der Windkraftanlage zu erfassen, sei mit den sie validierenden Messungen prinzipiell akzeptabel, erfordere aber eine Fehleranalyse, die nicht geleistet worden sei. Unabhängig davon könne dieser modellierte Eintrag in die Erde nicht ohne Kenntnisse der elastischen Struktur und der Dämpfungseigenschaften auf dem Ausbreitungsweg von der Windkraftanlage in 3 oder 4 km Entfernung prognostiziert werden. Die erforderlichen Kenntnisse müssten einen Tiefenbereich von ca. 2 km einbeziehen.
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Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Klägerin und ihre Gutachter (G. GmbH) in zwei Stellungnahmen Kritik an den Aussagen von Prof. Dr. W. geäußert. Den Stellungnahmen der G. GmbH selbst entnimmt der Verwaltungsgerichtshof, dass trotz der vorgenommenen Untersuchungen an der WEA W. und der hieraus für die streitgegenständliche WEA gezogenen Schlussfolgerungen selbst aus Sicht der G. GmbH noch Zweifel (die mit vertretbarem Aufwand nicht ausgeräumt werden können) daran bestehen, dass die geplante WEA die Station GRB5 nicht entscheidungserheblich in ihrer bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigen werde. So hat G. GmbH in ihrer ersten auf das Gutachten von Prof. Dr. W. (vom 5.8.2016) folgenden Stellungnahme (vom 29.9.2016, VG-Akte Bl. 515) eingeräumt, dass es für die Messungen im Fernbereich sinnvoll sei, die Modellparameter mit einer „Sensitivitätsanalyse“ abzuschätzen (VG-Akte Bl. 518). Die von Prof. Dr. W. empfohlene „Sensitivitätsanalyse“ hat G. GmbH dann begonnen und in der zweiten Stellungnahme (vom 25.10.2016) der sie beauftragenden Klägerin erste Ergebnisse berichtet. Am Ende dieses Berichts resümiert die G. GmbH, „endgültigen Aufschluss über die Dämpfungs- und Ausbreitungseigenschaften des Untergrundes könnten messtechnische Untersuchungen vor Ort bringen. So könnten mittels einer künstlichen Anregungsquelle (Schwingererreger oder großes Fallgewicht) am geplanten Standort D… hohe dynamische Kräfte in den Untergrund eingeprägt und die resultierenden Bodenschwingungen auch bis Entfernungen von ca. 1-2 km, je nach Art und Stärke der Anregung, messtechnisch ermittelt werden. Anhand der Messergebnisse seien die Dämpfungsparameter (geometrische Dämpfung und Materialdämpfung) dann direkt bestimmbar“. Dies bedeutet nichts anderes, als dass - unabhängig davon, ob diese (weitere) Beurteilung der G. GmbH mit ihrem restlichen Inhalt fachlich zweifelsfrei ist - das genaue Ausmaß der (nach den bisherigen Erfahrungen mit dem 5 km-Radius anzunehmenden) Beeinträchtigung der Messstation GRB5 durch die geplante WEA derzeit unbekannt ist und dass es sehr aufwendiger Untersuchungen mit ungewissem Ausgang bedürfte, um dieses Ausmaß exakter prognostizieren zu können.
78
Im Berufungsverfahren ist der vom Verwaltungsgerichtshof beauftragte gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. zudem in nachvollziehbarer Art und Weise schriftlich (Stellungnahme W… vom 2.10.2019) auf diejenigen Fragen eingegangen, die seitens der Klägerin und ihrer Gutachter (G. GmbH) erstinstanzlich ergänzend gestellt, vom Verwaltungsgericht aber nicht als entscheidungserheblich angesehen worden waren. Er hat (W. vom 2.10.2019) zwar diejenigen Zweifel an der Leistung der Messtechnik der G. GmbH fallengelassen, die er in seinem erstinstanzlichen Gutachten formuliert hatte (die G. GmbH hatte ihre Messtechnik in der ergänzenden Stellungnahme vom 29.9.2016 näher erklärt). Zugleich hat Prof. Dr. W. aber weiterhin das Verfahren der G. GmbH zur Abschätzung der Abminderung der Signale in Entfernungen von mehreren Kilometern für wissenschaftlich nicht haltbar angesehen, wenn - wie dies bei der WEA bei D… der Fall ist - die Rechnungen nicht mit Messungen validiert werden können; daran - so Prof. Dr. W. ausdrücklich - änderten auch die Nachlieferungen der G. GmbH (29.9.“2017“ [gemeint ist 29.9.2016] und 25.10.2016) nichts. In der Umgebung des geplanten Standorts in D… gebe es zwar 2 WEA; es handele sich dabei aber nur um eine Kleinwindkraftanlage bzw. nur 85 m hohe WEA, deren Wirkung auf die Station GRB5 im Verhältnis zur streitigen ca. 200 m hohen WEA kein Gewicht zukomme; die Klägerin habe auch - anders als im Parallelverfahren 22 BV 17.2452 - nicht versucht, im Fall D… Folgerungen aus den bekannten Einflüssen der bestehenden „kleinen“ WEA auf die voraussichtliche Auswirkung der geplanten „großen“ WEA zu ziehen. Kernaussagen des Gutachters in Bezug auf die streitige WEA bei D… sind hierbei: Die Wellenausbreitung im komplexen geologischen Untergrund, in dem Frequenzbereich um den es hier geht, können Seismologen nicht mit einfachen numerischen Simulationen quantitativ erfassen, insbesondere deshalb, weil man die nötigen Modellparameter in der Regel nicht kennt. Simulationen ohne Validierung durch Beobachtungen sind wenig aussagekräftig (W. vom 2.10.2019 S. 2 Abschnitt 3), aus Nahfeldmessungen kann die Dämpfung (gemeint ist die durch die Bodenbeschaffenheit bewirkte Dämpfung der von der WEA erzeugten störenden Welle, die sich über mehrere Kilometer zur seismologischen Messstation fortsetzt) nicht ermittelt werden (W. vom 2.10.2019 S. 2 Abschnitt 4 am Ende). Mit „Nahbereich“ ist hierbei ein Radius von weniger als 600 m um die WEA gemeint (vgl. W. vom 2.10.2019 S. 2 letzter Abschnitt). Es gibt bislang keine wissenschaftlich anerkannte Methode, die die Auswirkung einer WEA in größerer Entfernung auch nur halbwegs zuverlässig simuliert, ohne gleichzeitig solche Simulationen durch Beobachtungen zu validieren (W. vom 2.10.2019 S. 4 Abschnitt 3). Für den vorliegenden Fall und die Untersuchungen der G. GmbH bedeutet dies, dass man nicht weiß, ob die im Boden vorhandenen Schichtverhältnisse, wie sie am Standort der WEA teils angenommen, teils mit Messungen bestimmt worden sind, über mehrere Kilometer die gleichen sind. Es ist laut dem gerichtlichen Sachverständigen aber erforderlich, diese Schichtverhältnisse auf dem mehrere Kilometer langen Weg, den ein potentielles Störsignal von der WEA zur seismologischen Messstation nimmt, bis in ca. 1 km Tiefe zu kennen, „um auch nur qualitativ vernünftige Ergebnisse zu erhalten“. Weil der wichtige Dämpfungswert nicht aus Nahfeldmessungen ermittelt werden kann (siehe oben), die eben nur Aussagen über das „Nahfeld“ und (bei einem Störsignal mit der Frequenz 4 Hz) auch nur bis zu einer Tiefe von ca. 250 m erlauben, leidet die Abschätzung der Wellenausbreitung in einem realen geologischen Medium über mehrere Kilometer unter großen Unsicherheiten; es entspricht nicht wissenschaftlicher Vorgehensweise, auf der Basis von Nahfeldmessungen die Wellenausbreitung für größere Entfernungen durch Modelle zu simulieren, wenn man nicht zugleich die Ergebnisse der Simulation validieren kann (W. vom 2.10.2019 S. 4 unten, S. 5 oben). Die Möglichkeit der Validierung fehlt aber, wenn - wie im Fall der streitigen WEA bei D… - nicht bereits andere vergleichbare WEA am selben Standort vorhanden sind, deren Auswirkungen auf die seismologische Messstation aufgrund von Messungen bekannt sind und diese Erkenntnisse (wenngleich u.U. auch nur mit begrenzter Aussagekraft) prognostisch auf die erst noch zu errichtende WEA übertragen werden können.
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5.3. Das Ausmaß, in dem der Betrieb der streitigen WEA bei D… die bestimmungsgemäße Funktion der Station GRB5 und des GRF-Arrays in seiner Gesamtheit beeinträchtigen wird, ist erheblich. Diesbezüglich hat der gerichtlich bestellte Sachverständige auf entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt: Wenn eine - wie im vorliegenden Fall - große WEA in einem Abstand von weniger als 5 km zu einer seismologischen Messstation errichtet werden solle, gehe es nicht nur um eine bloße Ungewissheit darüber, ob der Zubau der WEA zu einer Störung der Messstation führen werde. Vielmehr sei aus den schon genannten ausgewerteten Daten bei einem Abstand von unter 5 km bei einer großen WEA von einer deutlichen Störung auszugehen (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.10.2019, S. 9). Diese Störung liegt - wie ausgeführt - im kompletten Ausfall (Nichterkennen) derjenigen Signale potentieller Erschütterungsquellen (Erdbeben oder Kernwaffentest), die wegen ihrer Frequenz und/oder Stärke (Amplitude) in dem „Hintergrundrauschen“, das durch die von einer WEA verursachten Erschütterungen noch verstärkt worden ist, untergehen und somit verlorengehen,. Das genaue Ausmaß der durch die vorliegend streitige WEA für die Messstation GRB5 bei D… zu erwartenden Störwirkung kann - wie oben ausgeführt - mangels bereits vorhandener und damit bekannter oder messbarer gleichartiger Störeinflüsse (etwa durch schon errichtete andere WEA) nicht exakt prognostiziert werden; ein Vergleich mit der im Parallelverfahren 22 BV 17.2452 gegebenen Konfliktsituation „WEA - seismologische Messstation“ erlaubt aber die Schlussfolgerung, dass die Störwirkung im vorliegenden Fall voraussichtlich nicht geringer sein wird. Im genannten Parallelverfahren 22 BV 17.2452, das den geplanten Bau zweier neuer WEA in der Nähe einer gleichartigen seismologischen Messstation der BGR (Station GRC4 bei B…) zusätzlich zu schon vorhandenen 5 WEA betraf, hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. die durch den Betrieb der beiden neuen WEA zu erwartenden „Zusatzstörung“ prozentual auf einen Wert von unter 15% eingeschätzt (vgl. die vom Verwaltungsgerichtshof für beide Verfahren eingeholte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 29.10.2019 S. 2). Gibt es dagegen - wie vorliegend bei der seismologischen Messstation GRB5 bei D… - in der Nähe einer solchen Station noch keine vorhandene Störwirkung durch vergleichbare WEA oder gleichartige Störquellen, so ist das relative Ausmaß der Beeinträchtigung wesentlich größer als im Fall einer „vorbelasteten“ seismologischen Messstation. Prof. Dr. W. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme (vom 29.10.2019 S. 2 oben) und in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2019 (vgl. S. 3 der Niederschrift vom 31.10.2019) den Bau einer ersten großen WEA (hiermit ist eine WEA von der heutzutage onshore üblichen und auch vorliegend geplanten Dimension) in der Nähe einer WEA als den ersten und entscheidenden „Sündenfall“ bezeichnet. Diese fachliche Bewertung durch den Sachverständigen lässt sich vereinbaren mit dem Vortrag der Beigeladenen gegenüber dem Verwaltungsgericht, wonach die Station GRB5 durch die geplante WEA insbesondere im relevanten Frequenzbereich von 2 bis 7 Hz beeinträchtigt würde und die Störeinflüsse praktisch auch nicht nachträglich herausgerechnet werden könnten. Die durch Errichtung der streitigen WEA auf die Station GRB5 bei D… zu erwartende Beeinträchtigung muss damit nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen als beträchtlich angenommen werden.
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5.4. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Weg der gebotenen nachvollziehenden Abwägung zur Überzeugung gelangt, dass das privilegierte streitgegenständliche Vorhaben des Baus und Betriebs einer WEA geringeres Gewicht hat als der öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit bestimmungsgemäßen Aufgabenerfüllung der seismologischen Messstation GRB5 und des GRF-Arrays, dieser Belang sich mithin gegen die geplante WEA durchsetzt.
81
Um feststellen zu können, ob ein in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannter oder ein unbenannter öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden „nachvollziehenden Abwägung“. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen (BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 4 C 6/15 - juris Rn. 30 m.w.N.). Von Bedeutung sein können dabei auch das Angewiesensein der WEA bzw. der technischen Anlage, die dem öffentlichen Belang dient, auf einen bestimmten Standort.
82
Vorliegend hat der Verwaltungsgerichtshof die Überzeugung gewonnen, dass entscheidendes Gewicht der Aufgabe und der dementsprechenden technischen Konzeption beizumessen ist, die seitens der öffentlichen Hand im Allgemeininteresse dem GRF-Array und den in diesem Array zusammenwirkenden Messstationen zugedacht ist. Das System liefert - wie oben bereits ausgeführt - seit mittlerweile etwa 40 Jahren Erkenntnisse über Erdbebenereignisse, aber auch über alle seit 1976 weltweit stattgefundenen Kernsprengungen. Hierzu ist das Array aufgrund seiner aufwendigen, besonders sensiblen Breitband-Messtechnik in der Lage, weil auch sehr schwache Signale aus dementsprechend sehr weit entfernten Quellen detektiert werden können. Es erscheint daher nicht übertrieben, die Messstation GRB5 im GRF-Array - mit den Worten der Beigeladenen (Schriftsatz vom 19.6.2014 an die Genehmigungsbehörde) - als „wesentlichen Baustein der Infrastruktur des Bundes zur Begegnung nuklearer und radiologischer Bedrohungen“ und auch als bedeutsam für die Landesverteidigung zu bezeichnen, da die Bundeswehr zur Messung militärischer Nuklearversuche kein eigenes Netz von Erdbebenmessstationen zur Ortung und Einschätzung nuklearer und chemischer Explosionen unterhalte. Diese Bedeutung kann nicht - wie dies seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeklungen ist (vgl. Niederschrift vom 31.10.2019 S. 7) - damit relativiert werden, dass es für die Kontrolle des Kernwaffenteststoppabkommens ein globales Netz verschiedener Staaten gebe, das das GRF-Array womöglich ersetzen könne. Eine solche Ersetzbarkeit in Bezug ausschließlich auf die technische Leistungsfähigkeit mag gegeben sein. Es kommt hierauf allein aber nicht an. Der Kernwaffenteststoppvertrag (im Jahr 1996 mit 158 von 173 Stimmen von der UN-Generalversammlung angenommen, mangels Ratifizierung durch alle Staaten aber noch nicht in Kraft) verbietet jede Art von Kernwaffenexplosion, ob für zivile oder für militärische Zwecke. Zur Überwachung dieser Pflicht wurde mittels der eigens hierfür gegründeten Organisation über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) und deren Vorläuferorganisation ein Überwachungssystem aufgebaut, das Kernwaffenexplosionen weltweit registrieren kann (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffenteststopp-Vertrag). Die Beigeladene hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass das GRF-Array ein sogenanntes nationales Verifikationsmittel ist, wie es die Vertragsstaaten kraft eigenen Entschlusses in Ergänzung zum international vereinbarten Stationssatz einsetzen dürfen; nationale Verifikationsmittel sind im CTBT-Vertrag definiert und dienen der Datenerhebung für Verifikationsaufgaben im Rahmen des CTBT. Die politische Entscheidung, ein nationales Verifikationsinstrument zu schaffen und sich nicht ausschließlich auf das globale Netz der Staatengemeinschaft zu verlassen, ist zu beachten und verleiht dem Verifikationsinstrument eine hohe Bedeutung auch dann, wenn seine Aufgaben in technischer Hinsicht auch von jenem globalen Netz wahrgenommen werden könnten.
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Hinzu kommt, dass die Vergleichbarkeit der seit 1976 aufgezeichneten Daten mit neu zu gewinnenden Daten leidet, wenn einzelne Messstationen innerhalb des GRF-Arrays erheblich gestört werden, ggf. bis zu ihrer Unbrauchbarkeit und damit praktisch ihrem Ausfall. Denn die lokalen Registrierbedingungen am Standort einer Messstation gehen in die Messdaten des GRF-Arrays ein (dies zeigt sich deutlich an der von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2019 vorgelegten und vom Gericht mit den Beteiligten erörterten Grafik zur Detektionsfähigkeit, in der die Entwicklung der vom gesamten Array erkannten Schwellenmagnitude in den Jahren von 1991 bis Januar 2019 dargestellt ist). Hieraus ergibt sich auch, dass sich die Übertragungsfunktion des Arrays als Ganzes ändert, wenn einzelne Stationsstandorte - z.B. weil eine Messstation wegen zu starker Störwirkung einer WEA verlegt werden müsste - geändert werden (vgl. Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.3.2015 an das Verwaltungsgericht München, ins vorliegende erstinstanzliche Verfahren eingeführt als Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 10.2.2016). Ein „Umzug“ der Messstation GRB5 wäre - unabhängig von der Frage, ob eine solche Art von Selbsthilfe der Beigeladenen, die das GRF-Array seit Jahrzehnten betreibt, überhaupt zumutbar wäre - daher kein in Betracht kommender Ausweg aus der Konfliktsituation zwischen öffentlichem Belang und im Außenbereich privilegierter WEA. Für die seismologische Messstation GRB5 spricht demzufolge das „Prioritätsprinzip“ (zur Bedeutung dieses Prinzips insbesondere im Immissionsschutzrecht vgl.: OVG NW, U.v. 16.6.2016 - 8 D 99/13.AK - juris Rn. 461 ff. m.w.N.; BVerwG, U.v. 19.1.1989 - 7 C 77/87 - juris Leits. 4 und Rn. 29), und zwar in einem doppelten Sinn: Die seismologische Messstation GRB5 wurde nicht nur viele Jahre vor der nun geplanten WEA errichtet. Sie kann wegen der oben dargelegten Einbindung in ein Netz von - auch nach ihrem Standort - aufeinander abgestimmten Stationen nicht einfach an einen anderen Standort verlegt werden. Der Bau einer WEA an einem „Ausweichstandort“ hängt zwar gleichfalls von günstigen Voraussetzungen bzw. dem Fehlen etwaiger Hindernisse ab (z.B. Windhöffigkeit, Vorgaben des Artenschutzes usw.). Vorliegend geht es allerdings nur um eine relativ kleine erforderliche Ortsveränderung, um vom bisher geplanten Standort (3,4 km von der Station GRB5 entfernt) die 5 km-Distanz zu erreichen. Jedenfalls sind die Errichtung und der Betrieb der streitigen WEA nicht in vergleichbarer Weise auf den geplanten Standort angewiesen wie dies im Falle der Messstation GRB5 als Bestandteil des GRF-Arrays in außerordentlichem Maß der Fall ist.
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5.5. Eine ins Gewicht fallende „Vorbelastung“, welche die Schutzwürdigkeit der seismologischen Messstation GRB5 mindern oder die Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit als nicht erheblich erschienen ließe, ist nicht zu erkennen. Die Klägerin hat zwar eingewandt, dass es in der Nähe dieser Station schon eine andere WEA, eine Bundes- und eine Staats straße, eine Betonmischanlage und Deponien für Erdaushub oder Schutt als Störfaktoren gebe. Die Beigeladene hat dagegen nachvollziehbar erläutert, dass zum einen die von anderen Störquellen verursachten Beeinträchtigungen nur einige Frequenzbereiche, insbesondere nicht den hier relevanten Frequenzbereich von 2 bis 7 Hz, betreffen und dass diese Störquellen bei weitem nicht dasselbe Störpotential entwickeln können wie die geplante 200 m hohe und 2 MW leistende WEA. Diese hat wegen ihrer Gesamtmasse und der festen, aber schwingfähigen Verbindung mit dem Untergrund mittels eines Fundaments einen ungleich höheren Energieeintrag in den Boden als die vorliegend bestehende, nur 85 m hohe Klein-WEA, eine Betonmischanlage und ein Deponiebetrieb oder rollende Gummireifen auf Straßen.
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6. Das Genehmigungshindernis des der geplanten WEA im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehenden Belangs lässt sich vorliegend auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse auch nicht durch eine besondere Art der Konstruktion der WEA, z.B. mittels einer „tieferen Gründung“ ausräumen.
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6.1. Die Gutachterin der Klägerin hatte eine solche Möglichkeit in ihrer ersten fachlichen Stellungnahme (G. GmbH vom 24.9.2015) angesprochen und hat sich - auf die Bedenken des vom Verwaltungsgericht bestellten Gutachters hin - mit der Thematik vertieft befasst (G. GmbH vom 25.10.2016). Der vom Verwaltungsgerichtshof hierzu befragte Sachverständige hat insoweit schlüssig ausgeführt, dass die mit Datum vom 29. September 2016 vorgelegten Berechnungen der G. GmbH keine tiefere Gründung-, betrachteten, sondern eine „Erhöhung des Schubmodules durch Bodenbehandlung unter dem Fundament“. Die Berechnungen seien ermutigend, bedürften allerdings der Überprüfung und Validierung im Licht der wissenschaftlichen Arbeiten und experimentellen Ergebnisse. Von ihm befragte Kollegen der geotechnischen Fachrichtungen hätten indes für unrealistisch gehalten, dass durch tiefe Gründungen oder Bodenverbesserungen die Schwingungsamplituden um Faktoren von 5 bis 10 verringert werden könnten (W. vom 2.10.2019 zu „Frage 1.2“ auf S. 6).
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6.2. Es kann im Übrigen dahinstehen, ob mit einer besonderen Bodenbehandlung am geplanten Standort der WEA oder mit einem besonders stabilen oder auf besondere Weise konstruierten Fundament der WEA („tiefe Gründung“) die von der WEA ausgehenden Schwingungen theoretisch so weit verringert werden könnten, dass eine erhebliche Störung der Funktionsfähigkeit des seismologischen Messstation GRB5 und/oder des GRF-Arrays nicht mehr zu besorgen wäre. Denn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Klägerin hat eine derartige Gründung oder vorherige Bodenverbesserung nicht zum Inhalt; solche Maßnahmen werden lediglich in einem nach Bescheidserlass erstellten „geotechnischen Bericht“ vom 7.5.2015, auf den die G. GmbH auf S. 7 und 14 ihrer Stellungnahme vom 24.9.2015 Bezug nimmt, empfohlen. Die G. GmbH hat den Unterschied zwischen einer Flachgründung und einer Tiefgründung beschrieben und zeichnerisch dargestellt (G. GmbH vom 24.9.2015 S. 44). Dieser Darstellung zufolge besteht eine Tiefgründung z.B. darin, dass unter der Fundamentplatte für die WEA sechs jeweils 15 m lange Großbohrpfähle in den Untergrund eingebracht werden; den gleichen Effekt soll eine Bodenverbesserung mittels „Rüttelstopfverdichtung“ erzielen (G. GmbH vom 24.9.2015 S. 14). Derartige Maßnahmen können - schon wegen ihrer zu überprüfenden bodenschutzrechtlichen Relevanz - nicht als bloße Details der Bauausführung eines im Wesentlichen unveränderten Vorhabens angesehen werden. Vielmehr führten sie zu einem „Aliud“ im Vergleich mit einer in Flachgründung bzw. ohne Rüttelstopfverdichtung geplanten WEA.
88
Die Berufung ist somit zurück zu weisen.
III.
89
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
90
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
91
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.