Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 07.08.2019 – 1 Ws 385/19
Titel:

Keine Anpassung des Strafmaßstab im Exquaturverfahren

Normenketten:
StPO § § 458 Abs. 1, § 462 Abs. 3 S. 1, § 473 Abs. 1 S. 1
IRG § 54
StGB § 51 Abs. 4 S. 2
Leitsatz:
Im Vollstreckungshilfeverfahren nach §§ 48 ff. IRG darf die im Ausland erlittene Haft im Rahmen der Umwandlung einer freiheitsentziehenden ausländischen Sanktion nach § 54 IRG nicht abweichend von der tatsächlichen Vollzugsdauer angerechnet werden. Auch die Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB vermag hieran nichts zu ändern (Anschluss an KG, Beschluss vom 18.07.2017 - 2 Ws 101/17 = StraFo 2017, 435 = OLGSt IRG § 54 Nr 3). (Rn. 4)
Schlagworte:
Vollstreckungshilfe, Vollstreckungshilfeverfahren, Erkenntnisverfahren, Vollstreckungsverfahren, Norwegen, Freiheitsstrafe, Sanktion, Haft, Inhaftierung, Ausland, Umwandlung, Anrechnung, Anrechnungsfaktor, Anpassung, Strafzumessung, Strafmaß, Strafhaft, Untersuchungshaft, Vollzug, Vollzugsdauer, Exequaturverfahren, Beschwerde, Erschwernis, Urteilsstaat, Vollstreckungsstaat, Sanktionshöhe, Sanktionsdauer, Bindung, Anrechungsmaßstab
Fundstelle:
BeckRS 2019, 41107

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 28.06.2019 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer wurde in Norwegen mit rechtskräftigem Urteil vom 14.01.2016 wegen Betäubungsmittelverstößen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Mit Beschluss vom 14.09.2016, rechtskräftig seit 05.10.2016 hat das Landgericht die Strafe in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt, die Sanktion in eine Freiheitsstrafe nach deutschem Recht umgewandelt und den bereits in Norwegen vollstreckten Teil der Sanktion angerechnet. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.06.2019 bestimmte die Strafvollstreckungskammer eine Anrechnung der in Norwegen vollstreckten Strafe im Verhältnis von 1:1 und wandte sich gegen die vom Verurteilten beantragte Anrechnung der in Norwegen vollstreckten Strafe im Verhältnis von 1:2. Gegen den am 08.07.2019 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte am 09.07.2019 Rechtsmittel eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 18.07.2019 beantragt, die sofortige Beschwerde des Verurteilten als unbegründet zu verwerfen. Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
2
Das als sofortige Beschwerde des Verurteilten auszulegende Rechtsmittel ist statthaft (§§ 458 Abs. 1, 462 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StPO) und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg, wobei es auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Erschwernisse während seiner Inhaftierung in Norwegen aus Rechtsgründen nicht ankommt.
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1. Es kann dahin stehen, ob der Antrag des Verurteilten auf Anrechnung der in Norwegen vollstreckten Strafe im Verhältnis von 1:2 schon deshalb unzulässig ist, weil er in die Rechtskraft des Beschlusses vom 14.09.2016 eingreifen würde, durch den die Anrechnung des bereits in Norwegen vollstreckten Teil der Sanktion ausgesprochen wurde, was möglicherweise konkludent einen Anrechnungsfaktor von 1:1 beinhaltete.
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2. Jedenfalls darf, bedingt durch die Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, im Vollstreckungshilfeverfahren aus Rechtsgründen die im Ausland erlittene Haft nicht abweichend von der tatsächlichen Vollzugsdauer angerechnet werden. Für Letzteres fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (KG Beschluss vom 18.07.2017 - 2 Ws 101/17 = StraFo 2017, 435 = OLGSt IRG § 54 Nr 3).
5
a) Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 IRG ist für die nach deutschem Recht festzusetzende Strafe die Höhe der ausländischen Sanktion verbindlich. Eine Anpassung des Strafmaßes nach deutschem Strafzumessungsrecht ist - unabhängig, ob es sich um ausländische Straf- oder Untersuchungshaft handelt - nicht möglich (vgl. KG aaO und schon KG, Beschluss vom 02.08.2013 - 2 Ws 385/13 = NStZ-RR 2014, 227 = StraFo 2014, 349). Dies folgt aus der Natur des Exequaturverfahrens, mit dem kein eigenes Strafverfahren durchgeführt, sondern lediglich ein ausländisches unterstützt wird. Es ist nicht Sinn der Vollstreckungshilfe, im Ausland verurteilten und inhaftierten deutschen Staatsangehörigen Nachteile zu ersparen, die ihnen aus der Vollstreckung ausländischer, von der deutschen Rechtspraxis abweichender Urteile erwachsen können (vgl. OLG München, Beschluss vom 04.09.1996 - 1 Ws 686/96 = StV 1997, 372). Die Übernahme der Vollstreckung begründet keine Befugnis eines Gerichtes der Bundesrepublik Deutschland, das der Vollstreckung zugrundeliegende ausländische Erkenntnis zu ändern. Dem entspricht die Regelung in Art. 1 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen in Verbindung mit Art. 10 dieses Übereinkommens, das für Norwegen am 01.04.1993 in Kraft getreten ist (BGBl. II 1993, 696). Danach ist im Falle der Fortsetzung der Vollstreckung der Vollstreckungsstaat an die rechtliche Art und die Dauer der Sanktion, wie sie vom Urteilsstaat festgelegt worden sind, gebunden. Eine Entscheidung über einen Anrechnungsmaßstab wäre ein solcher unzulässiger Eingriff in das ausländische Urteil (vgl. KG aaO).
6
b) Auch scheidet § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB als Rechtsgrundlage für das erstrebte Anrechnungsverhältnis aus. Nach dieser Vorschrift kann durch das erkennende Gericht ausländische Haft durch einen Ausspruch im Urteilstenor angerechnet werden (vgl. Fischer StGB 66. Aufl. § 51 Rn. 18). Sie setzt aber eine Verurteilung durch ein deutsches Gericht voraus. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Im Vollstreckungshilfeverfahren für ein ausländisches Urteil ist diese Vorschrift nach einhelliger Auffassung nicht anwendbar (vgl. KG aaO).
III.
7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.