Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 29.10.2019 – RN 14 K 18.30706
Titel:

Asyl, Sierra Leone: Ein gesunder, arbeitsfähiger Mann kann ein Existenzminimum erwirtschaften

Normenketten:
AufenthG § 11 Abs. 2, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 75 Nr. 12
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1
AsylG § 3d, § 3e Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 3 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Die Lebensumstände in Sierra Leone sind zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass sich ein gesunder und arbeitsfähiger Mann in Sierra Leone ein Existenzminimum - wenn auch nur durch Gelegenheitsjobs - erwirtschaften kann. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Flüchtlingseigenschaft, Glaubhaftmachung, Vorverfolgung, Asylverfahren, Abschiebungsverbot, nichtstaatliche Akteure, humanitäre Lage, Herkunftsland Sierra Leone, unmenschliche Behandlung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 15.01.2020 – 9 ZB 20.30059
Fundstelle:
BeckRS 2019, 37217

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylantrag abgelehnt wurde. Er begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und weiterhin hilfsweise die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote.
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Der am …1999 geborene Kläger, ein sierra-leonischer Staatsangehöriger vom Stamm der Temne und islamischen Glaubens, reiste eigenen Angaben zufolge am 18.2.2017 von Italien kommend mit dem Zug über die Schweiz nach Deutschland ein, wo er am 8.2.2017 einen Asylantrag stellte.
3
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 28.3.2017 gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei in einem Dorf namens Magbengba im Distrikt Port Loco aufgewachsen. Die letzten 6 Monate vor seiner Ausreise habe er in Freetown gelebt. Sein Heimatland habe er am 10.9.2016 verlassen. Er habe zwei bis drei Jahre als Hilfsarbeiter in einer Schreinerei gearbeitet und auch im Baubereich ausgeholfen. Der Vater des Klägers habe ein sehr großes Feld besessen. Als einziger Sohn des Vaters sei der Kläger der Erbe gewesen. Er habe das Feld bestellt und abgeerntet. Von den Erträgen habe er die Schule für die Schwester bezahlt. Wegen des Erbes sei der Kläger von einem anderen Mann mit dem Tod bedroht worden. Eines Tages sei dieser Mann auf dem Feld gewesen und habe die Früchte abgeerntet, die der Kläger eigentlich habe verkaufen wollen. Die Dorfbewohner hätten den Mann wohl aus Neid unterstützt. Eines Tages sei der Mann auf dem Feld gewesen, um eine Palme nach oben zu klettern. Er sei allerdings abgestürzt und so unglücklich auf den Boden gefallen, dass er sich an der mitgebrachten Machete verletzt habe. Der Kläger habe den Mann noch lebend gefunden. Später sei der Mann dann aber verstorben. Eine Frau, die das Geschehen aus der Ferne beobachtet habe, habe den Kläger beschuldigt, den Mann getötet zu haben. Diese Nachricht habe sich rasend schnell im Dorf verbreitet. Da der Mann Mitglied einer „Secret Society“ gewesen sei, habe der Kläger auch die Geheimgesellschaft gegen sich gehabt. Er sei von dieser Geheimgesellschaft bedroht worden und auch von der Familie des ums Leben gekommenen Mannes. Diese Familie habe den Kläger zwei Tage lang eingesperrt und ihm nichts zu essen und zu trinken gegeben. Ein Mann, welcher der Schwester des Klägers den Koran gelehrt habe, habe sich dann darum gekümmert, dass der Kläger um Mitternacht befreit worden sei. Der Kläger habe das Dorf verlassen und habe sich nach Freetown begeben.
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Der Kläger selbst sei wegen der Angelegenheit nicht bei der Polizei gewesen. Er habe Angst gehabt, bestraft zu werden. In Freetown sei er dann nur noch einen Tag geblieben. Mit einem Lkw habe er dann das Land verlassen.
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Aus einem sich in den Akten des Bundesamts befindlichen Befund/Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 28.2.2017 ergibt sich, dass ein serologischer Hinweis auf eine chronisch verlaufende Infektion mit Hepatitis B Virus (HBV) - potenziell infektiös vorliege.
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Mit Bescheid vom 23.2.2018, der gemäß § 4 Abs. 2 VwZG am 26.2.2018 zur Post gegeben wurde, erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1) und lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG würden nicht vorliegen (Ziffer 4). Unter Androhung seiner Abschiebung nach Sierra Leone oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, forderte das Bundesamt den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Anerkennung als Asylberechtigter würden schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil eine dem Kläger nach seinem Vortrag drohende Verfolgung nicht an flüchtlingsschutzrelevante Merkmale im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anknüpfe. Auch der subsidiäre Schutzstatus könne ihm nicht zuerkannt werden. Insbesondere habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht, von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren verfolgt worden zu sein. Die Schilderungen der Geschehnisse seien vage, oberflächlich und undetailliert gewesen. Darüber hinaus seien auch Widersprüche feststellbar gewesen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen seien auch nationale Abschiebungsverbote nicht gegeben. Es sei davon auszugehen, dass es dem Kläger gelingen werde, sich eine ausreichende Existenzgrundlage zu schaffen, was selbst dann gelte, wenn er nicht wieder in seinen Familienverband integriert werde. Auch ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis wegen einer beim Kläger vorliegenden chronischen Hepatitis B sei nicht gegeben. Der Gesundheitszustand des Klägers würde sich aufgrund dieser Erkrankung im Falle einer Abschiebung nach Sierra Leone nicht alsbald nach Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern. Bezüglich der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
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Am 6.3.2018 ließ der Kläger Klage erheben, die er nicht weiter begründete.
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Er beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1 sowie 3 bis 6 des Bescheids des Bundesamts vom 23.2.2018 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiterhin hilfsweise für den Kläger ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
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Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angegriffenen Bescheids,
die Klage abzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung am 25.10.2019 wurde der Kläger erneut angehört. Bezüglich seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Akten des Bundesamts, die dem Gericht in elektronischer Form vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klage ist nicht begründet. Die Entscheidungen des Bundesamts, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft sowie den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen und den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Sierra Leone zur Ausreise aufzufordern, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Entsprechendes gilt für die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG sowie den §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.
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1. Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochene Entscheidung des Bundesamts (Ablehnung der Asylanerkennung) wurde mit der Klage nicht angegriffen. Insoweit ist der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden (vgl. VGH BW, U.v. 26.10.2016 - A 9 S 908/13 - juris).
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zu-rückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, B. v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris).
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Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3b Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
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Der Kläger hat im Verlauf seines Asylverfahrens nicht vorgetragen, sein Heimatland aus Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG verlassen zu haben. Der Kläger stützt seinen Asylantrag einerseits darauf, dass er von der Familie eines Mannes, der von einer Palme gestürzt sei, verfolgt werde. Darüber hinaus werde er von einer Geheimgesellschaft verfolgt, der der Mann angehört habe, der vom Baum gefallen sei. Das Motiv ist somit - den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt - im Ergebnis Rache gewesen, weil man den Kläger beschuldigt habe, den Mann getötet zu haben. Ein irgendwie gearteter Anknüpfungspunkt an flüchtlingsrechtlich relevante Motive im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist somit nicht ersichtlich.
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Darüber hinaus behauptet der Kläger auch von der Polizei gesucht worden zu sein, weil der Kläger gegenüber der Polizei beschuldigt worden sei, den Mann getötet zu haben. Sofern der Kläger deshalb gesucht worden sein sollte, wäre die Motivation rein strafrechtlicher Natur und würde ebenfalls nicht an flüchtlingsrelevante Motive anknüpfen.
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3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
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Die Gefahr eines ernsthaften Schadens kann ausgehen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, da § 3c AsylG gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG entsprechend gilt.
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Für die Beurteilung der Frage, ob die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens begründet ist, gilt unabhängig davon, ob ein Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - juris, Rn. 22 = BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat, erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL - Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.). Ein bereits erlittener bzw. vor der Ausreise unmittelbar drohender ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, auch im Falle einer Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris, Rn. 24).
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Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U.v. 11.11.1986 - 9 C 316.85 - juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris, Rn. 16, U.v. 1.10.1985 - 9 C 19.85 - juris, Rn. 16 und B.v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 - juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).
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a) Dass dem Kläger die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch staatliche Stellen droht, ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Der Kläger hat zwar selbst vorgetragen, dass ihn die Polizei suche, weil er von Dritten beschuldigt worden sei, den Mann, der vom Baum gefallen sei, getötet zu haben. Andererseits will der Kläger selbst nicht zur Polizei gegangen sein, um diese ungerechtfertigten Beschuldigungen auszuräumen. Eigenen Angaben zufolge will der Kläger mit dem Unfall des Mannes nichts zu tun gehabt haben. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger sogar an, der Mann habe an Epilepsie gelitten und sei bereits des Öfteren von Bäumen gefallen. Von daher müsste es ihm leicht fallen, die ungerechtfertigten Vorwürfe ihm gegenüber zu entkräften. Es ist im daher ohne weiteres zuzumuten, sich der sierra-leonischen Polizei zu stellen, um den wahren Sachverhalt aufzuklären.
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In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Verfassung von Sierra Leone Folter und andere grausame, inhumane oder entwürdigende Praktiken oder Bestrafungen verbietet. Die Todesstrafe ist für die Kapitalverbrechen Landesverrat und schweren Raub vorgesehen. Bei Mord ist sie zwingend vorgeschrieben. Die Kommission für Wahrheit und Versöhnung hat in ihrem Abschlussbericht deren Abschaffung empfohlen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder - Band 17, Sierra Leone, Mai 2010). Auch wenn die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist, so wird ein Moratorium beachtet. Seit 1998 wurde sie nicht mehr praktiziert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Sierra Leone, Wien am 3.5.2017).
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b) Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger die Gefahr besteht, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3c Nr. 3 AsylG zu erleiden.
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Das Bundesamt hat bereits im angegriffenen Bescheid ausführlich dargelegt, dass der Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung vage, oberflächlich und auch geprägt von Widersprüchen war, weshalb ihm nicht geglaubt werden könne. Auch der zur Entscheidung berufene Einzelrichter hat erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers. Diese können jedoch letztendlich dahinstehen; denn selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Kläger tatsächlich von der Familie des Mannes, der durch den Sturz von einem Baum ums Leben gekommen sein soll, sowie von einer Geheimgesellschaft verfolgt worden ist, so ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Sierra Leone eine weitere Verfolgung durch diese nichtstaatlichen Akteure droht. Der Kläger muss sich insoweit nämlich auf internen Schutz verweisen lassen.
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Nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schadens erleidet oder er dort Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d AsylG hat (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG), und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
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Nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist dies dann der Fall, wenn sich der Kläger nicht in der Region niederlässt, in der seine Verfolger ansässig sind. Dies ist vorliegend nach den Angaben des Klägers sein Heimatdorf im Distrikt Port Loko. Insbesondere in größeren Städten - etwa in Freetown, Waterloo, Makeni, Bo oder Kenema -, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger dort von nichtstaatlichen Akteuren aufgespürt werden könnte. Insbesondere in den größeren Städten Sierra Leones ist es nach der Überzeugung des Gerichts möglich, unbehelligt von nichtstaatlichen Akteuren zu leben. In der Verfassung von Sierra Leone sind uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr verankert. Auch wenn es Berichte gibt, wonach Sicherheitskräfte bei Straßensperren außerhalb der Hauptstadt Bestechungsgelder von Fahrzeuglenkern verlangen, ist doch festzustellen, dass die Regierung diese Rechte respektiert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 18). Angesichts der in Sierra Leone bestehenden infrastrukturellen Mängel ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie etwaige Verfolger den Kläger auffinden sollten, wenn er sich in einer größeren Stadt niederließe. In Sierra Leone existiert kein ordnungsgemäßes Zivilregister (AA, Auskunft an das Bundesamt vom 17.10.2017), so dass es selbst für staatliche Stellen schwierig sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. Für nichtstaatliche Akteure dürfte dies nahezu unmöglich sein. Eine konkrete Bedrohung des Klägers durch nichtstaatliche Akteure ist deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich. Das Gericht ist nach alledem davon überzeugt, dass die Familie seines vermeintlichen Opfers und auch die örtliche Geheimgesellschaft seines Heimatdorfes eine Rückkehr des Klägers nach Sierra Leone nicht einmal bemerken würden.
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Ferner wäre es dem Kläger auch zuzumuten, in einen anderen Landesteil zu gehen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage muss davon ausgegangen werden, dass es den Kläger möglich ist, sich in jedem Teil Sierra Leones seine Existenz durch Gelegenheitsarbeiten sicherzustellen (vgl dazu unten 4a)).
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c) Schließlich ist auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht gegeben. Der in Sierra Leone 11 Jahre andauernde Bürgerkrieg wurde im Jahr 2002 beendet. Die Sicherheitslage im ganzen Land ist stabil. Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen im Jahr 2005 die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 6; Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder - Band 17, Sierra Leone, Mai 2010).
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4. Zuletzt liegen auch Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
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a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U. v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C.15.12 - juris = BVerwGE 146, 12; U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U. v. 19.7.2018 - 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).
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Trotz der schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung der Klagepartei in ihr Heimatland nicht angenommen werden. Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, wobei bisher keine verlässlichen statistischen Daten erhoben wurden. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 19 ff.).
34
Die Lebensumstände in Sierra Leone sind damit zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass sich ein gesunder und arbeitsfähiger Mann wie der Kläger in Sierra Leone ein Existenzminimum - wenn auch nur durch Gelegenheitsjobs - erwirtschaften kann. Der Kläger leidet an keinen körperlichen Beeinträchtigungen, aufgrund derer seine Arbeitsfähigkeit eingeschränkt wäre. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich der Kläger selbst dann, wenn er keinen Familienanschluss mehr finden sollte, seine Existenz sichern kann. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Kläger seine chronische HBV-Infektion in gesundheitlicher Hinsicht beeinträchtigt (vgl. dazu unten 4 b) aa)).
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b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
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Eine derartige Gefahr besteht weder aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers noch aufgrund der humanitären Verhältnisse, die er im Falle seiner Rückkehr vorfinden würde. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
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aa) Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel nicht als allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einzustufen, sondern als individuelle Gefahr, die am Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris = BVerwGE 127, 33 sowie U.v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - juris = BVerwGE 105, 383). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006, - 1 C 18.05 - juris = BVerwGE 127, 33). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 (BGBl I S. 390 ff. vom 11.3.2016) die Sätze 2 bis 4 des § 60 Abs. 7 AufenthG eingefügt. Danach liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3) und schließlich liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4).
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Dass der Kläger durch die HBV-Infektion in seinem Heimatland in eine Situation kommen könnte, die für ihn eine Gefahr für Leib oder Leben darstellen könnte, ist nicht ersichtlich. Der Kläger selbst hat diesbezüglich nichts vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung hat er die HBV-Infektion nicht einmal angegeben. Auf Frage, ob er an irgendwelchen Erkrankungen leide, gab er lediglich an, er habe öfter Nasenbluten.
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Außerdem sei darauf hingewiesen, dass es sich bei Hepatitis B um eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt handelt. Weltweit haben nach Angaben der WHO etwa zwei Milliarden Menschen eine HBV-Infektion durchgemacht oder durchlaufen aktuell eine Infektion, circa 3% der Weltbevölkerung (ca. 257 Millionen) sind chronisch mit HBV infiziert. In vielen Fällen verläuft die Infektion unbemerkt und ohne Symptome. Etwa ein Drittel der Infektionen verläuft asymptomatisch und ist nur serologisch nachzuweisen. Nur etwa 0,5 bis 1,0% aller Infektionen können fulminant mit der Entwicklung eines akuten Leberversagens verlaufen. Für eine chronische Hepatitis B stehen inzwischen mehrere Medikamente und Therapiemethoden zur Verfügung. Hier wird deutlich, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung des Klägers, die zudem eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben begründen könnte, nicht unmittelbar bevorsteht (vgl. WHO, Global Hepatitis Report, 2017 und https://de.wikipedia.org/wiki/Hepatitis_B#Chronische_Hepatitis_B).
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Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Behandlung von Hepatitis B nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in Sierra Leone grundsätzlich möglich ist. Medikamente zur Behandlung von Hepatitis und ähnlichen Krankheiten seien in Sierra Leone vorhanden und nach dortigen Maßstäben eher preisgünstig. Der Erwerb solcher Medikamente stelle insofern keine außergewöhnliche Belastung dar (AA für Botschaft Accra vom 26.9.2017 an das Bundesamt, Gz.: RK-1-516.50/1). Demnach muss selbst dann, wenn sich die Erkrankung des Klägers in seinem Heimatland verschlimmern sollte, davon ausgegangen werden, dass eine adäquate Behandlung in Sierra Leone möglich ist.
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Im Ergebnis ist somit davon auszugehen, dass einer Rückführung des Klägers nach Sierra Leone gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen.
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bb) Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - juris, Rn. 14 = BVerwGE 99, 324, U.v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 - juris, Rn. 34 = BVerwGE 102, 249 sowie U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - juris, Rn. 16 = BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich grundsätzlich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage im Herkunftsstaat ergeben.
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Eine derartige Gefahr besteht jedoch nicht, was bereits oben unter Nr. 4 a) dargestellt wurde.
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5. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
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6. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist gleichfalls rechtmäßig. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besonderer Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
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Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.