Inhalt

VG München, Urteil v. 26.02.2019 – M 4 K 17.5983
Titel:

Eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Trennung

Normenkette:
AufenthG § 7, § 16, § 28, § 31
Leitsätze:
1. Eine besondere Härte nach § 31 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 AufenthG kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn im Einzelfall über die regelmäßig mit der Aufenthaltsverlagerung in ein anderes Land verbundenen Schwierigkeiten hinaus besondere Umstände vorligen, aufgrund derer die Ausreisepflicht den Ausländer ungleich härter trifft als alle anderen Ausländer in vergleichbarer Situation. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lediglich gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, können für sich genommen noch nicht dazu führen, dass das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 16 Abs. 6 S. 1 Nr. 1c AufenthG umfasst nur solche Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausländerrecht, Eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten, Keine besondere Härte, Fernstudium, Ausländische Hochschule, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, englische Hochschule, Trennung, eheliche Lebensgemeinschaft, Gewalttätigkeit, Familiennachzug, Härtefall
Fundstelle:
BeckRS 2019, 3561

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wird.
2
Die am ... 1988 geborene Klägerin ist …ische Staatsangehörige. Sie reiste anlässlich eines Au-pair-Aufenthalts erstmals am ... 2006 unter dem Namen ... und unter Angabe des Geburtsdatums „..1987“ in die Bundesrepublik Deutschland ein; der Aufenthalt endete im Jahr 2007 (Bl. … der Behördenakte - nachfolgend ohne Zusatz). Am … … 2014 reiste die Klägerin erneut, diesmal unter dem Namen ..., mit einem österreichischen Aufenthaltstitel (gültig bis 31. März 2015) in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am … … 2014 heiratete die Klägerin in Dänemark den deutschen Staatsangehörigen ..., geboren am ... 1955. Nach eigenen Angaben kennen sie sich bereits seit 2010; sie hätten sich oft in … getroffen (Bl. 148).
3
Die Klägerin stellte am 7. Oktober 2014 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, gab als Zweck des Aufenthalts „Heirat“ und als Wohnsitz die Wohnung des Ehemannes an. Ihr wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthGerteilt, gültig bis zum 18. September 2015 (Bl. 107). Diese wurde ihr am 31. August 2015 um zwei Jahre verlängert, gültig bis 18. September 2017.
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Am 2. Mai 2016 zog die Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung in … aus und in eine Wohngemeinschaft in … ein. Seither leben die die Klägerin und ihr Ehegatte getrennt (Bl. … f., …).
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Die Klägerin erklärte am 19. August 2016 bei einer persönlichen Vorsprache gegenüber dem Beklagten, Hintergründe der Trennung seien, dass sie mit ihrem Ehemann Streit gehabt und es Probleme gegeben habe. Der Mann habe sie nicht gut behandelt. Er habe sie auch bedroht. Sie arbeite aktuell 20 Stunden pro Woche und habe einen Arbeitsverdienst von 670 Euro. Sie bekomme zusätzlich Unterhaltsleistungen von ihrem Ehemann in Höhe von monatlich 1.458 Euro (Bl. 148).
6
Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 24. November 2016 zu einer Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG an. Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm hierzu Stellung mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 und beantragte auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis „unabhängig von der bestehenden Ehe“. Er führte aus, die Klägerin habe sich im Mai 2016 von ihrem Ehemann getrennt, weil er sie nicht gut behandelt und bedroht habe. Ihr sei ein weiteres Zusammenleben mit dem Ehemann nicht zumutbar. Dieser habe ein erhebliches, fortschreitendes Alkoholproblem, was die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht gewusst habe. Zuletzt habe der Ehemann täglich sechs bis acht Flaschen Bier und bis zu zwei Flaschen Wein konsumiert. Mit fortschreitender Trunkenheit sei der Ehemann gegenüber der Klägerin nicht nur aggressiv, sondern auch beleidigend und drohend geworden. Er habe sie regelmäßig „Arschloch“, „Neger“, „Betrügerin“ etc. beschimpft. Dabei sei der Ehemann regelmäßig nahe an die Klägerin herangetreten und habe diese nicht nur bedrängt, sondern sich auch drohend mit dem Finger vor ihr Gesicht begeben, habe sie gestoßen und gedroht, er werde ihr zeigen, wo es lang gehe. Er habe ihr verwehrt, auf ein gemeinsames Konto zuzugreifen und versucht, die Klägerin zu nötigen, eine Vereinbarung zu unterzeichnen und erst dann erhalte sie wieder Zugriff auf einen Teil des gemeinsamen Geldes. Er habe dann begonnen, mit Frauen aus Afrika Kontakt aufzunehmen, habe dies offen gegenüber der Klägerin dargestellt und gesagt, er brauche das gemeinsame Geld, um diese Freundinnen mitzufinanzieren. Dabei habe er der Klägerin entsprechende Bilder gezeigt. Außerdem habe er versucht, die Klägerin vollständig und umfassend zu kontrollieren, wo sie sich aufhalte, mit wem sie Kontakt habe, habe auch gegen ihren Willen ihre Handykorrespondenz (WhatsApp etc.) kontrolliert.
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Die Klägerin verdiene in einer Teilzeitbeschäftigung ca. 650 Euro netto und bekomme Unterhaltszahlungen vom Ehemann, sodass sie in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie habe zwischenzeitlich auch ein Fernstudium begonnen.
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Bei einer persönlichen Vorsprache gegenüber dem Beklagten am 25. Januar 2017 erklärte der Ehegatte unter anderem, dass die Probleme Ende 2015 damit begonnen hätten, dass die Klägerin sogenannte Mädelsabende mit Freundinnen gemacht hätte. Er habe daraufhin die Karten seiner Frau sperren lassen. Zur Frage, ob er die Klägerin jemals bedroht habe oder ihr gegenüber gewalttätig geworden sei, erklärte er, die einzige Bedrohung, die von ihm ausgegangen wäre, sei gewesen: „Pass gut auf, wenn ich zur Ausländerbehörde gehe und denen alles erzähle, bist du weg, weil du deinen Aufenthalt erschlichen hast“. Eine anderweitige Bedrohung oder gar Gewalttätigkeiten hätten nie stattgefunden. Ebensowenig habe die Klägerin jemals Anzeige gegen ihn erstattet oder sei ein Aufenthalt im Frauenhaus im Gespräch gewesen (Bl. 161). Per E-Mail gab der Ehemann außerdem gegenüber dem Beklagten an, dass die Klägerin im Dezember 2016 Kontakt zu ihm aufgenommen habe und mit ihm Skifahren gehen sowie auf den Weihnachtsmarkt gehen wollte. Dies spreche dagegen, dass sie sich von ihm bedroht fühle (Bl. 162, 172).
9
Am 1. Mai 2017 meldete die Klägerin ihren Wohnsitz in … im Landkreis München an.
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Am 12. Mai 2017 stellte der Ehemann der Klägerin beim Amtsgericht Starnberg den Antrag auf Scheidung.
11
Mit Schreiben vom 27. Juli 2017 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis angehört. Mit Schreiben vom 20. September 2017 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin hierzu Stellung und Bezug auf seine bisherigen Ausführungen (Bl. 197). Ergänzend führte er an, dass der Klägerin ein Festhalten an der Ehe insbesondere infolge der Alkoholerkrankung des Ehemanns und der damit verbundenen Ausfälle (Attacken, Beleidigungen, Herabwürdigungen) nicht zumutbar wäre. Die Klägerin beziehe aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung (20,77 Stunden pro Woche) als „Werkstudentin“ bei einem Unternehmen für Rezeptabrechnung ein monatliches Nettoeinkommen zwischen ca. 730 Euro und ca. 790 Euro (Bl. 204 ff.). Der Getrenntlebensunterhalt belaufe sich auf monatlich ca. 1.030 Euro. Die Klägerin betreibe an der „...“ ein Fernstudium der Umweltwissenschaft (Environmental Science), befinde sich im zweiten Semester und habe sämtliche Prüfungen abgelegt und bestanden. Die Gesamtstudienzeit betrage voraussichtlich sechs Semester.
12
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2017 lehnte der Beklagte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (1.) und forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 15 Tagen nach Vollziehbarkeit des Bescheids zu verlassen (2.). Für den Fall der Nichtausreise wurde die Abschiebung in das Heimatland … oder in einen anderen Staat angedroht, in den die Klägerin einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Im Falle der Abschiebung werde die Wiedereinreise in die Bundesrepublik für drei Jahre untersagt (3.).
13
Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die eheliche Lebensgemeinschaft lediglich vom 24. September 2014 bis Mai 2016 bestanden habe. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lägen nicht vor. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 AufenthG nicht vor. Es seien keinerlei Beweismittel wie z. B. eine Strafanzeige bei der Polizei oder ein Arztbericht vorgelegt worden, mit denen die Vorwürfe der Klägerin (Ausfälle des Ehemannes wie Beleidigungen, Herabwürdigungen, Attacken) belegt worden seien. Der Glaubwürdigkeit der Vorwürfe stünden Beweismittel des Ehemanns entgegen, wonach die Klägerin nach Beendigung der familiären Lebensgemeinschaft trotz der gegen ihn erhobenen Vorwürfe einen gemeinsamen Skiurlaub beabsichtigt habe. Die Klägerin habe ihre Unglaubwürdigkeit auch mit Identitätstäuschungen bei den Einreisen in das Bundesgebiet unter verschiedenen Personalien in den Jahren 2006 und 2014 bewiesen. Eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck könne nicht erteilt werden. Für eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums fehle es an der Einreise mit dem entsprechenden Visum (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
14
Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob Klage mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017, eingegangen bei Gericht am 21. Dezember 2017, und beantragte,
I. Der Bescheid des Landratsamts München, Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht vom 07.12.2017, Az.: 4.2.3-161/-318253 zugestellt am 18.12.2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
15
Der Bevollmächtigte stellte am 16. Januar 2018 einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage „vom 20.12.2017“ anzuordnen (Az. M 4 S 18.270). Das Eilverfahren wurde mit Beschluss vom 16. Mai 2018 wegen Erledigung der Hauptsache eingestellt. Der Beklagte hatte mitgeteilt, dass eine Abschiebung nicht vor einer Entscheidung im Klageverfahren erfolgen werde.
16
Der Bevollmächtigte begründete die Klage mit Schriftsatz vom 16. Januar 2018 im Wesentlichen damit, dass der Beklagte keine besondere Härtefallprüfung vorgenommen habe. Die Klägerin sei durch Ihren Ehemann auf erhebliche Art und Weise attackiert und herabgewürdigt, beleidigt und in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt worden. Der Ehemann habe der Klägerin nicht erlaubt, sich draußen aufzuhalten und wegzugehen, da „eine verheiratete Frau dies nicht dürfe“. Der Ehemann habe die Klägerin in erheblicher Weise in ihrem Recht auf Selbstbestimmung und in ihrem Recht auf persönliche Freiheit eingeschränkt. Hinzu kämen verbale Attacken und Beleidigungen, die ein Leben mit dem Ehemann schlichtweg unmöglich gemacht hätten. Weiter habe das Landratsamt verkannt, dass eine Aufenthaltserlaubnis für den Zweck des Studiums nicht an einer Einreise mit dem entsprechenden Visum anknüpfe. Denn ein Visum sei zum Zwecke des Studiums überhaupt nicht notwendig, da bereits eine Aufenthaltserlaubnis bestehe. Eine Fortführung des Studiums aus … sei unmöglich, zumal auch im Rahmen eines Fernstudiums Prüfungen vor Ort abgeleistet werden müssten. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2018 ergänzte der Bevollmächtigte unter anderem, dass der Ehemann die Klägerin aufgrund eines massiven Alkoholkonsums über einen längeren Zeitraum bedroht, beleidigt und ihr den Zugriff auf das Konto verwehrt habe, auf das ihr monatliches Gehalt überwiesen worden sei. Er habe ihr mitgeteilt, dass sie sich etwas aus dem Kühlschrank nehmen könne, wenn sie Hunger habe und daher kein Geld benötige. Die Klägerin habe über mehrere Monate ohne Zugriff auf ihr eigen verdientes Geld klarkommen müssen. Die Klägerin sei täglich von ihrem Ehemann als „Neger“ beschimpft und damit bedroht worden, dass er sie zerstören werde, wenn sie ihn verlasse. Er habe ihr zu verstehen gegeben, dass er dafür sorgen werde, dass sie abgeschoben werde. Er habe ihr das Ausgehen mit Freunden verweigert und sie habe in ständiger Angst gelebt, erneut von ihm attackiert zu werden. Durch die Bedrohung, dass er sie „zerstören“ werde, fürchtete sie, dass sich die Lage verschlimmern werde und sie habe sich gezwungen gesehen, sich von ihrem Ehemann zu trennen. Sie habe die Schwester des Ehemanns kontaktiert, bei der Frauennothilfe angerufen und eine Familienrechtsanwältin konsultiert, die ihr alle geraten hätten, sich von ihrem Ehemann zu trennen.
17
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018, eingegangen bei Gericht am 26. Februar 2018, beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
18
Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vorgebrachten Schreiben und Behauptungen seien bereits in der Härtefallprüfung des Bescheids vom 7. Dezember 2017 behandelt worden. Im Übrigen seien die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund des fehlenden Visums nicht gegeben. Gemäß § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV könne eine Aufenthaltserlaubnis ohne ein entsprechendes Visum eingeholt werden, wenn bereits eine Aufenthaltserlaubnis bestehe. Eben diese Aufenthaltserlaubnis liege bei der Klägerin jedoch seit der Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der damit endenden Fiktionswirkung (§ 81 Abs. 4 AufenthG) nicht mehr vor.
19
In der mündlichen Verhandlung beim Amtsgericht Starnberg am 25. Juli 2018 schlossen die Klägerin und der Ehemann im Rahmen des Scheidungsverfahrens einen Vergleich, wonach der Ehemann der Klägerin vom 1. August 2018 bis einschließlich April 2019 einen monatlichen Unterhalt von 1.250 Euro zahlen werde. Damit seien sämtliche Unterhaltsansprüche der Beteiligten für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abgegolten. Der Bevollmächtigte des Ehemanns stellte Scheidungsantrag. Die Bevollmächtigte der Klägerin stimmte dem Scheidungsantrag nicht zu. Zum Scheitern der Ehe wollte die Klägerin keine Angaben machen. Die Ehe der Klägerin und ihres Ehemanns wurde durch Endbeschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 25. Juli 2018 geschieden.
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Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2019 trug der Bevollmächtigte weiterhin vor, dass die Klägerin seit 2016 bis heute „Environmental Science“ (Umweltwissenschaft) an der „...“ in England studiere. Es handele sich um ein Fernstudium, das sie in Teilzeit betreibe. Die Studiendauer sei auf sechs Jahre (zwölf Semester) angelegt. Die Klägerin müsse bestimmte Lerninhalte nach Anleitung und Anweisung eigenständig durcharbeiten und werde in engmaschig angelegten Prüfungen überwacht. Diese Prüfungen fänden in … statt. Für die Prüfungen bestehe Präsenzpflicht. Die Klägerin sei aktuell für das Studium immatrikuliert und habe das Studium durchgehend betrieben. Lediglich im letzten Jahr habe sie aufgrund des Verlusts der Mutter das Studium kurz unterbrochen. Sie zahle Studiengebühren in Höhe von ca. 2.700 Pfund (etwa 3.000 Euro) pro Jahr. Das Studium betreibe sie nur in Teilzeit, da sie als Sachbearbeiterin in einem Abrechnungsservice für Apotheken arbeite, etwa 100 Stunden im Monat.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im Klage- und Eilverfahren, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, die beigezogene Behördenakte sowie die beigezogene Gerichtsakte im Scheidungsverfahren (Az. 002 F 474/17) verwiesen.

Entscheidungsgründe

22
Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
I.
23
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
24
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG, da die Voraussetzungen eines eigenständigen, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängigen Aufenthaltsrechtes des Ehegatten nicht erfüllt sind. Die eheliche Lebensgemeinschaft hat keine drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden. Die Klägerin hat sich nach ca. einem Jahr und neun Monaten von ihrem Ehemann getrennt und ist aus der Ehewohnung ausgezogen; die Ehe ist geschieden.
25
2. Von den Voraussetzungen des dreijährigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft war auch nicht zur Vermeidung einer besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abzusehen. Denn eine besondere Härte i.S.v. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor.
26
2.1. Eine besondere Härte liegt nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
27
Eine besondere Härte im Sinne der 2. Alternative kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn im Einzelfall über die regelmäßig mit der Aufenthaltsverlagerung in ein anderes Land verbundenen Schwierigkeiten hinaus besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer die Ausreisepflicht den Ausländer ungleich härter trifft als alle anderen Ausländer in vergleichbarer Situation (vgl. BVerwG, B.v. 7.4.1997 - 1 B 118.96 - juris Rn. 7). Nachteile, die sich aus den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Heimatstaates ergeben, reichen nicht aus (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., 2018, § 31 AufenthG Rn. 50). Da die Regelung Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gewesen sind, privilegieren soll, sind erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur Gefährdungen, die aus der Auflösung der Ehe folgen oder mit dem vorangegangenen ehe- und familienbedingten Aufenthalt zumindest mittelbar im Zusammenhang stehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 - 1 C 11.08 - BVerwGE 134, 124 ff., juris Rn. 24 ff.).
28
Nach diesen Maßstäben liegt hier keine besondere Härte vor. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach … durch die Auflösung ihrer Ehe gefährdet wäre.
29
2.2. Eine besondere Härte kann nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 AufenthG auch dann vorliegen, wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Er soll nicht wegen der Gefahr der Beendigung seines akzessorischen Aufenthaltsrechts auf Gedeih und Verderb zur Fortsetzung einer nicht tragbaren Lebensgemeinschaft gezwungen werden (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 31 AufenthG Rn. 66).
30
Zwar hat die Klägerin, was das Gericht nicht in Zweifel zieht, als zugezogener ausländischer Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft aus eigener Initiative beendet, was regelmäßig Grundvoraussetzung für die Annahme dieses Härtegrundes ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 12.12.2017 - 10 ZB 17.1993 - juris Rn. 11; B.v. 15.3.2007 - 19 ZB 06.3197 - BeckRS 2007, 29440 Rn. 13; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 31 AufenthG Rn. 63). Auch hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck auf das Gericht gemacht. Sie widerlegte hierbei den Vorwurf der Beklagten, 2006 unter falschem Namen in das Bundesgebiet eingereist zu sein, indem sie in der mündlichen Verhandlung Urkunden einer offiziellen Namensänderung in … vorlegte. Dennoch war ihr nach Überzeugung des Gerichts nicht wegen Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange unzumutbar, weiter an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten.
31
2.2.1. § 31 Abs. 2 AufenthG verlangt zur vorzeitigen Einräumung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts das Vorliegen einer besonderen Härte im Hinblick auf die Zumutbarkeit des weiteren Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft. Dies setzt voraus, dass der Ehepartner Opfer von Übergriffen geworden ist, die zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen seiner Gesundheit, seiner körperlichen oder psychischen Integrität oder seiner Bewegungsfreiheit geführt haben. Zu verlangen sind zumindest solche Eingriffe des Ehepartners, die auf Seiten des Opfers zu einer Situation führen, die maßgeblich durch Angst vor psychischer oder physischer Gewalt geprägt ist und die deshalb die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. OVG Bautzen, B.v. 12.1.2018 - 3 B 325/17 - BeckRS 2018, 1647, Rn. 22). Lediglich gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, können für sich genommen noch nicht dazu führen, dass das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist (vgl. NdsOVG, B.v. 29.11.2011 - 8 ME 120/11 - BeckRS 2011, 56275; BayVGH, B.v. 6.3.2006 - 24 C 06.371 - juris Rn. 15). Die Unzumutbarkeit, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzuführen, ist jedenfalls dann, wenn es durch einen einzelnen Vorfall nicht bereits zu gravierenden Beeinträchtigungen gekommen ist, aufgrund einer wertenden Gesamtschau zu beurteilen. Es kommt nicht auf die subjektiv empfundene Unzumutbarkeit an, sondern die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange muss objektiv eine gewisse Intensität erreicht haben (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2015 - 10 ZB 15.1026 - juris Rn. 6).
32
2.2.2. Die Klägerin hat keine solch gravierenden Umstände dargelegt und nachgewiesen, die mit den in der Rechtsprechung genannten physischen oder psychischen Misshandlungen vergleichbar wären (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2006 - 24 C 06.371 - juris Rn. 15). Die von der Klägerin geschilderten, der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorangehenden Vorgänge (verbale Attacken, Beleidigungen und Machtdemonstrationen des Ehemanns, alkoholbedingte Streitigkeiten, Kontrolle ihrer Handykorrespondenz, Sperre der Karte für das gemeinsame Konto) sind nicht von einer solchen Intensität, dass angenommen werden müsste, die Grenze zur psychischen Misshandlung der Antragstellerin oder zu einer der psychischen Misshandlung gleichzusetzenden Beeinträchtigung sei überschritten.
33
Die Klägerin war nicht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, auch wenn sie dies subjektiv so empfunden haben sollte. Selbst wenn ihr Ehemann ihr, wie sie angibt, nicht erlaubt haben soll, sich draußen aufzuhalten und wegzugehen, da „eine verheiratete Frau dies nicht dürfe“, war sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht in der Wohnung „eingesperrt“. Sie konnte die Wohnung jederzeit verlassen und hat dies nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch getan.
34
Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass die Klägerin Opfer häuslicher Gewalt geworden ist, da die Klägerin dies nicht angegeben hat.
35
Das Gericht geht davon aus, dass es zwischen der Klägerin und dem Ehemann zu Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, auch Kränkungen kam, die letztlich trennungsbegründend wirkten. Die Intensität der genannten Vorgänge führte aber nicht dazu, dass das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar war. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Klägerin nicht auf die Idee kam, Anzeige bei der Polizei zu erstatten, wie sie in der mündlichen Verhandlung angab. Sie hatte zwar Kontakt zu einer Frauennothilfe aufgenommen, aber keine weiteren Schritte eingeleitet, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach eigenen Angaben hat sie sich an Familie und Freunde gewandt. Jedenfalls hat sie für die Übergriffe des Ehemanns keine konkreten Beweisangebote gemacht.
36
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines Teilzeitstudiums nach § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG bzw. keinen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung, da bereits die Voraussetzungen auf Tatbestandsseite nicht erfüllt sind. Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der Anspruch zwar nicht bereits an einem Visumsverstoß, da nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV von der Durchführung eines Visumsverfahrens abgesehen werden kann, wenn ein Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (vgl. hierzu OVG SH, B.v. 9.2.2016 - 4 MB 6/16 - juris Rn. 13). Hier war die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung zur Erteilung/Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis am 22. Dezember 2016 im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (gültig bis 18. September 2017). Jedoch entspricht das Studium der Klägerin nicht den Anforderungen eines Teilzeitstudiums i.S.v. § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG, da sie an einer englischen Hochschule studiert und ihr Studium als Fernstudium betreibt.
37
3.1. Nach eigenen Angaben betreibt die Klägerin ein Teilzeitstudium an der “ … … …“ in England, sodass an sich die Ermessensvorschrift des § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG als Anspruchsgrundlage in Betracht bekommt. § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG nennt als Voraussetzung die Zulassung zu einer staatlichen Hochschule, einer staatlich anerkannten Hochschule oder einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung. Hierunter sind nach Auffassung des Gerichts nur solche Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen zu verstehen, die im Bundesgebiet ansässig sind.
38
Dies ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck des § 16 AufenthG, der ausweislich der Gesetzesbegründung der Bedeutung des Studienstandortes Deutschland im internationalen Vergleich Rechnung tragen und es ermöglichen soll, ausländische Studenten und Studienbewerber unter erleichterten Bedingungen und besseren Perspektiven für einen Aufenthalt im Bundesgebiet zu gewinnen (vgl. BT-Drs. 15/240 Begr. S. 74).
39
Dieses Normenverständnis schlägt sich auch im Wortlaut von § 16 Abs. 9 AufenthG nieder, der in Satz 1 Nr. 2 und in Satz 2 ausdrücklich von „einer staatlichen Hochschule, einer staatlich anerkannten Hochschule oder einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung im Bundesgebiet“ bzw. vom „beabsichtigten Studium in Deutschland“ bzw. „im Bundesgebiet“ spricht. § 16 Abs. 6 Nr. 1 c) AufenthG stellt zwar nicht explizit klar, dass eine Aufenthaltserlaubnis nur zum Zweck eines (Teilzeit-)Studiums in Deutschland bzw. im Bundesgebiet erteilt wird. Eine solche Klarstellung ist in § 16 Abs. 9 AufenthG im Gegensatz zu § 16 Abs. 6 Nr. 1 c) AufenthG aber auch nur deshalb erforderlich, weil es im Rahmen von § 16 Abs. 9 AufenthG darum geht, von einem Studium in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union abzugrenzen (vgl. § 16 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3 c) AufenthG).
40
Diese Lesart entspricht auch den Vorgaben der Richtlinie RL (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- und Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (REST-Richtlinie) (ABl. L 132 vom 21.5.2016, 21), die mit § 16 AufenthG eine Umsetzung erfahren hat. Art. 3 Nr. 13 der Richtlinie definiert „Hochschuleinrichtung” als jede Art von Hochschuleinrichtung, die nach nationalem Recht des betreffenden Mitgliedstaats anerkannt oder als solche eingestuft ist, und an der gemäß dem nationalen Recht oder den Gepflogenheiten anerkannte akademische Grade oder andere anerkannte Qualifikationen der Tertiärstufe erworben werden können, ungeachtet ihrer jeweiligen Bezeichnung, oder jede Einrichtung, die gemäß dem nationalen Recht oder den Gepflogenheiten berufliche Aus- oder Weiterbildung der Tertiärstufe anbietet.
41
Da die Hochschule, an der die Klägerin studiert, eine englische Hochschule ist, ist bereits der Aufenthaltszweck des § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG nicht erfüllt.
42
3.2. Ferner steht einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG wohl auch entgegen, dass die Klägerin ein Fernstudium betreibt.
43
Ob das Erfordernis, dass das Studium den Hauptzweck des Aufenthalts bilden muss, auch für das Teilzeitstudium nach § 16 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 c) AufenthG gilt, kann hier offen bleiben (vgl. Ziffer 16.0.4 AVwV-AufenthG vom 26.10.2009, die die Unterscheidung zwischen Vollzeit- und Teilzeitstudium nicht berücksichtigt; vgl. auch NdsOVG, B.v. 25.4.2018 - 8 ME 13/18 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 6.4.2006 - 24 ZB 05.2066 - juris Rn. 4). Jedenfalls entspricht ein Fernstudium, wie das vorliegende, das sich vor allem an Studenten und Interessenten richtet, die außerhalb des Hochschulstandorts oder im Ausland leben, damit sie das Studium absolvieren können, nicht dem Sinn und Zweck des § 16 AufenthG. Denn hieraus ergibt sich, dass das Studium einen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht zwingend erfordert (vgl. VG Augsburg, B.v. 30.10.2008 - Au 1 S 08.1239 - juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 20.1.2009 - 10 CS 08.2018).
44
4. Gründe für die Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
II.
45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
46
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.