Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.12.2019 – 23 ZB 19.2284
Titel:

Schriftformerfordernis bei einem Antrag auf Zulassung der Berufung

Normenkette:
VwGO § 67 Abs. 4 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 81 Abs. 1 S. 1, § 125 Abs. 1 S. 1, § 124a Abs. 4 S. 1
Leitsatz:
Zur Wahrung des Schriftformerfordernisses bei einem Antrag auf Zulassung der Berufung genügt als Unterschrift grundsätzlich der Familienname. Das Schriftformerfordernis ist auch dann gewahrt, wenn der Familienname mit einer Verwandtschaftsbezeichnung (wie zB Oma) verbunden wird. (Rn. 2 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vertretungszwang, Antrag auf Zulassung der Berufung, Zulassung, Berufung, Schriftformerfordernis, Unterschrift, Identität, Verwandtschaftsbezeichnung, Familienname
Vorinstanz:
VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 30.10.2019 – RN 4 K 19.884
Fundstelle:
BeckRS 2019, 32485

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.
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a) Gewahrt ist zwar das Schriftformerfordernis der §§ 124a Abs. 4 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat ihr ursprüngliches Schreiben vom 2. November 2019 handschriftlich beendet mit „Grüsse von der Schmid-Oma aus Schwarzach“ sowie ihr Antwortschreiben vom 12. November 2019 auf die Nachfrage des Verwaltungsgerichts, in dem sie bestätigte, dass es sich bei dem vorangegangenen Schreiben um einen Antrag auf Zulassung der Berufung handelt, mit „Die Schmid-Oma von Schwarzach“.
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aa) Nach §§ 124a Abs. 4 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Antrag auf Zulassung der Berufung schriftlich zu erheben. Dies bedeutet, dass der Betroffene eigenhändig eine Unterschrift leistet. Die Unterschrift muss ein die Identität des Betroffenen ausreichend kennzeichnender, einmaliger individueller Schriftzug sein, der charakteristische Merkmale aufweist und sich als Wiedergabe eines Namens erkennen lässt. Dazu genügt grundsätzlich der Familienname. Die Unterzeichnung mit einer Verwandtschaftsbezeichnung reicht nicht aus. In jedem Fall muss der Wille des Unterzeichners, selbst zu handeln, eindeutig sein (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 81 Rn. 3 ff. m.w.N.). Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis führt zur Unzulässigkeit des gleichwohl anhängig gewordenen Antrags (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 81 Rn. 16; Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand: 37. EL Juli 2019, § 81 Rn. 9).
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bb) Gemessen daran ist im vorliegenden Fall das Schriftformerfordernis erfüllt. Die Klägerin hat eigenhändig ihren Familienname geschrieben. Dass sie sich zusätzlich als „Oma“ bezeichnet hat, ist unschädlich, da sich das Geschriebene darauf nicht beschränkt. Die Beifügung ist wie der Zusatz „Senior“ zu verstehen, welcher der Abgrenzung zu anderen Personen und damit der Konkretisierung dient. Unter Berücksichtigung aller Umstände gehen aus dem Geschriebenen die Identität sowie der Wille der Klägerin, selbst zu handeln, hinreichend hervor.
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b) Es fehlt jedoch an der nach §§ 124a Abs. 4 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 67 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderlichen Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten.
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aa) Ein Beteiligter muss sich gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - außer in Prozesskostenhilfeverfahren - durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Der Vertretungszwang gilt nach § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, mithin auch für die Einreichung eines Antrags auf Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO.
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bb) Der angegriffene Gerichtsbescheid, der eine ordnungsgemäße Belehrung über den Vertretungszwang enthielt (vgl. Senatsakte, Bl. 12), wurde der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 2. November 2019 zugestellt (vgl. VG Regensburg, Gerichtsakte, Bl. 63 Rückseite). Die einmonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ist damit gemäß § 57 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 2. Dezember 2019 verstrichen. Nach Auskunft der zuständigen Geschäftsstellen am Verwaltungsgericht sowie am Verwaltungsgerichtshof ist bislang kein weiterer Schriftverkehr eingegangen, obwohl der Senat mit Schreiben vom 20. November 2019 ausdrücklich auf den Verstoß gegen den Vertretungszwang und dessen Folgen hingewiesen hat (vgl. Senatsakte, Bl. 15).
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cc) Der Verstoß gegen den Vertretungszwang kann wegen des Versäumens der Antragsfrist nicht mehr durch die Einreichung eines von einem Prozessbevollmächtigten gefertigten Antrags geheilt werden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO wurde nicht gestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, wie bereits dargestellt, der Senat mit Schreiben vom 20. November 2019, auf die Fristversäumung hingewiesen hat. Wiedereinsetzungsgründe sind daher auch anderweitig nicht ersichtlich.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Klägerin keine Einwände erhoben hat.
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4. Mit dieser Entscheidung wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO rechtskräftig.