Titel:
Berücksichtigung der Aufwendungen für künstliche Befruchtung im Einkommensteuerbescheid
Normenkette:
EStG § 26a Abs. 2 S. 2, § 33 Abs. 1
Schlagworte:
Künstliche Befruchtung, Außergewöhnliche Belastung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 25.01.2022 – VI R 34/19
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2020, 50
LSK 2019, 31258
BeckRS 2019, 31258
Tenor
1. Dem Finanzamt wird aufgegeben, den Einkommensteuerbescheid vom 29. März 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2017 dergestalt abzuändern, dass Aufwendungen in Höhe von 13.829,88 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 68% und der Beklagte zu 32%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der 1977 geborene Kläger und seine 1974 geborene Ehefrau sind seit 2009 verheiratet.
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In den Jahren 2011 bis 2013 sind bei der Ehefrau insgesamt vier Fehlgeburten eingetreten. Nach diesen vier Fehlgeburten haben sich die Eheleute entschlossen, Hilfe in einem Zentrum für Reproduktionsmedizin in M. in Anspruch zu nehmen.
3
Die Schwangerschaften wurden nach Ausführungen von Dr. NN, M., in zwei weitgehend gleichlautenden Schreiben vom 25. November 2013 an die Klägerin bzw. an den Ehemann, immer schnell und spontan generiert. Die genetische Untersuchung der letzten Aborte zeigte eine genetische Ursache. Andere Abortursachen waren medizinisch abgeklärt worden und unauffällig. Die einzig realistische Chance zur Erzielung einer fortlaufenden und genetisch unauffälligen Schwangerschaft sah der Arzt in der Durchführung einer IVF mit Mikroinjektion und einer Trophektoderm Biopsie zum Ausschluss genetischer Störungen in der frühen Embryonalentwicklung. Eine ICSI-Behandlung zur Vorbereitung einer Trophektoderm Biopsie sei medizinisch indiziert. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. Februar 2014 führt Dr. NN aus, dass die Problematik des habituellen Abortes vorliege. Genetische Untersuchungen bei beiden Eheleuten würden ein unauffälliges Karyogramm, d.h. eine unauffällige Darstellung der Chromosomen, zeigen. Dennoch komme es bei der Neugenerierung einer Schwangerschaft jeweils zu Fehlverteilungen. Die Verursachung könne nicht einem Partner angelastet werden. Hier sei zumindest eine mindestens 50/50-%-ige Verteilung der möglichen Ursachen männlich/weiblich anzunehmen.
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In einem Protokoll vom 23. Januar 2014 über ein humangenetisches Beratungsgespräch wird ausgeführt, die chromosomalen Mutationen in den Fehlgeburten seien spontan entstanden und beruhten nicht auf einer elterlichen Chromosomenveränderung.
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Die private Krankenkasse des Klägers lehnte mit Schreiben vom 7. Februar 2014 eine Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung im Wesentlichen mit der Begründung ab, aus den vorliegenden Unterlagen könne keine männliche Fertilitätsstörung festgestellt werden. Die geplante ICSI-Therapie mit anschließender Trophektoderm Biopsie werde zur Senkung des Abortrisikos durchgeführt. In erster Linie handle es sich bei den Aborten um eine chromosomale Fehlverteilung in den Eizellen und nicht in den Spermien. Den Eheleuten wurde in diesem Schreiben empfohlen, die Kosten bei der Krankenversicherung der Ehefrau geltend zu machen.
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Die gesetzliche Krankenkasse der Ehefrau lehnte mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2014 ebenfalls eine Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung ab. Maßnahmen der künstlichen Befruchtung könnten nur dann beansprucht werden, wenn eine Schwangerschaft auf anderem Wege nicht herbeigeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei bei der Ehefrau nicht erfüllt, so dass es eindeutig an einer medizinischen Indikation fehle. Auch die Kosten einer ebenfalls vorgesehenen Trophektoderm Biopsie könnte nicht übernommen werden. Eine solche Biopsie entspräche einer Präimplantationsdiagnostik (PID), die unter ethischen Aspekten zu prüfen sei. Solche Maßnahmen wie die Trophektoderm Biopsie zum Ausschluss genetischer Störungen gehörten nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
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In den Jahren 2014 und 2015 fanden mehrere Behandlungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung statt. In einem … Zentrum für Reproduktionsmedizin erfolgten letztendlich vier erfolglose Behandlungen mit nur einem transferierbarem Embryo. Eine weitere Behandlung wurde von dem Kinderwunschzentrum NN abgelehnt. Es folgten weitere Behandlungen in Bregenz und Brüssel, welche zu einer Schwangerschaft mit Zwillingen (Geburt im Dezember 2015) führten. Diese Schwangerschaft ist auf eine Eizellenspende der Schwester der Ehefrau zurückzuführen.
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Für das Jahr 2014 wurden die Ehegatten getrennt veranlagt. Insgesamt machten sie für dieses Jahr mit ihren Einkommensteuererklärungen jeweils vom 12. Januar 2016 Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 29.126,02 € als außergewöhnliche Belastung geltend und beantragten die hälftige Aufteilung auf jeden der Ehegatten. Die geltend gemachten Gesamtkosten, deren Höhe nicht streitig ist, verteilen sich wie folgt:
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Behandlungskosten im Zusammenhang mit eigenen Eizellen der Ehefrau:
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26.998,76
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Behandlungskosten im Zusammenhang mit Eizellenspende (Spenderin Schwester der Ehefrau, also nicht kommerziell):
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2.127,26
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29.126,02
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alle Beträge in €
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Der Einkommensteuererklärung der Ehefrau waren eine detaillierte Auflistung und die dazu gehörenden Belege beigefügt, auf die Bezug genommen wird.
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In den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden für 2014, beide vom 29. März 2016, blieben die Kosten für künstliche Befruchtung jeweils unberücksichtigt.
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Für die Ehefrau wurden vom beklagten Finanzamt (FA) 80 € für eine professionelle Zahnreinigung anerkannt.
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Für den Kläger wurden Krankheitskosten in Höhe von 581 € vom FA anerkannt. Näher erläutert wurden diese Krankheitskosten vom Kläger nicht. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 101.596 € wurde die Einkommensteuer des Klägers für 2014 auf 36.010 € festgesetzt.
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Der Kläger und seine Ehefrau legten mit dem gemeinsamen Schriftsatz vom 11. April 2016 gegen beide Einkommensteuerbescheide Einspruch ein und beantragten weiterhin den Ansatz der Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 29.126 € als außergewöhnliche Belastung.
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Für das Jahr 2015 wurden die Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Mit der Einkommensteuererklärung für 2015 vom 4. Januar 2017 machten sie Aufwendungen für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Höhe von 33.243,46 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die geltend gemachten Gesamtkosten, deren Höhe nicht streitig ist, verteilen sich wie folgt:
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Kosten anlässlich eingetretener Schwangerschaft (aus eigener Eizelle der Ehefrau):
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1.710,49 €
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Behandlungskosten ICVF/PID in Bezug auf die Behandlung eigener Eizellen der Ehefrau:
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11.398,02 €
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Behandlungskosten in Bezug auf gespendete Eizellen (Spenderin: Schwester der Ehefrau; keine kommerzielle Eispende):
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20.134,95 €
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Daneben wurden weitere Krankheitskosten geltend gemacht.
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Mit dem Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 27. Februar 2017 blieben die außergewöhnlichen Belastungen ebenfalls unberücksichtigt.
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Beide Einsprüche bezüglich des Veranlagungszeitraums 2014 wurden mit den getrennten Einspruchsentscheidungen vom 10. Mai 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wurden gesonderte Klagen eingereicht, mit Schriftsatz vom 6. Juni 2017 bezüglich der Ehefrau (6 K 1420/17) bzw. mit Schriftsatz vom 7. Juni 2017 bezüglich des Klägers (6 K 1423/17).
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Mit der weiteren Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2017 wurde der Einspruch der Eheleute gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wenden sie sich mit ihrer Klage vom 1. Juni 2017 (6 K 1471/17).
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Die Klage wird wie folgt begründet:
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Bei den geltend gemachten Kosten handle es sich um Krankheitskosten, die den Eheleuten entstanden seien. Sie seien steuermindernd im Rahmen des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen. Da es sich um Krankheitskosten handle, sei die daraus resultierende Belastung zwangsläufig.
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In den Jahren 2011-2013 sei es zu insgesamt vier Fehlgeburten nach spontanen Schwangerschaften gekommen. Der gehäufte Eintritt von Fehlgeburten sei nicht normal, sondern stelle eine körperliche Regelwidrigkeit dar, die als Krankheit zu qualifizieren sei.
Das mehrfache Auftreten von Aborten werde als habituelle Abortneigung bezeichnet. Diese sei insbesondere dann behandlungsbedürftig, wenn weiterhin Kinderwunsch bestehe und verlange nach ärztlicher Diagnostik und Therapie.
Die Behandlung bestehe darin, diagnostisch den Grund für die wiederholenden Aborte zu ermitteln und, je nach Ergebnis, therapeutisch einzugreifen, damit sich der regelwidrige Ablauf (wiederholte Aborte) nicht mehr wiederhole. Die Therapie habe vorliegend darin bestanden, mittels Trophektoderm Biopsie frühzeitig die embryonale Entwicklung genetisch abzuklären mit dem Ziel, eine nicht nur vorübergehende, sondern dauerhafte Schwangerschaft zu erreichen. Auf die Stellungnahme von Dr. NN vom 25. August 2017 wird Bezug genommen.
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Die geltend gemachten Behandlungskosten enthielten zwei Kostenkategorien. Zum einen Behandlungskosten in Zusammenhang mit Eizellspende der Schwester der Ehefrau, also nichtkommerziell. Zum anderen Behandlungskosten in Zusammenhang mit eigenen Eizellen der Ehefrau.
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Der Bundesfinanzhof habe mit seinem Urteil vom 16. Dezember 2010 (Az.: VI R 43/10) die Behandlung mittels einer Samenspende anerkannt. Werde eine Eizellenspende nicht anerkannt, liege darin eine unzulässige Ungleichbehandlung.
Ob die medizinische Indikation für die Behandlung in einem Defekt der männlichen Samenzelle oder aber in einem Defekt der weiblichen Eizelle liege, ändere - aus Sicht des Kinderwunschpaares - nichts an der Zwangsläufigkeit der behandlungsbedingten Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG.
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Im Gegensatz zu der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2015 (Az.: 2 K 2323/12) handle es sich im Streitfall um keine kommerzielle Eizellenspende sondern um eine Spende im Verwandtenkreis.
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Am Ort der Behandlung in Belgien sei die Behandlung mittels Eizellenspende erlaubt. Somit entstünden aus einem gültigen Behandlungsvertrag durchsetzbare Zahlungsverpflichtungen, die wiederum zwangsläufig im Sinne des deutschen Einkommensteuerrechts seien.
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Auch die Schwangerschaft, die zum 3. Kind geführt habe, resultiere aus einer künstlichen Befruchtung. Dabei seien Samenzellen des Klägers und auch eine Eizelle der Ehefrau verwendet worden. Die diesbezügliche Eizellpunktion sei 2015 mit anschließender Kryokonservierung erfolgt. Der Transfer dieser Eizelle sei 2017 erfolgt. Deswegen seien in 2017 nur geringe Behandlungskosten entstanden.
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Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 7. Juni 2017, 28. August 2017, 15. September 2017, 23. November 2017, 5. August 2019 und 19. August 2019 Bezug genommen.
21
Im Schriftsatz vom 7. Juni 2017 beantragt der Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 29.126 €.
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Der Kläger beantragt nunmehr (Schriftsatz vom 23. November 2017),
die mit Bescheid vom 29. März 2016 festgesetzte Einkommensteuer für 2014 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2017 herabzusetzen unter steuermindernder hälftiger Berücksichtigung einer weiteren außergewöhnlichen Belastung für Aufwendungen in Höhe von 29.126 € für Krankheitskosten (Kinderwunschbehandlung).
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Aufwendungen eines verschiedengeschlechtlichen Paares für eine medizinisch angezeigte homologe künstliche Befruchtung, d. h. unter Verwendung der Eizellen der empfängnisunfähigen Frau und der Samenzellen des männlichen Partners, oder für eine heterologe künstliche Befruchtung, d. h. unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders, könnten als Krankheitskosten zu beurteilen und damit als steuermindernde außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sein.
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Nach dem von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Krankheitsbegriff, dem sich der Bundesfinanzhof grundsätzlich angeschlossen habe, sei die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners als Krankheit, d. h. objektiv als anormaler regelwidriger Körperzustand, einzuordnen. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit sei für Ehepartner, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion.
Da die heterologe Insemination die gestörte Fertilität der Spermien durch einen ärztlichen Eingriff ersetze und damit in ihrer Gesamtheit dazu diene, eine durch Krankheit behinderte Körperfunktionen zu ersetzen, stelle sie eine medizinische Maßnahme zur Beseitigung der unmittelbaren Krankheitsfolgen der Kinderlosigkeit eines verschiedengeschlechtlichen Paares dar. Gleiches gelte bezüglich der homologen/heterologen IVF. Diese stelle ebenfalls einen ärztlichen Eingriff dar, durch den der normale Befruchtungsvorgang durch Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers ersetzt werde.
Demgegenüber komme der Kinderlosigkeit eines Paares nach der Rechtsprechung des BFH nicht selbst Krankheitswert zu. Nachdem keine medizinische Indikation, also keine Fertilitätsstörung bei den Eheleuten, vorliege, könne ihrem Anliegen nicht stattgegeben werden.
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Aus den vorgelegten ärztlichen Gutachten ergebe sich gerade, dass es sich um keine genetische Erkrankung handele. Aus dem Schreiben des humangenetischen Beratungsgespräches vom 23. Januar 2014 gehe hervor, dass keine elterliche Chromosomenveränderung vorliege und die chromosomalen Mutationen allesamt spontan entstanden seien.
Somit könne der vorgebrachten Fertilitätsstörung in Form eines Gendefekts der Eheleute nicht gefolgt werden. Der Tatbestand der organisch bedingten Sterilität bzw. ein Gendefekt liege nicht vor.
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Der deutsche Gesetzgeber habe im Embryonenschutzgesetz eine eindeutige, gesundheitliche begründete, Wertentscheidung gegen die Zulässigkeit einer Eizellenspende getroffen, die auch als Vorgabe für den Bereich des Einkommensteuergesetzes zu beachten sei. Daran ändere auch nichts, dass die im Ausland durchgeführte Maßnahme dort rechtmäßig sei.
Die gesundheitliche Problematik liege bei einer Drittsamenspende nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Grundgesetz könne nicht ausgegangen werden. Auch habe der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 2010 (Az.: VI R 43/10) - anders als im vorliegenden Fall - eine organisch bedingte Sterilität zugrunde gelegen.
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Die Anzahl an Fehlgeburten und chromosomalen Störungen von Eizellen nehme mit zunehmendem Alter signifikant zu. Eine Krankheit sei ein objektiv anomale regelwidrige Körperzustand. Dies liege bei der 1974 geborenen Ehefrau eben gerade nicht vor, da die Fehlgeburten in den Jahren 2011-2013 in einem Alter erfolgt seien, in dem die Häufigkeit von chromosomalen Veränderungen und Fehlgeburten ganz natürlich sei.
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Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidungen und die Schriftsätze vom 28. Juli 2017 Bezug genommen.
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Am 30. Juli 2019 fand ein Termin zur Erörterung des Sachund Rechtsstandes statt, auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
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Die Klage ist teilweise begründet.
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a)
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Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen.
Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch erforderliche Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Deshalb werden regelmäßig auch Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl der körperliche Mangel durch die betreffende Maßnahme nicht behoben, sondern nur „umgangen“ oder kompensiert wird. Dementsprechend erkennt der BFH in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH vom 17. Mai 2017 VI R 34/15, BFH/NV 2017, 1371, m.w.N.).
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b)
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Voraussetzung ist allerdings weiter, dass die den Aufwendungen zugrundeliegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i.S. des § 33 Abs. 1 EStG begründen. Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Verbote beachten. Aufwendungen für nach objektiv-rechtlichen Maßstäben verbotene Behandlungsmaßnahmen sind selbst dann nicht zwangsläufig, wenn sie nicht straf- oder bußgeldbewehrt sind oder wegen eines Strafausschließungsgrundes nicht geahndet werden. Als außergewöhnliche Belastungen sind daher Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu berücksichtigen, wenn die aufwandsbegründende Behandlung insbesondere nicht gegen das deutsche Embryonenschutzgesetz verstößt und mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht (vgl. Urteil des BFH vom 5. Oktober 2017 VI R 2/17, BFH/NV 2018, 194 m.w.N.).
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Nach § 1 des Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) darf in Deutschland eine Eizellenspende, im Gegensatz zu einer Fremdsamenspende, nicht vorgenommen werden. D.h. in Deutschland war die reproduktionsmedizinischen Behandlung der Ehefrau mit Eizellen ihrer Schwester nicht erlaubt. Unerheblich ist dabei, dass die Eizellenspenden nicht kommerziell waren und die Eizellenspende im Land der durchgeführten Übertragung zulässig war.
Eine Ungleichbehandlung zur zulässigen Samenspende liegt nicht vor. Nach der Begründung des Embryonenschutzgesetzes aus dem Jahr 1989 (Bundestags-Drucksache11/5460) soll mit dem Verbot der Eizellspende eine Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische Mutter - die Eizellspenderin - und eine austragende Mutter verhindert werden. Der Gesetzgeber befürchtet, dass diese gespaltene Mutterschaft zu besonderen Schwierigkeiten bei der Selbstfindung des Kindes führt und negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung hat, weil dieses entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zur austragenden Mutter geprägt wird.
Die Behandlungskosten in Bezug auf die gespendeten Eizellen im Jahr 2014 in Höhe von 2.127,26 € könne daher nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
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c)
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Erforderlich für den Abzug als außergewöhnliche Belastung ist, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer „Krankheit“ der Frau (Empfängnisunfähigkeit) oder des Mannes (Zeugungsunfähigkeit) beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Unter einer „Krankheit“ in diesem Sinne ist mit dem BFH, der seinerseits dem Begriffsverständnis der anderen oberen Bundesgerichte folgt, ein objektiv anomaler regelwidriger Körperzustand zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 16. 12. 2010 VI R 43/10, BFH/NV 2011, 684, unter II. 2. a der Gründe).
Nach dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Urteil 9 K 11390/16 vom 18. Oktober 2018, EFG 2019, 106 rkr.) ist davon der Fall abzugrenzen, dass eine objektiv feststellbare herabgesetzten Fertilität nicht auf anormalen organischen Ursachen, sondern auf dem fortgeschrittenen Alter eines Menschen beruht. Es handelt sich in diesem Fall gerade nicht um einen „regelwidrigen“ Körperzustand, sondern um die Folge eines natürlichen biologischen Vorgangs.
Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Das Alter der Klägerin, die bei Beginn der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stellt keinen Umstand dar, der einer Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegenstehen würde. Es liegen weder Anzeichen dafür vor, dass die durchgeführte Behandlung in diesem Alter als medizinisch nicht erfolgversprechend zu erachten wäre, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Schwangerschaft in diesem Alter keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr finden würde (vgl. Urteil des Finanzgerichts München 10 K 2156/08 vom 20. Mai 2009, EFG 2009, 1462, vgl. dazu auch Anmerkung Lutter in EFG 2019, 108).
Die Ehefrau hatte in den Jahren 2011-2013 insgesamt vier Fehlgeburten. Entsprechend der Stellungnahme von Dr. NN war eine Kinderwunschbehandlung medizinisch indiziert. Unerheblich ist dabei, ob eine elterliche Chromosomenveränderung vorliegt. Denn die Krankheit „Kinderlosigkeit“ kann nicht deshalb verneint werden, weil die medizinische Wissenschaft die Ursachen nicht feststellen kann.
Der Senat geht jedenfalls dann von einer Krankheit aus, wenn eine Präimplantationsdiagnostik oder vergleichbare Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Embryonenschutzgesetz zulässig sind.
Bezüglich der Behandlung mit eigenen Eizellen der Ehefrau liegt kein Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz vor.
Für 2014 sind daher 26.998,76 € für die Kinderwunschbehandlung neben den bereits anerkannten Krankheitskosten in Höhe von 80 € (Ehefrau) und 581 € (Kläger), zusammen 27.659,76 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, die hälftig in Höhe von 13.829,88 € bei dem Kläger zu berücksichtigen sind (§ 26a Abs. 2 Satz 2 EStG). Der Senat versteht den Antrag dahin, dass die streitigen außergewöhnlichen Belastungen zusätzlich zu den unstreitigen Beträgen begehrt werden.
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2.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die Revision wird zugelassen.
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