Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 19.11.2019 – Au 1 K 19.1255
Titel:

Auskunftserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz

Normenketten:
VIG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 3 Nr. 4, § 6 Abs. 1
LFGB § 40 Abs. 1a
Leitsätze:
1. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG enthält keine Beschränkung auf produktbezogene Informationen.  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG ist nicht drittschützend, sondern schützt das allgemeine Interesse an einer funktionierenden Verwaltung. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auskunftsersuchen mit dem Ziel der Veröffentlichung der Informationen auf der Plattform „Topf Secret“ sind nicht rechtsmissbräuchlich. (Rn. 31 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunftserteilung nach dem Verbraucherinformationsgesetz, Antragstellung über Plattform „Topf Secret“, festgestellte nicht zulässige Abweichung, missbräuchlicher Antrag (verneint), Informationserteilung durch Herausgabe der Kontrollberichte, Auskunftsanspruch, berechtigtes Interesse, Drittanfechtungsklage, Informationszugang, Marktteilnehmer, wichtiger Grund, Auskunftserteilung, Verbraucherinformation, Topf Secret, Informationserteilung
Fundstelle:
BeckRS 2019, 31097

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem einem Antrag des Beigeladenen auf Gewährung von Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) stattgegeben wurde.
2
Er ist Betreiber einer Gaststätte im Landkreis ... Mit E-Mail vom 22. Juli 2019 beantragte der Beigeladene beim Landratsamt ... die Herausgabe folgender Informationen über den Kläger:
3
1. Wann haben die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im folgenden Betrieb stattgefunden: (…)
4
2. Kam es hierbei zu Beanstandungen? Falls ja, beantrage ich hiermit die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts an mich.
5
Mit Schreiben vom 27. Juli 2019 informierte das Landratsamt den Kläger von dem Auskunftsersuchen und räumte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die beiden zur Herausgabe beabsichtigten Kontrollberichte aus dem Jahr 2018 wurden dem Kläger zur Kenntnis übersandt.
6
Mit Bescheid vom 12. August 2019, adressiert an den Beigeladenen, teilte der Beklagte dem Beigeladenen mit, dass dem Antrag auf Informationsgewährung stattgegeben werde (Ziffer 1). Die Informationsgewährung erfolge durch die Bekanntgabe der Daten der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen und der Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte. Die Informationen würden nach Ablauf von 10 Werktagen seit Zustellung des Bescheids an den Beigeladenen in Schriftform bekannt gegeben, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei (Ziffer 2). In der Begründung wurde ausgeführt, dass die E-Mail vom 22. Juli 2019 einen hinreichend bestimmten Antrag darstellen würde. Ausschluss- oder Beschränkungsgründe seien nicht ersichtlich, der Betrieb habe keine Stellungnahme abgegeben.
7
Mit Schreiben vom selben Tag wurde dem Kläger der gegenüber dem Beigeladenen ergangene Bescheid bekanntgegeben und die Informationsherausgabe angekündigt. Das Verbraucherinformationsgesetz ziele darauf ab, Verbrauchern freien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Ein berechtigtes Interesse bzw. eine bestimmte Verfahrensstellung sei nicht erforderlich. Es bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Übermittlung der beantragten Daten, da Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 3 VIG nicht ersichtlich seien. Auf die Rechtsbehelfsbelehrung:werde verwiesen.
8
Am 21. August 2019 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen diesen Bescheid und beantragte einstweiligen Rechtsschutz. Der Antrag des Beigeladenen auf Informationsgewährung sei über die durch die Organisationen foodwatch e.V. bzw. FragDenStaat betriebene Plattform „Topf Secret“ erfolgt. Es sei fraglich, ob die Anfrage überhaupt von § 1 VIG erfasst sei, da allgemeine und nicht produktbezogene Informationen begehrt würden. Der Antrag sei zudem rechtsmissbräuchlich. Durch die Nutzung der Plattform „Topf Secret“ begehre der Beigeladene nämlich keine Markttransparenz, sondern helfe bewusst beim Aufbau eines in Deutschland nicht vorgesehenen Transparenzsystems wie in Dänemark, Wales oder Norwegen. Eine systematische Veröffentlichung von durch das VIG erworbenen Informationen sei jedoch nicht vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 40 Absatz 1a LFGB seien an eine staatliche Veröffentlichung im Internet hohe Anforderungen zu stellen. Zwar stelle der Staat im vorliegenden Fall die Informationen nicht unmittelbar ins Internet, die zu erwartende Veröffentlichung durch den Beigeladenen komme einer solchen Informationsweitergabe jedoch sehr nahe. Der Eingriff durch die private Plattform sei intensiver, da der Staat auf die Dauer der Informationsbereitstellung und den Kontext nicht mehr einwirken könne. Da die Behörden die Informationen oft zeitlich verspätet bereitstellen würden, sei eine ordnungsgemäße Erfüllung anderer Aufgaben beeinträchtigt (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG). Letztlich sei auch die Art der Informationsgewährung nach § 6 Abs. 1 VIG ermessensfehlerhaft, da zur Vermeidung von Eingriffen in die Berufsfreiheit des Klägers eine mündliche Auskunft ein deutlich milderes Mittel dargestellt hätte. Auch eine Akteneinsicht vor Ort wäre hierzu geeignet. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. November 2019 wurde ausgeführt, dass zudem das Recht auf Kommentierung des Klägers missachtet worden sei, da dieser nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er die Informationen auch kommentieren könne. Dieser Fehler sei nicht heilbar. Das Kommentierungsrecht ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, könne jedoch aus dem Selbsteintrittsrecht aus § 4 Abs. 5 Satz 3 VIG bzw. der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 hergeleitet werden. Letztgenannte Verordnung gelte zwar erst ab dem 14. Dezember 2019, sei zur Auslegung des VIG jedoch heranzuziehen. Aufgrund der Nutzung von „Topf Secret“ sei zudem ein wichtiger Grund im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG gegeben und eine Akteneinsicht in den Räumen des Beklagten vorrangig. Der Beklagte sei zudem nach § 6 Abs. 4 VIG auch nach Übermittlung der Informationen verantwortlich und könne daher die Weiterverbreitung nicht auf den Privatrechtsweg verweisen.
9
Der Kläger beantragt,
10
den Bescheid des Beklagten vom 12. August 2019, Az.:, mit dem der Antrag des Beigeladenen vom 22. Juli 2019 auf Informationsgewährung durch Bekanntgabe der Daten der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen und Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte stattgegeben wird, aufzuheben.
11
Der Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung führt das Landratsamt ... aus, dass die Art der Informationsgewährung durch den Beigeladenen vorgegeben worden sei und somit nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG nur aus wichtigem Grund hätte abgelehnt werden dürfen. Allein die mögliche Weitergabe stelle keinen solchen wichtigen Grund dar, da die Frage der Weitergabe dadurch nicht entschieden sei.
14
Mit Beschluss vom 29. August 2019 wurde der Steller des Antrags auf Informationsgewährung zu dem Verfahren beigeladen. Mit Schreiben vom 6. September 2019 teilte dieser mit, den Antrag aufgrund von gesundheitlichen Beschwerden seiner Schwester sowie zweier Freundinnen gestellt zu haben. Über die Plattform „Topf Secret“ habe er gesehen, dass es für dieses Lokal keine veröffentlichten Hygieneberichte gegeben habe, sodass er sich zur Antragstellung entschieden habe.
15
Nach übereinstimmender Erledigterklärung des Klägers vom 30. September 2019 und des Beklagten vom 16. Oktober 2019 wurde das Eilverfahren mit Beschluss vom 17. Oktober 2019 eingestellt.
16
Am 19. November 2019 fand in der Sache die mündliche Verhandlung statt. Auf die dabei gefertigte Niederschrift wird zur Ergänzung des Sachverhalts ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
18
1. Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 12. August 2019, mit dem einem Antrag des Beigeladenen auf Gewährung von Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz über den Gaststättenbetrieb des Klägers stattgegeben wurde.
19
2. Die Klage ist als Drittanfechtungsklage zulässig.
20
a) Der Kläger ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Adressat des angegriffenen Bescheids ist zwar nicht der Kläger, sondern der Beigeladene, jedoch kann der Kläger auf der Grundlage seines Klagevorbringens die mögliche Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG sieht nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auch den Schutz privater Belange vor. Nach dieser Vorschrift entfällt der Anspruch auf Informationsgewährung, wenn die dort aufgezählten Belange berührt werden. Es besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass die Veröffentlichung von Informationen über (inzwischen beseitigte) Mängel im Betrieb des Klägers zu einer Verletzung von Grundrechten, insbesondere des Art. 12 Abs. 1 GG führt (vgl. VG Regensburg, B.v. 15.3.2019 - RN 5 S 19.189 - juris Rn. 26; VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 - W 8 S 17.1396 - juris Rn. 21).
21
b) Vor der Klageerhebung musste auch nicht erfolglos ein Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO durchgeführt werden (VG Augsburg, U.v. 30.04.2019 - Au 1 K 19.242 - juris Rn. 23 f.).
22
3. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Beigeladenen steht ein Anspruch auf die vom Beklagten beabsichtigte Informationserteilung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG zu. Der Bescheid des Beklagten vom 12. August 2019 ist demnach rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23
a) Einschlägige Rechtsgrundlage für die Auskunftserteilung an den Beigeladenen ist § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG und nicht § 40 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Demnach hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte, nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, der aufgrund dieser Gesetze erlassen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze, sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang getroffen worden sind.
24
b) Der Beigeladene ist hier als natürliche Person Berechtigter des Anspruchs auf Informationszugang nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG. Nach dieser Vorschrift hat nach Maßgabe dieses Gesetzes „jeder“ Anspruch auf freien Zugang zu den dort näher bezeichneten Informationen (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 25ff.).
25
c) Der Antrag des Beigeladenen entspricht auch den Bestimmtheitsanforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG. Danach muss der Antrag hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Hier hat der Beigeladene sein Auskunftsbegehren auf Informationen bezüglich der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im Betrieb des Klägers sowie auf die in diesem Zusammenhang eventuell festgestellten Beanstandungen beschränkt und somit seinen Antrag themenbezogen eingegrenzt. Dies genügt dem Bestimmtheitserfordernis, zumal ein Antragsteller im Voraus nicht wissen kann, welche konkreten Informationen bei der auskunftspflichtigen Stelle vorliegen (vgl. hierzu auch VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 - RN 5 K 14.1110 - juris Rn. 46f.; OVG NRW, U.v. 1.4.2014 - 8 A 655/12 - juris Rn. 138).
26
d) Die Informationen, die der Beklagte dem Beigeladenen zur Verfügung stellen möchte, sind sachlich vom Informationsanspruch umfasst. Bei den in den streitgegenständlichen Kontrollberichten aufgelisteten Mängeln handelt es sich um festgestellte nicht zulässige Abweichungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a), b) und c) VIG. Der Beklagte beabsichtigt vorliegend die Herausgabe der beiden Kontrollberichte vom 4. April 2018 und 4. Dezember 2018. Bei den darin aufgelisteten Mängeln handelt es sich um Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) und des Produktsicherheitsgesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) VIG), um Abweichungen von Anforderungen der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) VIG) sowie um Abweichungen von Anforderungen unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) VIG). So wurden in den beiden Berichten unter anderem Verstöße gegen das LFGB, gegen die Lebensmittelhygiene-Verordnung sowie gegen die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene festgestellt.
27
aa) Nicht ausreichend für die Annahme von festgestellten nicht zulässigen Abweichungen ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 47) die bloße Feststellung von Abweichungen in einem naturwissenschaftlich-analytischen Sinne (sog. „Beanstandungen“). Vielmehr bedarf es zusätzlich einer juristisch-wertenden Einordnung, d.h. einer rechtlichen Subsumtion der Kontrollergebnisse durch die zuständige Behörde (so auch VG Würzburg, B.v. 8.1.2018 - W 8 S 17.1396 - juris Rn. 31; VG Regensburg, U.v. 9.7.2015 - RN 5 K 14.1110 - juris Rn. 51f.; vgl. auch BT-Drs. 17/7374, S. 15). Diese Voraussetzung ist vorliegend weit überwiegend erfüllt. In den streitgegenständlichen Kontrollberichten ist mit Ausnahme der Ziffern 7 und 35 des Kontrollberichts vom 4. April 2018 jeweils zuerst ausgeführt, welche Feststellungen im Rahmen der Kontrolle in bestimmten Räumlichkeiten getroffen wurden. In einem zweiten Schritt wurden dann die einzelnen Feststellungen den konkreten lebensmittelrechtlichen Vorschriften, von denen nach Ansicht der Beklagten in unzulässiger Weise abgewichen wurde, zugeordnet. Mit dieser Zuordnung wurde die erforderliche juristische Subsumtion vorgenommen, dass die naturwissenschaftlich-analytischen Feststellungen von bestimmten gesetzlichen Vorgaben abweichen.
28
Soweit in den Ziffern 7 und 35 im Kontrollbericht vom 4. April 2018 die juristisch-wertende Einordnung fehlt, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugesagt hat, diese Informationen vor einer etwaigen Herausgabe zu schwärzen.
29
bb) Nach Auffassung der Kammer muss die von der Behörde festgestellte „nicht zulässige Abweichung“ auch keinen Produktbezug aufweisen. Zunächst enthält die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG - anders als beispielsweise § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG - bereits ihrem Wortlaut nach keine Beschränkung auf produktbezogene Informationen. Zudem würde eine derart weitgehende Einschränkung auch dem oben dargestellten Sinn und Zweck des VIG, Einzelpersonen möglichst umfassende Informationen über Lebensmittel zu verschaffen, gerade zuwiderlaufen. Denn damit bliebe der komplette Prozess der Herstellung, Verarbeitung, Lagerung und Lieferung von Lebensmitteln aus dem Anwendungsbereich des VIG ausgeklammert. Es besteht jedoch auch ein Interesse des Verbrauchers an Informationen darüber, ob Betriebe beispielsweise bei der Herstellung von Lebensmitteln die gesetzlich vorgeschriebenen Hygienevorschriften einhalten, unabhängig davon, ob im Einzelfall die produzierten Lebensmittel selbst bereits nachteilig beeinflusst worden sind (so auch BayVGH, U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 36ff.; B.v. 6.7.2015 - 20 ZB 14.977 - juris Rn. 4 jeweils mit Verweis auf die Gesetzesbegründung; VG Würzburg, B.v.8.1.2018 - W 8 S 17.1396 - juris Rn. 30; VG Ansbach, U.v. 18.3.2014 - AN 1 K 13.1466 - juris Rn. 173ff.).
30
e) Weiter kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, dass der Beklagte den Antrag des Beigeladenen nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG hätte ablehnen müssen, da durch die Bearbeitung des Antrags die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würden. Der Kläger kann sich auf diese Norm bereits nicht berufen, da diese - wie § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG (BayVGH, U.v. 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 - juris Rn. 32) - nicht drittschützend ist, sondern das allgemeine Interesse an einer funktionierenden Verwaltung schützt und dem Kläger somit kein subjektives Abwehrrecht verleiht. Der Kläger hat zudem nicht dargelegt, dass die konkrete Behörde überlastet sei, sondern sich auf eine allgemeine Überlastung der Behörden berufen. Letztlich besteht beim Beklagten offensichtlich keine Überlastungssituation. Weder hat der Beklagte eine solche vorgebracht, noch ist sie sonst ersichtlich. Der Beklagte hat die am 22. Juli 2019 gestellte Anfrage bereits mit Bescheid vom 12. August 2019 innerhalb der Monatsfrist des § 5 Abs. 2 VIG entschieden. Dies spricht gegen eine Überlastung, da eine zügige und sogar schnellere Bearbeitung als gesetzlich vorgegeben möglich war.
31
f) Auch der Einwand, dass der Beklagte den Antrag des Beigeladenen als rechtsmissbräuchlich hätte ablehnen müssen, greift nicht durch.
32
aa) Nach der Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG ist ein missbräuchlich gestellter Antrag abzulehnen. Der Kläger macht geltend, die Anfrage solle vorliegend nicht den Verbraucher informieren, der die Anfrage verfasst habe, sondern die Kontrollergebnisse sollten, wie von Anfang an beabsichtigt, in eine Internetplattform eingebracht und damit für eine unbegrenzte Anzahl an Personen veröffentlicht werden. Die Motivation des Dritten sei nicht vom Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes, dem Verbraucher bei Konsumentscheidungen zu helfen, getragen. Der eigentliche Zweck sei das Erlangen von Informationen zur Weitergabe an foodwatch zur Veröffentlichung im Internet, um ein Kontrollsystem wie beispielsweise in Dänemark, Wales oder Norwegen aufzubauen. Vorliegend ist aufgrund eines dem Beigeladenen möglicherweise drohenden zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens fraglich, ob zwingend angenommen werden kann, dass der Beigeladene die gewährten Informationen an einen Dritten zur Veröffentlichung weiterleiten bzw. die begehrten Kontrollberichte unmittelbar selbst ins Internet einstellen würde. So hat der Beigeladene selbst ausgeführt, die Informationen aus persönlichen Gründen erhalten zu wollen. Dabei habe er die Plattform „Topf Secret“ genutzt, da noch kein Bericht dort angezeigt gewesen sei. Es spricht daher bereits viel dafür, dass der Beigeladene die Plattform als einfachen Übermittlungsweg nutzte und nicht am Aufbau eines Transparenznetzwerks interessiert ist. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, weil jedenfalls die Informationserlangung und damit auch der Antrag auf Zugang zu den Informationen nicht rechtsmissbräuchlich sind. Ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Veröffentlichung anschließend trotz zunächst bestehender Absicht tatsächlich erfolgt, ist offen und könnte durch den Kläger ohnehin mit Hilfe zivilgerichtlichen Rechtsschutzes unterbunden werden, sofern eine derartige Veröffentlichung unzulässig ist. Auf diese Rechtsschutzmöglichkeit muss sich der Kläger hier verweisen lassen.
33
bb) Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Informationsweitergabe durch die Veröffentlichung auf „Topf Secret“ einer staatlichen Veröffentlichung ähnlich § 40 Abs. 1a LFGB sehr nahe komme. Der individuelle Auskunftsanspruch einerseits und die aktive staatliche Information der Öffentlichkeit andererseits sind völlig verschiedene Arten der Informationsgewährung, bei denen auch hinsichtlich der wettbewerblichen Auswirkungen mit Blick auf die Intensität und Reichweite der gewährten Information gravierende Unterschiede bestehen (vgl. OVG NW, U.v. 12.12.2016 - 13 A 846/15 - juris Rn. 75ff.). Hieran ändert nichts, dass der Auskunftbegehrende gegebenenfalls eine Veröffentlichung der Auskunft beabsichtigt. Zum einen ist mit der erteilten Auskunft nicht zugleich entschieden, dass die von der Auskunft umfassten behördlichen Unterlagen rechtmäßig veröffentlicht werden dürfen (s.o.). Zum anderen besteht ein Unterschied zwischen einer eigenen behördlichen Veröffentlichung und einer Veröffentlichung behördlicher Dokumente durch einen Privaten, z.B. auf dessen privater Internetseite. Eine behördliche Veröffentlichung wirkt unter Inanspruchnahme amtlicher Autorität direkt auf den öffentlichen Kommunikationsprozess ein und verschafft den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer, während einer privaten (Breiten-)Übermittlung nicht die Autorität staatlicher Publikation zu eigen ist. Gegen sie können sich die betroffenen Unternehmen bei sorgfaltswidriger Verbreitung, namentlich im Falle sachlicher Unrichtigkeit, zivilrechtlich zur Wehr setzen (BVerwG, B.v. 15.6.2015 - 7 B 22/14 - juris Rn. 12).
34
cc) Der Verweis auf den Zivilrechtsweg ist hinsichtlich der möglichen Weitergabe der Auskunft an „Topf Secret“ entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nach § 6 Abs. 4 Satz 1 VIG systemwidrig. Demnach sind die herausgegebenen Informationen unverzüglich richtigzustellen, wenn sich die durch die informationspflichtige Stelle zugänglich gemachten Informationen im Nachhinein als falsch herausstellen, sofern dies beantragt oder zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Wenngleich der Gesetzgeber hier die Möglichkeit einer Korrektur der Informationen statuierte, so hat er in § 6 Abs. 4 Satz 2 VIG auch klargestellt, dass die Richtigstellung in derselben Weise erfolgen soll, in der die ursprünglichen Informationen zugänglich gemacht wurden. Insgesamt hat der Gesetzgeber somit festgelegt, dass zwar unter Umständen eine Korrektur auch von Amts wegen zu erfolgen hat, diese jedoch grundsätzlich auf dem ursprünglichen Informationsweg übermittelt wird. Die gesetzliche Regelung widerspricht damit dem klägerischen Vortrag, welcher eine Verantwortlichkeit auch für Folgeverbreitungen durch den Informationsempfänger anführt. Die Zugänglichmachung erfolgt hier durch Übersendung der Kontrollberichte in schriftlicher Form (Ziffer 2 des Bescheids des Beklagten vom 12. August 2019). Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 VIG hat eine eventuelle Korrektur somit ebenfalls schriftlich zu erfolgen. Die Weitergabe dieser Korrektur bei einer Veröffentlichung über eine Internetplattform hat der Kläger in eigener Verantwortung gegebenenfalls zivilrechtlich durchzusetzen (s.o.).
35
g) Auch gegen die vom Beklagten beabsichtigte Art des Informationszugangs für den Beigeladenen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VIG kann die informationspflichtige Stelle den Informationszugang durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnen. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs begehrt, so darf dieser gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Vorliegend hat der Beigeladene mit seinem Antrag vom 22. Juli 2019 die Auskunft begehrt, wann die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen in der Gaststätte des Klägers stattgefunden haben und ob es hier zu Beanstandungen gekommen ist. Für den Fall von Beanstandungen beantragte er ausdrücklich die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts. Der Beklagte hat dem Antrag des Beigeladenen mit Bescheid vom 12. August 2019 stattgegeben und angeordnet, dass die Informationsgewährung durch schriftliche Stellungnahme erfolgen werde. Soweit der Beklagte auch die Herausgabe der beiden letzten Kontrollberichte beabsichtigt, ist dies von der Stattgabe des Antrags im Bescheid vom 12. August 2019 (Ziffer 2) mitumfasst. Damit kommt der Beklagte dem Begehren des Beigeladenen auf eine bestimmte Art des Informationszugangs nach. Von diesem Begehren des Beigeladenen musste die Beklagte nicht durch Informationsgewährung auf andere Art abweichen, weil hierfür kein wichtiger Grund i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG gegeben ist. Soweit der Kläger einwendet, dass in jedem Fall ein wichtiger Grund im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG vorliege, die begehrte Auskunft allenfalls im Rahmen einer Akteneinsicht oder mündlich zu gewähren, greift er mit diesem Einwand nicht durch. Allein die theoretisch mögliche oder gar derzeit beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung der Kontrollberichte durch den Beigeladenen stellt keinen wichtigen Grund dar, bereits die begehrte Art des Informationszugangs abzulehnen, weil mit der Herausgabe der Kontrollberichte, wie oben festgestellt, gerade nicht zugleich entschieden ist, dass der Beigeladene diese auch weitergeben oder gar veröffentlichen darf. Nachdem der Kläger mithilfe der Inanspruchnahme zivilgerichtlichen Rechtsschutzes eine gegebenenfalls rechtswidrige Veröffentlichung verhindern könnte, besteht daher auch kein Anlass, einen wichtigen Grund anzunehmen und die grundsätzlich bestehende gesetzliche Wahlfreiheit bezüglich der Art des Informationszugangs zu beschränken.
36
h) Letztlich erweist sich der Bescheid auch deshalb nicht als rechtswidrig, weil der Kläger auf ein Kommentierungsrecht nicht hingewiesen worden sei, da ein solches Kommentierungsrecht aus § 4 Abs. 5 Satz 3 VIG dem Kläger nicht zusteht. Dieses Selbsteintrittsrecht ermöglicht es dem Kläger nämlich nicht, zu übermittelnde Informationen zu kommentieren, sondern diese alternativ selbst herauszugeben. Lediglich der Übermittelnde der Informationen kann sich bei Selbstverpflichtung des Lebensmittelunternehmers ändern, nicht jedoch der Inhalt der Auskunft. Zudem ist eine Auskunft nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG von § 4 Abs. 5 Satz 3 VIG ausdrücklich ausgenommen. Diese durch den Gesetzgeber bewusst getroffene Entscheidung (BT-Drs. 17/7374, S. 18: „in geeigneten Fällen“) ist teleologisch nachvollziehbar, da ein Unternehmer nicht über sämtliche Behördeninformationen verfügt, welche vom Auskunftsanspruch des VIG umfasst sind. Insbesondere die Informationen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 7 VIG, welche vom Selbsteintrittsrecht ausgenommen sind, liegen üblicherweise regelmäßig nur bei den Behörden vor und können daher alternativ durch die Unternehmen auch nicht weitergegeben werden. Dagegen handelt es sich bei den in § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 VIG genannt Informationen regelmäßig um Auskünfte, die auch einem Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit üblicherweise vorliegen und somit herausgegeben werden können.
37
Es kann dahingestellt bleiben, ob aus Art. 8 Abs. 5 der noch nicht in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 2017/625 ein Kommentierungsrecht für Vorgänge nach dem VIG abgeleitet werden kann, da der Kläger keine Stellungnahme abgegeben hat. Dieser wurde mit Anhörungsschreiben vom 22. Juli 2019 um Stellungnahme zur geplanten Informationsgewährung gebeten. Die Anhörung wurde entgegen der Ansicht des Klägers nicht eingegrenzt auf die Frage des „ob“, sondern betraf in ihrer allgemeinen Form auch die Frage des „wie“. Die Anhörungsgrundlage war durch Übersendung der Kontrollberichte ausreichend konkretisiert. Da daraufhin keine Stellungnahme abgegeben wurde, konnte diese auch nicht einbezogen werden.
38
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich mithin keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
39
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.