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AG Fürstenfeldbruck, Urteil v. 30.01.2019 – 3 Cs 42 Js 26676/18
Titel:

Entwendung von Lebensmitteln aus Abfallcontainer

Normenkette:
StGB § 25 Abs. 3, § 59, § 242 Abs. 1
Leitsatz:
Zur Strafbarkeit der Entwendung von Lebensmitteln aus Abfallcontainern.  (Rn. 12 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Container, Lebensmittel, Entsorgung, Eigentumsaufgabe, Dereliktion, Strafzumessung, Verwarnung, containern
Rechtsmittelinstanzen:
BayObLG, Beschluss vom 02.10.2019 – 206 StRR 1013/19, 206 StRR 1015/19
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 05.08.2020 – 2 BvR 1985/19, 2 BvR 1986/19
Fundstelle:
BeckRS 2019, 27260

Tenor

Die Angeklagten ... und ... – übrige Personalien wie erhoben – sind schuldig eines gemeinschaftlich begangenen Diebstahls.
1. Die Angeklagten werden verwarnt.
2. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 15 EUR bleibt vorbehalten.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Angeklagten.

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gem. § 267 IV StPO)
I.
1
Die nicht vorbestrafte Angeklagte ... studiert Tiermedizin und befindet sich im siebten Semester. Sie lebt von der Unterstützung ihrer Eltern.
2
Die ebenfalls nicht vorbestrafte Angeklagte ... studiert Sinologie. Sie ist Werkstudentin und erhält monatlich 550 EUR. Zusätzlich wird sie von ihren Eltern unterstützt.
II.
3
Am 04.06.2018 gegen 23:00 Uhr entwendeten die Angeklagten gemeinsam verschiedene Lebensmittel aus einem verschlossenem Container in der Anlieferzone der Firma ... in .... Diese Lebensmittel waren dort durch die Eigentümerin, die Firma ..., in einem verschlossenen Container gelagert und standen zur Abholung durch den Abfallentsorger bereit. Die Angeklagten hatten den Container mit einem mitgebrachten Vierkantschlüssel geöffnet, um so an die Lebensmittel zu gelangen. Die Angeklagten taten dies, um die Lebensmittel ohne rechtlichen Anspruch für sich zu behalten. Dies war ihnen bekannt.
4
Für die Entsorgung der Lebensmittel musste das Unternehmen ... Zahlungen an den Abfallentsorger leisten.
III.
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Der Sachverhalt steht fest aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Angaben der Angeklagten, sowie aufgrund der in vollem Umfange glaubhaften Angaben der einvernommenen Zeugen ..., ..., ..., POM ... und POMin ....
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1. Die Angeklagten haben in der Hauptverhandlung keinerlei Angaben zum Sachverhalt gemacht. Sie haben lediglich angegeben, dass sie von der Polizei an der Tatörtlichkeit kontrolliert wurden und dass sie von diesen wie „Schwerverbrecher“ behandelt worden seien. Sie seien aufgefordert worden, die Lebensmittel, welche sich in ihren Taschen befunden haben, wieder in die Tonne zurück zu legen. Ihnen sei vorgeworfen worden, dass sie ein „schweres Verbrechen“ begangen hätten.
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2. Die einvernommene Polizeibeamtin POMin ... hat angegeben, dass sie und ihr Kollege, der Zeuge ..., sich auf Streife befunden haben. Sie haben gesehen, dass die Angeklagten an dem Müllcontainer gestanden seien und dass neben dem Container Lebensmittel frei herumgelegen haben. Darüberhinaus seien Rucksäcke und eine weitere Tüte mit Lebensmittel gefüllt gewesen. Es sei auch ein Vierkantschlüssel gefunden worden, welcher zum Öffnen des Containers geeignet war. Die Angeklagten haben zugegeben, dass sie den Container mit dem Schlüssel geöffnet haben und dass sie die Lebensmittel aus moralischen Gründen entwendet haben. Den Angeklagten sei mitgeteilt worden, dass es sich dabei um eine Straftat handeln würde. Die Angeklagten seien als Beschuldigte belehrt worden und haben die Tat eingeräumt. Die Rucksäcke seien mit Gemüse und Obst, aber auch mit Joghurt und anderen Lebensmitteln gefüllt gewesen. Nicht richtig sei, dass die Angeklagten, wie von diesen behauptet, als Schwerverbrecher behandelt worden seien. Auch sei die Durchsuchung sehr zurückhaltend durchgeführt worden. Die Angeklagten seien lediglich „abgeklopft“ worden.
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3. Der Zeuge ... bestätigt die Angaben der Zeugin .... Die Angeklagten seien unmittelbar am Container angetroffen worden. Die Container seien geöffnet gewesen. In den Taschen der Angeklagten haben sich Lebensmittel befunden. Die Angeklagten haben ihnen mitgeteilt, dass sie die Lebensmittel aus den Containern entnommen haben und dass dies aus moralischen Gründen geschehen sei. Auch haben die Angeklagten eingeräumt, dass sie die Container mit dem aufgefundenen Vierkantschlüssel geöffnet haben. Dies haben die Angeklagten bereits vor Belehrung, aber auch nach Belehrung mitgeteilt. Die Angeklagten seien sehr überrascht gewesen, als sie an der Tatörtlichkeit auf frischer Tat angetroffen wurden. Der zunächst durch den Geschäftsführer der Firma ... gestellte Strafantrag sei von diesem, nachdem in seine Richtung erheblicher öffentlicher Druck entstanden sei, wieder zurückgenommen worden. Der Marktleiter hat bestätigt, dass der Container abends mit einem Schloss, welche mit einem Vierkantschlüssel geöffnet werden kann, gesichert worden sei. Die Lebensmittel seien dann wieder von den Angeklagten auf entsprechende Aufforderung zurück in die Container gelegt worden. Die Angeklagten seien kooperativ gewesen. Es sei nicht richtig, dass die Angeklagten, wie vom diesen behauptet, wie Schwerverbrecher behandelt worden seien. Die Kollegin habe die beiden Angeklagten lediglich kurz abgetastet und habe diese ihre Hosentaschen ausleeren lassen.
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4. Der Zeuge ... hat angegeben, dass er der Filialleiter der ...-Filiale in ..., sei. Nach Mitteilung des Sachverhalts durch die Polizei habe er zunächst Strafantrag gegen die beiden Angeklagten wegen Diebstahls gestellt.
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In dem Container, der abends immer verschlossen werde, werden durch die Firma Lebensmittel, die abgelaufen sind oder Ware, die wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht mehr verkauft werden könne, entsorgt. Für die Entsorgung der Lebensmittel, müsse die Firma ... Zahlungen leisten. Ab Jahresanfang 2018 werden die Lebensmittelcontainer verschlossen und mit einem Schloss gesichert. Er habe den Strafantrag, nachdem es zu massiven Angriffen im Internet gegen ihn gekommen sei, wieder zurückgenommen. Bis Anfang des Jahres 2018 seien die Container nicht verschlossen worden. Nachdem die Revison der Zentrale des Konzerns das Verschließen der Container verlangt habe, sei dies geschehen. In der Folgezeit seien die Container jedoch immer wieder aufgebrochen worden.
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5. Der Zeuge ..., der Bezirksleiter der Firma ... hat angegeben, dass Waren, die nicht mehr verkaufsfähig seien, in der Mülltonne entsorgt werden müssen. Dies sei Ware, die möglicherweise auch wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht mehr verkauft werden könne. Es bestehe die Anweisung, die Tonnen zu verschließen. Grund hierfür sei der unbefugte Zugriff Dritter, mit hieraus resultierenden möglichen Haftungsansprüchen.
IV.
12
Die Angeklagten waren daher zu verurteilen wegen eines Vergehens des gemeinschaftlich begangenen Diebstahls gemäß §§ 242 I, 25 II StGB.
13
Entgegen der Ansicht der Verteidigung muss festgestellt werden, dass die Lebensmittel sich noch im Eigentum der Firma ... befunden haben. Diese ist für die in den Abfallcontainern entsorgte Ware haftungsrechtlich verantwortlich. Dass die Firma ... nicht auf ihr Eigentum verzichtet hat und nicht jedem Zugriff Dritter Preis gegeben hat, kommt auch durch das Verschließen der Container mit einem Schloss eindeutig zum Ausdruck. Damit ist für jeden erkennbar, dass die Ware gerade nicht jedem Zugriff Dritter Preis gegeben werden soll. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass die Ware noch weiter im Eigentum der Firma ... steht. Eine sogenannte Eigentumsaufgabe im Wege der Dereliktion gemäß § 959 BGB hat jedenfalls nicht vorgelegen.
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Weil die Fa. ... durch das Verschließen des Abfallcontainers eindeutig und für jeden Dritten erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, dass keinerlei Eigentumsaufgabe vorgelegen hat, konnten auch die Angeklagten nicht davon ausgegangen, dass ein Eigentumsverzicht vorgelegen hat. Auch die äußeren Umstände sprechen eindeutig dafür, dass die Angeklagten tatsächlich wussten, dass die Wegnahme der Lebensmittel den Tatbestand des Diebstahls erfüllt: Die Angeklagten haben die Lebensmittel im Schutze der Dunkelheit heimlich entwendet und haben noch vor Ort eingeräumt, dass sie aus moralischen Gründen die Lebensmittel weggenommen haben.
V.
15
Bei der Strafzumessung hat das Amtsgericht berücksichtigt, dass die entwendete Ware für den Eigentümer wertlos war und dass die Angeklagten, wenn auch nicht bei Gericht, so jedoch bereits unmittelbar bei Tatbegehung vor der Polizei ein vollumfängliches Geständnis abgelegt haben. Zu ihren Gunsten hat das Amtsgericht auch berücksichtigt, dass die Angeklagten nicht in Bereicherungsabsicht gehandelt haben, sondern einzig um auf den kritikwürdigen Umgang unserer Gesellschaft mit Lebensmittel und anderen Ressourcen hinzuweisen. Zuletzt hat das Amtsgericht berücksichtigt, dass die Angeklagten bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind. Das Amtsgericht hat die Überzeugung, dass die Angeklagten zukünftig sich nicht erneut einschlägig strafbar machen werden.
16
Unter Berücksichtigung dieser Umstände war es vorliegend vertretbar, die Angeklagten lediglich gemäß § 59 StGB zu verwarnen und die Verurteilung zu einer tat- und schuldangemessenen Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 15 EUR vorzubehalten.
VI.
17
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 464 I, 465 I StPO.