Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.10.2019 – 22 CS 19.1418
Titel:

Bauordnungsrechtliches Abstandsflächenrecht - Gefahr durch Eisfall und Eiswurf

Normenketten:
VwGO § 121, § 124a Abs. 5 S. 4, 146 Abs. 4
BlmSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1 S. 2, § 19 Abs. 3, § 20 Abs. 3, § 52, § 53
UVPG § 3c
UmwRG § 4
BayBO Art. 6, Art. 63 Abs. 1
9. BImSchV § 2 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem die Berufung gegen ein Urteil nicht zugelassen wird, bewirkt nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO nur, dass das angegriffene Urteil seine durch den Berufungszulassungsantrag zunächst gehemmten Wirkungen, insbesondere die materielle Rechtskraft, entfaltet. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Inwieweit ein rechtskräftiges Urteil, mit dem ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben wird, einer erneuten Genehmigung entgegensteht, kommt auf die entscheidungstragenden Aufhebungsgründe des Urteils an. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht ist grundstücks- und nicht personenbezogen, der hierdurch vermittelte Schutz kommt daher dem Eigentümer eines Grundstücks als dinglich Berechtigtem zu, nicht aber demjenigen, der ohne dinglichen Rechtsbezug zu dem Grundstück dort arbeitet. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei nachträglichen Anordnungen nach § 17 BImSchG handelt sich nicht um Genehmigungsvoraussetzungen, zu deren Einhaltung Nebenbestimmungen verfügt werden müssen. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wirkung der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem die Berufung gegen ein Urteil nicht zugelassen wird, sowie Wirkung der materiellen Rechtskraft eines Urteils für die Behebung von Fehlern, derentwegen eine Genehmigung aufgehoben worden war, Auseinanderfallen von Vorhabensträger und Bauherr, Betreiber oder Eigentümer einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage, Verfahrensfehler im Sinn des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, Zulassung von Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen, Gefahr von Eisfall und Eiswurf bei einer Windenergieanlage, Immission, Nachbarschutz, Windenergie, Abstandsflächen, Eisfall, Rotorblatt, Rechtskraft, nachträgliche Anordnungen, Nebenbestimmungen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 01.07.2019 – W 4 S 19.684
Fundstelle:
BeckRS 2019, 27060

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
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1. Der Antragsteller wehrt sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Bau und Betrieb einer schon errichteten Windenergieanlage (nachfolgend: WEA) der Beigeladenen.
2
Der Antragsteller wohnt und arbeitet auf einem Gutshof mit angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen, der westlich des Grundstücks FlNr. 3548 der Gemarkung H* … (nachfolgend: Baugrundstück) liegt, auf dem die WEA steht. Die Gebäude des Gutshofs sind von der WEA zwischen ca. 1,3 km und 1,6 km entfernt; zu den Landwirtschaftsflächen des Gutshofs gehören ökologisch bewirtschaftete Spalierobstanlagen, die von der West- bzw. der Nordseite des Baugrundstücks jeweils nur durch einen Feldweg getrennt sind. Das Baugrundstück ist in Nord-Südrichtung ca. 400 m lang und zwischen ca. 155 m (im Norden) und ca. 250 m (im Süden) breit. Es ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde H* … als Sondergebiet für WEA dargestellt.
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Die WEA mit der Typenbezeichnung Enercon E 101 hat eine Nennleistung von 3 MW; sie ist mit einer Nabenhöhe von 135,40 m und einem Rotorradius von 50,50 m insgesamt 185,90 m hoch. Das Landratsamt Würzburg hatte die WEA bereits mit Bescheid vom 26. September 2013 der jetzigen Beigeladenen genehmigt. Dieser Genehmigung vorausgegangen waren u.a. eine artenschutzrechtliche Prüfung (vom 31.1.2013) und eine (unter dem 1.2.2013 erstellte) standortbezogene Vorprüfung nach § 3c UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG (in der im Zeitpunkt des Bescheidserlasses, 26.9.2013, gültigen Fassung), die zum Ergebnis führte, dass das Vorhaben nicht mit erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen verbunden sei. Seit dieser Genehmigung, zu der mehrere Änderungsbescheide ergingen, wurden um den Bau und den Betrieb der WEA mehrere Klage- und vorläufige Rechtsschutzverfahren erster und zweiter Instanz mit verschiedenen Drittbetroffenen und wechselnden prozessualen Beteiligtenstellungen geführt; es gab in dieser Zeit mehrere Bauherrenwechsel, die jeweils dem Landratsamt gemeldet wurden.
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Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hob das Verwaltungsgericht Würzburg die Genehmigung vom 26. September 2013 in der Fassung dreier nacheinander ergangener Änderungsbescheide (vom 5.3.2014, 31.7.2014 - im vorliegend angegriffenen Beschluss versehentlich: „31. Juni 2014“ - und 13.10.2014) auf; der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag der damaligen Beigeladenen auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen (BayVGH, B.v. 22.10.2015 - 22 ZB 15.1584 - juris).
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Unter dem 6. Dezember 2016 beantragte die Beigeladene erneut die im-missionsschutzrechtliche Genehmigung für Errichtung und Betrieb einer WEA (Enercon E 101, Nennleistung 3 MW, Nabenhöhe 135,40 m, 50,50 m Rotorradius) auf dem Baugrundstück. Das Landratsamt führte ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung durch. Bereits vor Erlass der Genehmigung hatte die Betreiberin des Gutshofs im April 2018 vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, dem Landratsamt den Erlass der Genehmigung vorläufig zu untersagen; dieser Antrag war letztlich erfolglos (BayVGH, B.v. 15.10.2018 - 22 CE 18.2092).
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2019 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit Nebenbestimmungen. Von den baurechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO wurde für die Abstandsflächen zu mehreren Grundstücken, u.a. denen der Betreiberin des Gutshofs, eine Abweichung zugelassen. Unter Nr. IX des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Bestandteil der Genehmigung sind gemäß deren Nr. II auf S. 2 u.a. folgende Unterlagen: Aufstellungsplan M 1:2.000 mit eingetragener voller Abstandsfläche (Nr. II 28), der Antrag auf Abweichung von den Vorschriften nach Art. 63 Abs. 1 BayBO (Nr. II 34), naturschutzrechtliche Angaben zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (vom 5.12.2016, Nr. II 68), der Ergebnisbericht der avifaunistischen Kartierungen 2016 (vom 5.12.2016, Nr. II 69), die Darstellung der „Ergebnisse 2015“ des akustischen Fledermausmonitorings (vom März 2016, Nr. II 70), Angaben gem. § 6 UVPG zur Prüfung der Umweltverträglichkeit (vom Dezember 2016, Nr. II 71) und eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen (vom 30.1.2018, Nr. II 72). Die zu erwartenden Umweltauswirkungen bewertete das Landratsamt im angefochtenen Bescheid und fasste die Bewertung sodann dahingehend zusammen, dass keine erheblichen Auswirkungen auf die umweltbezogenen Schutzgüter verblieben, wenn die Maßnahmen zur Vermeidung, Minderung und Sicherung der kontinuierlichen Funktionalität (CEF-Maßnahmen), die Bestandteil des Genehmigungsantrags seien, umgesetzt würden; das Ergebnis der Bewertung werde gemäß § 12 UVPG 2. Halbsatz a.F. bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung berücksichtigt (vgl. Nr. 2.1 auf S. 42 bis 64, Nr. 2.2 auf S. 64 bis 73 sowie Nr. 2.3 auf S. 73 und 74 des Bescheids vom 29.5.2019).
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Am 11. Juni 2019 erhob der Antragsteller Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 29. Mai 2019 (W 4 K 19.683) und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung dieser Klage nach § 80a Abs. 1 Nr. 2, 3, § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 1. Juli 2019 abgelehnt.
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2. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er hat innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (mit Schriftsätzen vom 22.7., 31.7. und 2.8.9.2019) Einwände geltend gemacht und diese mit weiteren Schriftsätzen wie folgt vertieft:
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2.1. Der Antragsteller sei Geschäftsführer der dem Baugrundstück benachbarten Grundstückseigentümerin (Antragstellerin im Parallelverfahren 22 CS 19.1355, in dem der Verwaltungsgerichtshof gleichfalls mit Beschluss vom 7.10.2019 entschieden hat), arbeite regelmäßig, nahezu täglich und viele Stunden wöchentlich, in unmittelbarer Nähe (0 m bis 350 m) der WEA auf den an das Baugrundstück nördlich und westlich anschließenden Feldern. Er verrichte zeitlich intensive Handarbeit in den dort angelegten hochwertigen Biotopen. So beschicke er gerade auch im Winter die Futterstätten bestimmter Tierarten ein bis zweimal täglich. Infolge seiner engen persönlichen und sachlichen, räumlichen und zeitlichen Beziehung zu den in unmittelbarer Nähe der WEA liegenden Biotopen sei der Antragsteller von den Einwirkungen der WEA qualifiziert betroffen.
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2.2. Die Genehmigung vom 29. Mai 2019 sei schon deshalb rechtswidrig, wenn nicht sogar nichtig, weil ihr die formelle Rechtskraft des Urteils entgegenstehe, mit dem die vorherige Genehmigung aufgehoben worden sei. Der in dieser Genehmigung geregelte Sachverhalt einschließlich des Standorts der WEA sei mit dem jetzt geregelten vollständig identisch. Die aus den Behördenakten ersichtlichen häufigen Wechsel der Beteiligten (Antragsteller, Bauherr, Betreiber usw.) hätten zur Folge, dass der jetzigen Beigeladenen das berechtigte Interesse an der Genehmigung, jedenfalls an ihrem sofortigen Vollzug, abzusprechen sei; darüber hinaus machten diese Wechsel die Genehmigung rechtswidrig. Jedenfalls seien aus diesem Grund die Interessen des Antragstellers im Eilverfahren höher zu gewichten. Die Beigeladene sei zudem seit dem „Bauherrenwechsel“ zum 15. März 2015 nicht an der WEA und nicht mehr am Verfahren beteiligt, alle ihre Verfahrenshandlungen oder Anträge seien unwirksam. Der nicht beteiligten Beigeladenen drohten bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch keine finanziellen Verluste.
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2.3. Rechtswidrig sei auch die Zulassung der Abweichungen von den gesetzlichen Abstandsflächen.
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2.4. Die der Genehmigung zugrunde liegenden Gutachten bezüglich der Einwirkungen von Schall seien nicht verwertbar. Denn gemäß einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 22. Februar 2016 an die Regierungen seien nunmehr bei hochliegenden Schallquellen (hierzu zähle eine WEA) die mit Beschluss vom 5./6. September 2017 von der Bund/Län-derarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) empfohlenen überarbeiteten LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei WEA (i.d.F. mit dem Stand 30.6.2016) anzuwenden. Diese nunmehr in Nr. 7.3.1 des bayerischen Windenergie-Erlasses vom 19. Juli 2016 (BayWEE 2016) enthaltene Regelung sei auch in laufenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren anzuwenden, wenn über den Genehmigungsantrag noch nicht entschieden worden sei. Diesen und weiteren im ministeriellen Schreiben genannten Anforderungen und damit auch den Vorgaben des BayWEE 2016 entsprächen die vorliegend der Genehmigung zugrunde gelegten Schallgutachten nicht. Der Antragsteller gehe davon aus, dass die Schallbelastung durch die WEA unerlaubt hoch sei. Weil sich die Schallemissionen sofort beim Anlaufen der WEA verwirklichen würden, sei auch deshalb die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen.
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2.5. Von der WEA gingen Gefahren durch Eisfall, Eiswurf, Teilewurf und Brand aus; diese Gefahren könnten auch nicht durch eine Konzeption der Anlage oder durch Nebenbestimmungen auf ein hinzunehmendes Restrisiko gemindert werden. Alle diese Gefahren seien sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Nachbarschaft im Sinn der drittschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Der Antragsteller sei aufgrund seiner Arbeit im Einwirkungsbereich der WEA Nachbar im Sinn des Immissionsschutzrechts. Das Erfordernis für eine Genehmigung, dass nämlich die Erfüllung der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG normierten Grundpflichten „sichergestellt“ im Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG seien, die dort genannten Gefahren also mit hinreichender, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen seien, sei vorliegend nicht erfüllt.
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2.5.1. Die Wahrscheinlichkeit von Eisablagerungen am Rotor und auch an stillstehenden Teilen der WEA sei vorliegend aufgrund der klimatischen Verhältnisse am Standort und der Konstruktionsmerkmale heute üblicher WEA (Nabenhöhen von mehr als 100 m, Rotorblätter über 50 m Länge) erheblich. Eis könne sich auch während des sogenannten „Trudelbetriebs“ nach Abschalten des Rotors und selbst bei Stillstand des Rotors bilden und herunterfallen oder - im Trudelbetrieb - weggeschleudert werden; anhaftende Eismassen könnten auch in diesen Betriebsphasen noch dicker und größer werden. Das vorliegend genehmigte Eiserkennungssystem („ENERCON Eiserkennung Leistungskurvenverfahren“) sei während des Stillstands des Rotors konstruktionsbedingt wirkungslos; anhaftendes Eis könne während dieser Phase gar nicht erkannt werden. Eine Vorrichtung zum Abtauen des Eises oder zur vorbeugenden Verhinderung von Eisansatz gebe es bei der streitigen WEA nicht. Der vorliegende Standort sei nach dem im Genehmigungsverfahren verwendeten Prüfbericht des „TÜV Süd Industrie Service“ - nachfolgend: TÜV Süd - vom 11. Oktober 2010 in die Windzonenklasse II einzuordnen, was dem Prüfbericht zufolge „Windgeschwindigkeiten bis 8,5 m/s Jahreswindgeschwindigkeit sowie 42,5 m/s Extremwindgeschwindigkeit“ bedeute. Schon ohne stärkeren Wind sei nach allgemeiner Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass Eisbrocken aus einer (mittleren, an der Nabe gemessenen) Höhe von 135,40 m nicht senkrecht herabfielen, sondern im Umkreis von ca. 50,5 m, nämlich dem Rotorradius, aufschlügen. Bei starkem Wind sei mit Verfrachtungen über größere Entfernungen zu rechnen. Einer von der Forschungs- und Koordinierungsstelle Windenergie an der Hochschule Bremerhaven entwickelten Formel zufolge ergebe sich vorliegend im Stillstand der Anlage bei einer Windgeschwindigkeit von 8,5 m/s eine Fallweite von 105 m. Bei Maximalwinden (42,5 m/s) im Stillstand der Anlage ergebe sich eine mögliche Fallweite abgelöster Eisstücke von 526,7 m. Der Arbeitsbereich, in dem der Antragsteller sich überdurchschnittlich lange aufhalte, liege im Gefahrenbereich beim Stillstand der WEA; dies gelte sowohl für geringe wie auch für extrem starke Winde. Selbst im Stillstand der Anlage träfen Eisbrocken bei einer mittleren Fallhöhe von 135 m auch ohne große Windverfrachtung mit einer Geschwindigkeit von über 51 km/h möglicherweise auf dem Körper des Antragstellers auf, was gravierende gesundheitliche Folgen haben könne. Die Gefahr beim Stillstand der WEA sei sogar insofern größer, als der Abfall von Eisstücken eine vom Betreiber der WEA bezweckte Folge des Stillstands sei. Die WEA werde nach Ansatz dickwandigen Eises nämlich gerade deshalb abgeschaltet, um ein Abtauen von Eis zu ermöglichen. Da die Rotoren keine systemeigene Abtaueinrichtung hätten, könne jederzeit aufgrund steigender Temperaturen angelagertes Eis abrutschen und auf dem umliegenden Gelände einschlagen. Das Eiserkennungssystem führe erst bei starker Vereisung zur Abschaltung der WEA, um diese vor Beschädigungen zu schützen. Der Abfall des anhaftenden Eises während des Stillstands sei dann gerade gewollt. Eine WEA im Stillstand könne daher nicht mit freistehenden Gebäuden verglichen werden. Vielmehr komme die Ablösung von Eis bei einer stillstehenden WEA am häufigsten vor, weil dann bei einsetzendem Tauwetter Eisstücke abfielen; WEA seien zudem regelmäßig höher als normale freistehende Gebäude, sie seien auch - anders als diese - nicht mit Vorkehrungen versehen, die wegen der Verkehrssicherungspflicht zum Schutz gegen das Herabfallen von Eis und Schnee gesetzlich vorgeschrieben seien. Dass die Gefahr durch „Eisfall“, also durch von einer stillstehenden WEA herabfallendes Eis, bisher in Rechtsprechung, Schrifttum, Regelwerkwerken und Verwaltungsvorschriften wenig beachtet worden sei, liege nicht daran, dass diese Gefahr gering wäre, sondern entscheidend daran, dass bisher anscheinend noch keine WEA dieser Dimension nur 50 m von einem Grundstück errichtet und betrieben worden sei, auf dem sich regelmäßig Menschen aufhielten, oder daran, dass - im Einzelfall - die Genehmigung versagt oder gerichtlich aufgehoben worden sei (wie im Fall des OVG RhPf, U.v. 19.1.2006 - 1 A 10845/05). Im Trudelbetrieb sei die Gefahr deswegen besonders groß, weil der gutachterlichen Stellungnahme zur Eisüberwachung des TÜV Süd (vom 29.9.2014, Nr. 9) zufolge der Trudelbetrieb bei hohen Windgeschwindigkeiten aktiviert werde; zudem stehe die WEA auch im Betriebsmodus „Stillstand“ nicht wirklich still, sondern der Rotor der streitigen WEA trudele stets nach dem Wind. Im Betrieb der WEA errechne sich nach der genannten Formel der Forschungs- und Koordinierungsstelle Windenergie eine maximale Wurfweite von Eisbrocken durch die streitige WEA von 354 m. In diesem Gefahrenbereich halte sich der Antragsteller fast täglich, vor allem in der kalten Jahreszeit von Oktober bis April, auf. In einem ähnlichen Fall habe das OVG RhPf (U.v. 19.1.2006 - 1 A 10845/05) eine Genehmigung, die trotz der Eiswurfgefahr auf die individuelle Nutzung einer Weihnachtsbaumkultur keine Rücksicht genommen habe, aufgehoben.
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Vorliegend sei ungeachtet der Frage, ob die Abweichungen von den Abstandsflächen überhaupt zulässig seien, durch die Positionierung der WEA nahe dem Arbeitsplatz des Antragstellers ein ungewöhnlich hohes Gefährdungspotential geschaffen worden. Das Vorhandensein geeigneter Vorrichtungen gegen Eiswurf genüge nicht schon zur Rechtfertigung jeder Verkürzung des Sicherheitsabstands. Insbesondere die hier vorliegende Verkürzung des Sicherheitsabstands auf nahezu „Null“ führe trotz solcher - mittlerweile standardmäßig bei WEA vorhandener - Vorrichtungen nicht dazu, dass - wie im BayWEE 2016 gefordert - die WEA so errichtet und betrieben werden könne, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf komme. Das Risiko des Antragstellers, von abgeworfenen oder herabfallenden Eisbrocken getroffen zu werden, liege angesichts seines Aufenthalts auf den an das Baugrundstück angrenzenden Flächen und der Positionierung der WEA nahe an diesen Flächen in der Ecke des Baugrundstücks weit über dem allgemeinen Lebensrisiko, einem unbeachtlichen bloß abstrakten Risiko oder einem zu duldenden Restrisiko, das im Übrigen im Zusammenhang mit für WEA geltenden Bauvorschriften nicht gesetzlich definiert sei. Wenn das Verwaltungsgericht meine, das von Eiswurf ausgehende Risiko sei trotz der zweifelhaften Funktionsfähigkeit des verwendeten Eiserkennungssystem hinzunehmen, so verkenne es, dass auch die Privilegierung von WEA (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) nicht die Wertung des Gesetzgebers enthalte, dass das von WEA ausgehende, ggf. infolge der Besonderheiten des jeweiligen Standorts noch erhöhte, Eiswurfrisiko als Restrisiko hinzunehmen sei; vielmehr gehe der Gesetzgeber davon aus, dass bei Errichtung einer WEA an ihrem Standort die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet werden dürfe. Ausweislich der „Technischen Beschreibung Leistungskurvenverfahren“ der Herstellerfirma (dort unter Nr. 5 „Grenzen“) weise das Eiserkennungsverfahren der WEA Schwächen auf. So sei es bei Stillstand des Rotors wirkungslos und bei Trudelbetrieb oder sich nur langsam drehendem Rotor unzuverlässig. Fachveröffentlichungen zufolge vermittle allein ein solches System ausreichenden Schutz, das durch Heizung der Rotorblätter bereits eine Eisbildung verhindere; ein solches System habe die streitige WEA aber nicht. Das vorliegend eingesetzte System arbeite nicht prognostisch, sondern reagiere nur - vor allem zum Schutz der WEA selbst - auf vorhandene Vereisung, und zwar erst an der Grenze, an der die Nachteile aufgrund der eisbedingten Materialbeanspruchung die Vorteile der Stromerzeugung überstiegen. Das vom Hersteller vorgegebene Toleranzband zur Steuerung der automatischen Abschaltung, dessen Parameter im Detail bislang nicht untersucht worden und den Gutachtern unbekannt seien, enthalte als Kriterium nicht den Umstand, dass in wenigen Metern Entfernung Menschen arbeiteten. Zu bedenken sei auch die Reaktionsträgheit des Systems bei einer Veränderung der Betriebsbedingungen; in der „Technischen Beschreibung“ sei hierfür die Rede von einer Abschaltzeit von „in der Regel“ einer halben Stunde.
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2.5.2. Die vorliegend verfügten Nebenbestimmungen (Nr. 3.13 der Genehmigung) könnten die Gefahr von Eisfall und Eiswurf nicht ausreichend verringern.
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So fehle es an einer Anordnung, mit der nicht nur die Ausstattung der Anlage mit einer Schutzvorrichtung, sondern auch deren Betriebssicherheit samt einer Berichtspflicht gewährleistet seien; der Ausschluss erkannter Gefahren dürfe nicht einer Zusage des Betreibers überlassen werden. Über die Fertigstellung und Betriebstüchtigkeit der Schutzvorkehrung gegen Eiswurf müsse der Genehmigungsbehörde ein geeigneter Nachweis vorgelegt werden; eine diesbezügliche Anordnung fehle. Gleiches gelte für eine Bestimmung, wonach die Betriebstüchtigkeit der Schutzvorkehrung regelmäßig zu prüfen und die Prüfung zu dokumentieren sei, schließlich auch eine Anordnung, wonach der zuständigen Behörde Einsicht in die Dokumentation zu gewähren und ein Betreiberwechsel unverzüglich anzuzeigen seien.
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Die weitere Nebenbestimmung „Gondelpositionierung“ reduziere das Risiko im Stillstand der Anlage nicht. Denn die feste Positionierung der Gondel werde - ausweislich der technischen Unterlagen zur WEA - automatisch dann beendet, wenn die mittlere Windgeschwindigkeit im 10-Minuten-Mittel über 10 m/s oder im 1-Minuten-Mittel über 12 m/s liege. Mit der Nebenbestimmung werde daher ein technisch nicht vorgesehener Betriebsmodus verlangt. Dieser technisch nicht vorgesehene Betriebsmodus wiederum bedürfe einer - bisher nicht vorhandenen - Begutachtung im Hinblick auf die Standsicherheit. Die Vorgabe in der Nebenbestimmung, bei einer bestimmten Windgeschwindigkeit die sogenannte Gondelpositionierung aufzugeben und den Rotor in den Wind zu drehen, werde aufgrund der Witterungsbedingungen an vielen Tagen relevant werden; bei dem dann aktivierten Trudelbetrieb könnten Eisbrocken in die Arbeitsbereiche des Antragstellers geworfen werden. Bei jeder denkbaren Arretierung der Gondel parallel zu einer Grundstücksgrenze würde stets die gesamte Rotorfläche zu einem der betroffenen Grundstücke (FlNr. 19000, 16000 oder 1917) weisen, die Gefahr somit von jedem der drei Rotorblätter ausgehen. Auf dem Grundstück FlNr. 1917 befinde sich ein Apfelgarten mit Heckenbiotop; dort würden im Winter/Frühjahr Pflegearbeiten durchgeführt und täglich vom Antragsteller die Futterhäuser für Vögel und andere Wildtiere aufgefüllt. In der Genehmigung fehle die Anordnung, der Genehmigungsbehörde eine fachlich geeignete und zuverlässige, für die Sichtprüfung der WEA vor ihrer Inbetriebnahme verantwortliche Person vorab zu benennen. Die Kontrolle auf Eisansatz mittels Fernglas tauge schon deshalb nicht als wirksame Schutzvorkehrung, weil das Rotorblatt vom Boden aus nicht ohne weiteres vollständig einsehbar sei (extrem flacher Betrachtungswinkel vom Boden aus, schlechte Zugänglichkeit des Geländes an manchen Beobachtungsstellen, eingeschränkte Sicht z.B. bei Nebel, der im Winter häufig sei). Der willkürlich festgelegte Gefährdungsbereich mit einem Radius von 50,5 m um die WEA, der mit Warnschildern zu kennzeichnen sei, sei nicht nachvollziehbar; üblich sei bei anderen Standorten ein Bereich mit mindestens 200 m Radius. In jedem Fall sei ein kreisrunder Gefahrenbereich von 50,5 m um die WEA viel zu gering und berücksichtige weder die am vorliegenden Standort herrschenden Geländeverhältnisse noch die Wetter- und Windbedingungen. In der „gutachterlichen Stellungnahme zur Eiserkennung, Vermeidung von Eiswurf“ (Bericht Nr. MS-1004-020-BYde, Rev. 6 vom 29.9.2014) heiße es bezüglich der streitigen WEA, die Abstände wegen der Gefahr des Eisabwurfes seien unbeschadet der Anforderungen aus anderen Rechtsbereichen zu Verkehrswegen und Gebäuden einzuhalten, soweit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht auszuschließen sei. Abstände größer als 1,5 x (Rotordurchmesser plus Nabenhöhe) gälten im Allgemeinen in nicht besonders eisgefährdeten Regionen gemäß DIN 1055-5:1975-06 Abschn. 6 als ausreichend. Dafür, dass die streitige WEA das geschilderte Gefahrenpotential tatsächlich habe, spreche auch die Tenorierung im Beschuss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in einem früheren Verfahren (BayVGH, B.v. 4.12.2014 - 22 CS 14.2157 u.a.). Die vom Verwaltungsgerichtshof damals gewählte Möglichkeit der Gefahrenbeherrschung habe sich aber als nicht praxistauglich erwiesen, weil die Beigeladene nicht wie erforderlich mitgewirkt habe.
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2.5.3. Da weder die Konzeption der Anlage noch die Nebenbestimmungen die Gefahr durch Eiswurf und Eisfall ausreichend verringern könnten, bleibe ein Risiko. Zu dulden sei nach der Rechtsprechung aber nur ein solches Restrisiko, das von einer Anlage immer noch ausgehe, obwohl sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen worden seien, also ein Risiko, das sinnvollerweise (nach dem Maßstab „praktischer Vernunft“) nicht weiter minimierbar sei (BVerwG, NVwZ 2007, 88, Rn. 12; BVerwGE 131, 129, Rn. 25, 30). Vorliegend sei das Risiko für den Antragsteller (und andere Beschäftigte) dadurch erheblich erhöht worden, dass die WEA so nahe wie möglich an die Spalierobstanlagen, Biotope und Versorgungseinrichtungen herangeschoben worden sei. Dies dürfe jedenfalls nicht dazu führen, dass die Arbeitgeberin des Antragstellers verpflichtet wäre, die Nutzung ihrer im Gefahrenbereich liegenden Grundstücke aufzugeben. Der Kläger müsse ein erhöhtes Restrisiko für Leib und Leben auch nicht als Sonderopfer erbringen, um dem von der Beigeladenen angeführten öffentlichen Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien auch im Fall einer nicht genehmigungsfähigen Anlage Geltung zu verschaffen. An der Unabhängigkeit der von der Beigeladenen beigebrachten Gutachten (Analysen vom 22.10.2014 und 23.10.2014) bestünden Zweifel; sie wiesen Widersprüche auf, seien unvollständig und nicht nachvollziehbar, und relevante Rohdaten für die Gutachten würden unter Verschluss gehalten. Bei der Risikoanalyse des TÜV-Süd (vom 22.10.2014 und 23.10.2014) seien standortspezifische Daten nicht berücksichtigt worden, stammten die meteorologischen Eingangsdaten nicht vom Standort, sei eine Betrachtung anhand der jahreszeitlich abhängigen bzw. bei Eisfallbedingungen tatsächlich vorherrschenden Windverhältnisse nicht möglich gewesen und seien die orographischen Bedingungen am Standort nicht berücksichtigt und kleinere und leichtere Eisstücke mit größeren Fallweiten als unwesentlich ausgeklammert worden.
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2.6. Von der streitigen WEA gingen zudem eine Brandgefahr sowie die Teilewurfgefahr aus, hierbei handele es sich um sonstige Gefahren im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BImSchG, wie sich u.a. aus der amtlichen Begründung ergebe („Explosions- und Brandgefahr“ in BT-Drs. 7/1 79, S. 31). Bei einem Brand, der nicht unbedingt zur Rauchbildung führe und daher auch nicht stets sofort bemerkt werden müsse, könnten sich Teile (z.B. die Rotorblattspitze aus Aluminiumguss oder Rezeptoren im Rotorblatt, die Fangstange am Spinner oder der sich drehende Ableitring) ablösen und ebenso wie andere von den Rotorblättern erfasste Teile (gelöste Schrauben, Vögel) weggeschleudert werden. Das Risiko des Antragstellers, von solchen Teilen getroffen zu werden, sei wegen seines der WEA nahe liegenden Arbeitsplatzes hoch; es sei dadurch, dass die WEA noch besonders nahe herangeschoben worden sei, zusätzlich erhöht. Die WEA enthalte auch keine Vorrichtung zum Abschalten des Rotors für den Fall, dass die Pitchregelung versage. Dies könne bei Extremwind sogar zum Wegschleudern der ganzen Gondel führen. Die WEA stehe in einem bewaldeten Gebiet, so dass herabfallende brennende Anlagenteile zuerst das weitläufige Heckensystem und dann den Wald in Brand setzen könnten. Ein „Selbstschutz durch Weglaufen“ sei dann nicht zumutbar. Die Nebenbestimmungen zum aktiven Brandschutz änderten an dieser Gefahr nichts, weil sie allenfalls nach einem schädigenden Ereignis eingriffen, dieses aber nicht vermeiden könnten. Die streitige WEA habe keine für die Enercon E-101 konzipierte Kleinlöschanlage in der Gondel, mit der in Waldgebieten stehende WEA regelmäßig ausgestattet seien.
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2.7. Mit der NB 6.4 des angefochtenen Bescheids würden tägliche Abschaltzeiten zum Schutz der Rotmilane nur bis zum 31. Juli 2019 angeordnet. Dies reiche aber nicht aus. Die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP - sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehlerhaft, weil hierbei die Rechtslage vor 2017, nicht aber - wie es geboten gewesen wäre - die Rechtslage des Jahres 2019 angewandt worden sei. Davon unabhängig sei die UVP fehlerhaft hinsichtlich des Prüfungsumfangs und der ungeeigneten und mangelhaft erhobenen Daten. Es sei schon grundsätzlich unsinnig, eine UVP durchzuführen, nachdem durch einen illegalen Eingriff (den Bau und Betrieb der WEA) der Bestand der zu schützenden Arten beseitigt und ihre Wiederansiedlung durch ständigen Betrieb der WEA verhindert worden sei. Zumindest hätte dieser Umstand bei der nachträglichen UVP in die Bewertung und Prognose mit einbezogen werden müssen. Da dies aber unterblieben sei, liege der Genehmigung keine ordnungsgemäße UVP zugrunde. Auch formal sei die UVP nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden, so fehle eine Vorprüfung vollständig. Viele der für die UVP vorgelegten Gutachten und Beschreibungen bezögen sich nicht auf den relevanten Zeitpunkt der Genehmigungserteilung und seien nicht gemäß den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften erstellt worden. Für die ordnungsgemäße Erfassung geschützter Arten seien der BayWEE 2016 sowie der vom Bayerischen Landesamt für Umwelt - LfU - hierzu erstellte Leitfaden maßgeblich, hier aber bei der Erfassung z.B. von Fledermäusen und Vögeln nicht berücksichtigt worden.
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3. Der Antragsgegner (Schriftsatz vom 13.8.2019) und die Beigeladene (Schriftsatz vom 23.8.2019) haben jeweils beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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3.1. Der Antragsgegner macht geltend:
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Der Antragsteller könne nicht die fehlerhafte Anwendung materiellen Naturschutzrechts, sondern nur Verfahrensfehler nach dem UVPG rügen; solche Fehler lägen aber nicht vor. Die Kritik des Antragstellers an der „angewendeten Gesetzeslage vor 2017“ und an der grundsätzlichen „Zulässigkeit einer UVP nach Errichtung der Anlage“ sei nicht nachvollziehbar.
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Soweit der Antragsteller meine, der angefochtenen Genehmigung stehe die Rechtskraft der Aufhebung des Bescheids vom 26. September 2013 entgegen, ein Antrag auf ein neues Genehmigungsverfahren sei nie gestellt worden und eine Genehmigung hätte nicht der B* … … … … …, sondern der Windpark H* … … * … … erteilt werden müssen, setze sich die Beschwerde entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht mit den - zutreffenden - Erwägungen des Erstgerichts (S. 8 bis 10 oben, S. 19 Mitte) auseinander. Davon abgesehen könne bei einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Träger des Vorhabens und damit antragsberechtigt auch derjenige sein, der nicht beabsichtige, die Anlage zu errichten oder zu betreiben (§ 2 Abs. 1 der 9. BlmSchV); die eine Anlage errichtende Person (der „Bauherr“) und der spätere Betreiber (im laufenden Betrieb) dürften auseinanderfallen, auch komme es nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Betriebsgrundstück an.
27
Der Einwand einer - angeblich - ungenügenden Umsetzung der Hinweise der LAI zum Schallimmissionsschutz (Stand 30.6.2016) bleibe erfolglos, weil die Immissionsbelastung an den nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsorten (Wohnhäusern) - so am Gutshof, auf dem der Antragsteller wohne - auch bei Ansatz eines Sicherheitszuschlags von 2 dB(A) oder gar 3 dB(A) weit unter dem für MD-Gebiete (Kerngebiete, Dorfgebiete, Mischgebiete) maßgeblichen Nacht-Immissionsrichtwert von 45 dB(A) bliebe; dies sei in der Tabelle auf Seite 97 unten des Genehmigungsbescheids dargestellt. Daher habe das vorgelegte Gutachten - wie der Bescheid auf Seite 98 Mitte zutreffend ausführe - nicht überarbeitet werden müssen.
28
Die geltend gemachte Gefahr von Eisfall und Eiswurf werde auf Seite 45 und in der dort genannten Antragsunterlage A 6 (Risikobewertung Eisfall für den Standort H* … des TÜV Süd vom 22.10.2014) richtig bewertet. Das dort ermittelte Risiko eines individuellen Todesfalls durch Eiswurf liege innerhalb der Risiko-Akzeptanzschwelle, die das Erstgericht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung zur Risikobewertung bei Flugzeugabstürzen mit 1 Ereignis in 33.300 Jahren angenommen habe. Das Gutachten liege insoweit auf der sicheren Seite.
29
3.2. Die Beigeladene (Schriftsätze vom 23.08.2019 und 10.9.2019) macht zum Teil die gleichen Gründe wie der Antragsgegner geltend und bringt außerdem vor:
30
Der Vortrag der Beschwerdebegründung entspreche zumindest in weiten Teilen nicht den an die Darlegung der Beschwerdegründe unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 S. 3 VwGO) zu stellenden Anforderungen. Dies gelte für die Themen Schall, Infraschall, womöglich auch Eisfall.
31
Zudem sei die Antragsbefugnis nicht dargelegt; sie fehle jedenfalls für viele der erhobenen Einwände. So erfasse der Schutzzeck baurechtlicher Schutznormen wie der Abstandsflächenvorschriften nur den dinglich Berechtigten (regelmäßig den Eigentümer), nicht aber Mieter und Pächter, die nur schuldrechtliche Positionen innehätten. An den Nachbargrundstücken des Baugrundstücks habe der Antragsteller aber weder Eigentum noch eine schuldrechtlich vermittelte Rechtsposition. Was den immissionsschutzrechtlichen Nachbarschutz angehe, fehle es an substantiierter Darlegung und Glaubhaftmachung des Antragstellers dazu, dass er überhaupt auf dem Gutshof wohne (dies bestreite die Beigeladene mit Nichtwissen), dass dieser Wohnort überhaupt im Einwirkungsbereich der WEA (im Sinn von Nr. 2.2 der TA Lärm) liege und dass der Antragsteller im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses sich zu bestimmten Zeiten arbeitsbedingt im Einwirkungsbereich der WEA aufhalte, namentlich in der Spalierobstanlage arbeite. Das UVPG sei nicht drittschützend, nur Beteiligungsrechte könnten die Klagebefugnis begründen; Artenschutzvorschriften seien nicht drittschützend.
32
Davon abgesehen seien die Einwände des Antragstellers auch sachlich unberechtigt.
33
Zutreffend habe das Verwaltungsgericht (BA Nr. 6 auf S. 8 ff.) wie schon das Landratsamt im angegriffenen Bescheid (S. 26 f) dargelegt, dass die Rechtskraft der Entscheidung, mit der die erste Genehmigung aufgehoben worden sei, der erneuten Genehmigung nicht entgegen stehe, weil Grund für die Aufhebung nur eine fehlerhafte UVPG-Vorprüfung und Darlegungsversäumnisse im Hinblick auf die Ermessensausübung bei der Abstandsflächenverkürzung gewesen seien. Rechtsfehler im Hinblick auf das UVPG lägen schon deshalb nicht vor, weil das UVPG vorliegend gar nicht anwendbar sei. Es handele sich hier um den Zubau einer Einzel-WEA zu einem Bestandswindpark, eine nachträgliche Kumulation. Die streitige WEA habe - wie den Antragsunterlagen zu entnehmen sei - indes keinen „engen Zusammenhang“ im Sinn des § 10 Abs. 4 UVPG mit den Bestandsanlagen. Die geltend gemachten Verstöße gegen das Artenschutzrecht, namentlich gegen §§ 44 ff. BNatschG, lägen nicht vor. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch im Hinblick auf die zugelassenen Abweichungen von Abstandsflächenvorschriften nicht zu beanstanden. Dies gelte auch bezüglich der in diesem Zusammenhang vom Antragsteller geltend gemachten Gefahren durch Eisfall; Eiswurf sei von vornherein ausgeschlossen, weil die WEA bei Eisansatz abschalte. Bezogen auf den angegebenen Wohnort des Antragstellers seien die Vorgaben der TA Lärm sicher eingehalten.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
35
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.
36
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt (§ 42 Abs. 1 VwGO analog). Dem Senat ist bereits aus den im Jahr 2015 um dieselbe WEA geführten Rechtsstreitigkeiten und aus einer dort vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 1. April 2015 (die übrigens auch der Beigeladenen vorliegt) bekannt, dass der Antragsteller auf dem genannten Gutshof wohnt und arbeitet und damals die Aufgabe hatte, in den Spalierobstanlagen nahe der WEA zu kontrollieren, ob die seinerzeit vom Verwaltungsgerichtshof (mit B.v. 16.3.2015 - 22 CS 15.310) angeordneten Stillstandsphasen der WEA während Arbeiten in den Spalierobstanlagen eingehalten würden. Dass der Antragsteller, wie er vorträgt, regelmäßig und häufig in den Spalierobstanlagen arbeitet, hat die Beigeladene anscheinend erstinstanzlich nicht angezweifelt. Weshalb jetzt im Beschwerdeverfahren solche Zweifel berechtigt sein könnten, hat die Beigeladene nicht erklärt und ist auch nicht zu erkennen. Dem vorliegend geltend gemachten Lärm wie auch den übrigen Einwirkungen der WEA kann sich der Antragsteller nicht nachhaltig entziehen, wenn er infolge seiner regelmäßigen Arbeit in den Spalierobstanlagen den Einwirkungen der WEA dauerhaft ausgesetzt ist; er hält sich gerade nicht nur zufällig bzw. gelegentlich, d.h. ohne besondere persönliche oder sachliche Bindungen, im Einwirkungsbereich auf. Er ist „qualifiziert betroffen“ im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und damit antragsbefugt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 7 A 11.11 - juris Rn. 33).
37
2. Der Antrag ist unbegründet.
38
2.1. Der Antragsteller meint, aus dem rechtskräftigen Urteil vom 19. Mai 2015 - W 4 K 14.604 u.a. -, mit dem die frühere, vom 26. September 2013 datierende Genehmigung (i.d.F. mehrerer Änderungsbescheide) aufgehoben worden ist, rechtliche Hindernisse ableiten zu können, infolge derer die jetzt erteilte streitgegenständliche Genehmigung rechtswidrig oder gar nichtig sei. In diesem Zusammenhang vertreten die Beteiligten konträre Auffassungen dazu, ob für die jetzt streitige Genehmigung ein „neuer“ Genehmigungsantrag gestellt, ein „neues“ Genehmigungsverfahren durchgeführt oder ein noch nicht abgeschlossenes Genehmigungs- oder Verwaltungsverfahren (zulässig oder unzulässig) fortgeführt worden sei (oder hätte fortgeführt oder neu begonnen werden dürfen) und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben.
39
Die Rechtskraft des vom Antragsteller benannten Urteils wirkt indes nur inter partes und erstreckt sich nicht auf ihn (§ 121 VwGO). Wegen fehlender Offenkundigkeit im Sinne von Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG wäre im Übrigen die Annahme von Nichtigkeit der Genehmigung abwegig. Der Verwaltungsgerichtshof teilt bezüglich der streitigen Frage nach einem neuen Genehmigungsantrag oder einem neuen oder fortgeführten Genehmigungsverfahren weder die Rechtsansicht des Antragstellers noch diejenige des Antragsgegners und der Beigeladenen in allen Punkten; er geht vielmehr von folgendem aus:
40
2.1.1. Der Inhalt der Behördenakten spricht dafür, dass die Beigeladene, nachdem die erste immissionsschutzrechtliche Genehmigung (vom 26.9.2013 einschließlich mehrerer Änderungen) unanfechtbar aufgehoben worden war (Rechtskraft des Urteils vom 19.5.2015 - W 4 K 14.604 u.a. - infolge der Ablehnung des Berufungszulassungsantrags der Beigeladenen, BayVGH, B.v. 22.10.2015 - 22 ZB 15.1584), trotz mancher anders klingender Formulierungen („neu“) die Fortführung des Genehmigungsverfahrens wünschte, wobei die vom Verwaltungsgericht beanstandeten Mängel der ersten Genehmigung behoben werden sollten, und dass auch das Landratsamt den „neuen“ Genehmigungsantrag in diesem Sinn verstanden hat. Der zur Genehmigung gestellte „Lebenssachverhalt“ war weitestgehend unverändert (dasselbe Baugrundstück, dieselbe - schon errichtete und zeitweise betriebene - WEA); geändert bzw. neu hinzukommen sollten lediglich zusätzliche Prüfungen der Genehmigungsvoraussetzungen und auf deren Grundlage weitere oder geänderte Regelungen bezüglich solcher Gesichtspunkte, die in der aufgehobenen Genehmigung fehlerhaft geregelt waren (vgl. folgende Unterlagen in der Behördenakte: Bl. 101, Bl. 2 [Antrag datierend vom 06.12.2016 „… hiermit beantragen wir, das Genehmigungsverfahren nach Bundes-Immissionsschutzgesetz für die WEA bei H* … gemäß § 19 Abs. 3 BlmSchG als förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung fortzuführen …“], dto. Bl. 6). Das Amtsblatt des Landkreises Würzburg vom 13. Februar 2017, in dem gleichfalls von einem „offenen“ Genehmigungsantrag die Rede ist, indiziert gleichfalls ein solches Verständnis.
41
2.1.2. Ungeachtet der Formulierungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss („neuen“ oder „erneut“) ist nicht zweifelhaft, dass auch das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, das bisherige Genehmigungsverfahren solle (da eine das Verfahren abschließende Genehmigung nicht [mehr] existierte, aber auch kein bestandskräftiger Bescheid, mit dem die Genehmigung versagt wurde) fortgeführt und dabei die zur Rechtswidrigkeit der ersten Genehmigung führenden Fehler behoben werden.
42
Die Rechtskraft des die Genehmigung (vom 26.9.2013) aufhebenden Urteils (vom 19.5.2015 - W 4 K 14.604 u.a.) bewirkte vorliegend nicht, dass das Verwaltungsverfahren nicht hätte fortgesetzt werden dürfen. Dabei durften die vom Verwaltungsgericht bemängelten, zur Rechtswidrigkeit der ersten Genehmigung führenden Fehler behoben und eine fehlerfreie Genehmigung für dasselbe Vorhaben erneut erteilt werden. Gleichermaßen hätte eine derartige Genehmigung mit diesem Inhalt aufgrund eines neuen Genehmigungsantrags in einem neuen Genehmigungsverfahren erteilt werden können.
43
Die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Berufung gegen das Urteil (vom 19.5.2015) nicht zugelassen hat, steht dem nicht entgegen. Sie bewirkt nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO nur, dass das angegriffene Urteil seine durch den Berufungszulassungsantrag zunächst gehemmten Wirkungen, insbesondere die materielle Rechtskraft, entfaltet (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 1 und 2; Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 96); ein Beschluss, mit dem die Berufung nicht zugelassen wird, enthält im Regelfall - und auch vorliegend - inhaltlich keine der Rechtskraft fähige Entscheidung. Ihm kommt deshalb keine materielle Rechtskraft zu (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O., § 121 Rn. 6). Der Verwaltungsgerichtshof hat vorliegend dadurch, dass er die Berufung nicht zugelassen hat, den Weg zu einer (zweitinstanzlichen) Sachentscheidung gerade versperrt. Inwieweit ein rechtskräftiges Urteil, mit dem ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben wird, einer erneuten Genehmigung wie im vorliegenden Fall entgegensteht, kommt auf die entscheidungstragenden Aufhebungsgründe des Urteils an. Dies hat das Verwaltungsgericht richtig dargestellt, sowohl was fallübergreifend die hierbei zu beachtenden Grundsätze angeht als auch in Bezug auf die Subsumtion des vorliegenden Falls unter diese Grundsätze (vgl. Beschlussabdruck - BA - Nr. 6 auf S. 8 bis 10, unter zutreffender Wiedergabe der wesentlichen Aufhebungsgründe im Urteil vom 19.5.2015 - W 4 K 14.604 u.a. - juris Rn. 29 bis 40, 41 bis 51; vgl. auch Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 22 und 27 m.w.N.). Eine fallübergreifende Kontrollüberlegung rechtfertigt dieses Ergebnis: Einem Bauherrn darf es nicht verwehrt sein, sein Vorhaben (das u.U. nur wegen Fehlern der Genehmigungsbehörde - vorerst - gescheitert ist) durch Aufrechterhaltung des früheren Antrags oder auch durch einen neuen Genehmigungsantrag weiterhin zu verfolgen. Der vom Vorhaben betroffene Nachbar seinerseits kann nicht beanspruchen, dass er von dem Vorhaben, das er wegen dessen Mängeln im Hinblick auf nachbarschützende Rechte „im ersten Anlauf“ erfolgreich abwehren konnte, auch dann noch „verschont“ bleibt, wenn diese Mängel behoben worden sind. Vorliegend war somit nach Aufhebung der ursprünglichen Genehmigung der Genehmigungsantrag tatsächlich wieder „offen“ (mit der Maßgabe, dass die im rechtskräftigen Aufhebungsurteil für die Aufhebung angeführten Gründe zu berücksichtigen waren).
44
2.2. Dass im Lauf der - mehreren - Verwaltungs- und Gerichtsverfahren mehrmals Bauherrin, Genehmigungsantragstellerin und Genehmigungsinhaberin gewechselt haben, ist vorliegend rechtlich unschädlich. Nach dem, auch von der jetzigen Beigeladenen wiederholten Vortrag der B* … … … … gegenüber dem Landratsamt (vgl. E-Mail vom 6.11.2018 auf Bl. 907) arbeitet diese typischerweise so, dass sie (als „Projektierergesellschaft“) die Vorhaben bis zur Genehmigungserteilung projektiert und danach die WEA auf die eigentliche Betreibergesellschaft (hier die Windpark H* … GmbH & Co. KG) überträgt. Dies ist zulässig. Denn gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 9. BlmSchV kann Träger des Vorhabens auch jemand sein, der nicht beabsichtigt, die Anlage zu errichten und zu betreiben. Außerdem gehört die Zuverlässigkeit des Betreibers grundsätzlich nicht zu den Voraussetzungen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, weil diese eine Sachgenehmigung ist. Bei Unzuverlässigkeit des Betreibers kämen nachträgliche Maßnahmen nach § 20 Abs. 3 BImSchG in Betracht (BayVGH, B.v. 2.3.2010 - 22 CS 09.2995 - juris Rn. 11 m.w.N.). Soweit der Antragsteller nur unsubstantiiert behauptet (zuletzt im Schriftsatz vom 16.9.2019), in den Akten gebe es keinen von einem vertretungsberechtigten Vertreter der Beigeladenen unterschriebenen Antrag auf eine (neue) Genehmigung oder eine Fortsetzung des bisherigen Genehmigungsverfahrens, so genügt er dem Darlegungserfordernis nach § 146 Abs. 4 VwGO nicht.
45
2.3. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, das Landratsamt habe ermessensfehlerhaft Abweichungen von den gesetzlichen Abstandsflächen zugelassen. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht ist allein grundstücksbezogen, der hierdurch vermittelte Schutz kommt daher dem Eigentümer eines Grundstücks als dinglich Berechtigtem zu, nicht aber demjenigen, der - wie vorliegend der Antragsteller - ohne dinglichen Rechtsbezug zu dem Grundstück dort arbeitet. Der auf Art. 14 GG gestützte Nachbarschutz im Bauordnungswie im Bauplanungsrecht ist grundstücks-, nicht personenbezogen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 - 9 C 17.1023 - juris Rn. 8).
46
2.4. Soweit der Antragsteller bemängelt, dass die WEA schalltechnisch nicht, wie es geboten gewesen wäre, als hochliegende Schallquelle untersucht worden sei, kann er damit nicht durchdringen. Das Problem der richtigen Bewertung hochliegender Schallquellen hat vorliegend das Landratsamt nicht verkannt und auch gesehen, dass im Normalfall ein bereits erstelltes Schallgutachten wegen der nunmehr fachlich als notwendig angesehen Anforderungen zu überarbeiten ist, soweit es die Besonderheiten hochliegender Schallquellen betrifft. Das Landratsamt hat in der angefochtenen Genehmigung indes nachvollziehbar dargelegt, weshalb selbst bei einem (mit Rücksicht auf eine etwaige stärkere Schallausbreitung bei hochliegenden Schallquellen) zu vergebenden Zuschlag von 3 dB(A) auf den ermittelten Beurteilungspegel die Immissionsorte nicht im Einwirkungsbereich der WEA nach Nr. 2.2 TA Lärm liegen; es hat daher die Überarbeitung des schon fertigen schalltechnischen Gutachtens als unverhältnismäßig angesehen (Bescheid vom 29.5.2019 S. 98). Nach den - vom Antragsteller selbst zitierten, im ministeriellen Schreiben vom 22. Februar 2016 wiedergegebenen - wissenschaftlichen Erkenntnissen führt die Anwendung der bisherigen Schallmessmethoden bei hochliegenden Schallquellen wie WEA in Abständen zwischen 500 m und 1.500 m zu einer systematischen Unterschätzung „um bis zu 2 dB(A)“. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass nach den vom Umweltschutzingenieur angestellten eigenen Berechnungen und den auf Plausibilität geprüften, von ihm für überzeugend und plausibel gehaltenen Berechnungen im Schallgutachten eine ausreichende „Reserve“ vorhanden ist. Denn der rechnerisch angesetzte Sicherheitszuschlag von 3 dB(A) ist um 1 dB(A) größer als die Unsicherheitsspanne von 2 dB(A); dieser Abstand besteht zu dem für die Lage im Einwirkungsbereich maßgeblichen Richtwert und würde somit bedeuten, dass die von der WEA ausgehenden Geräusche an den untersuchten Immissionsorten nicht etwa 1 dB(A), sondern 11 dB(A) unter dem dort maßgebenden Immissionsrichtwert liegen (vgl. Nr. 2.2 Buchst. a TA Lärm). Hierauf hat der Antragsgegner in seiner Erwiderung (vom 13.8.2019) hingewiesen. Der Antragsteller hat sich hierzu nicht nochmals geäußert; er hat nur vorgebracht, er gehe davon aus, dass die Schallbelastung durch die WEA unerlaubt hoch sei. Dies reicht indes nicht aus, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
47
2.5. Auch gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Vorkehrungen zum Schutz vor Eisfall und Eiswurf ist nach Prüfung im Eilrechtsschutz nichts zu erinnern. Die dem Senat aus den Verwaltungsverfahrens- und den Gerichtsakten sowie dem Vortrag der Beteiligten verfügbaren Informationen erlauben zwar noch keine abschließende Beurteilung, ob die Genehmigung in Bezug auf die geltend gemachte Gefährdung des Antragstellers durch Eisfall und Eiswurf den sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen genügt. Allerdings gewinnt der Verwaltungsgerichtshof aus diesen Informationen die Einschätzung, dass sich die in der Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen zum Schutz vor Eisfall und Eiswurf bei der Prüfung im Klageverfahren voraussichtlich als ausreichend erweisen werden; sie sind gegenüber der früheren, auch dem seinerzeitigen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 4.12.2014 - 22 CS 14.2157 u.a.) zugrunde liegenden Genehmigung verbessert. Das Risiko des Antragstellers, durch von der streitigen WEA herabfallendes oder „geworfenes“ Eis verletzt oder gar getötet zu werden, erscheint daher nach derzeitiger Einschätzung so gering, dass es jedenfalls bis zu einer im Klageverfahren zu erwartenden Klärung noch offener Fragen in Bezug auf die technische Wirkungsweise des eingebauten Eiserkennungssystems („ENERCON Eiserkennung Leistungskurvenverfahren“) sowie in Bezug auf die „Risikobewertung Eisfall“ des TÜV Süd (Bericht Nr.: MS-1004-020-BYde Revision 8 vom 22.10.2014) hingenommen werden kann.
48
2.5.1. In tatsächlicher Hinsicht geht der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der zum Schutz vor Eisfall und Eiswurf verfügten Nebenbestimmungen von folgender Funktionsweise der WEA aus:
49
Der Gefahr von Eiswurf (also dem Wegschleudern von Eis vom sich drehenden Rotor) wird im regulären, der Energiegewinnung dienenden Betrieb der WEA dadurch vorgebeugt, dass das eingebaute Eiserkennungssystem „ENERCON Eiserkennung Leistungskurvenverfahren“ Eisansatz an den Rotorblättern erkennt und die WEA sodann kontrolliert aus dem der Energiegewinnung dienenden Betriebsmodus bringt (Nebenbestimmung - NB - 3.13.1). Danach wird die Gondel in einem Azimutwinkel von 163 Grad arretiert (NB 3.13.2 und Nr. 2.0.2.4 auf S. 39). Diese Arretierung ist wirksam bei Windgeschwindigkeiten bis 7 m/s. Nach dem Abschalten der WEA wegen Eisbildung darf sie erst wieder in Betrieb genommen werden, wenn eine Sichtkontrolle ergibt, dass kein Eisansatz mehr vorhanden ist (NB 3.13.3). Diese Nebenbestimmung ist so zu verstehen, dass durch eine Sichtprüfung positiv die Eisfreiheit festgestellt werden muss. Wenn also die Sichtverhältnisse (z.B. wegen Nebels oder Schneefalls) eine zuverlässige Beurteilung nicht ermöglichen, so darf die WEA nicht wieder in Betrieb gehen.
50
2.5.2. Bei der oben geschilderten Funktionsweise beschränkt sich die von losgelöstem Eis ausgehende Gefahr, die im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einer besonderen Risikobewertung bedarf, auf diejenigen Betriebsphasen, in denen das Eiserkennungssystem nicht oder nicht zuverlässig funktioniert. Dies sind nach der Einschätzung, die der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren gewonnen hat, nur kurze Zeiträume, in denen außerdem das Risiko einer Verletzung (oder Tötung) durch herabfallendes Eis außerordentlich gering ist.
51
2.5.2.1. Bezogen auf das ganzjährig für den Antragsteller bestehende allgemeine Lebensrisiko scheidet die streitige WEA als Ursache einer Schädigung von vornherein für etwa die Hälfte des Jahres wegen der warmen Temperaturen aus, da sich in dieser Jahreszeit kein Eis bilden kann. In der übrigen Zeit („Winterhalbjahr“) kann sich Eis an der WEA nur dann ansetzen, wenn außer hinreichend niedrigen Temperaturen auch Feuchtigkeit herrscht. Voraussetzung für Eisansatz am Rotor ist in der Regel eine hohe Luftfeuchtigkeit bzw. Regen oder Schneefall bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Die häufigsten Vereisungstemperaturen liegen im Bereich von -1°C bis -4°C. Über +1°C und unter -7°C tritt gewöhnlich keine Vereisung auf. Bei Temperaturen unter -7 °C wird die verfügbare Feuchtigkeit in der Luft zu gering (vgl. ENERCON „Technische Beschreibung Leistungskurvenverfahren“ vom 28.10.2010 Nr. 1 auf S. 1). Diese für die Eisbildung erforderlichen Wettervoraussetzungen sind ersichtlich nicht während eines gesamten Winterhalbjahres gegeben.
52
2.5.2.2. Das Eiserkennungssystem schaltet die WEA ab (d.h. es nimmt den Rotor „aus dem Wind“ und bringt die Gondel in eine arretierte Position, die die Arbeitsbereiche des Antragstellers nahe der WEA bestmöglich schützt), bevor sich Eis in einer für die Umgebung gefährlichen Stärke an den Rotoren bilden kann; dies ist eine Stärke von ca. 5 mm (vgl. ENERCON Technische Beschreibung Leistungskurvenverfahren vom 28.10.2010 S. 3; TÜV NORD vom 3.1.2008 bzw. 11.1.2008 S. 2 Nr. 1.1, S. 4 Nr. 2.1, S. 5 Nr. 2.3, S. 5 Nr. 3; TÜV SÜD Schreiben vom 29.9.2014 an B* … … … … S. 3 Nr. 4). Dünne Eisschichten nehmen einerseits gewisse Verformungen auf, zerlegen sich andererseits aufgrund von aerodynamischen Kräften zu ungefährlichen kleinen Bruchstücken geringer Energie (TÜV NORD vom 3.1.2008 bzw. 11.1.2008 S 2 Nr. 1.1). Dies gilt für alle WEA; Anhaltspunkte dafür, dass diese Erkenntnis nicht allgemeingültig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Diese Bewertung wird gestützt durch die Ergebnisse des „WECO-Projekts der EU“ (auf dieses Projekt bezieht sich auch die vom Antragsteller selbst thematisierte „Unabhängige Analyse von Eisfall“ vom 23.10.2014, vgl. dort Nr. 2 auf S. 10). Sie wird weiter gestützt durch inzwischen vorgenommene systematische empirische Felduntersuchungen zu Eiswurf von WEA, denen zufolge knapp 50% der von den untersuchten WEA herabgefallenen Stücke weniger als 50 g und etwa 80% weniger als 200 g wogen, und 40% der Eisstücke sich im Bereich unterhalb des Rotors fanden; in anderen Untersuchungen zu höheren WEA - bis 95 m Nabenhöhe - fanden sich 75% aller Eisstücke im Bereich bis 0,65 x Gesamthöhe; alle Eisstücke fielen in Windrichtung (vgl. Monika Agatz, Windenergie-Handbuch, 15. Ausgabe 2018, S. 169, 170).
53
2.5.2.3. Beim Eisfall (also bei Eisstücken, die nicht durch die Drehung des Rotors „geworfen“ werden) fallen den Untersuchungen zufolge die Eisstücke stets in Windrichtung, während bei den Untersuchungen die Windgeschwindigkeit keinen klar erkennbaren Einfluss hatte („Windenergie-Handbuch“, a.a.O., S. 170). Die am Standort H* … vorherrschende Windrichtung ist Wind aus West bis Südwest. Dies ergibt sich aus der „Unabhängigen Analyse von Eisfall“ vom 23.10.2014, vgl. dort Abb. 3 auf S. 21. Von der WEA herabfallendes Eis würde also dann, wenn es unter dem Einfluss von Wind von der WEA wegverfrachtet würde, in der Mehrzahl der Fälle auch weiter weg von den Arbeitsbereichen des Antragstellers in den Spalierobstzeilen getragen, weil diese westlich bis nordwestlich der WEA (FlNr. 19000 und 16000) bzw. nordwestlich bis nordöstlich der WEA (FlNr. 1917) liegen. Soweit der Antragsteller hinsichtlich der Windverhältnisse bemängelt, dass die „Risikobewertung Eisfall“ (vom 22.10.2014) mit ihren Rohdaten aus der „Unabhängigen Analyse von Eisfall“ (vom 23.10.2014) keine am konkreten Standort selbst gemessenen Ausgangsannahmen zugrunde gelegt habe (Schriftsatz vom 22.7.2017 S. 61), trifft dies zwar zu. Der TÜV Süd hat indes in der genannten Analyse (vom 23.10.2014) für seine Berechnungen die auf Basis eines für den hier geplanten Standort erstellten Windgutachtens (TÜV SÜD „Unabhängiges Windgutachten für den Standort H* …“, MS-1004-020-8Y-de, Rev. 4 vom 15.6.2012) die Daten der benachbarten meteorologischen Station Walldürn als Eingangsdatensatz verwendet und diesen an den geplanten Standort angepasst. Der TÜV Süd hat außerdem in Kenntnis dessen, dass die meteorologischen Eingangsdaten nicht vom geplanten Standort stammen und die Übertragung der verwendeten andernorts gewonnenen Daten auf den geplanten Standort mit Unsicherheiten verbunden sind, die Windstatistik auch noch mit einem Unsicherheitszuschlag versehen (vgl. „Unabhängige Analyse von Eisfall“ vom 23.10.2014 S. 8, 21 und 29).
54
Ein beredtes Indiz dafür, dass im allgemeinen und auch im vorliegenden Fall nur äußerst selten Eisstücke von einer WEA abfallen oder weggeschleudert werden, die eine für Menschen gefährliche Größe oder ein gefährliches Gewicht haben, ist im Übrigen auch der Umstand, dass seitens des Antragstellers oder seiner Arbeitgeberin nicht vorgetragen wurde (und dem Senat auch nicht aus anderen Quellen bekannt ist), dass es in den vergangenen ca. 5 Jahren, in denen die WEA nunmehr steht, jemals zu Eisfall auf die vom Antragsteller während seiner Arbeit begangenen Flächen gekommen wäre. Dieser Zeitraum ist zwar für eine fundierte Risikoanalyse, die auch den „worst case“ der tödlichen Verletzung eines Menschen in den Blick nehmen muss, wohl nicht ausreichend lang. Die Aussage, dass 5 Winter lang gar keine Eisbrocken auf die genannten Flächen herabgefallen sind, vermag aber die im Eilverfahren gewonnene Einschätzung zu stützen, dass das Risiko eines gefährlichen Eisfalls auf diese Flächen außerordentlich gering ist.
55
2.5.3. Der TÜV Süd hat vorliegend das Risiko bewertet, das für den Antragsteller während seiner Arbeit auf den der WEA unmittelbar benachbarten Obstanlagen darin besteht, dass von der WEA Eis herabfallen könnte, nachdem das oben beschriebene Eiserkennungssystem zur Abschaltung der WEA geführt hat („Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014).
56
2.5.3.1. Zur Risikoanalyse und den hierfür herangezogenen Unterlagen (u.a. „Unabhängige Analyse von Eisfall“ vom 23.10.2014, technische Beschreibung „ENERCON Eiserkennung Leistungskurvenverfahren“) wurden vom Antragsteller Fragen angesprochen, die im summarischen Verfahren nicht geklärt werden können. Es handelt sich teils um Verständnisfragen zur Risikoanalyse (sie betreffen die Methodik und die Interpretation der Analyse), teils um Fragen in tatsächlicher Hinsicht, was die der Risikoanalyse zugrunde liegenden „Rohdaten“ und deren Herkunft und Verifizierung sowie Details der Wirkungsweise des Eiserkennungsverfahrens angeht.
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2.5.3.2. Die Risikoanalyse beruht zudem - schon deswegen, weil sie vor ca. 5 Jahren erstellt wurde - auch nicht in jeder Hinsicht auf denjenigen tatsächlichen Parametern, die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Genehmigungserteilung (29.5.2019) gegeben waren. So hat der Antragsteller zutreffend eingewandt, dass gegenüber den damaligen Verhältnissen ein nördlich der WEA in deren unmittelbarer Nähe gelegener, in der Risikoanalyse (vom 22.10.2014) noch nicht berücksichtigter Obstgarten (auf FlNr. 1917, nicht „1719“) hinzugekommen sei, in dem der Antragsteller regelmäßig arbeite. Im Erörterungstermin vom 18. Mai 2017 hatte der Antragsteller darauf hingewiesen, dass eine neue Spalierobstanlage in der Risikoanalyse noch nicht erfasst sei, die zwischen der WEA und der Wasserhochbehälter liege; die Vertreterin des Landratsamts hatte die Existenz dieser neuen Spalierobstanlage direkt neben der WEA bestätigt, der Vertreter der Beigeladenen hatte erklärt, diesem Gesichtspunkt gehe man nach (vgl. S. 35 und 36 des Protokolls über den Erörterungstermin). Eine Spalierobstanlage auf dem Grundstück FlNr. 1917 liegt in einem für die Risikoanalyse relevanten Bereich, wie sich aus der Abbildung 4-1 auf S. 25 der „Risikobewertung Eisfall“ vom 22. Oktober 2014 ergibt (blau bis dunkelgelb gekennzeichnete Segmente, die für Trefferhäufigkeiten von < 1E-10 bis < 1E-07 stehen).
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Andererseits hält sich der Antragsteller nicht jeden Tag ganztägig auf denjenigen Flächen auf, die von Eisfall betroffen sein können. Gleichwohl hat der TÜV Süd in seiner Risikoanalyse eine fiktive „Person C“ mit der längsten Expositionszeit betrachtet und konservativ angenommen, dass der relevante Bezugszeitraum 8 Stunden täglich entspricht und dass die Arbeiten auf der Plantage und die Zeiträume, in denen Eisfall überhaupt vorkommt, genau aufeinandertreffen (vgl. „Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 Nr. 3.2.2 auf S. 22 unten, S. 23 Mitte); die letztgenannte Annahme geht - zugunsten des Antragstellers - offensichtlich deutlich über das realistischerweise zu erwartende Zusammentreffen von mehreren risikoerheblichen Faktoren hinaus.
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Wie sich die Existenz dieser zusätzlichen Fläche unter Berücksichtigung konservativ gewählter Ausgangsparameter rechnerisch und sodann bei der wertenden Betrachtung des ermittelten Risikos auswirkt, kann im summarischen Verfahren nicht beantwortet werden; dies bleibt dem Klageverfahren vorbehalten.
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2.5.3.3. Ein wesentlicher Teil der vom Antragsteller behaupteten Mängel der Risikoanalyse liegt eindeutig nicht vor. So umfasst die Risikoanalyse auch Windgeschwindigkeiten jenseits von 7 m/s. Dass der Gutachter solche höheren Geschwindigkeiten ausgeblendet hätte, wie der Antragsteller meint (Schriftsatz vom 22.7.2019 Buchst. ee auf S. 64 und Buchst. bbb auf S. 65), lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen, und in die dortige Aussage, dass die feste Gondelpositionierung (Azimutwinkel von 163 Grad) für Windgeschwindigkeiten bis 7 m/s berücksichtigt worden sei („Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 S. 8), nicht „hineininterpretieren“. Für das Gegenteil (also dafür, dass das Gutachten auch höhere Windgeschwindigkeiten berücksichtigt hat) spricht vielmehr die der Risikoanalyse zugrunde liegende Annahme, dass die Rotorachse sich mit der Windrichtung verändert, d.h. dass die Rotorblätter je nach Windrichtung in verschiedene Himmelsrichtungen zeigen, soweit nicht bei Geschwindigkeiten unterhalb von 7 m/s die Gondelpositionierung eingreift (vgl. „Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 Nr. 5 auf S. 27). In der Nebenbestimmung zur Gondelpositionierung (Nr. 3.13.2), wonach von der Gondelpositionierung bei Windgeschwindigkeiten über 7 m/s abgesehen werden dürfe, liegt entgegen der Ansicht des Antragstellers auch kein Widerspruch zu der in der „Unabhängigen Analyse von Eisfall“ (vom 23.10.2014, S. 19) wiedergegebenen fachlichen Aussage, dass aus technischen Gründen die feste Positionierung der Gondel beendet werde, wenn die mittlere Windgeschwindigkeit im 10-Minuten-Mittel über 10 m/s liege. Denn die vom Landratsamt in der Nebenbestimmung Nr. 3.13.2 verfügte Zulässigkeit einer Aufhebung der Gondelpositionierung (schon) ab einer geringeren Windgeschwindigkeit schließt die technisch vorgesehene automatische Abschaltung bei einer höheren Windgeschwindigkeit mit ein. Auch die Möglichkeit eines Trudelbetriebs der WEA wurde entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht außer Acht gelassen. Denn zwar liegt seitens des Herstellers eine schriftliche Aussage vor, dass bei einer vereisungsbedingt abgeschalteten WEA von keinem Trudelbetrieb auszugehen sei. Gleichwohl hat der TÜV Süd eine worst-case-Analyse durchgeführt und die Simulation des Eisfalls für eine sich im Trudelbetrieb befindliche Anlage vorgenommen (vgl. TÜV Süd „Unabhängige Analyse von Eisfall“ vom 23.10.2014 S. 29 Nr. 6, „Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 S. 8 Nr. 1 „Ausgangssituation“).
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2.5.4. Für die Berechnung des vorliegend zu bewertenden Risikos einer (schlimmstenfalls tödlichen) Verletzung des Antragstellers gibt es mehrere international übliche Vorgehensweisen, die allerdings letztendlich alle vergleichbare Ergebnisse liefern (TÜV Süd „Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 S. 10 unten). Der TÜV Süd ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das für den Antragsteller bestehende „individuelle Todesfallrisiko“ dem Wert 3.11E-08 1/Jahr entspricht und dass dieses Risiko unterhalb des Schwellenwertes von 1E-07 (entspricht einmal in 10.000.000 Jahren) für akzeptable Risiken liegt, so dass Maßnahmen zur Risikoreduzierung nicht erforderlich seien.
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Der Antragsteller hat gegen diese Bewertung nach summarischer Prüfung im Beschwerdeverfahren - trotz der oben angesprochenen offenen, im Klageverfahren weiter zu verfolgenden Fragen - nichts vorbringen können, was eine Änderung des angegriffenen Beschlusses geböte. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hat (zwar Brandschutzvorkehrungen betreffend, aber doch mit Aussagekraft auch für das Risiko aus anderen Ereignissen) ausgeführt, dass dasjenige Risiko, das nach Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Vorbeugemaßnahmen (dort: das vorgeschriebene Brandschutzkonzept) immer noch verbleibe, dann einer Person zumutbar sei, wenn es nicht größer sei als z.B. das Risiko, einen Verkehrs- oder sonstigen Unfall zu erleiden; für dieses Risiko werde grundsätzlich eine Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in 33.300 Jahren angenommen (vgl. HessVGH, B.v. 26.9.2013 - 9 B 1674/13 - juris Rn. 24 unter Hinweis auf HessVGH, U.v. 21.8.2009 - 9 C 227/08.T u.a. - juris Rn. 1096; BayVGH, U.v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 - juris Rn. 550). Diese Eintrittswahrscheinlichkeit liegt noch ganz erheblich über derjenigen, die vorliegend vom TÜV Süd für den Antragsteller mit R = 3.11E-08 Todesfallwahrscheinlichkeit/Jahr ermittelt wurde und damit unterhalb des Schwellenwertes von 1E-07 (entspricht einmal in 10.000.000 Jahren) für akzeptable Risiken liegt (TÜV Süd „Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 S. 26 und Nr. 5 auf S. 27).
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Vorliegend hält es der Verwaltungsgerichtshof nicht für ganz ausgeschlossen, aber doch für sehr wenig wahrscheinlich, dass eine Detailprüfung im Hauptsacheverfahren zum Ergebnis gelangen könnte, das Risiko des Antragstellers, durch von der streitigen WEA herabfallendes oder „geworfenes“ Eis verletzt oder gar getötet zu werden, liege in einem nicht akzeptablen Bereich. Arbeiter in der Spalierobstanlage setzen sich auch schon infolge ihrer Tätigkeit einem spezifischen beruflich bedingten Schädigungsrisiko aus, das nach derzeitiger Einschätzung im summarischen Verfahren bei realistischer Betrachtung deutlich höher sein dürfte als dasjenige Risiko, das nach der vorliegenden Risikoanalyse für die Gefahr einer Verletzung durch herabfallendes Eis besteht: Der Darstellung von Vergleichs-Todesfallrisiken (TÜV Süd „Risikobewertung Eisfall“ vom 22.10.2014 Tabelle 2 auf S. 17) zufolge wird das Todesfallrisiko etwa im Urlaub und bei Hausarbeit sonach jeweils mit 1.0E-04 bewertet, das Todesfallrisiko durch Blitzschlag je nach Region mit 1.0E-07 bis 5.0E-07. Demgegenüber liegt das vorliegend für einen Arbeiter in der Spalierobstanlage ermittelte Todesfallrisiko bei 3.11E-08 1/Jahr.
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Eine Änderung des angegriffenen erstinstanzlichen Beschlusses wegen der Gefahr von Eisfall oder Eiswurf ist daher nicht veranlasst.
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2.6. Soweit der Antragsteller geltend macht, von der streitigen WEA gingen eine Brandgefahr sowie die Teilewurfgefahr aus, mag es sich - je nachdem, wie sich ein Brand auswirkt - einerseits um sonstige Gefahren im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BImSchG handeln. Andererseits ist davon auszugehen, dass diesen Gefahren dann ausreichend entgegengewirkt ist, wenn die hierfür bestehenden Vorschriften (Brandschutzanforderungen, Brandschutzkonzept, Standsicherheitsnachweis) eingehalten werden. Einen über die Einhaltung dieser Vorschriften noch hinausgehenden Schutz kann ein Nachbar oder ein sich nur gelegentlich dort in der Nähe Aufhaltender, wie der Antragsteller, nicht verlangen. Vorliegend macht der Antragsteller weder substantiiert geltend, dass die für die WEA geltenden Vorschriften nicht tauglich seien noch dass die angefochtene Genehmigung insoweit defizitär sei. Auch was die regelmäßige Wartung und Überprüfung von potentiell gefährlichen Anlagen angeht, existieren Vorschriften und verbindliche Regelwerke, die - auch ohne dass dies explizit in einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vorgeschrieben sein müsste - vom Betreiber zu beachten sind (vgl. § 5 Abs. 1 BImSchG). Der Antragsteller hat insoweit keine Norm und kein untergesetzliches technisches Regelwerk benannt, gegen das die streitige Genehmigung verstoßen hätte. Eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses ist daher insoweit nicht veranlasst.
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2.7. Die Einwände des Antragstellers im Hinblick auf Verstöße der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegen (nicht drittschützende) artenschutzrechtliche Vorschriften (betreffend geschützte Vögel, insbesondere den Rotmilan, Fledermäuse und Insekten) sind unbeachtlich. Denn private Dritte können eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht unter Berufung auf solche Verstöße zu Fall bringen (BayVGH, B.v. 7.5.2018 - 22 ZB 17.2032 u.a. - juris Rn. 24; OVG NW, U.v. 4.7.2018 - 8 A 47/17 - juris Rn. 49 ff., jeweils m.w.N.).
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Erfolgreich kann die Anfechtungsklage privater Dritter gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Berufung auf § 4 Abs. 1 bis 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG nur dann sein, wenn die geltend gemachten Fehler „Verfahrensfehler“ im Sinne des § 4 UmwRG sind (ganz abgesehen davon, dass eine erfolgreiche Rüge noch weitere Erfordernisse nach § 4 UmwRG erfüllen muss). Verfahrensfehler im Sinn von § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1a und Abs. 1b UmwRG sind indes nur Verstöße gegen solche Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d.h. den Verfahrensablauf als solchen, betreffen. Hierzu gehören Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte wie die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder Vorprüfung. Nicht hierher gehört dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Vorgang der Willens- und Entscheidungsbildung, der sich im Fachplanungsrecht regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht. Etwaige methodische Fehler solcher Gutachten beeinträchtigen hiernach nicht den äußeren Verfahrensablauf, sondern die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Sie sind keine Verfahrensfehler (BVerwG, U.v. 28.11.2017 - 7 A 17.12 - juris Leitsatz 1 und Rn. 29 u. 30; Rennert in DVBl 2019, 133). Aus dem Vortrag des Antragstellers ist nicht erkennbar, inwiefern ein solcher die äußere Ordnung des Verfahrens betreffender Fehler unterlaufen sein soll.
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2.8. Der Antragsteller hat eingewandt, in der angefochtenen Genehmigung würden Nebenbestimmungen fehlen, die eine zuverlässige regelmäßige Überprüfung der Betriebssicherheit der streitigen WEA gewährleisteten, außerdem auch die Vorlage von Nachweisen für zu erfüllende technische Anforderungen an die Behörde, ferner müsse die Beigeladene zur Benennung einer verantwortlichen Aufsichtsperson (insbesondere für die Sichtprüfung auf Eisansatz nach abgeschalteter WEA) und auch dazu verpflichtet werden, der Behörde Einsicht in technische Unterlagen zu gewähren, schließlich auch einen Betreiberwechsel der Behörde anzuzeigen (Schriftsatz vom 22.7.2019 Nr. 6 Buchst. a bis f auf S. 51 bis 54).
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Die insoweit in der angefochtenen Genehmigung getroffenen Nebenbestimmungen reichen aus; sie wirken zusammen mit denjenigen gesetzlichen Anforderungen, die der Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage auch ohne (zusätzliche) bescheidmäßige Anordnung erfüllen muss. § 5 BImSchG legt mit dem Schutzgebot (Abs. 1 Nr. 1) und dem Vorsorgegebot (Abs. 1 Nr. 2) die Kernpflichten eines Betreibers einer genehmigungsbedürftigen Anlage in Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen im Sinn des BImSchG fest. Damit diese Pflichten, die dynamisch sind und der Fortentwicklung des Standes der Technik gemäß auch zu neuen behördlichen Anordnungen führen können, effektiv sind, hat die Überwachungsbehörde ggf. die erforderlichen Befugnisse gemäß §§ 52 ff. BImSchG. Nur in besonderen Fällen statuiert das Gesetz indes eine Pflicht, besondere Verantwortliche zu benennen (Immissionsschutzbeauftragte im Fall des § 53 Abs. 1 BImSchG), in anderen Fällen steht die Anordnung, einen Immissionsschutzbeauftragten zu bestellen, im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde (§ 53 Abs. 2 BImSchG). Außerdem ermächtigt § 17 BImSchG die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen, zur Erfüllung der sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten auch nach Erteilung der Genehmigung Anordnungen zu treffen; zu solchen Anordnungen ist die Behörde dann, wenn nach Erteilung der Genehmigung festgestellt wird, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG im Regelfall angehalten („soll“). Es handelt sich nicht um Genehmigungsvoraussetzungen, zu deren Einhaltung Nebenbestimmungen verfügt werden müssen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, da diese im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Der Streitwert wurde gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 19.2, 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 festgesetzt (wie Vorinstanz).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.