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OLG München, Hinweisbeschluss v. 05.09.2019 – 13 U 699/19
Titel:

Auflage, Bedeutung, Berufungserwiderung, Bescheid, Fahrzeug, Feststellung, Passivlegitimation, Sachvortrag, Vermutung, Zulässigkeit, Eingliederung, Abschalteinrichtung, Rückruf, Grenzwert

Normenketten:
BGB § 826
AktG § 319, § 322 Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Auflage, Bedeutung, Berufungserwiderung, Bescheid, Fahrzeug, Feststellung, Passivlegitimation, Sachvortrag, Vermutung, Zulässigkeit, Eingliederung, Abschalteinrichtung, Rückruf, Grenzwert
Vorinstanz:
LG Passau, Endurteil vom 10.01.2019 – 1 O 286/18
Fundstelle:
BeckRS 2019, 26143

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 14.02.2019 gegen das Endurteil des Landgerichts Passau vom 10.01.2019, Aktenzeichen 1 O 286/18, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Der Senat empfiehlt der Klagepartei, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
3. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 48.000,01 € festzusetzen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 27.09.2019.

Entscheidungsgründe

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1. Weder beruht die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Passau auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Der Senat folgt im Ergebnis der Entscheidung des Erstgerichts. Ergänzend sind folgende Ausführungen veranlasst:
a. Zulässigkeit der Berufung
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Entgegen der Auffassung der Beklagten geht der Senat von der Zulässigkeit der Berufung aus. Soweit diese der Meinung ist, die Berufungsbegründung genüge nicht den Mindestanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, so ist ihr zwar zuzugeben, dass sich deren Inhalt zu nicht unwesentlichen Teilen aus Textbausteinen zusammensetzt. Allerdings reicht es regelmäßig aus, dass die Berufungsbegründung aus sich heraus verständliche Angaben enthält, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (so BGH NJW 2013 S. 174 m.w.N.; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Auflage, § 520 ZPO Rn. 35; Thomas-Putzo/Reichold, ZPO, 40. Auflage, § 520 ZPO Rn. 20). Diesen Anforderungen genügt der Kläger, wenn auf S. 3 der Berufungsbegründung ausgeführt wird, welche tragenden Aspekte des erstinstanzlichen Urteils angegriffen werden und nachfolgend nochmals ausführlich geschildert wird, weshalb die Klage aus seiner Sicht begründet ist.
b. Begründetheit der Berufung
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Die Berufung ist jedoch unbegründet, da dem Kläger keine auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrags gerichteten Schadenersatzansprüche zustehen.
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Das Landgericht Passau hat zunächst zutreffend festgestellt, dass (vor-)vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte ausscheiden, vgl. S. 5 des Endurteils vom 10.01.2019. Weiter hat das Landgericht Passau im Ergebnis richtig auch deliktische Ansprüche, insbesondere aus § 826 BGB, verneint.
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aa. Der Kläger ist bereits hinsichtlich der Passivlegitimation der Beklagten beweisfällig geblieben ist.
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Nachdem die Beklagte das Fahrzeug weder hergestellt hat noch den Kaufvertrag mit dem Kläger abgeschlossen hat, hätte der Kläger darlegen und beweisen müssen, dass die Beklagte das streitgegenständliche Motorenmodell entwickelt oder hergestellt hat beziehungsweise zumindest mittelbar dafür verantwortlich war, dass der Motor in den Verkehr gebracht wurde.
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Soweit die Klägerin insofern unter Verweis auf einen Wikipedia-Eintrag ausführt, der betroffene Sechszylindermotor würde im Volkswagenwerk in Salzgitter gebaut und der Audi Q5 basiere auf einer Gemeinschaftsentwicklung von Audi und der Beklagten (S. 3 des Schriftsatzes vom 29.11.2018), ist dies von der Beklagten substantiiert bestritten worden.
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Die Beklagte trägt vor, in Salzgitter würden lediglich Bootsmotoren mit sechs Zylindern gebaut. Der einschlägige Automobilmotor sei hingegen federführend von der Audi AG entwickelt worden und werde von dieser in Györ/Ungarn produziert. Es werde auf einer im VW-Konzern gemeinsam entwickelten Plattform auch nicht stets die gleiche Motortechnik verwendet. Insofern wird auf den Vortrag der Beklagten auf S. 6 des Schriftsatzes vom 03.01.2019 Bezug genommen. Mit der Berufungserwiderung vom 17.07.2019 (dort Seiten 2 und 9) werden die Behauptungen des Klägers erneut bestritten.
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Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten und hat über den nicht aussagekräftigen Wikipedia-Artikel hinaus keinen Beweis für seine Behauptungen angeboten. Alleine aus der Zugehörigkeit der Audi AG zum Volkswagen-Konzern ergibt sich auch nichts anderes. Letztlich ist es auch unerheblich, ob im streitgegenständlichen Fahrzeug der Motor EA 896 Gen 1 (so die Beklagte) oder EA 897 (so der Kläger) verbaut wurde. Angesichts des Sachvortrags auf S. 26/27 der Berufungserwiderung spricht zwar viel dafür, dass die Behauptung der Beklagten zutrifft. Der Kläger hat aber jedenfalls für keines der beiden in Frage kommenden Modelle ausreichenden Beweis für eine Passivlegitimation der Beklagten angeboten.
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Die Beklagte haftet schließlich auch nicht gemäß §§ 322 Abs. 1 S. 2, 319 AktG für Handeln der Audi AG, da von der Beklagten unwidersprochen dargelegt wurde, dass es an einer Eingliederung in den VW-Konzern fehlt und der bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ebenfalls nicht im Außenverhältnis zu einer Haftung führen kann (S. 10 des Schriftsatzes vom 03.01.2019 S. 15 der Berufungserwiderung).
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bb. Der Kläger hat zudem nicht hinreichend vorgetragen, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug Audi Q5 3.0 l TDI 176 kW (EU5) mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Sinn von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 versehen ist, die zum Zwecke der Täuschung über den tatsächlichen Schadstoffausstoß des Motors verbaut wurde und die Abgasreinigung unter Prüfstandsbedingungen manipuliert. Das Erstgericht hat dies offengelassen. Dies wäre aber die Grundvoraussetzung für eine Begründetheit der Klage gewesen. Damit scheiden insbesondere Ansprüche aus § 826 BGB - aber auch aus allen anderen denkbaren deliktischen Anspruchsgrundlagen - aus.
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Es ist deshalb kein Beweis über die Behauptung des Klägers zu erheben, in seinem Fahrzeug sei eine illegale Abschalteinrichtung vorhanden. Dies würde eine zivilprozessual unzulässige Ausforschung darstellen, da spekulativ „ins Blaue hinein“ Behauptungen aufgestellt werden, ohne dass es hierfür greifbare Anhaltspunkte gibt. Der Senat schließt sich insofern der überzeugenden Auffassung verschiedener Obergerichte (u.a. OLG Koblenz Urteil vom 18.06.2019 - 3 U 416/19; KG Berlin Beschluss vom 12.06.2019 - 24 U 20/19; OLG Köln Urteil vom 11.04.2019 - 3 U 67/18; OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 06.06.2019 - 19 U 34/19; a.A. hingegen nun offensichtlich OLG Karlsruhe Hinweisbeschluss vom 22.08.2019 - 17 U 294/18) in vergleichbaren Fällen an.
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Der Sachvortrag der Klagepartei krankt insbesondere daran, dass der Bezug zum konkreten Fall fast vollständig fehlt. Die Klagepartei trägt schriftsätzlich sehr ausführlich allgemein zum sog. „Diesel-Skandal“ vor. Die Ausführungen beziehen sich aber weit überwiegend auf das bekanntermaßen von der Beklagten mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehene Motormodell EA 189 oder lassen zumindest nicht genau erkennen, auf welches konkrete Modell Bezug genommen wird.
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Dem Sachvortrag lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass auch der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor betroffen ist. Dies wird zwar behauptet (vgl. S. 16 ff. des Schriftsatzes vom 29.11.2018), aber nicht näher belegt. Soweit an einigen Stellen von möglichen Parallelentwicklungen im Hinblick auf den 3.0-Liter-Diesel gesprochen wird bzw. davon, die Technologie aus diesen Motoren sei auf das Modell EA 189 übertragen worden und in den USA sei ein entsprechendes Fehlverhalten eingeräumt worden, bleibt der Sachvortrag unsubstantiiert (vgl. etwa S. 3 ff. der Klageschrift, S. 3 ff. des Schriftsatzes vom 29.11.2018). In der gesamten 40-seitigen Berufungsbegründung wird lediglich mit einem Satz auf S. 6 (unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Heilbronn, welches dem Senat nicht vorliegt) beiläufig erwähnt, dass es nicht um den „Standardfall“ eines Motors vom Typ EA 189 geht. Die Klagepartei geht nicht einmal näher auf den Sachvortrag der Beklagten zum konkret verbauten Motortyp (EA 896 oder EA 897) ein.
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Die Tatsache allein, dass es im Bereich des Volkswagen-Konzerns zum Einsatz von unerlaubten Abschalteinrichtungen kam, führt nicht dazu, dass der Kläger bezüglich des konkreten Fahrzeug- bzw. Motorenmodells nicht mehr konkret darlegen muss, weshalb auch in seinem Fall konkrete Anhaltspunkte für eine solche Einrichtung bestehen. Die rein spekulative Äußerung eines Generalverdachts kann nicht als tatsächlicher Anknüpfungspunkt für die vorgetragene Vermutung einer Tatsache - den Einsatz einer Manipulationssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug - angesehen werden.
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Im Gegenteil weisen die bekannten Indizien in eine andere Richtung:
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Es ist es vom Kläger insbesondere nicht bestritten worden, dass für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell kein Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) vorliegt, aus dem sich ergibt, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und/oder der Hersteller deswegen zu einem Rückruf der betroffenen Fahrzeuge verpflichtet wurde. Die klägerseits vorgetragenen Rückrufaktionen betreffen sämtlich andere Modelle bzw. Modellvarianten.
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Weiter ist es unstreitig geblieben, dass es kein Software-Update der Herstellerfirma Audi gibt, das den Kunden angeboten wird, um Veränderungen an der Steuerung der Abgasreinigungsanlage des Fahrzeugs wegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung vorzunehmen.
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Es ist ebenfalls nicht bestritten worden, dass der Bericht der Untersuchungskommission ... des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die Feststellung enthält, der Audi Q5 V6 3.0 l Euro 5 erfülle im NEFZ kalt und NEFZ warm den Grenzwert (S. 72 des Berichts) und für den europäischen Markt habe sich der Vorwurf der Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung durch die ... AG im Rahmen der Untersuchung durch das KBA mit Ausnahme des Modells EA 189 gerade nicht bestätigen lassen (S. 119 des Berichts).
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Auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung kommt es aber bei der Prüfung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinn des § 826 BGB entscheidend an, nicht hingegen auf die Emissions- oder Verbrauchswerte des Fahrzeugs im realen Straßenbetrieb. Derartige Abweichungen sind auch kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen einer illegalen Abschalteinrichtung. Es ist vielmehr allgemein bekannt, dass Verbrauch und Emissionen im normalen Straßenverkehr regelmäßig höher sind als bei einem Test auf einem Prüfstand.
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2. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, empfiehlt der Senat der Klägerin, sie aus Kostengründen zurückzunehmen. Bei einer Rücknahme der Berufung sind gem. Nr. 1222 des KV zum GKG nur zwei Gerichtsgebühren statt vier Gebühren Nr. 1220 KV-GKG zu bezahlen.