Inhalt

VGH München, Urteil v. 25.09.2019 – 12 BV 18.1274
Titel:

Berechnung eines durchschnittlichen Monatseinkommens und Kostenbeitrags

Normenketten:
SGB VIII § 34, § 41, § 93, § 94 Abs. 4
VwGO § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 S. 1
Schlagworte:
Kostenbeitrag eines Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen für Unterbringung, Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst, maßgebliches Einkommen für Kostenbeitragsberechnung, Kostenbeitrag, aufschiebende Wirkung, durchschnittliches Monatseinkommen, Auslegung, Berechnung, Ermessen
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 08.05.2018 – RN 4 K 17.1236
Fundstelle:
BeckRS 2019, 25273

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der am ... 1999 geborene Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag.
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Er reiste als sog. unbegleiteter Minderjähriger im August 2015 in die Bundesrepublik ein und wurde vom Beklagten am 31 August 2015 zunächst in Obhut genommen. Für den Zeitraum vom 12. Oktober 2015 bis 6. April 2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. November 2015 Hilfe zur Erziehung in Form betreuten Wohnens nach §§ 27, 34 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Seit 7. April 2017 wurde ihm mit Bescheid vom 29. März 2017 Hilfe für junge Volljährige (wiederum) in Form betreuten Wohnens nach §§ 41, 34 SGB VIII gewährt.
3
Unterdessen leistete der Kläger ab 1. September 2016 einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz ab, wofür er eine gleichbleibende Aufwandsentschädigung von monatlich 620,55 € brutto erhielt. Nach Abzug der Lohn- und Kirchensteuer verblieb ihm ein monatlicher Nettoauszahlungsbetrag in Höhe von 567,82 €.
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Daraufhin setzte der Beklagte mit Leistungsbescheid vom 23. Februar 2017 einen vom Kläger zu den Aufwendungen der Jugendhilfe ab 1. September 2016 nach § 94 Abs. 1 SGB VIII zu leistenden Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 283,91 € fest (Ziff. 1.), bestimmte die zukünftige Fälligkeit des Kostenbeitrags jeweils zum 30. eines Monats (Ziff. 2.) und forderte vom Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis 31. Januar 2017 die Zahlung eines sofort fälligen Kostenbeitragsrückstands in Höhe von 1.419,55 € (Ziff. 3.).
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Den hiergegen vom damaligen Vormund des Klägers eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Niederbayern mit Bescheid vom 22. Juni 2017 zurück. Die Höhe des vom Kläger zu entrichtenden Kostenbeitrags bestimme sich nach § 94 Abs. 6 SGB VIII. Bei der Berechnung habe der Beklagte zu Recht nicht nach § 93 Abs. 4 SGB VIII auf das Einkommen des Vorjahres abgestellt. Würde man das Vorjahreseinkommen zugrunde legen, könnte für das Jahr 2016 eine Kostenbeitragserhebung nicht und für das Jahr 2017 nur in sehr reduziertem Umfang erfolgen. Sinn und Zweck der Regelung des § 94 Abs. 6 SGB VIII liege aber darin, dass diejenigen jungen Menschen, die ein eigenes Einkommen erzielten, sich über den Kostenbeitrag auch an der Sicherstellung ihres Lebensunterhalts beteiligten. Weiterhin erweise sich das Abstellen auf das aktuelle Einkommen als pädagogisch sinnvoll, da es dem jungen Menschen vor Augen führe, dass seine Unterbringung Kosten verursache, an denen er sich zu beteiligen habe. Die vom Beklagten vorgenommene Reduzierung des Kostenbeitrags von 75% auf 50% des vom Kläger erzielten Einkommens sei nicht zu beanstanden; Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Weder gefährde die Kostenbeitragserhebung den Zweck der Jugendhilfeleistung noch ergebe sich für den Kläger hieraus eine besondere Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII.
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Auf die daraufhin vom Kläger erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Mai 2018 den Bescheid des Beklagten vom 23. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 22. Juni 2017 auf, nachdem es bereits zuvor im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 3. November 2017 (Az.: RN 4 S 17.1597) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hatte.
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Der Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Rechtsgrundlage seiner Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag bilde § 92 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB VIII in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Nrn. 5b und 8 SGB VIII. Hiernach seien Jugendliche und junge Volljährige zu den Kosten der Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII mittels eines Kostenbeitrags heranzuziehen. Bei jungen Menschen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII bestimme sich der Umfang der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag nach § 94 Abs. 6 SGB VIII. Nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII hätten junge Menschen bei vollstationären Leistungen 75% ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. § 94 Abs. 6 Satz 2, 3 SGB VIII regle Ausnahmen hiervon.
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Die streitgegenständlichen Bescheide erwiesen sich im vorliegenden Fall bereits deshalb als rechtswidrig, weil bei der Bestimmung der Höhe des Kostenbeitrags auf das aktuelle, im kostenbeitragspflichtigen Zeitraum vom Kläger erzielte Einkommen abgestellt worden sei, nicht hingegen nach § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII auf das Vorjahreseinkommen. Sowohl die Entstehungsgeschichte von § 94 Abs. 6 SGB VIII wie auch dessen Wortlaut und Systematik stünden jedoch dem Abstellen auf das aktuell erzielte Einkommen entgegen. Sonstige Zweckmäßigkeitserwägungen würden ebenfalls nicht eingreifen.
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Daraus, dass in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII lediglich auf § 93 Abs. 2 SGB VIII und nicht auf die gesamte Norm des § 93 SGB VIII verwiesen werde, könne nicht geschlossen werden, dass bei der Ermittlung des Einkommens des jungen Menschen ausschließlich § 93 Abs. 2 SGB VIII zur Anwendung kommen solle. Das diesbezügliche Argument des Beklagten, im Gegensatz zu § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII verweise § 94 Abs. 2 SGB VIII bei der Heranziehung von Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern auf § 93 SGB VIII in seiner Gesamtheit, überzeuge nicht. Würde im Rahmen von §§ 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII allein § 93 Abs. 2 SGB VIII Anwendung finden, fehlte es mangels Anwendbarkeit von § 93 Abs. 1 SGB VIII an einer gesetzlichen Festlegung des kostenbeitragsrechtlichen Einkommens. Die Berücksichtigung des jeweils aktuellen monatlichen Einkommens würde zugleich dem mit der Einführung von § 93 Abs. 4 SGB VIII vom Gesetzgeber verfolgten Ziel der Verwaltungsvereinfachung und der Schaffung von Rechtssicherheit durch einen einheitlichen und klaren Einkommensbegriff zuwiderlaufen.
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Auch der Gesetzentwurf aus dem Jahr 2017, wonach § 93 Abs. 4 SGB VIII im Rahmen von § 94 Abs. 6 SGB VIII für nicht anwendbar erklärt werden solle, führe nicht weiter. Er mache vielmehr deutlich, dass die Rechtsauffassung des Beklagten in der geltenden Rechtslage nach wie vor keinen Niederschlag gefunden habe. Ferner liefere die Begründung des Gesetzentwurfs keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der geplanten Regelung lediglich um eine „Klarstellung“ der bereits geltenden Rechtslage handele.
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Nach alledem habe der Beklagte das für die Höhe des Kostenbeitrags nach § 94 Abs. 6 SGB VIII maßgebliche Einkommen unzutreffend ermittelt. Der streitgegenständliche Bescheid könne insoweit auch nicht teilweise unter Zugrundelegung des Einkommens des jeweiligen Vorjahres aufrechterhalten werden. Denn indem der Beklagte das nach § 94 Abs. 6 Satz 2 und 3 SGB VIII erforderliche Ermessen auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage, nämlich bezogen auf eine fehlerhaft ermittelte Einkommenshöhe, ausgeübt habe, bleibe für eine teilweise Aufrechterhaltung kein Raum.
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Da indes die Frage, ob § 93 Abs. 4 SGB VIII im Rahmen von § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII Anwendung finde, rechtsgrundsätzliche Bedeutung besitze, sei insoweit die Berufung zuzulassen.
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Gegen dieses verwaltungsgerichtliche Urteil wendet sich nunmehr der Beklagte mit der Berufung. Der Leistungsbescheid vom 23. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2017 sei rechtmäßig. Nach § 91 Abs. 1 Nr. 5 lit. b in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII hätten Kinder und Jugendliche, denen Hilfe zur Erziehung in Form betreuten Wohnens gewährt werde, einen eigenen Kostenbeitrag zu leisten. Dies gelte nach § 91 Abs. 1 Nrn. 8, 5 lit. b in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII auch für junge Volljährige. Die Kostenbeitragspflichtigen seien aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten der Maßnahme heranzuziehen. Bei jungen Menschen im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII bestimme sich der Umfang der Heranziehung nach § 94 Abs. 6 SGB VIII. Der Kostenbeitrag betrage nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bei der Inanspruchnahme vollstationärer Leistungen nach vorheriger Absetzung der in § 93 Abs. 2 SGB VIII genannten Beträge 75% des erzielten Einkommens. § 94 Abs. 6 Satz 2, 3 SGB VIII ermögliche der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen einen geringeren Kostenbeitrag zu erheben, wenn das vom jungen Menschen erzielte Einkommen aus einer Tätigkeit stamme, die dem Zweck der Jugendhilfeleistung diene. Auf dieser Grundlage habe der Beklagte im vorliegenden Fall den Kostenbeitrag des Klägers auf 50% seines Einkommens reduziert. Demnach seien vom monatlich gleich bleibenden Einkommen des Klägers in Höhe von 620,55 € die entrichtete Lohn- und Kirchensteuer abgezogen und ab September 2016 bis auf weiteres ein monatlicher Kostenbeitrag in Höhe von 283,91 € festgesetzt worden. Hierbei habe der Beklagte auf das aktuelle, im kostenbeitragspflichtigen Zeitraum erzielte Einkommen des Klägers, nicht hingegen nach § 93 Abs. 4 SGB VIII auf das Einkommen des Vorjahrs abgestellt.
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Anders als das Verwaltungsgericht, das die Anwendung von § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII für die Ermittlung des Einkommens für einschlägig erachtet habe, vertrete der Beklagte nach wie vor die Auffassung, dass im vorliegenden Fall nicht auf das Vorjahreseinkommen des Klägers, sondern stattdessen auf das aktuell im Kostenbeitragszeitraum erzielte Einkommen abzustellen sei. Der Umstand, dass in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII allein auf § 93 Abs. 2 SGB VIII, nicht hingegen auf die ganze Norm des § 93 SGB VIII verwiesen werde, lasse den Schluss zu, dass bei der Ermittlung des Einkommens eines jungen Menschen ausschließlich § 93 Abs. 2 SGB VIII zur Anwendung kommen solle. Im Gegensatz zu § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII werde in § 94 Abs. 2 SGB VIII hinsichtlich des Kostenbeitrags von Eltern, Ehegatten und Lebenspartner auf § 93 SGB VIII in seiner Gesamtheit verwiesen. Hätte der Gesetzgeber bei der Heranziehung von jungen Menschen die Anwendung der Gesamtnorm des § 93 SGB VIII beabsichtigt, müsste § 93 Abs. 3 SGB VIII ebenfalls anwendbar sein. Eine Beitragsberechnung nach diesen Vorgaben würde ihrerseits jedoch der Sonderregelung in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII zuwiderlaufen. Dass § 93 Abs. 3 SGB VIII keine Anwendung finde, regele das Gesetz nicht ausdrücklich, sondern setze es mit dem Verweis auf § 93 Abs. 2 SGB VIII voraus. Nach Auffassung des Beklagten stehe hinter dieser Regelung erkennbar die Vorstellung, dass nur der Einkommensbegriff des § 93 Abs. 1 SGB VIII im Rahmen von § 94 Abs. 6 SGB VIII Anwendung finde, nicht hingegen die sonstigen Regelungen dieser Norm. Aus dem Umstand, dass § 93 Abs. 4 SGB VIII für die Berechnung des zugrundeliegenden Einkommens nicht ausdrücklich in § 94 Abs. 6 SGB VIII integriert worden sei, ergebe sich, dass im Rahmen von § 94 Abs. 6 SGB VIII ausschließlich § 93 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VIII Anwendung fänden.
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Ergänzend werde in diesem Zusammenhang auf ein Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugend und Familie (DIJuF) vom 4. Oktober 2013 sowie auf eine E-Mail des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 27. September 2013 verwiesen, wonach im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfevereinfachungsgesetzes am 29. August 2013 darauf hingewiesen wurde, dass die Kostenheranziehung junger Menschen durch § 94 Abs. 6 SGB VIII speziell geregelt werde. Dies habe der Gesetzgeber dadurch unterstrichen, dass nach der Regelung in § 94 Abs. 6 Satz 2, 3 SGB VIII in besonderen Fällen von der Kostenheranziehung bei jungen Menschen abgesehen werden könne. Der Sinn und Zweck dieser Neuregelung, nämlich die jungen Menschen zur Aufnahme einer Tätigkeit zu motivieren, würde ins Leere gehen, wenn auch bei jungen Menschen nach § 93 Abs. 4 SGB VIII das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres maßgeblich wäre. Außerdem habe der Gesetzgeber von einem Verweis in § 94 Abs. 6 SGB VIII auf § 93 Abs. 4 SGB VIII abgesehen.
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Angesichts dessen handele es sich bei der im Gesetzentwurf aus dem Jahr 2017 (Art. 1 Nr. 47 lit. b. bb. des Entwurfs des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen - Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, KJSG - BT-Drucks. 18/12330 S. 22 f.) vorgesehenen Regelung zum Ausschluss der Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 SGB VIII in § 94 Abs. 6 SGB VIII um die ausdrückliche Klarstellung einer vom Gesetzgeber schon immer so gewollten Regelung, die aufgrund der divergenten Rechtsmeinungen nunmehr im Gesetzestext verankert werden solle.
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Weiter sähen die Gemeinsamen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zur Kostenbeteiligung nach dem SGB VIII vom 4. Mai 2018 vor, dass es sich bei der Regelung des § 94 Abs. 6 SGB VIII um eine eigenständige Vorschrift zur Berechnung des Kostenbeitrags des untergebrachten Personenkreises handele, wobei die Berechnung mit dem aktuellen monatlichen Einkommen durchzuführen sei. Auch finde sich im Referentenentwurf des Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 31. März 2019 in Art. 8 Nr. 4 eine Änderung des § 94 Abs. 6 SGB VIII, wonach diese Bestimmung dahingehend ergänzt werden soll, dass für den Kostenbeitrag das Einkommen des Monats verbindlich sein solle, in dem die Leistung oder Maßnahme erbracht werde. Dabei handele es sich erneut um eine ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers.
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Bei der Festsetzung des Kostenbeitrags des Klägers sei weiterhin vom Beklagten eine Gefährdung von Ziel und Zweck der Jugendhilfemaßnahme bzw. das Vorliegen einer besonderen Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 SGB VIII geprüft und zutreffend verneint worden. Im vorliegenden Fall könne insbesondere nicht vom Vorliegen einer unbilligen Härte für den Kläger ausgegangen werden. Denn der Beklagte stelle den Unterhaltsbedarf des Klägers im Rahmen der Jugendhilfe vollumfänglich sicher. Der Kläger erhalte auch ein „Taschengeld“ zur freien Verfügung. Der ihm verbleibende Teil seines Einkommens müsse daher nicht für Angelegenheiten des täglichen Lebens verwendet werden. Trotz der Erhebung des Kostenbeitrags könne der Kläger monatlich knapp 300,00 € ansparen, um seine Aufwendungen für Führerschein, Auto, Sprachkurse usw. zu decken.
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Der Beklagte beantragt daher:
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 08.05.2018 wird aufgehoben.
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2. Die Klage wird abgewiesen.
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3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
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Demgegenüber beantragt der Kläger:
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1. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
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2. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Mit Beschluss vom 27. August 2018 hat der Senat dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt. Die Verfahrensbeteiligten haben ferner mit Schriftsätzen vom 13. Mai 2019 und 29. Mai 2019 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat kann über die Berufung des Beklagten nach §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Verfahrensbeteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet, da das Verwaltungsgericht den Leistungsbescheid des Beklagten vom 23. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 22. Juni 2017 zu Recht aufgehoben hat. Der Bescheid erweist sich auch in Ansehung des Berufungsvorbringens des Beklagten als rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.
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Zu Unrecht will der Beklagte nach wie vor bei der Bemessung des Kostenbeitrags des Klägers nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII dessen jeweils aktuelles Monatseinkommen zugrunde legen und zugleich die gesetzliche Regelung in § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII außer Anwendung lassen, nach der für die Berechnung des Kostenbeitrags auf das „durchschnittliche Monatseinkommen, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorangeht“, abzustellen ist. Diese Vorgehensweise lässt sich weder mit Wortlaut und Systematik der §§ 93, 94 SGB VIII in Einklang bringen (1.) noch aus der Gesetzgebungshistorie ableiten (2.). Ebenso wenig lässt die gesetzgeberische Intention der einschlägigen Regelungen darauf schließen, dass bei der Bemessung des Kostenbeitrags nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII unangewendet bleibt (3.). Ferner erlaubt auch die beabsichtigte Ergänzung von § 94 Abs. 6 SGB VIII im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften vom 26. April 2019 (BT-Drucks. 19/11006) keinen Rückschluss auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Beklagten (4.).
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1. Nach Wortlaut und Systematik der §§ 93, 94 SGB VIII findet § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bei der Bemessung des Kostenbeitrags eines jungen Menschen nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII Anwendung (ebenso Sächsisches OVG, U.v. 9.5.2019 - 3 A 751/18 - BeckRS 2019, 9909 Rn. 22 ff.; VG Hannover, U.v. 14.12.2018 - 3 A 7642/16 - BeckRS 2018, 3..5247 Rn. 17 ff.; VG Dresden, U.v. 18.4.2018 - 1 K 2114/16 - JAmt 2019, 43; VG Cottbus, U.v. 3.2.2017 - VG 1 K 568/16 - BeckRS 2017, 103333 Rn. 22; VG Arnsberg, U.v. 15.11.2016 - 11 K 1961/16 - BeckRS 2016, 112686; Schindler in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 94 Rn. 17; Stähr in Hauck/Nofzt, SGB VIII, Stand 08/17 § 94 Rn. 29; Söfker, JAmt 2013, 434, 436; wohl auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 4.10.2013, J 8.300 Sch, JAmt 2013, 514, DIJuF-Rechtsgutachten v. 22.8.2017 - SN 2017 0557 Kr, JAmt 2018, 142 f.).
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Im Rahmen des Abschnitts „Kostenbeiträge für teilstationäre und vollstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen“ in den §§ 91 ff. SGB VIII differenziert der Gesetzgeber zwischen der „Berechnung“ des für die Erhebung eines Kostenbeitrags maßgeblichen Einkommens in § 93 SGB VIII und dem „Umfang der Heranziehung“ in § 94 SGB VIII. Ohne die „Berechnung des Einkommens“ als erstem Schritt lässt sich indes der „Umfang der Heranziehung“ nicht bestimmen. Normlogisch baut daher § 94 SGB VIII auf § 93 SGB VIII auf. § 93 SGB VIII liegt darüber hinaus bei der Berechnung des kostenbeitragsrechtlich maßgeblichen Einkommens ein schrittweises Vorgehen zugrunde. Ausgehend von der Normierung des kostenbeitragsrechtlichen Einkommensbegriffs in § 93 Abs. 1 SGB VIII gebietet § 93 Abs. 2 SGB VIII die Absetzung der auf das Einkommen nach § 93 Abs. 1 SGB VIII gezahlten Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge sowie der Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Ferner regelt § 93 Abs. 3 SGB VIII den Abzug von weiteren Belastungen der kostenbeitragspflichtigen Person, etwa durch Versicherungsbeiträge, Werbungskosten und Schuldverpflichtungen, die durch einen pauschalen Abzug von 25% des nach § 93 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VIII errechneten Betrags erfolgt bzw. bei entsprechendem Nachweis auch höhere angemessene Beträge. Schließlich bestimmt § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII im Hinblick auf § 93 Abs. 1 SGB VIII, dass bei der Berechnung des Einkommens das „durchschnittliche Monatseinkommen, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorausgeht“ maßgeblich ist. In der Folge bietet § 93 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 SGB VIII dem Kostenbeitragspflichtigen die Möglichkeit, einen sog. Aktualisierungsantrag zu stellen, sodass das durchschnittliche Monatseinkommen des aktuellen Jahres für die Berechnung des Kostenbeitrags maßgeblich wird.
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Auf diesen Modus der Ermittlung des kostenbeitragsrechtlichen Einkommens baut § 94 SGB VIII für den „Umfang der Heranziehung“ des jeweiligen Kostenbeitragspflichtigen auf, indes nicht, wie der Beklagte meint, durch selektive „Verweisung“ auf einzelne Absätze von § 93 SGB VIII. Soweit § 94 Abs. 2 SGB VIII für die Bestimmung des Umfangs des Kostenbeitrags bei Eltern, Ehegatten oder Lebenspartnern „die Höhe des nach § 93 ermittelten Einkommens“ zugrunde legt, wird hierin lediglich auf die normlogische Abfolge der gesetzlichen Regelung hingewiesen. Die im vorliegenden Fall streitbefangene Regelung in § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII, wonach junge Menschen und Leistungsberechtigte nach § 19 SGB VIII bei vollstationären Leistungen „nach Abzug der in § 93 Abs. 2 SGB VIII genannten Beträge 75% ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen“ haben, bildet hingegen eine Spezialregelung zu § 93 Abs. 3 SGB VIII (so insb. Sächsisches OVG, U.v. 9.5.2019 - 3 A 751/18 - BeckRS 2019, 9909 Rn. 22; VG Arnsberg, U.v. 15.11.2016 - 11 K 1961/16 - BeckRS 2016, 112686), die über § 93 Abs. 2 SGB VIII hinaus den Abzug weiterer Belastungen des kostenbeitragspflichtigen jungen Menschen, die über 25% des grundsätzlich beitragspflichtigen Einkommens hinausgehen, ausschließt, was andernfalls nach § 93 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 SGB VIII im Rahmen der Einkommensermittlung möglich gewesen wäre. Anders, als der Beklagte meint, liegt hierin folglich keine „isolierte Verweisung“ auf § 93 Abs. 2 SGB VIII. Eine derartige „Verweisung“ machte auch keinen Sinn, da sie die Bestimmung des kostenbeitragsrechtlichen Einkommens nach § 93 Abs. 1 SGB VIII aus dem Anwendungsbereich des § 94 Abs. 6 SGB VIII ausklammern würde. Zugleich ergibt sich damit, dass - wenn § 93 Abs. 1 SGB VIII im Rahmen von § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII Anwendung findet -, auch § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, der § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII lediglich konkretisiert, Anwendung finden muss. Mithin lassen bereits der Normtext und systematische Überlegungen die Nichtanwendung von § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bei der Bestimmung des Umfangs des Kostenbeitrags des jungen Menschen für seine stationäre Unterbringung nicht zu.
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2. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bei der Bestimmung des Kostenbeitrags des jungen Menschen nach § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII keine Anwendung finden soll, findet auch in der Gesetzgebungshistorie keinen Anhalt (so auch Sächsisches OVG, U.v. 9.5.2019 - 3 A 751/18 - BeckRS 2019, 9909 Rn. 30 ff.).
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So sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG) die Regelung in § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich zur „Klarstellung [vor], welcher Zeitraum für die Berechnung des Einkommens zu betrachten ist“ (BT-Drucks. 17/13023, S. 14 f.). Das Abstellen auf ein Durchschnittseinkommen sollte insbesondere „eine Benachteiligung selbstständig erwerbstätiger Kostenbeitragsschuldner gegenüber unselbstständig erwerbstätigen Kostenbeitragsschuldnern“ verhindern (a.a.O.). Grundsätzlich werde „das durchschnittliche Monatseinkommen des Kalenderjahres berechnet, das dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder der Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe vorangeht“ (BT-Drucks. 17/13023, S. 15). So könne „zeitnah zur Leistung oder Maßnahme der Kostenbeitrag erhoben werden“ (a.a.O.). Ein Änderungsvorschlag des Bundesrates (vgl. BT-Drucks. 17/13023, Anl. 3, S. 23), der „das durchschnittliche Monatseinkommen, das die kostenbeitragspflichtige Person während der Maßnahme erzielt“ zur Basis der Kostenbeitragsbemessung machen wollte, wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung als „den mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung verfolgten Zielen der Verwaltungsvereinfachung und der Erhöhung der Rechtssicherheit im Kostenbeitragsrecht“ widersprechend zurückgewiesen (BT-Drucks. 17/13023, Anl. 4, S. 25) und wurde im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr aufgegriffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Anwendung von § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII bei der Bemessung des Kostenbeitrags des jungen Menschen nicht angewandt wissen wollte, liefern die Gesetzgebungsmaterialien mithin nicht (so insbesondere auch VG Cottbus, U.v. 3.2.2017 - VG 1 K 586/16 - BeckRS 2017, 103333 Rn. 23 f.).
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3. Ebenso wenig gebieten Sinn und Zweck der Regelung eine teleologische Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen dahingehend, im Rahmen von § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII nicht anzuwenden (vgl. VG Hannover, U.v. 14.12.2018 - 3 A 7642/16 - BeckRS 2018, 3..5247 Rn. 25 ff.). Das vom Beklagten wie auch vom Bundesfamilienministerium (in der vom Beklagten zitierten Email), vom Deutschen Institut für Jugend- und Familie (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 4.10.2013, J 8.300 Sch, JAmt 2013, 514, nunmehr einschränkend DIJuF-Rechtsgutachten v. 22.8.2017 - SN 2017 0557 Kr, JAmt 2018, 142 f.) sowie von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (vgl. Gemeinsame Empfehlungen zur Kostenbeteiligung nach dem SGB VIII, Stand 4.5.2018, Ziff. 8.9.1 S. 34) aus „pädagogischen Erwägungen“ befürwortete Abstellen auf das jeweils aktuelle Monatseinkommen des jungen Menschen, aus dem der Kostenbeitrag berechnet werden soll, widerspricht zunächst dem vom Gesetzgeber selbst apostrophierten Regelungszweck des § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, nämlich den Verwaltungsaufwand zu vermindern sowie die Rechtssicherheit im Kostenbeitragsrecht zu erhöhen (vgl. VG Dresden, U.v. 18.4.2018 - 1 K 2114/16 - JAmt 2019, 43; VG Cottbus, U.v. 3.2.2017 - VG 1 K 586/16 - BeckRS 2017, 103333 Rn. 26). Denn bei der vom Beklagten geforderten Auslegung müssten monatlich die Einkünfte des jungen Menschen ermittelt und daraus jeweils der Kostenbeitrag berechnet werden, was entgegen der Absicht des Gesetzgebers zu einer beträchtlichen Erhöhung des Verwaltungsaufwands führen würde. Darüber hinaus erweist sich auch der mit der zeitgleich zur Tätigkeit des jungen Menschen erfolgenden Kostenbeitragserhebung angeblich erzielte „pädagogische Effekt“ als fragwürdig bzw. in keinerlei Hinsicht belegt (vgl. VG Hannover, U.v. 14.12.2018 - 3 A 7642/16 - BeckRS 2018, 3..5247 Rn. 28: „unbegründet bleibende fachliche Einseitigkeit“). Umgekehrt legt die Begründung des Gesetzgebers nahe, dass die Kostenbeitragserhebung für die Aufnahme einer Erwerbtätigkeit demotivierend wirken würde (vgl. VG Cottbus, U.v. 3.2.2017 - VG 1 K 586/16 - BeckRS 2017, 103333 Rn. 27). Aus der Anwendung von § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII ließe sich die „mit § 94 Abs. 6 SGB VIII verbundene Anreizfunktion, die primär gerade den Zweck der Jugendhilfeleistung fördert“, insoweit sinnvoll ergänzen, als „dem jungen Menschen danach zunächst der finanzielle Gegenwert seiner Tätigkeit ganz verbleibt und er erst im Folgejahr hieraus zu den Kosten der Unterbringung herangezogen wird“ (so ausdrücklich VG Cottbus, U.v. 3.2.2017 - VG 1 K 586/16 - BeckRS 2017, 103333 Rn. 28). Ein zwingender gesetzgeberischer Telos, der es gebieten würde, den klaren Gesetzeswortlaut außer Acht zu lassen, besteht mithin nicht.
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4. Auch aus den verschiedenen Versuchen des Gesetzgebers, eine „Klarstellung“ der maßgeblichen Regelungen im Sinne des Beklagten zu erreichen, lässt sich nicht der Schluss ziehen, im vorliegenden Fall hätte der Kostenbeitrag des Klägers auf der Basis seines jeweils aktuellen monatlichen Einkommens bestimmt werden müssen (vgl. Sächsisches OVG, U.v. 9.5.2019 - 3 A 751/18 - BeckRS 2019, 9909 Rn. 32; VG Hannover, U.v. 14.12.2018 - 3 A 7642/16 - BeckRS 2018, 3..5247 Rn. 29).
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So findet sich zuletzt im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften vom 19. Juni 2019 (BT-Drucks. 19/1106) in Art. 8 Ziff. 4 zwar eine Ergänzung von § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII dahingehend, dass nunmehr für die Bemessung des Kostenbeitrags des jungen Menschen „das Einkommen des Monats, in dem die Leistung oder Maßnahme erbracht wird“, maßgeblich sein soll. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/11006, S. 35) soll mit dieser Gesetzesänderung „eine Klarstellung zum Kostenbeitragsrecht erfolgen“. § 93 Abs. 4 SGB VIII gehe „in seinem Grundsatz von einem regelmäßigen, wenn auch bei Selbstständigen von einem monatlich schwankenden Einkommen aus“. Junge Menschen hätten jedoch „eher ein unregelmäßiges Einkommen, da sie häufig nur zeitweise (über einige Wochen oder Monate im Jahr) und/oder auch abwechselnd Tätigkeiten mit unterschiedlich hohen Einkommen nachgehen. Aus diesem Grund pass(e) § 93 Abs. 4 SGB VIII vom Sinn und Zweck nicht bei der Kostenheranziehung von jungen Menschen“. Vielmehr solle bei ihnen „das aktuelle Einkommen des Monats, in dem die Leistung erbracht wird, für die Höhe des Kostenbeitrags maßgeblich sein. Auf diese Weise müss(t) en junge Menschen beispielsweise Teile ihres Einkommens nicht für ein Jahr zurücklegen, um dann dieses Einkommen als Kostenbeitrag abgeben zu können, wenn unklar (sei), ob sie auch im folgenden Jahr ein vergleichbares Einkommen haben.“
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Abgesehen davon, dass die vom Gesetzgeber nunmehr beabsichtigte „Klarstellung“ in keiner Weise zu belegen vermag, dass unter der geltenden Rechtslage die dem Wortlaut der maßgeblichen Normen widersprechende Auslegung des Beklagten Raum greift, kann auch die Begründung des Gesetzentwurfs in keiner Weise überzeugen. So würde der ursprüngliche gesetzgeberische Ansatzpunkt für § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, nämlich die gleichmäßige Berücksichtigung stark wechselnder Einkünfte bei Selbstständigen durch Bildung eines Durchschnittswertes aus der Vergangenheit, wie ihn der Gesetzgeber beispielsweise auch im Ausbildungsförderungsrecht verfolgt (vgl. § 24 BAföG), für den Fall, dass auch junge Menschen häufig stark schwankende Einkünfte beziehen, die Anwendung von § 93 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII geradezu nahelegen.
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Mithin erweist sich nach derzeitiger Gesetzeslage die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, wonach das Abstellen des Beklagten auf das aktuelle Einkommen des Klägers im Rahmen von § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, als zutreffend, sodass die Berufung als unbegründet zurückzuweisen war.
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5. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten auf der Grundlage von § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII vorgenommen Reduzierung des Kostenbeitrags von 75% des maßgeblichen Einkommens des Klägers auf 50% sich wohl auch als ermessenfehlerhaft erweisen würde. § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII sieht insoweit vor, dass ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung eines Kostenbeitrags abgesehen werden kann, wenn das Einkommen des jungen Menschen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Dies gilt nach § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund steht. Bei dem vom Kläger absolvierten Bundesfreiwilligendienst ist dies in geradezu beispielhafter Weise der Fall, sodass dieser Umstand bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens aus Sicht des Senats nicht bloß eine Reduzierung, sondern vielmehr das gänzliche Absehen von der Kostenbeitragserhebung gebieten würde (zur Ermessensausübung vgl. auch Sächsisches OVG, U.v. 9.5.2019 - 3 A 751/18 - BeckRS 2019, 9909 Rn. 37 ff.).
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6. Der Beklagte trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Gründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.