Inhalt

OLG München, Endurteil v. 11.09.2019 – 7 U 4531/18
Titel:

Ersatz des am Hausanwesen durch Bauarbeite auf dem Nachbargrundstück entstandenen Schadens

Normenkette:
BGB § 249, § 251, § 280 Abs. 1, § 538 Abs. 2 Nr. 1, § 823 Abs. 1, § 906 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Einer Haftung aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB dem Grunde nach steht eine Vorschädigung oder eine Schadensgeneigtheit des betroffenen Hausgrundstücks nicht entgegen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rspr. zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs auf der Basis der fiktiven Schadensbeseitigungskosten ist auf § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht übertragbar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Ermittlung der Wertminderung des Grundstücks kann der vom Eigentümer tatsächlich erzielte Kaufpreis für dieses Grundstück ein Indiz sein. Dieses kann aber durch einen zwischenzeitlichen massiven Anstieg der Grundstückspreise relativiert werden. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bebauung, Berechnung, Gutachten, Haftung, Kaufpreis, Mietausfallschaden, Mietminderung, Neubau, Räumung, Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Wiederbeschaffungswert, Zurückverweisung, Nachbargrundstück, Bauarbeiten
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 27.11.2018 – 12 O 14745/15
Fundstellen:
ZfIR 2019, 775
RÜ 2020, 220
BauR 2020, 846
LSK 2019, 21562
BeckRS 2019, 21562

Tenor

1. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27.11.2018 (Az.: 12 O 14745/15) samt dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

A.
1
Der Kläger macht den Ersatz von Schäden geltend, die nach seinem Vortrag an seinem Hausanwesen durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück entstanden sind.
2
Der Kläger war während der streitgegenständlichen Bauarbeiten und auch noch zu Beginn des vorliegenden Rechtsstreits Eigentümer des Hausgrundstücks „A. L. 9“ in M. Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin des Nachbargrundstücks „A. L. 11“. Ab Oktober 2014 ließ die Beklagte zu 1 den Baubestand auf ihrem Grundstück abreißen und einen Neubau errichten. Dabei war die Beklagte zu 2 mit der Erstellung und Sicherung der Baugrube beauftragt. Im Zuge ihrer Arbeiten erstellte die Beklagte zu 2 in unmittelbarer Nähe zum Grundstück des Klägers eine Spundwand, die später wieder zu entfernen war. Bei der Setzung einer Spundwand werden die einzelnen Bohlen in den Boden gerammt und müssen später wieder gezogen werden. Nach der Behauptung des Klägers wurden durch die beim Einrammen und / oder Ziehen der Bohlen entstandenen Erschütterungen / Vibrationen erhebliche Schäden an der Bebauung auf seinem Grundstück verursacht, insbesondere Riss- und Feuchtigkeitsschäden. Vor allem die Anbauten seinen hierwegen akut einsturzgefährdet und unbewohnbar gewesen, weshalb seine Mieterin Gabler die Miete gemindert habe.
3
Mit seiner (sukzessive erweiterten) Klage begehrte der Kläger gesamtschuldnerisch von beiden Beklagten den Ersatz des Gebäudeschadens in Form von fiktiven Sanierungskosten, den Mietentgang sowie von Räumungskosten, die er der Mieterin erstattet habe. Von der Beklagten zu 1 begehrte der Kläger zusätzlich die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich weiterer Schäden.
4
Das Landgericht erholte ein Gutachten des Sachverständigen K. zur Verursachung von Schäden am klägerischen Hausanwesen durch die streitgegenständlichen Bauarbeiten sowie zu den Kosten ihrer Beseitigung. Im Zuge des Verfahrens verkaufte und veräußerte der Kläger sein Grundstück an einen Dritten. Nach gerichtlichem Hinweis stellte der Kläger daraufhin die Berechnung seines Gebäudeschadens auf Schadensersatz nach der Differenzhypothese um.
5
Der Kläger hat beantragt,
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 290.995,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.000,- € seit 4.6.2015 und aus 260.995,01 € seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2.
Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.554,93 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.6.2015 zu bezahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen Schaden am Anwesen „A. L. 9, … M.“ zu ersetzen, der im Zusammenhang mit den von der Beklagten beauftragten Bauarbeiten (Spundwandarbeiten) am Grundstück „A. L. 11, … M.“ entstanden ist.
6
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich eines Teils des geltend gemachten Mietausfallschadens (33.650,61 € nebst anteiligen Zinsen seit 12.12.2017) stattgegeben; im übrigen hat es sie abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit seiner zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren, soweit ihm nicht entsprochen wurde, in reduziertem Umfang weiter. Mit ihren zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen begehren die Beklagten die Abweisung der Klage insgesamt.
8
Der Kläger beantragt,
1.
Das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.11.2018 (Az.: 12 O 14745/15) wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verurteilt werden, an den Kläger weitere 107.344,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2.
Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.554,93 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.6.2015 zu bezahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen Schaden am Anwesen „A. L. 9, … M.“ zu ersetzen, der im Zusammenhang mit den von der Beklagten beauftragten Bauarbeiten (Spundwandarbeiten) am Grundstück „A. L. 11, … M.“ entstanden ist.
9
Die Beklagte zu 1 beantragt,
1.
Das Urteil des Landgerichts München I vom 27.11.2018 (Az.: 12 O 14745/15) wird gegenüber der Beklagten zu 1 abgeändert, soweit die Beklagte zu 1 gesamtschuldnerisch zur Zahlung in Höhe von 33.650,61 € verurteilt wurde.
2.
Die Klage wird gegenüber der Beklagten zu 1 insgesamt abgewiesen.
10
Die Beklagte zu 2 beantragt, das Urteil des Landgerichts München I (Az. 12 O 14745/15) aufzuheben, soweit die Beklagte zu 2 darin als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu 1 verurteilt worden ist, an den Kläger 33.650,61 nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2017 zu bezahlen.
11
Die Parteien beantragen wechselseitig die Zurückweisung der jeweils gegnerischen Rechtsmittel.
12
Die Streithelfer zu 1 und 2 schließen sich den Anträgen der Beklagten zu 1 an.
13
Der Kläger beantragt hilfsweise die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz.

Entscheidungsgründe

B.
14
Die Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
15
I. Die Einwendungen der Beklagten gegen ihre vom Landgericht angenommene Haftung dem Grunde nach greifen nicht durch.
16
1. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass sich eine verschuldensunabhängige Haftung der Beklagten zu 1 aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB für die Schäden am klägerischen Hausgrundstück ergibt.
17
a) Soweit die Beklagte zu 1 einwendet, dass es sich vorliegend um unwesentliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB gehandelt habe, die der Kläger entschädigungslos dulden müsse, weil vorliegend die Richtwerte der DIN für Erschütterungen eingehalten worden seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
18
Richtig ist zunächst, dass unwesentliche Beeinträchtigungen eines Grundstücks vom Eigentümer entschädigungslos zu dulden sind (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB), wohingegen nur wesentliche Beeinträchtigungen, die wegen ihrer Ortsüblichkeit ausnahmsweise zu dulden sind, einen Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auslösen. Vorliegend handelte es sich aber um wesentliche Beeinträchtigungen.
19
Das Landgericht durfte dem Gutachten K. entnehmen, dass durch die Bauarbeiten erhebliche Schäden an den Bauwerken auf dem Grundstück des Klägers eingetreten sind bzw. vertieft wurden. Das Hervorrufen massiver Schäden auf einem fremden Grundstück ist immer eine wesentliche Beeinträchtigung dieses Grundstücks, auch wenn dabei gesetzliche oder technische Richtwerte eingehalten wurden. § 906 Abs. 1 S. 2 BGB steht dieser Annahme nicht entgegen. Denn hiernach ist die Beeinträchtigung eines Grundstücks bei Einhaltung solcher Richtwerte nur in der Regel unwesentlich. Eine Ausnahme von dieser Regel muss nach Auffassung des Senats jedenfalls dann greifen, wenn durch die Einwirkung massive Schäden an dem Grundstück verursacht werden.
20
b) Zu Unrecht rügt die Erstbeklagte insoweit, dass das Landgericht die am klägerischen Anwesen vorhandenen Vorschäden nicht berücksichtigt habe.
21
Die Beklagte zu 1 hatte vor Beginn der Baumaßnahmen das „Beweissicherungsgutachten“ des Ingenieurbüros IGB (Anlage B 2) zum Zustand des klägerischen Anwesens in Auftrag gegeben. Das Landgericht hat im Beweisbeschluss (Bl. 157 ff. der Akten, dort S. 3) dem Gerichtssachverständigen K. aufgegeben, sich damit auseinanderzusetzen, was dieser auch getan hat. Damit sind die dokumentierten Vorschäden in die Begutachtung eingeflossen. Dass diese sich durch die Baumaßnahmen massiv verschlimmert haben, konnte das Gericht dem Gutachten K. entnehmen.
22
Abgesehen davon betrifft das Vorhandensein der Vorschäden - entgegen der Auffassung der Beklagten - nur die Frage der Höhe des klägerischen Schadens und lässt die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unberührt. Selbst wenn man aus den Vorschäden und eventuellen seit Errichtung des klägerischen Anwesens bestehenden Baumängeln eine „Schadensgeneigtheit“ des klägerischen Anwesens annehmen wollte, ändert sich an der Haftung der Beklagten dem Grunde nach nichts. Denn auch ein schlecht gebautes fremdes Haus darf man nicht beschädigen. Insofern stellt sich - entgegen der Auffassung der Erstbeklagten - auch kein Kausalitätsproblem. Die vorhandenen Vorschäden haben sich während der Baumaßnahmen deutlich verschlimmert, wie der Sachverständige K. festgestellt hat. Damit spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Baumaßnahmen hierfür ursächlich waren; jedenfalls durfte sich das Landgericht rechtsfehlerfrei von der Kausalität überzeugen.
23
2. Die Zweitbeklagte erhebt in ihrer Berufungsbegründung keine Einwendungen gegen die Annahme des Landgerichts einer Haftung wegen Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1 BGB. Schon deshalb hat es bei diesen Ausführungen des Landgerichts sein Bewenden.
24
Lediglich ergänzend ist noch folgendes anzumerken. Soweit die Zweitbeklagte in einem späteren Schriftsatz ausführt, sie sei an die Weisungen bzw. den Auftrag der Erstbeklagten gebunden gewesen, rechtfertigt diese Erwägung aus dem Innenverhältnis der Beklagten keine Eigentumsverletzung im Verhältnis zum Kläger.
25
II. Die Erwägungen des Landgerichts zur Höhe des klägerischen Schadens leiden jedoch an erheblichen Verfahrensmängeln, welche eine aufwändige und umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich machen (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
26
1. Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger den Wertverlust seines Grundstücks nicht unter Beweis gestellt hat (LGU 15 unten). Der hierfür angebotene Sachverständigenbeweis wäre zu erheben gewesen und ist nunmehr zu erheben.
27
a) Zunächst ist - zum Verständnis der nachfolgenden prozessualen Erwägungen - die materiell-rechtliche Lage zu skizzieren.
28
aa) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB haftende Erstbeklagte und die nach § 823 Abs. 1 BGB haftende Zweitbeklagte insoweit als Gesamtschuldner haften (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1982 - V ZR 314/81, Rz. 31). Dies hat zur Folge - wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat -, dass der Anspruch gegen beide Beklagte einem einheitlichen Haftungsregime folgt, was seinen Inhalt angeht. Dieses einheitliche Haftungsregime kann bei gesamtschuldnerischer Schadensersatz- bzw. Entschädigungshaftung nur den §§ 249 ff. BGB entnommen werden.
29
bb) Hiernach war der Kläger nicht gehindert, seinen Anspruch auf der Basis der fiktiven Schadensbeseitigungskosten zu berechnen. Die Rechtsprechung des Bausenats zur Unstatthaftigkeit der Abrechnung auf der Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht (BGH, Urteil vom 22.2.2018 - VII ZR 46/17; Urteil vom 6.12.2018 - VII ZR 71/15) stand dem nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung beruht entscheidend auf Spezifika des Werkvertragsrechts, insbesondere dem Äquivalenzinteresse von Unternehmer und Besteller. Vorliegend wird jedoch kein werkvertraglicher Gewährleistungsanspruch, sondern ein deliktischer bzw. nachbarrechtlicher Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Im allgemeinen Schadensersatzrecht ist jedoch unbestritten, dass der Geschädigte den Schaden auf der Basis fiktiver Reparaturkosten berechnen und nach der ihm zustehenden Dispositionsfreiheit den Schadensersatzbetrag anderweitig verwenden kann (vgl. Palandt / Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 249 Rz. 6, 14).
30
cc) Das Landgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass dem Kläger die soeben dargestellte Art der Berechnung seines Schadens ab dem Zeitpunkt verwehrt war, ab dem er sein Grundstück veräußert hatte. Denn die Erstattung der (auch fiktiven) Sanierungskosten wäre Naturalrestitution im Sinne von § 249 BGB. Wenn der Kläger nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist, ist ihm die Sanierung und damit die Naturalrestitution nicht mehr möglich. Damit hat seine Entschädigung nach § 251 BGB zu erfolgen. Maßgeblich ist daher die Differenz des Wertes des unbeschädigten Grundstücks zum Wert des beschädigten Grundstücks.
31
Ein bebautes Grundstück ist ein Unikat. Maßgeblich kann daher nicht der Wiederbeschaffungswert sein. Also ist die Wertdifferenz nach dem Verkehrswert zu bemessen. Vor diesem Hintergrund ist der vom Landgericht konstruierte Unterschied zwischen Verkehrswert, Marktwert und (erzielbarem) Kaufpreis nicht nachvollziehbar. Maßgeblich ist, welchen Kaufpreis der Kläger vor bzw. nach der Beschädigung auf dem Markt hätte erzielen können; richtig ist allerdings, dass der Jahre später tatsächlich erzielte Kaufpreis nicht maßgeblich ist (vgl. dazu auch unten IV.1.c).
32
Keine andere Beurteilung rechtfertigen die Vorschriften der ImmoWertVO. Denn diese enthält keine abweichende Definition des Begriffs des Verkehrswerts, sondern konkretisiert die Methoden zu dessen Ermittlung.
33
b) Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die genannte Wertdifferenz ausreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt.
34
aa) Im Schriftsatz vom 17.1.2018 hat der Kläger Sachverständigenbeweis für seine Behauptung angeboten, dass er für das Grundstück mit Bebauung im unbeschädigten Zustand 1,15 - 1,2 Mio. € hätte erzielen können (Blatt 356 der Akten). Das genügte noch nicht für die Erholung des Gutachtens. Zwar teilt der Kläger den (mehrere Jahre später) tatsächlich erzielten Kaufpreis von 0,9 Mio. € mit. Maßgeblich ist jedoch nicht der tatsächlich erzielte (vgl. dazu auch unten IV.1.c), sondern der erzielbare Kaufpreis, und zwar zum Zeitpunkt nach dem schädigenden Ereignis. Diese Zusammenhänge hat das Landgericht zunächst zutreffend gesehen und mit Hinweis vom 15.3.2018 (Blatt 382 der Akten) darauf hingewiesen.
35
bb) Mit Schriftsatz vom 6.8.2018 (Blatt 396 der Akten) hat der Kläger sodann die Behauptung aufgestellt und unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass er das Hausgrundstück ohne die Schäden am Jahresende 2014 für 0,2 Mio. € mehr hätte verkaufen können. Diese Behauptung hätte zusammen mit der vorgenannten im Schriftsatz vom 17.1.2018 für die Erholung des Gutachtens ausgereicht. Der genannte Bewertungszeitpunkt (Jahresende 2014) ist vertretbar (näher zum Zeitpunkt der Bewertung vgl unten IV.1.a). Der Wert des Grundstücks ohne die Schäden ist im Schriftsatz vom 17.1.2018 genannt. Die Behauptung im Schriftsatz vom 6.8.2018 kann nur dahin verstanden werden, dass der Wert des Grundstücks mit den Schäden 0,2 Mio. € niedriger sein soll.
36
Entgegen der Auffassung der Beklagten wäre die Begutachtung keine Ausforschung gewesen. Es liegen eine schlüssige Tatsachenbehauptung und ein Beweisangebot vor; der Beweis wäre zu erheben gewesen. Wie der Kläger zu seiner Behauptung kommt, ist irrelevant.
37
Das Landgericht hat sodann den Beweis nicht erhoben, sondern mit dem irreführenden Hinweis vom 7.8.2018 (Blatt 397 der Akten) reagiert. Dort wird ein Unterschied zwischen Wert und Kaufpreis konstruiert, was für den erzielbaren Kaufpreis (= Verkehrswert) nicht zutrifft. Obendrein wird - nach den vorstehenden Ausführungen unzutreffend - behauptet, dass der Kläger noch immer keine Wertangaben hinsichtlich des geschädigten Grundstücks unter Beweis stellen möchte.
38
cc) Damit kam es auf den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vom 9.10.2018 (Protokoll Blatt 410 ff. der Akten) schon gar nicht mehr an. Es handelt sich lediglich um eine Konkretisierung, die auch nicht verspätet ist; ein Gutachten hätte nach den vorstehenden Ausführungen ohnehin erholt werden müssen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist dieser konkretisierte Beweisantrag auch nicht unschlüssig. Wenn dort ein Wert ohne Schäden von 1,2 Mio. €, ein solcher mit Schäden von 0,9 Mio. € und eine Wertdifferenz von 0,25 Mio. € behauptet werden, erklärt sich dies aus dem Schriftsatz vom 17.1.2018, wo ein Wert ohne Schäden von 1,15 bis 1,2 Mio. € behauptet wurde. Die vorliegende offenbare Unrichtigkeit wäre unschwer durch Auslegung zu beheben gewesen; jedenfalls aber durfte das Landgericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag ohne Hinweis hierauf nicht als unschlüssig bewerten.
39
c) Damit ist nunmehr das beantragte Sachverständigengutachten zu erholen. Dies stellt nach Auffassung des Senats schon für sich allein gesehen eine aufwändige und umfangreiche Beweisaufnahme dar. Die retrospektive Bewertung eines Grundstücks in zwei verschiedenen Erhaltungszuständen dürfte sich auch für einen erfahrenen Sachverständigen als schwierig erweisen, weil hierfür neben Kenntnissen des Immobilienmarktes im fraglichen Zeitraum auch die Auswirkungen der Vorschäden einerseits (Wert vor der Baumaßnahme) und die durch die Baumaßnahme hergerufenen Schäden andererseits (Wert nach der Baumaßnahme) in die Betrachtung einzubeziehen sein werden. Es ist daher damit zu rechnen, dass mit einer einmaligen Begutachtung die Sache nicht zu erledigen sein wird; aller Voraussicht nach wird je nach den Einwendungen der Parteien eine Ergänzung des Gutachtens und / oder eine Anhörung des Sachverständigen erforderlich werden.
40
2. Auch über den geltend gemachten Mietausfallschaden hätte das Landgericht nicht ohne Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Diese Beweisaufnahme ist nunmehr noch erforderlich.
41
a) Der Kläger (Bl. 324 der Akten) - und ihm folgend das Landgericht - hat seinen Schaden zuletzt wie folgt berechnet: geschuldete Miete für 35 Monate (November 2014 mit September 2017) abzüglich erhaltene Zahlungen abzüglich Zahlungen auf den Räumungsvergleich. Das wäre grundsätzlich eine schlüssige Methode zur Schadensberechnung. Die Beklagte haben allerdings alle Parameter dieser Berechnung, insbesondere die Höhe und Dauer der Mietminderung, bestritten (Beklagte zu 1 letztmals Blatt 332 der Akten, Beklagte zu 2 letztmals Blatt 341 der Akten). Das Landgericht hätte daher die klägerische Schadensberechnung nicht ohne Beweiserhebung zugrunde legen dürfen.
42
Nichts anderes ergibt sich aus den insoweit vom Landgericht in Bezug genommenen Anlagen K 8 und K 11. Denn aus ihnen ergibt sich weder, in welcher Höhe die Mieterin G. die Miete tatsächlich nicht gezahlt hat, noch die Dauer der Mietminderung.
43
b) Der Kläger hatte erstinstanzlich mehrfach (vgl. insbesondere Blatt 128 der Akten) die Tatsache und den Umfang der Mietminderung durch die Zeugin G. in deren Wissen gestellt. Die Zeugin G. ist daher nunmehr (gegebenenfalls nach Präzisierung des klägerischen Vortrags) zu Dauer und Höhe der von ihr erklärten Mietminderung (was naturgemäß die Frage nach von ihr auf die Miete erbrachten Zahlungen einschließt) zu vernehmen. Dieses Beweisthema wäre für sich gesehen weder umfänglich noch aufwändig; die hierwegen erforderliche Beweisaufnahme kommt aber zu der nach oben II.1 erforderlichen Beweisaufnahme hinzu.
44
III. Nachdem eine Partei (nämlich der Kläger) einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt hat (§ 538 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO), hatte der Senat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob er die nunmehr erforderliche Beweisaufnahme selbst durchführt oder die Sache an das Landgericht zurückverweist. Der Senat hat sich unter Abwägung aller Umstände des Falles für die Zurückverweisung entschieden.
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Die diesbezüglichen Überlegungen haben davon auszugehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Berufungsgericht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die erforderlichen Beweise im Regelfall selbst zu erheben hat, die Zurückverweisung an das Ausgangsgericht somit die Ausnahme darstellen muss. Umgekehrt ist eine Zurückverweisung umso eher veranlasst, je aufwändiger und umfangreicher die Beweisaufnahme ist. Vorliegend ist zu zwei Komplexen der Schadenshöhe Beweis zu erheben, zu einem davon durch Sachverständigenbeweis und zum anderen durch Zeugenbeweis. Dieser Umfang der Beweisaufnahme spricht eher für eine Zurückverweisung. Auch wird das vom Gesetz vorgegebene Beschleunigungsinteresse vorliegend durch die Belastung (ca. 200 offene Verfahren) und die daraus resultierende Terminslage des Senats relativiert. Angesichts zweier gesellschaftsrechtlicher Massenverfahren und einer Vielzahl von „Diesel-Fällen“ wäre mit einer Erhebung des Zeugenbeweises, aber auch mit einer - nach aller Erfahrung erforderlichen - Anhörung des Sachverständigen durch den Senat innerhalb der nächsten zwölf Monate nicht zu rechnen, so dass nach der Überzeugung des Senats eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung dadurch, dass der Senat die gebotenen Beweise selbst erhebt, nicht zu erreichen ist. Damit sprechen nach der Überzeugung des Senats die besseren Gründe für die Zurückverweisung.
46
IV. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin.
47
1. Bei der Ermittlung der Wertminderung des klägerischen Grundstücks (oben II.1) wird folgendes zu beachten sein.
48
a) Maßgeblich ist die Differenz der Werte des klägerischen Grundstücks ohne bzw. mit den durch die streitgegenständlichen Bauarbeiten verursachten Schäden. Diese Spundarbeiten (Einrammen bzw. Ziehen der Bohlen) erstreckten sich (vgl. Gutachten K., S. 8) von Ende Oktober 2014 bis März 2015. Da marktbedingte Wertänderungen des Grundstücks in diesem Zeitraum keiner der Parteien zugute kommen sollen, empfiehlt es sich, die Werte des Grundstücks in beschädigtem bzw. unbeschädigtem Zustand als Durchschnittswerte bzw. Bandbreiten für einen gewissen Zeitraum, also etwa letztes Quartal 2014 und erstes Quartal 2015 sachverständig ermitteln zu lassen. Soweit der Sachverständige unter dieser Prämisse nicht zu Punktwerten, sondern zu Bandbreiten gelangt, wird es Aufgabe des Landgerichts sein, im Wege tatrichterlicher Schätzung nach § 287 ZPO den ersatzfähigen Schaden im Rahmen dieser Bandbreiten zu ermitteln, wobei zu berücksichtigen sein wird, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe seines Schadens beim Kläger liegt.
49
b) Auszugehen ist vom Zustand des klägerischen Hausanwesen vor Beginn der Bauarbeiten, also mit den vorhandenen Vorschäden. Diese werden etwa im Gutachten IGB (Anlage B 2) dokumentiert. Es wird sich empfehlen, im zu erlassenden Beweisbeschluss den Sachverständigen auf diese Zusammenhänge hinzuweisen.
50
c) Dem Kaufpreis, den der Kläger tatsächlich erzielt hat, kann zwar grundsätzlich eine gewisse Indizwirkung für den Wert des Hausgrundstücks in beschädigtem Zustand zukommen (BGH, Urteil vom 22.2.2018 - VII ZR 46/17, Rz. 29). Im vorliegenden Fall wird diese Indizwirkung aber stark relativiert durch die Tatsache, dass der Verkauf mehrere Jahre nach dem für die Bewertung relevanten Zeitraum erfolgte und in dieser Zeit die Grundstückspreise in München senatsbekannt massiv gestiegen sind.
51
Keine Bedeutung hat es schon von daher, wenn der vom Kläger erzielte Kaufpreis den vom Sachverständigen ermittelten Wert des Grundstücks übersteigen sollte. Denn solche Vorteile, die entweder auf besonderem Verhandlungsgeschick des Klägers oder auf der zwischenzeitlichen Preisentwicklung beruhen, sollen dem Schädiger bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht zugute kommen (BGH, a.a.O.).
52
2. Bei der Ermittlung des Mietausfallschadens wird folgendes zu beachten sein.
53
a) Im Wege des Schadensersatzes kann der Kläger die Mietminderung nur insoweit an die Beklagten weitergeben, als sie berechtigt war. Das bedeutet, dass der durch Beweisaufnahme ermittelnde Betrag der tatsächlichen Mietminderung nur insoweit ersatzfähig ist, als er (im Verhältnis zwischen Kläger und Mieterin) berechtigt war. Das Landgericht wird sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit die festgestellte tatsächliche Mietminderung nach den mietrechtlichen Vorschriften berechtigt war.
54
Anhaltspunkte dafür können die Feststellungen des Sachverständigen K. zum Zustand des Hausanwesens geben, insbesondere die vom Sachverständigen bestätigte Behauptung des Klägers, dass das im Anbau befindliche Schlafzimmer der Mieterin einsturzgefährdet und nicht nutzbar war; auf der anderen Seite ist zu sehen, dass der Rest der Wohnung offenbar noch jahrelang weiter benutzt wurde und dass die vorhandenen Vorschäden von der Mieterin offenbar nicht als Anlass für eine Mietminderung herangezogen wurde, insoweit die Wohnung also als vertragsgemäß anerkannt wurde. Ein Anhaltspunkt könnte auch sein, dass der Kläger und seine Mieterin im vor dem Amtsgericht geschlossenen Räumungsvergleich von einer berechtigten Mietminderung um 40% ausgegangen sind. Eine Mietminderung um 100% erscheint dem Senat jedenfalls übersetzt. Das Landgericht wird das Maß der berechtigten Mietminderung auf der Basis des Prozessstoffes nach § 287 ZPO zu schätzen haben.
55
b) Für die zeitliche Dimension des Schadens (geltend gemacht sind 35 Monate) werden folgende Gesichtspunkte zu beachten sein.
56
Dem Kläger fehlt die Aktivlegitimation für Mietausfälle ab dem Zeitpunkt, ab dem gemäß Kaufvertrag die Nutzungen und Lasten bezüglich des Hausgrundstücks auf den Erwerber übergegangen sind. Der für den Umfang seines Schadens darlegungs- und beweispflichtige Kläger wird hierzu noch vortragen müssen.
57
Dem Kläger ist kein Schaden mehr entstanden ab dem Zeitpunkt, in dem die Mieterin G. ausgezogen ist. Der Auszug erfolgte offensichtlich im Gefolge des Räumungsvergleichs, von dem nicht feststeht, dass er durch die Schäden am Haus (oder nicht doch durch den Verkauf des Hauses) veranlasst wurde. Angesichts des Verkaufs des Hauses erscheint auch nicht plausibel, dass der Kläger das Anwesen ohne die Beschädigungen erneut vermietet hätte. Der Kläger wird daher auch zum Auszugstermin der Mieterin G. noch vortragen müssen
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c) Für zutreffend erachtet der Senat die Überlegungen des Landgerichts zur Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht, weil er die Mängel der gemieteten Wohnung über einen längeren Zeitraum nicht beseitigt habe. Angesichts des Ausmaßes der Schäden und der konsequenten Verweigerungshaltung der Beklagten war es dem Kläger nicht zumutbar, die Schäden frühzeitig zu beseitigen.
59
d) Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht bei der Berechnung des Mietausfallschadens von der Nettomiete (ohne Nebenkostenvorauszahlung) ausgegangen.
60
Richtig ist zwar, dass ein Mieter gegebenenfalls die Gesamtmiete einschließlich der Nebenkostenvorauszahlung mindern kann. Ebenso zutreffend weisen die Beklagten aber darauf hin, dass der Kläger spätestens beim Auszug die Nebenkosten hätte abrechnen können. Insoweit wäre die Mieterin G. (jedenfalls mangels Kenntnis, was die Nebenkostenpauschale abdeckte) verpflichtet gewesen, die Abrechnung zu begleichen, soweit sie die abgerechneten Nebenleistungen tatsächlich in Anspruch genommen hat. Soweit eine Abrechnung unterblieben ist bzw. diese nicht beglichen wurde, handelt es sich um eine unberechtigte Mietminderung, die der Kläger nicht an die Beklagten weitergeben kann. Insoweit verbleibende Zweifel gehen zur Lasten des für die Höhe seines Schadens darlegungs- und beweispflichtigen Klägers.
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Soweit der Kläger einwendet, dass das Landgericht den hiernach relevanten Nettomietbetrag dem vorgelegten Exemplar des Mietvertrages entnommen hat, welcher aber durch zwischenzeitliche Mietänderungen überholt sei, ließ sich dies dem erstinstanzlichen Vortrag nicht entnehmen (lag aber angesichts des Alters des Mietvertrages - die Miete ist noch in DM bemessen - nahe). Angesichts dessen hätte das Landgericht auf die Relevanz der aktuellen (Netto-)Miete hinweisen müssen. Daher ist der Kläger mit neuem Vortrag diesbezüglich nicht präkludiert nach § 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger wird daher noch Gelegenheit haben, zur Höhe der mietvertraglichen (Netto-)Miete im Minderungszeitraum vorzutragen.
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3. Hinsichtlich der Schadensposition „Räumungskosten“ gemäß Rechnung Anlage K 10 ist der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht entscheidungsreif.
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a) Es kann von hier aus derzeit nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger diese Kosten, die er der Mieterin Gabler erstattet haben will, im Wege des Schadensersatzes an die Beklagten weitergeben kann.
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Der Vortrag hierzu in erster Instanz war dürftig. Es war nur von Räumungskosten die Rede, was naturgemäß das Argument der Beklagten provozierte, es handle sich um Sowieso-Kosten, weil die Mieterin wegen der Kündigung und des Räumungsvergleichs ohnehin habe ausziehen müssen.
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Erst in der Berufungsbegründung des Klägers wird der Vortrag dahin präzisiert, dass es sich um die Kosten für Abtransport und Einlagerung der Schlafzimmereinrichtung der Mieterin wegen (vom Sachverständigen K. bestätigter) Unbewohnbarkeit des Schlafzimmers im einsturzgefährdeten Anbau handle. Dem korrespondiert zum einen das Datum der Rechnung gemäß Anlage K 10 (September 2015), aber auch der Text der Rechnung, wo auf die Unbewohnbarkeit des Schlafzimmers und auf Einlagerung Bezug genommen wird. Im Hinblick darauf, dass Anlage K 10 urkundlich belegter Parteivortrag ist und dass keine richterlichen Hinweise hinsichtlich der Räumungskosten dokumentiert sind, ist die genannte Präzisierung des klägerischen Vortrags nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert. Das Argument der Beklagten bezüglich der Sowieso-Kosten sticht somit nicht.
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Zu bedenken ist aber, dass der Kläger diese Kosten, die er der Mieterin G. erstattet haben will, nur dann als Schadensposten an die Beklagten weitergeben kann, wenn er aufgrund des schädigenden Ereignisses dazu verpflichtet war. Die Mieterin G. müsste also einen diesbezüglichen Anspruch gegen den Kläger gehabt haben. Ein solcher könnte sich nur als Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis ergeben (§ 280 Abs. 1 BGB).
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Objektiv hat der Kläger seine Pflicht aus dem Mietvertrag gegenüber der Mieterin G., eine mangelfreie Mietsache zur Verfügung zu stellen, verletzt (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB). Zweifelhaft erscheint aber, ob er dies zu vertreten hatte (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Frage wurde im bisherigen Verfahren nicht ventiliert. Die Parteien werden daher Gelegenheit haben, hierzu dem Landgericht noch vorzutragen. Da ein Vertretenmüssen des Klägers vermutet wird, trifft ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
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b) Soweit der Kläger seinen Anspruch in der Berufungsbegründung auch auf Bereicherungsrecht stützt (offenbar für den Fall, dass die Gerichte zu der Auffassung kommen, er sei nicht verpflichtet gewesen, der Mieterin die Räumungskosten zu erstatten), kann er allerdings keinen Erfolg haben. Die Argumentation des Klägers geht dahin, dass die Mieterin Gabler insoweit einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten gehabt habe. Durch Zahlung an die Mieterin habe der Kläger, der gemeint habe, hierzu verpflichtet gewesen zu sein, die Beklagten ohne Rechtsgrund von dieser Verbindlichkeit befreit. Diese Argumentation legt einen Bereicherungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten nicht schlüssig dar.
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Richtig daran ist zwar, dass die Mieterin insoweit einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten hatte. Ansprüche nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kann auch der berechtigte Besitzer haben. Ebenso ist der berechtigte Besitz ein absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.
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Allerdings scheidet eine Leistungskondiktion gegenüber den Beklagten aus. Leistung ist bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung. Der Kläger wollte nicht eine Verbindlichkeit der Beklagten, sondern eine vermeintliche eigene erfüllen. Dies stellte sich auch aus der maßgeblichen Sicht der Leistungsempfängerin (objektiver Empfängerhorizont), also der Mieterin Gabler so dar. Es liegt also eine Leistung an die Mieterin G. vor. Ansprüche wegen Bereicherung der Beklagten in sonstiger Weise scheitern am Vorrang der Leistungskondiktion. Der Kläger könnte den nicht geschuldeten Betrag bei der Mieterin G. kondizieren.
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4. Keinen Erfolg dürfte der mit neuer Begründung in der Berufungsinstanz aufrechterhaltene Feststellungsantrag (der in beiden Instanzen nur gegen die Beklagte zu 1 geltend gemacht wird) haben.
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Das Landgericht hat den Feststellungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses (gemeint wohl Feststellungsinteresse) abgewiesen, weil die Schadensentwicklung für den Kläger nach Veräußerung des Grundstücks abgeschlossen sei. Diese Argumentation lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
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Der Kläger hält den Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz mit folgender Erwägung aufrecht. Als Gebäudeschaden werde beziffert nur noch ein Betrag von 100.000,- € geltend gemacht. Da es sein könne, dass die Beweisaufnahme einen höheren Gebäudeschaden ergebe, müsse die Möglichkeit der Nachforderung offen gehalten werden.
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Diese Erwägung vermag kein Feststellungsinteresse zu begründen. Es bleibt bei der Erwägung des Landgerichts, dass die Schadensentwicklung abgeschlossen ist. Ferner greift der Vorrang der Leistungsklage. Abstrakt gesehen kann der Kläger seinen Anspruch beziffern (dass er es im konkreten Fall nicht vermochte, berührt die Beklagten nicht) und trägt damit das Risiko, zu viel oder zu wenig zu verlangen. Dieses Risiko kann durch einen Feststellungsantrag nicht umgangen werden, weil sonst der Vorrang der Leistungsklage ausgehebelt würde.
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Der Senat hat erwogen, den Feststellungsantrag sogleich abzuweisen, hat aber letztlich davon Abstand genommen. Denn eine diesbezügliche Sachentscheidung des Senats wäre nur nach einem ergebnislosen Hinwirken auf die Stellung sachdienlicher Anträge möglich gewesen (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der hiernach erforderliche Hinweis wurde vorstehend erteilt. Der Kläger kann nunmehr erwägen, ob und wie er seine Anträge in der erneuten Verhandlung erster Instanz umstellt.
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5. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten (der in beiden Instanzen nur gegen die Beklagte zu 1 geltend gemacht wird) dürfte bestehen.
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Das Landgericht hat den Anspruch mit der Begründung abgelehnt, dass Verzugseintritt vor dem ersten Tätigwerden der Klägervertreter zu 1 nicht ersichtlich sei. In der Berufungsbegründung legt der Kläger einen früheren Verzugseintritt nicht dar. Er weist aber darauf hin, dass er zumindest gegen die Beklagte zu 2 einen deliktischen Schadensersatzanspruch habe, in dessen Rahmen die vorgerichtlichen Kosten als unselbständiger Schadensposten geltend gemacht werden könnten. Das ist zwar richtig, aber aus zwei Gründen unbehelflich. Erstens wird der Anspruch im Prozess nur gegen die Beklagte zu 1 geltend gemacht. Und zweitens sind vorgerichtliche Tätigkeiten gegenüber der Beklagten zu 2 - worauf diese zu Recht hinweist - nicht vorgetragen.
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Der Anspruch in der Hauptsache ist gegen die Beklagte zu 1 auf § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gestützt. Dieser stellt nach Auffassung des Senats einen Schadensersatzanspruch dar, was sich schon daraus ergibt, dass er im Gesamtschuldverhältnis mit dem deliktischen Anspruch gegen die Beklagte zu 2 steht (vgl. oben). Daher können nach Auffassung des Senats die vorgerichtlichen Kosten des Klägers auch im Rahmen dieses Anspruchs als unselbständiger Schadensposten geltend gemacht werden (allerdings nur aus dem vorinstanzlich berechtigt geltend gemachten Gegenstandswert).
C.
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Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens war dem Landgericht vorzubehalten.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO ist nicht erforderlich, weil das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.