Inhalt

FG München, Urteil v. 19.03.2019 – 12 K 985/17
Titel:

Aufhebung der Kindergeldfestsetzung

Normenketten:
VersVermV § 1 Abs. 3 Satz 2, § 3 Abs. 8
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
GewO § 34d Abs. 2 Nr. 4
BBiG § 17, § 36
Leitsätze:
1. In Berufsausbildung befindet sich, wer „sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet.
2. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des „angestrebten“ Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind.
3. Als berufsbezogenes Ausbildungsverhältnis ist ohne weiteres die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf anzuerkennen, wenn sie nach der maßgeblichen Ausbildungsordnung durchgeführt wird. Gleiches gilt für einen sonst vorgeschriebenen, allgemein anerkannten oder üblichen Ausbildungsweg.
4. Die Ausbildung zum Versicherungsfachmann ist eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.
Schlagworte:
Anspruch, Ausbildung, Ausbildungsverhältnis, Ausbildungsvertrag, Berufsausbildung, Einspruch, Eintragung, Familienkasse, Kindergeld, Kindergeldantrag, Kindergeldfestsetzung, Kindesvater, Minderung, Realschule, Versicherung, wirtschaftliches Interesse
Fundstelle:
BeckRS 2019, 18960

Tenor

1. Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 23. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2017 wird aufgehoben, soweit darin die Kindergeldfestsetzung für die Monate März 2014 bis Juni 2015 aufgehoben wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 6/22 und die Beklagte zu 16/22.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob der Klägerin für ihren Sohn […] (YZ, geboren am […] Mai 1995) für den Zeitraum von März 2014 bis Dezember 2015 Kindergeld zusteht.
2
Nachdem YZ zum […] Juli 2013 die Realschule - nach einer Wiederholung der 10. Klasse zur Notenverbesserung - abgeschlossen hatte, wurde er ab […] August 2013 als ausbildungsplatzsuchend und ab […] September 2013 als arbeitssuchend registriert. Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 teilte die Klägerin der Beklagten - […] (Familienkasse) - mit, dass YZ eine Zusage erhalten habe, dass er für den […] September 2013 einen Ausbildungsvertrag beim [… M-Büro] als Versicherungskaufmann bekomme. Er habe sich auf diese Zusage verlassen und seine Suche auf weitere Lehrstellen eingestellt. Mitte Mai 2013 sei YZ mitgeteilt worden, dass er vor der Ausbildung zuerst ein halbes Jahr zur Probe arbeiten müsse, um zu zeigen, ob er überhaupt für diesen Beruf tauglich sei; außerdem hätte er die Kosten für Berufsschule und Prüfungen selbst zahlen müssen. Zu diesen Bedingungen sei YZ nicht bereit gewesen, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen. Deshalb sei kein Vertrag zu Stande gekommen. Daraufhin habe sich YZ bei anderen Unternehmen beworben; dies sei durch verschiedene Bewerbungsschreiben zu belegen. Da diese Bewerbungen jedoch Anfang Juni 2013 zu spät gewesen seien, habe er sich arbeitssuchend melden müssen.
3
Die Familienkasse ging nun davon aus, dass die Klägerin über die Bemühungen von YZ, eine Ausbildungsstelle zu erhalten, Nachweise für August 2013 und November 2013 erbracht habe und setzte mit Bescheid vom 3. März 2014 Kindergeld für beide Monate fest.
4
Weiter trug die Klägerin mit Schreiben vom 27. März 2014 vor, dass aufgrund dieser Umstände auch ihr Mann den Vertrag mit [… M-Büro] zum […] 2013 aufgelöst habe. Darauf habe sie die Firma […] (XYZ) gegründet und diese sei am […] 2013 in das Handelsregister eingetragen worden. Geschäftsführer der XYZ sei ihr Ehemann, […] (XZ), der Kindesvater. Die XYZ habe zum […] 2013 Büroräume angemietet und zum Januar 2014 habe die Industrie- und Handelskammer […] (IHK) auch die Eintragung in das Versicherungsvermittlerregister bestätigt. YZ habe dann von der XYZ zum 1. März 2014 einen Ausbildungsvertrag erhalten. Mit Schreiben vom 2. Juli 2013 habe die IHK auch der Berufsausbildung ihres Sohnes YZ zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen durch ihren Mann zugestimmt.
5
Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 22. Mai 2014 für YZ Kindergeld ab dem Monat Juni 2013 fest und speicherte als Ende der Berufsausbildung den Dezember 2015. Die Familienkasse begründete die Festsetzung damit, dass sich YZ ab dem Folgemonat nach der Vollendung seines 18. Lebensjahres um einen Ausbildungsplatz bemüht habe und sich seit März 2014 in Ausbildung befinde.
6
Mit Bescheid vom 30. November 2015 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für YZ ab Januar 2016 auf, da er seine Berufsausbildung beendet habe. Am 21. November 2016 stellte die Klägerin einen neuen Antrag auf Kindergeld, da YZ seit […] November 2016 einen Lehrgang zum Immobilienfachwirt IHK besuche. In der Anlage zum Kindergeldantrag wurde zusätzlich ausgeführt, dass YZ in der Zeit vom 1. September 2014 bis 16. November 2016 eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen habe können. Darauf forderte die Familienkasse am 29. November 2016 einen Nachweis über das Ende der Berufsausbildung bei der XYZ an.
7
In der Erklärung zum Ausbildungsverhältnis vom 5. Dezember 2016 gaben die Klägerin und YZ an: „Ein Ausbildungsverhältnis wurde nie durchgeführt. Dies hatte betriebswirtschaftliche Gründe.“ Der Ausbildungsbetrieb XYZ bestätigte diese Erklärung durch einen entsprechenden Vermerk vom selben Tag. Mit weiterem Schreiben vom 5. Dezember 2016 bestätigte die XYZ dem YZ, dass sie ihm aus betriebswirtschaftlichen Gründen keine Ausbildung habe anbieten können und dass aus diesen Gründen kein Lehrvertrag mit ihm abgeschlossen worden sei.
8
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 setzte die Familienkasse ab dem Monat November 2016 für YZ Kindergeld fest und änderte mit weiterem Bescheid vom 22. Dezember 2016 für den Zeitraum von März 2015 bis Dezember 2015 die Ordnungszahl für YZ (ohne Auswirkungen auf den monatlichen Kindergeldanspruch). Mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 gab die Familienkasse der Klägerin Gelegenheit, sich dazu zu äußern, dass sie für YZ für die Zeit von März 2014 bis Dezember 2015 Kindergeld erhalten habe, obwohl dafür möglicherweise kein Anspruch bestehe. Mit Bescheid vom 23. Januar 2017 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für YZ für den Zeitraum von März 2014 bis einschließlich Dezember 2015 auf, da sich YZ in dieser Zeit nicht in Ausbildung befunden habe und auch keinen anderen Tatbestand der Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) erfülle.
9
Der dagegen gerichtete Einspruch wurde von der Klägerin damit begründet, dass die zugesagte Ausbildung zum Versicherungskaufmann IHK beim […] nicht zustande gekommen sei. Diese sei für die Zeit vom 1. September 2013 bis 31. August 2016 geplant gewesen. Da der Vater von YZ zum 1. Juli 2013 den Vertriebspartnervertrag mit der [… M-Büro] in beiderseitigen Einvernehmen beendet habe, sei der Berufsausbildungsvertrag auch nicht bei der IHK angezeigt worden. Stattdessen habe YZ bei der XYZ am 13. Februar 2014 einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, aber nun über eine Ausbildung zum Versicherungsfachmann. Diese Ausbildung zum Versicherungsfachmann stelle sich anders dar, als die Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Einen Ausbildungsplan gebe es in dieser Form nicht; es existiere aber ein Rahmenplan mit Lernzielen für die Sachkundeprüfung zum Versicherungsfachmann bei der IHK. Die Ausbildung sei so durchgeführt worden, dass YZ die Prüfungen bei der IHK bestehen könne. Sachkundiger Ausbilder sei dessen Vater XZ gewesen. Die Sachkunde des Vaters sei durch den Erhebungsbogen der IHK für Ausbildungsbetriebe vom 29. Mai 2013 und das Bestätigungsschreiben der IHK vom 2. Juli 2013 nachgewiesen. Nun habe YZ die Ausbildung zum Immobilienfachwirt begonnen. Während der Ausbildung zum Versicherungsfachmann habe YZ Vergütungen bezogen und zwar 6.283 € im Jahr 2014 und 5.531 € im Jahr 2015.
10
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 2017 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Familienkasse war der Auffassung, dass sich YZ im streitigen Zeitraum von März 2014 bis Dezember 2015 nicht in Berufsausbildung befunden habe. Zwar habe YZ zum 1. März 2014 einen Ausbildungsvertrag mit XYZ abgeschlossen. Die Ausbildung sei jedoch aufgrund betriebswirtschaftlicher Gründe nicht zustande gekommen.
11
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung der Klage bedient sich die Klägerin der bereits im Einspruchsverfahren vorgetragenen Argumente. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Beklagte fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die Ausbildung von YZ ab dem 1. März 2014 aufgrund betriebswirtschaftlicher Probleme des Ausbildungsbetriebs tatsächlich nicht zustande gekommen sei. YZ habe anstatt der Ausbildung zum Versicherungskaufmann eine Ausbildung zum Versicherungsfachmann aufgrund eines neuen Ausbildungsvertrages vom 13. Februar 2014 begonnen. Die Ausbildung zum Versicherungsfachmann sei hinsichtlich des fachlichen Anspruchs und der späteren beruflichen Tätigkeitsmöglichkeiten nicht nur gleichwertig, sondern sogar besser und eher geeignet, für den Ausgebildeten eine spätere berufliche Perspektive zu erschließen. Die von der Familienkasse genannten Anforderungen an den Ausbildungsvertrag vom 13. Februar 2014 sowie an die berufliche Praxis der konkreten Ausbildung seien umgesetzt worden. Die Familienkasse habe sich augenscheinlich von dem Schreiben des Ausbildungsunternehmens vom 5. Dezember 2016 in die Irre führen lassen, in dem dies nicht hinreichend konkret erläutert wurde.
12
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung von März 2014 bis Dezember 2015 vom 23. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2017 aufzuheben.
13
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Die Familienkasse verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist sie darauf hin, dass das Schreiben der XYZ vom 5. Dezember 2016 eindeutig sei. Mit diesem Schreiben werde lediglich die Berufspraxis und die Aneignung von Kenntnissen seit dem Beginn der Beschäftigung bestätigt, nicht aber, dass eine Ausbildung erfolgt sei. Arbeitstätigkeit während der Berufspraxis sei keine Ausbildung, auch wenn diese mit der Aneignung von Kenntnissen während der Beschäftigung verbunden sei.
15
Der Senat hat mit Beschluss vom 8. Februar 2019 die Beweiserhebung durch die Einvernahme des Sohnes YZ und des Kindesvaters XZ als Zeugen angeordnet und nach Maßgabe dieses Beschlusses am 19. März 2019 Beweis erhoben. Wegen der Durchführung und des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
16
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.
17
Die Klage ist teilweise begründet.
18
1. Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG - unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen - Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
19
a) In Berufsausbildung befindet sich, wer „sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, m.w.N.). Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des „angestrebten“ Berufs geeignet sind (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298; vom 14. September 2017 III R 19/16, BFHE 259, 443, BStBl II 2018, 131), und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind (BFH-Urteile vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296; vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 10. Mai 2012 VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895; vom 22. Februar 2017 III R 3/16, BFH/NV 2017, 1304). Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteile vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294; vom 22. Februar 2017 III R 20/15, BFHE 257, 274, BStBl II 2017, 913). Als berufsbezogenes Ausbildungsverhältnis ist ohne weiteres die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf anzuerkennen, wenn sie nach der maßgeblichen Ausbildungsordnung durchgeführt wird. Gleiches gilt für einen sonst vorgeschriebenen, allgemein anerkannten oder üblichen Ausbildungsweg (Abschn. A 15.6 Abs. 1 Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz <DA-KG 2018>, BStBl I 2018, 822). Feste Vorgaben lassen sich für die Auslegung der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht aufstellen. Vielmehr sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzuwägen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701).
20
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Senat der Auffassung, dass die Ausbildung zum Versicherungsfachmann eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist.
21
Die Ausbildung zum Versicherungsfachmann folgt einem vorgeschriebenen Ausbildungsweg i.S. der o.g. BFH-Rechtsprechung. Die Ausbildung wird berufsbegleitend, üblicherweise im Rahmen einer praktischen, versicherungsspezifischen Tätigkeit durchgeführt und dauert zwischen 12 und 24 Monaten, kann aber bei einem entsprechenden in beruflicher Praxis erworbenen Wissen auch schon binnen eines halben Jahres absolviert werden (vgl. https://www.ausbildung.de/berufe/versicherungsfachmann/ Stand: 19.03.2019; https://de.wikipedia.org/wiki/versicherungsfachmann/ Stand: 19.03.2019). An deren Ende steht die abschließende schriftliche und praktische mündliche Prüfung, die von der örtlichen IHK mit dem Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) als Dienstleister durchgeführt wird. Die Prüfung zum Versicherungsfachmann gilt als Sachkundenachweis gemäß § 34d Abs. 2 Nr. 4 Gewerbeordnung (GewO) und ist die Mindestqualifikation, die Versicherungsvermittler zu Erteilung der Gewerbeerlaubnis benötigen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Versicherungsfachmann/ Stand: 19.03.2019; vgl. auch Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung <Versicherungsvermittlungsverordnung - VersVermV> a.F. vom 15. Mai 2007, BGBl I 2007, 733; Anlage 2 zu § 3 Abs. 8 VersVermV a.F. und VersVermV n.F. vom 17. Dezember 2018, BGBl I 2018, 2483, Anlage 2 zu § 4 Abs. 8 VersVermV n.F.). Die inhaltlichen Anforderungen an die Sachkundeprüfung zum Versicherungsfachmann sind in Anlage 1 zu § 1 Abs. 3 Satz 2 VersVermV a.F. bzw. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 2 VersVermV n.F. festgelegt.
22
2. Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass sich YZ bei der Firma XYZ im Zeitraum von März 2014 bis Juni 2015 in Berufsausbildung befunden hat.
23
a) So hat YZ auch einen Anstellungs- und Ausbildungsvertrag mit der Firma XYZ am 13. Februar 2014 abgeschlossen und in diesem Vertrag ist als Ausbildungsbeginn der 1. März 2014 und als spätester Zeitpunkt der Vertragsbeendigung der 31. Dezember 2015 vereinbart. Die Vereinbarung im Vertrag vom 13. Februar 2014 sieht also eine Ausbildungsdauer im üblichen Rahmen - zwischen 12 bis 24 Monaten - vor. Jedoch steht für den Senat nach den Zeugenaussagen von YZ und XZ auch fest, dass YZ seine Ausbildung zum Versicherungsfachmann ab den Tagen des Juni 2015 nicht mehr weiter verfolgt hat.
24
b) Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Auffassung, dass die Berufsausbildung von YZ tatsächlich in der Zeit von März 2014 bis Juni 2015 erfolgt ist. Nach Auffassung des Senats sprechen die Schreiben der XYZ vom 5. Dezember 2016 und vom 25. November 2016 sowie die Erklärungen der Klägerin und des YZ im Verwaltungsverfahren nicht gegen dieses Ergebnis.
25
Zwar hat die Firma XYZ mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 dem YZ bestätigt, dass sie ihm aus betriebswirtschaftlichen Gründen keine Ausbildung anbieten konnte. Auch hatte YZ zusammen mit der Klägerin in der Erklärung zum Ausbildungsverhältnis vom 5. Dezember 2016 angegeben, dass ein Ausbildungsverhältnis nie durchgeführt wurde und dies betriebswirtschaftliche Gründe hatte.
26
Die Klägerin hat jedoch vor der Beweisaufnahme präzise darlegen lassen, dass sich diese Äußerungen nur darauf beziehen, dass eine Ausbildung von YZ zum Versicherungskaufmann nicht stattgefunden hat. Nach Auffassung des Senats haben auch die beiden Zeugen bei der Beweisaufnahme überzeugend erklärt, dass sich diese Erklärung nur auf die Ausbildung zum Versicherungskaufmann bezogen hat. Aus der Aussage des Zeugen XZ hat sich für den Senat glaubhaft ergeben, dass sein Maklerbetrieb in den Jahren 2014 und 2015 nicht über die finanziellen Ressourcen verfügt hatte, um die bei einem Versicherungskaufmann anfallende Ausbildungsvergütung für YZ vorschriftsgemäß zu leisten. Bei einer Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen (Versicherungskaufmann) hätte YZ Anspruch auf eine tarifvertraglich garantierte monatliche Ausbildungsvergütung gehabt, bzw. nur eine Minderung um maximal 20% akzeptieren müssen (Hergenröder in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 17 BBiG Rz. 4). Der schriftliche Ausbildungsvertrag i.S. der §§ 10, 11 Berufsbildungsgesetz (BBiG) hätte der IHK vorgelegt werden müssen (§ 36 BBiG) und die Erfüllung des Vergütungsanspruchs wäre von der IHK überprüft worden. Tatsächlich hat XYZ an YZ im Streitzeitraum auch nicht monatliche Beträge von mehr als 900 € (vgl. https://www.bwv.de/qualifikationen/kaufmann-vf/inhalte/gehalt-in-der-ausbildung/ Stand 19.03.2019), sondern nur erheblich geringere Vergütungen bezahlt, nämlich ca. 6.200 € im Jahr 2014 und ca. 5.500 € im Jahr 2015. Die Angaben des Zeugen XZ, dass eine entsprechende Ausbildungsvergütung nicht gezahlt hätte werden können und nicht gewährt wurde, wurden durch die Aussage des Zeugen YZ bestätigt.
27
Auch das weitere Schreiben der XYZ vom 15. November 2016 an YZ spricht nach Auffassung des Senats nicht gegen diese Richtigstellung durch die Klägerin. Denn in diesem Schreiben wird bestätigt, dass YZ seit der Firmengründung ab 27. September 2013 bei der XYZ beschäftigt war und sich verschiedene Kenntnisse angeeignet hat. Zwar werden in der Folge dann nur Tätigkeiten und Kenntnisse aufgeführt, die zur Berufsausbildung zum Immobilienfachwirt gehören. Diese Bestätigung diente nach Auffassung des Senats aber in erster Linie dazu, dass YZ die erforderlichen Praxisjahre für seine Prüfung zum Immobilienfachwirt IHK würde nachweisen können. Und für diese Ausbildung erhielt die Klägerin auch ab November 2016 wieder Kindergeld für YZ aufgrund des Bescheides vom 22. Dezember 2016.
28
c) Die Aussagen der Zeugen XZ und YZ haben nach Auffassung des Senats ergeben, dass in der Zeit ab März 2014 tatsächlich ein berufsbezogenes Ausbildungsverhältnis von YZ vorgelegen hat und YZ zum Versicherungsfachmann ausgebildet wurde.
29
Für den Beruf des Versicherungsfachmanns existiert zwar keine maßgebliche Ausbildungsordnung wie für den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf des Kaufmanns für Versicherung und Finanzen, an der sich XZ für die Ausbildung des YZ hätte orientieren können. Jedoch ist für den Versicherungsfachmann eine Prüfung eingeführt, die von der IHK zusammen mit dem BWV durchgeführt wird und für diese Sachkundeprüfung, deren Inhalte durch die VersVermV seit mehr als zehn Jahren schon vorgeschrieben sind, wurde auch ein Rahmenplan mit Lernzielen aufgelegt. An diesem Rahmenplan hat sich XZ bei der Ausbildung des YZ orientiert, wie durch die Aussagen der Zeugen XZ und YZ bewiesen ist. Diese Orientierung am Rahmenplan ist für das Vorliegen einer Ausbildung ausreichend.
30
Der Senat ist nach der Aussage des Zeugen XZ davon überzeugt, dass zwischen der XYZ und YZ kein normales Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat, sondern ein echtes Ausbildungsverhältnis. So lautet auch der zwischen der XYZ und YZ geschlossene Vertrag im Titel „Anstellungs- und Ausbildungsvertrag“; durch diese Bezeichnung hat der Zeuge XZ nach Auffassung des Senats das Ziel, dass er YZ für den Beruf des Versicherungsfachmanns ausbilden will, deutlich zum Ausdruck gebracht. Durch die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen XZ und YZ ist nach Auffassung des Senats auch bewiesen, dass YZ bei der XYZ im für ein Ausbildungsverhältnis üblichen Rahmen ca. 35 bis 40 Wochenarbeitsstunden ableisten musste.
31
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass eine Berufsausbildung für YZ auch tatsächlich stattgefunden hat. Nach der überzeugenden Aussage des Zeugen XZ hat er YZ in der Zeit von März 2014 bis Juni 2015 sachkundig bei seiner Tätigkeit in der XYZ angeleitet und dabei das Ziel verfolgt, YZ das nötige Fachwissen zu vermitteln, damit er die Sachkundeprüfung bei der IHK zum Versicherungsfachmann erfolgreich ablegen kann. Der Senat ist auch überzeugt, dass XZ die fachliche Eignung hatte, um die Ausbildung zum Versicherungsfachmann zu leiten. Denn die IHK hat gegenüber dem Zeugen XZ sogar mit Schreiben vom 2. Juli 2013 zugestimmt, dass dieser die Berufsausbildung von YZ zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen leitet. Aus der Zeugenaussage des XZ konnte der Senat auch ableiten, dass sich die theoretische Berufsausbildung am Rahmenplan mit Lernzielen für die Sachkundeprüfung zum geprüften Versicherungsfachmann IHK orientiert hat. Auch hat der Zeuge XZ ausgeführt, dass er ganzheitliche Beratungsgespräche mit YZ vorbereitet und nachbesprochen hat. Weiter hat XZ ausgesagt, dass er bei den Beratungsgesprächen von YZ mit den Kunden anfangs ständig anwesend war und danach unter Berücksichtigung der fachlichen Fortschritte von YZ diesem immer mehr Freiheiten gewährt hat. Der Senat erkennt darin auch Ähnlichkeiten in der Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen, denn auch diese Ausbildung ist nicht nur auf den Erwerb von theoretischen Kenntnissen und praktischen Fertigkeiten ausgerichtet, sondern verlangt vom Auszubildenden den erfolgreichen Abschluss von Verträgen. Nach Auffassung des Senats, hat die Aussage des XZ auch ergeben, dass es sich bei der Tätigkeit von YZ für die XYZ nicht nur um praktische Tätigkeiten gehandelt hat, die zum Erwerb theoretischer Kenntnisse geführt haben. Zusätzlich hat sich aus der Aussage beider Zeugen ergeben, dass YZ verschiedene „Webinare“ (Web-Seminare) absolviert hat. Der Senat hält die Aussage des Zeugen YZ für glaubhaft, dass er zwei bis drei Webinare pro Monat absolviert hatte. Zwar wurde die Aussage des XZ, dass er mit YZ zusätzlich verschiedene andere Seminare persönlich besucht habe, durch die Aussage von YZ so nicht bestätigt. YZ hat vielmehr ausgesagt, dass verschiedene Vertreter von Versicherungsgesellschaften im Maklerbüro der XYZ erschienen sind und dort ihm und seinem Vater verschiedenste Produkte erklärt haben. Diesen Unterschied in den beiden Aussagen bewertet der Senat jedoch als unbedeutend, zumal beide Zeugen übereinstimmend ausgesagt haben, dass sie gemeinsam Seminare zur aktuellen Rechtslage im Versicherungsvertragsrecht bei ihrem Rechtsanwalt besucht haben. Der Senat schließt aus den kleineren Unterschieden zwischen den Aussagen der beiden Zeugen vielmehr, dass beide Zeugen glaubwürdig waren und ihre Aussagen nicht abgesprochen haben, sondern allenfalls einige Punkte vorab besprochen haben. Der Senat hält die beiden Zeugen XZ und YZ auch aufgrund ihre Auftretens im Zeugenstand für glaubwürdig, denn beide haben auf Fragen des Gerichts spontan und frei geantwortet und außerdem auch ohne Umschweife in ihren Aussagen Tatsachen vorgetragen, die dazu führen, dass der Senat von einem vorzeitigen Ende des Ausbildungsverhältnisses ausgeht, obwohl beide aufgrund ihrer Stellung als Angehörige ein wirtschaftliches Interesse am vollständigen Obsiegen der Klägerin haben.
32
d) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat zusätzlich davon überzeugt, dass die Berufsausbildung von YZ vorerst im Lauf des Juni 2015 ihr Ende gefunden hat.
33
Denn aus den Aussagen der Zeugen XZ und YZ ergibt sich nach Auffassung des Senats auch, dass YZ seine Ausbildung zum Versicherungsfachmann im Juni 2015 abgebrochen hat und ab Juli 2015 bei der XYZ weitergearbeitet hat, ohne sich noch in Berufsausbildung zu befinden. So hat der Zeuge XZ glaubhaft ausgeführt, dass es für die Ausbildung zum Versicherungsfachmann Fernkurse gibt, die ca. ein halbes Jahr vor dem Ende der Ausbildung zu absolvieren gewesen wären. Weiter hat der Zeuge XZ glaubhaft ausgesagt, dass YZ diese Fernkurse nicht besucht hatte, da er bereits wusste, dass er später die Ausbildung zum Immobilienfachwirt absolvieren will und die Ausbildung zum Versicherungsfachmann nicht abschließen will. Der Zeuge YZ hat in seiner Aussage bestätigt, dass er im Mai oder Juni 2015 erkannt hat, dass der Beruf des Versicherungsfachmanns keine Zukunft hat und er sich deshalb entschlossen hat, die Ausbildung zum Immobilienfachwirt bei nächster Gelegenheit anzufangen. Aus diesen beiden Aussagen schließt der Senat, dass YZ im Juni 2015 die Ausbildung zum Versicherungsfachmann beendet hat. Aus der Aussage des YZ ergibt sich weiter, dass YZ ab Juli 2015 fünf Praxisjahre vor seiner erfolgreichen Prüfung zum Immobilienfachwirt im Januar 2019 absolvieren musste. Die Weiterbeschäftigung von YZ bei der XYZ diente in den Monaten Juli 2015 bis Dezember 2015 nach Auffassung des Senats nur mehr dazu, diese Voraussetzung der absolvierten Praxisjahre zu erfüllen. Auch die weiteren Aussagen des Zeugen YZ zu seiner Praxiszeit im Jahr 2013 bei der Firma [… VV-Büro] vor seinem Arbeitsbeginn im März 2014 bei der XYZ zeigen, dass YZ diese Zeit als Prüfungsvoraussetzung benötigte, denn nur zusammen mit dieser Zeit hat YZ die Praxisjahre für den Immobilienfachwirt erreicht. Dass YZ in der Zeit ab Juli 2015 sich bereits mit Literatur zum Immobilienfachwirt beschäftigt hat, reicht nicht aus, um weiter eine Ausbildung des YZ annehmen zu können.
34
e) Der Senat ist demgemäß nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass sich YZ in dem streitigen Zeitraum von 22 Monaten (von März 2014 bis Dezember 2015) für 16 Monate in Berufsausbildung befunden hat. In der Zeit ab Juli 2015 bis Dezember 2015 sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder eines anderen Berücksichtigungstatbestandes des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt. Insbesondere ist die Voraussetzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten) nicht erfüllt, da bis zur erneuten Berufsausbildung zum Immobilienfachwirt ab November 2016 mehr als vier Monate verstrichen sind.
35
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus den §§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.