Inhalt

SG Landshut, Urteil v. 18.06.2019 – S 4 KR 235/19
Titel:

Krankenversicherung

Normenketten:
SGB XI § 71
SGB V § 13, § 37
Leitsätze:
1. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist. (Rn. 46 – 60)
2. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßname der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung. (Rn. 61 – 70)
Schlagworte:
Erbringung von einfachsten Maßnahmen der Krankenpflege oder weitergehender medizinischer Behandlungspflege, geeigneter Ort, häusliche Krankenpflege in ambulant betreuter Wohngruppe, Krankenversicherung, häusliche Krankenpflege, Behandlungspflege, ambulant betreute Wohngemeinschaft, Kostenfreistellung, Kostenerstattung, Sachleistungsanspruch
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 20.08.2019 – L 5 KR 403/19
BSG Kassel, Urteil vom 26.03.2021 – B 3 KR 14/19 R
Fundstelle:
BeckRS 2019, 15006

Tenor

I. Der Bescheid vom 25.01.2019 in Form des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2019, Az. .. … .wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis 31.03.2019 in Höhe von 633,66 Euro freizustellen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreit.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Freistellung von den Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe vom 01.02.2019 bis 31.03.2019 während die Klägerin in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt.
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1. Die am …1932 geborene Klägerin lebt in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in der „R.-WG I“ zusammen mit 11 weiteren Personen. In dem selben Gebäude befindet sich eine weitere Wohngemeinschaft mit maximal 12 Bewohnern.
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Die Klägerin erhält Pflegeleistungen aus dem Pflegegrad 3. Leistungen der Pflegeversicherung werden im Rahmen der Sachleistung in Anspruch genommen. Die Pflegekasse zahlt auch den Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214,00 €.
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2. Dem Aufenthalt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft in der „R.-WG I“ lagen folgende Verträge zugrunde:
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Mit der Firma L. Immobilien GmbH schloss die Klägerin den Mietvertrag vom 14.03.2015 (Mietvertag), der u.a. folgende Regelungen enthält:
㤠1 Mietgegenstand:
Vermietet werden in der „R.-WG“ folgende Wohnräume: Zimmer Nr. 11 mit 31,37 m², Gemeinschaftsflächen mit 23,33 m², insgesamt somit 54,70 m² Wohnfläche.“
§ 4 Mietzins und Nebenkosten:
Der Mieter zahlt monatlich:
Mietzins 464,95 € Betriebskosten 220,00 € Gesamt 684,95 €
§ 13 Besondere Vereinbarung zur Wohngemeinschaft / Bewohnergremium / Angehörigengremium:
Die Wohngemeinschaft setzt sich aus maximal 12 BewohnerInnen im Erdgeschoss und max. 12 BewohnerInnen im 1. Obergeschoss zusammen. Der Vertrag ist in seiner Wirksamkeit abhängig von einer Mitgliedschaft im Angehörigengremium. Die Mitgliedschaft ist gesondert geregelt. Für den Mieter ist die vom Gremium festzusetzende Hausordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung bindend.
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Mit M.'s Pflegeteam schloss die Klägerin folgende Verträge:
- den Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege nach § 120 SGB XI vom 16.03.2015 (Pflegevertrag), der folgende Regelungen enthält:
㤠1 Allgemeine Bestimmungen
Der Pflegedienst ist nach § 120 SGB XI verpflichtet, mit dem Leistungsnehmer einen schriftlichen Pflegevertrag abzuschließen, sofern er für diesen Pflegesachleistungen nach §§ 36, 38 SGB XI erbringt. Eine Ausfertigung dieses Pflegevertrages ist der Pflegekasse des Leistungsnehmers durch den Pflegedienst unverzüglich, spätestens jedoch nach dem ersten Pflegeeinsatz zur Verfügung zu stellen. Der Pflegedienst ist durch Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI zur Erbringung und Abrechnung von Pflegesachleistungen berechtigt. Er übernimmt die Betreuung und Pflege des Leistungsnehmers nach diesem Vertrag, unter Beachtung der gesetzlichen und mit den Pflegekassen vereinbarten vertraglichen Regelungen. Er gewährleistet eine kontinuierliche, qualitätsgerechte, dem individuellen Bedarf des Leistungsnehmers entsprechende Versorgung bei Tag und Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen. Der Leistungsnehmer ist verpflichtet, die Entscheidung der Pflegekasse über seine Einstufung, dem Pflegedienst unverzüglich vorzulegen. Dies gilt auch für etwaige spätere Änderungen des Leistungsbescheides der Pflegekasse.“
- den Betreuungsvertrag für ambulant betreute Wohngemeinschaften vom 14.03.2015/
16.03.2015 (Betreuungsvertrag), mit folgendem Inhalt:
§ 2 Leistungsumfang
1. Der Pflegedienst erbringt in der Wohngemeinschaft im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung mit ständiger Erreichbarkeit einer Pflegefachkraft.
Behandlungspflegerische Leistungen gem. § 37 SGB V, sowie hauswirtschaftliche und/oder pflegerische Leistungen im Sinne des SGB XI werden gesondert im Pflegevertrag vereinbart und entsprechend dieser Vereinbarungen erbracht und vergütet.
2. Die Inhalte der psychosozialen Betreuung und Begleitung sind in der nachfolgenden Aufstellung aufgeführt. Die Leistungen des Betreuungsvertrages werden den individuellen Bedürfnissen der Leistungsnehmer angepasst.
§ 3 Vergütung
Die psychosoziale Betreuung und Begleitung wird im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes täglich erbracht. Die Vergütung für die in diesem Vertrag festgelegten Leistungen beträgt monatlich € 680,00 (Betreuungspauschale).
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Außerdem wurde eine Gremiumsvereinbarung vom 07.11.2018 für die ambulant betreute Wohngemeinschaft „R.-WG I“ P. (Gremiumsvereinbarung) und allgemeine Regelungen vom 07.11.2018 für die ambulant betreute Wohngemeinschaft „R.-WG I“ P. (allgemeine Regelungen) die nicht unterzeichnet sind, vorgelegt.
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Mit der Gremiumsvereinbarung schließen sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft zu einem Gremium der Selbstbestimmung zusammen, das dazu dient, das Miteinander der Wohngemeinschaft zu gestalten, gemeinsame Interessen gegenüber Dritten zu vertreten sowie die Gemeinschaft betreffende Geschäfte abzuschließen. Unter Wahl eines gemeinsamen Dienstleisters ist geregelt:
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Die Wahl eines Pflegedienstes für die pflegerische Versorgung bleibt jedem Bewohner selbst überlassen.
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Mit den allgemeinen Regelungen wurden die Fragen des Zusammenlebens in der Wohngemeinschaft für alle Mieterinnen und Mieter, Angehörige und Betreuer festgelegt.
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Das Gremium der Selbstbestimmung der „R. WG I“ und N. N. haben am 26.09.2018 einen Vertrag (Präsenzkraftvereinbarung) geschlossen, mit folgendem Inhalt:
§ 3 Aufgaben
1. Fr. N. übernimmt organisatorische, verwaltende, betreuende und das Gemeinschaftsleben fördernde Aufgaben wie z.B. die Organisation gemeinsamer Besuche von Festen, Biergärten Eisdielen, Faschingszügen, Seniorentanzveranstaltungen, usw… Hierfür wird auch ein Betreuungskalender angelegt.
2. Des Weiteren sorgt Sie dafür, dass auch die alltäglichen Aufgaben wie kochen, backen,
basteln, usw… gemeinschaftlich gemeistert werden. Hierfür kann Sie weitere Personen den Auftrag geben oder auch selbst aktiv werden.
§ 4 Anwesenheit
1. Fr. N. verpflichtet sich an mindestens 8 Stunden pro Woche persönlich in der Wohngemeinschaft anwesend zu sein und vor Ort tätig zu werden. Die Anwesenheit sollte möglichst auf mind. 2 Tage pro Woche verteilt sein.
2. Fehlzeiten durch Urlaub, Krankheit, usw. müssen mit der Gremiumssprecherin abgesprochen werden.
§ 5 Vergütung
1. Die Vergütung erfolgt durch den zuständigen Arbeitgeber. Dieser bekommt die vertraglich vereinbarte Betreuungspauschale von jedem einzelnen Bewohner. In dieser Pauschale sind auch die Kosten für die beauftragte Person inbegriffen die durch den Wohngruppenzuschlag von der Pflegekasse gefördert werden.
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3. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Praxis Dr. med. S. R. und C. B. vom 20.12.2018, Eingang bei der Beklagten am 10.01.2019, beantragte der ambulante Krankenpflegedienst M.'s Pflegedienst für die Klägerin häusliche Krankenpflege (HKP) in Form von Verabreichen von Medikamenten 3 x täglich/7 x wöchentlich für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.03.2019.
13
Mit Bescheid vom 25.01.2019 wurde das Verabreichen von Medikamenten 3 x täglich/7 x wöchentlich letztmalig von 01.01.2019 bis 31.01.2019 bewilligt. Das Bundessozialgerichts (BSG) habe in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2015 festgestellt, dass selbst bei fehlendem medizinisch geschultem Personal die einfachste Behandlungspflege in jedem Fall durch das Präsenzpersonal sicher zu stellen sei. Ab dem 01.02.2019 würden nur noch die Kosten für das Richten von Medikamenten im Wochendispenser übernommen.
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Mit Schreiben vom 29.01.2019 legte die Klägerin Widerspruch ein.
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Die Klägerin nahm Bezug auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.05.2018 - Az.: S 8 KR 150/17. Außerdem wurde der Unterschied zwischen Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflegeheimen einerseits und der „R. WG I“ andererseits dargestellt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Das Bundessozialgerichts habe im Urteil vom 24.04.2015 - Az.: B 3 KR 16/14 R bezüglich eines Versicherten, der zum Zeitpunkt der Antragstellung in einer (über Mittel der Eingliederungshilfe finanzierten) Wohngruppe für Senioren gelebt hat, entschieden, dass Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung gehören und somit in jedem Fall von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal zu erbringen sind. Dazu würden regelmäßig die Gabe von Medikamenten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder Blutzuckergehaltes, das An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen und von einfach zu handhabenden Stützverbänden, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgungen handelt), die Verabreichung von Bädern gehören. Weitergehende medizinische Behandlungspflege schulde die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergebe.
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Für ambulante betreute Wohngemeinschaften habe das Sozialgericht Bayreuth im Urteil vom 16.05.2018 - Az: S 8 KR 150/17 diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts näher ausgelegt. Demnach beinhalte die psychosoziale Betreuung und Begleitung der Bewohner einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft, die im Betreuungsvertrag festgelegt und damit gegenüber dem Bewohner geschuldet ist, auch die einfachste Behandlungspflege im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Ein im Betreuungsvertrag vereinbarter Ausschluss dieser Leistungen würde gegen das Verbot nachteiliger Vereinbarungen im Sinne des § 32 SGB I verstoßen und wäre damit nichtig.
19
Bei den für die Klägerin verordneten Maßnahmen (Medikamentenabgabe 3 x tgl. / 7 x wtl.) handele es sich um Maßnahmen der einfachsten Behandlungspflege, welche bereits durch die ambulant betreute Wohngemeinschaft unentgeltlich zu erbringen seien. Eine Kostenübernahme durch die Beklagte sei demnach nicht möglich.
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4. Mit Schriftsatz vom 23.04.2019 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage erhoben und diese mit Schriftsatz vom 22.05.2019 begründet.
21
Dem Schriftsatz vom 22.05.2019 beigefügt waren der Mietvertrag vom 14.03.2015, der Betreuungsvertrag vom 14.03.2015/16.03.2015 und der Pflegevertrag vom 16.03.2015.
22
Anspruchsgrundlage sei § 37 Abs. 2 SGB V, da die Wohngemeinschaft, in welcher die Klägerin lebt, ein geeigneter Ort für die Erbringung der HKP sei. Insbesondere fände die Rechtsprechung des BSG zu den Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Urteile vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 10/14 R und B 3 KR 11/14, keine Anwendung. Der Anspruchsausschluss gemäß § 37 Abs. 3 SGB V greife nicht, denn im Haushalt der Klägerin lebe keine Person, die die benötigten Leistungen vorrangig zu erbringen hätte. Auch erfolge keine pauschale Abgeltung durch den Zuschlag nach § 38a SGB XI. Eine individuelle pflegerische Versorgung finde durch die Präsenzkraft nach § 38a SGB XI nicht statt.
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Mit Schriftsatz vom 13.06.2019 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den streitgegenständlichen Anspruch konkretisiert, insbesondere wurden die Kosten für die Monate Februar und März 2019 beziffert. Diesem Schriftsatz beigefügt waren Rechnungen samt Leistungsnachweisen von M.'s Pflegeteam für Februar und März 2019, sowie die Gremiumsvereinbarung vom 07.11.2018, die allgemeinen Regelungen vom 07.11.2018 und die Präsenzkraftvereinbarung vom 26.09.2018.
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Aus der Präsenzkraftvereinbarung werde ersichtlich, dass diese schon arbeitsrechtlich gar nicht zur Übernahme von Leistungen der häuslichen Krankenpflege gezwungen werden könne.
25
Weiter ergebe sich aus dem Vertrag mit Frau N., dass diese an mindestens 8 Stunden pro Woche persönlich in der Wohngemeinschaft anwesend zu sein habe bei einer Verteilung auf mindestens zwei Tage pro Woche.
26
Darüber hinaus sei in der WG regelmäßig die Hauswirtschaftskraft in der Zeit von 8:00 bis 16:00 Uhr anwesend. Im Übrigen seien die ambulanten Pflegekräfte tagsüber im Rahmen der jeweiligen Pflegeverträge vor Ort.
27
Eine Dauernachtwache oder eine durchgehende Betreuung in der Nacht bestehe nicht. Bei Bewohnerinnen oder Bewohnern, die einer nächtlichen Betreuung (Umlagerung, Toilettengang, o. ä.) bedürfen, suche eine Pflegekraft die Wohngemeinschaft zu diesem Zwecke auf.
28
Am 18.06.2019 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt.
29
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
1.
Der Bescheid vom 25.01.2019 in Form des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2019, Az. .. … . wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis 31.03.2019 in Höhe von 633,66 Euro freizustellen.
3.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.
Die Berufung wird zugelassen.
30
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
31
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsätzen vom 09.05.2019 und unter Verweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe

33
Die Klage ist zulässig und begründet.
34
Die Klägerin hat Anspruch auf Kostenfreistellung bzw. -erstattung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe vom 01.02.2019 bis 31.03.2019 gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Danach wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungs- bzw. Kostenfreistellungsanspruch um, wenn die Krankenkasse einen Antrag des Versicherten auf Gewährung der Sachleistung häusliche Krankenpflege „zu Unrecht abgelehnt“ hat und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind.
35
Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten bzw. auf Kostenerstattung reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt also voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat.
36
Nach der Ansicht der Kammer hat die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege durch die Beklagte aus § 37 SGB V.
37
Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein (hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.) und diese nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung gehört (hierzu 3.).
38
1. Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein.
39
a. Nach § 37 Absatz 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
40
Gemäß § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.
41
§ 37 Abs. 6 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 festlegt, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.
42
Diesem Auftrag ist der Gemeinsame Bundesausschuss nachgekommen. In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflege-​Richtlinie) heißt es in § 1 Abs. 2 Satz 2, dass Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch an sonstigen geeigneten Orten besteht, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und für die Erbringung der einzelnen Maßnahme geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z.B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-​pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein. § 1 Absatz 5 regelt hierzu, dass für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden kann.
43
Das BSG hat zuletzt in seinem Urteil vom 30.11.2017 - Az.: B 3 KR 11/16 R zur Regelung des „sonstigen geeigneten Ortes“ unter den Randnummern 24 bis 26 Folgendes hierzu ausgeführt:
„Der Senat hat in seiner Rechtsprechung (vor allem BSGE 118, 122 = SozR 4-​2500 § 37 Nr. 13, RdNr. 16 ff) bereits mehrmals die Regelung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V aF (idF des GKV-​WSG) ausgelegt, durch die eine „vorsichtige Erweiterung“ des Haushaltsbegriffs in dieser Norm vorgenommen worden ist (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-​WSG>, BT-​Drucks 16/3100 S. 104 Zu Nummer 22 <§ 37> Zu den Buchstaben a und c). Danach enthält diese Norm keine gesetzliche Definition des „geeigneten Ortes“. Die Vorschrift zählt lediglich beispielhaft eine Anzahl nicht abschließend genannter „geeigneter Orte“ auf, an denen häusliche Krankenpflege möglich ist mit Rücksicht auf das gesetzliche Anliegen, neue Wohnformen in Wohngemeinschaften oder betreutes Wohnen zu fördern. Der Senat hat die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass dem Gesetzestext nicht (mehr) eine Beschränkung derart zu entnehmen ist, dass häusliche Krankenpflege etwa nur dann beansprucht werden kann, wenn noch ein Mindestmaß an eigener Haushaltsführung „oder ein Leben in der Familie“ vorliegt und wenn weitere Leistungen ggf. ambulant in Anspruch genommen werden können. Vor diesem Hintergrund hat der Senat selbst stationäre Einrichtungen als sonstige geeignete Orte im Sinne der häuslichen Krankenpflege in Betracht gezogen, in denen sich der Versicherte auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne anderswo zu leben oder zu wohnen. Der Senat hat dazu aufgezeigt, dass die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen hin zu einer stationären Einrichtung fließend sein können, und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung aufweisen als eine herkömmliche stationäre Einrichtung. Auf die dadurch bedingte Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung einer Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen hat der Senat unter Berücksichtigung der fortschreitenden Entwicklung neuer Wohnformen hingewiesen.
Im Ergebnis hat der Senat den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege unter Berücksichtigung des aufgezeigten gesetzlichen und gesetzeskonformen untergesetzlichen Regelwerks - mangels einer ausdrücklichen Definition des Tatbestandsmerkmals „geeigneter Ort“ - dahin konkretisiert, dass der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten besteht, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-​pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich (1.) aus der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse und (2.) für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie z.B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, muss die Krankenkasse im Einzelfall prüfen (vgl. zum Ganzen: BSGE 118, 122 = SozR 4-​2500 § 37 Nr. 13, RdNr. 16 ff; Parallelurteil vom 25.2.2015 - B 3 KR 10/14 R - Juris RdNr. 16 ff; Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R - Juris RdNr. 20 ff, NZS 2015, 617; vgl. auch Senatsbeschluss vom 16.3.2017 - B 3 KR 43/16 B - Juris). Daran hält der Senat fest.
Die vorstehend dargestellten Maßstäbe gelten auch für neue Wohnformen, wie das sog. „Service-​Wohnen“, mit dem üblicherweise verschiedene Möglichkeiten des organisierten Wohnens umschrieben werden. Hierzu zählen Wohnformen kombiniert mit Serviceleistungen, die entweder vor Ort (innerhalb des Wohnprojekts) bereitgestellt oder die durch externe Dienste erbracht werden. Neben einem Kauf- oder Mietvertrag schließen die Bewohner ergänzende Betreuungs- bzw. Service-​Verträge ab (vgl. Börner, in Igl/Felix <Hrsg>, Schriftenreihe Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, Bd. 8, „Betreutes Wohnen“ in Abgrenzung zum Heimgesetz, Berlin, 2008, zugleich Diss, Kiel 2008, S. 22).“
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b. Die Klägerin lebt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft „R.-WG I“. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 häusliche Krankenpflege-​Richtlinie handelt es sich dabei um einen sonstigen geeigneten Ort. Die Klägerin hält sich nämlich dort regelmäßig wiederkehrend auf und die verordnete Maßnahme kann dort zuverlässig durchgeführt werden, weil für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse unzweifelhaft vorliegen und die verordneten Leistungen aus medizinisch-​pflegerischen Gründen während des Aufenthalts in der Wohngruppe notwendig sind.
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Dem Grunde nach kann deshalb die Klägerin in der Wohngemeinschaft, in der sie dauerhaft lebt, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege haben.
46
2. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.
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a. Das BSG hat im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R zur Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe unter den Randnummern 23 und 24 im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege Folgendes entschieden:
„Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl. BSGE 106, 264 = SozR 4-​3500 § 19 Nr. 2 RdNr. 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr. 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs. 2 SGB IX u.a. auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).
Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs. 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrich-tungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf. Arztbesuche zu organisieren bzw. zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.“
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Die Kammer folgt insoweit der vorstehend dargestellten Auffassung des BSG, wonach sich eine Einschränkung zur Leistungspflicht der Beklagten für medizinische Behandlungspflege ergibt, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht.
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b. Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen gesetzlichen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung.
50
Davon, dass es sich bei der Seniorenwohngemeinschaft um eine stationäre Pflegeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI oder eine stationäre Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI handelte, geht die Beklagte selbst nicht aus. Die Klägerin erhielt von der Pflegekasse häusliche Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI. Ein Versorgungsvertrag i.S.d. §§ 71 Abs. 2 i.V.m. § 72 SGB XI wurde mit der Einrichtung seitens der Pflegekasse nicht abgeschlossen. Es gibt auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die personelle und sachliche Infrastruktur einer stationären Einrichtung bereitgehalten wurde.
51
Es bestand auch keine gesetzliche Verpflichtung wegen Unterbringung in einer „faktischen Pflegeeinrichtung“ (zur ähnlichen Wohnsituation wie hier vgl. LSG Baden-​Württemberg Urteil vom 21.7.2015 - L 11 KR 3010/14 - Juris, PflR 2016, 112). Insbesondere enthält der mit der Firma L. Immobilien GmbH geschlossene Mietvertrag zwar in § 13 die Regelung, dass der Vertrag in seiner Wirksamkeit abhängig ist von einer Mitgliedschaft im Angehörigengremium und die Mitgliedschaft gesondert geregelt ist, aber eine vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur exklusiv an einen bestimmten Leistungserbringer gebundenen Inanspruchnahme weiterer „Service“ - ​Leistungen bestand nicht.
52
c. Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung.
53
Das BSG führte im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R unter Randnummer 30 und in seinem Urteil vom 22.04.2015 - Az.: B 3 KR 16/14 R unter Randnummer 34 zum vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege Folgendes aus: „In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung „nach den gesetzlichen Bestimmungen“ im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-​Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche „nach gesetzlichen Bestimmungen“ begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl. z.B. BSG SozR 4-​2500 § 37 Nr. 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-​Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-​Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).“
54
Weder der Mietvertrag noch der Pflegevertrag treffen Regelungen die vertraglich verpflichten für die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen.
55
Die Firma L. Immobilien GmbH ist vertraglich nicht verpflichtet, für die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. Als Vermieter der ambulant betreuten Wohngemeinschaft „R.-WG I“ ist die Firma L. Immobilien GmbH vertraglich zur Wohnraumüberlassung verpflichtet.
56
Der mit M.s Pflegeteam geschlossene Pflegevertrag beinhaltet als Leistungspflicht der Trägerin nur Pflegeleistungen. Der Pflegedienst ist verpflichtet, Pflegesachleistungen im Sinn des SGB XI zu erbringen.
57
Darüber hinausgehende Leistungspflichten regeln weder der Mietvertrag noch der Pflegevertrag.
58
Der mit M.'s Pflegeteam geschlossene Betreuungsvertrag umfasst auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
59
Er sieht unter § 2 vor, dass der Pflegedienst in der Wohngemeinschaft im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung mit ständiger Erreichbarkeit einer Pflegefachkraft erbringt und behandlungspflegerische Leistungen gem. § 37 SGB V, sowie hauswirtschaftliche und/oder pflegerische Leistungen im Sinne des SGB XI gesondert im Pflegevertrag vereinbart und entsprechend dieser Vereinbarungen erbracht und vergütet werden.
60
Mit dieser Regelung bleiben die gegen die Krankenkasse bestehenden Ansprüche auf Leistungen der Behandlungspflege vorrangig.
61
3. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.
62
a. Das BSG hat im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R unter Randnummer 28 hierzu Folgendes festgestellt:
„Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-​1500 § 75 Nr. 9, RdNr. 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach z.B. um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl. dazu auch BSG SozR 3-​2500 § 53 Nr. 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen.“
63
b. Für die Kammer ist die vorliegende Konstellation der ambulant betreuten Wohngemeinschaft nicht vergleichbar mit der vom Bundessozialgericht entschiedenen Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe.
64
Die Argumentation des BSG, wonach einfachste Leistungen der häuslichen Krankenpflege immanenter Bestandteil der Eingliederungshilfe sind, geht davon aus, dass in einer Einrichtung eine Art Gesamtverantwortung für die Bewohner übernommen wird, die das Vorhalten von Personal- und Sachmitteln auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern nach §§ 75 SGB XII ff voraussetzt.
65
Diese Grundlage für die Entscheidungen des BSG findet in ambulant betreuten Wohngruppen kein Äquivalent. Weder die Präsenzkraft i.S.d. § 38a SGB XI i.V.m. der Präsenzkraftvereinbarung noch die Betreuungskräfte i.S.d. Betreuungsvertrages stehen in einer vergleichbaren Pflichtenstellung gegenüber den Versicherten.
66
§ 38a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI bestimmt zu der Präsenzkraft, dass „eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen.“ Dieser Wortlaut der Vorschrift ordnet der Präsenzkraft ausdrücklich keine individuell pflegerischen Aufgaben zu. Die Tätigkeiten der Präsenzkraft müssen sich daher von der individuell pflegerischen Versorgung abgrenzen (vgl. Weber in NZS Heft 2/2019 Seite 55/56).
67
In Übereinstimmung hiermit regelt die Präsenzkraftvereinbarung unter § 3, dass Fr. N. organisatorische, verwaltende, betreuende und das Gemeinschaftsleben fördernde Aufgaben wie z.B. die Organisation gemeinsamer Besuche von Festen, Biergärten Eisdielen, Faschingszügen, Seniorentanzveranstaltungen, usw… übernimmt. Hierfür wird auch ein Betreuungskalender angelegt. Des Weiteren sorgt Sie dafür, dass auch die alltäglichen Aufgaben wie kochen, backen, basteln, usw… gemeinschaftlich gemeistert werden. Hierfür kann Sie weitere Personen den Auftrag geben oder auch selbst aktiv werden.
68
§ 2 des Betreuungsvertrages regelt Folgendes: „Der Pflegedienst erbringt in der Wohngemeinschaft im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung mit ständiger Erreichbarkeit einer Pflegefachkraft. Behandlungspflegerische Leistungen gem. § 37 SGB V, sowie hauswirtschaftliche und/oder pflegerische Leistungen im Sinne des SGB XI werden gesondert im Pflegevertrag vereinbart und entsprechend dieser Vereinbarungen erbracht und vergütet.“
69
Somit werden Aufgaben auf individuell behandlungspflegerische Versorgung vom Betreuungsvertrag nicht erfasst, sondern sind gesonderten Vereinbarungen vorbehalten.
70
Anders als bei Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind der Präsenzkraft vom Gesetzeswortlaut des § 38a SGB XI und den Regelungen der Präsenzkraftvereinbarung sowie den Betreuungskräften im Sinn des Betreuungsvertrages keine individuellen pflegerischen Aufgaben zugewiesen, sodass es an einem Anknüpfungspunkt für die Zuordnung einfachster Maßnahmen der Krankenpflege in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft „R.-WG I“ fehlt.
71
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
72
5. Die Kammer hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da die Leistungspflicht von häuslicher Krankenpflege, während der Versicherte in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt, bisher weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärt ist.