Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 29.04.2019 – W 10 E 19.84
Titel:

Vorwegnahme der Hauptsache

Normenketten:
VwGO § 123
BÄO § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2 S. 5, Abs. 3 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Die Befugnis, durch Verwaltungsakt zu handeln, ist dem Gericht jedoch verwehrt. Vielmehr steht diese Handlungsform alleine der hierzu durch Gesetz ermächtigten Verwaltungsbehörde zu. Das Gericht kann deshalb im Wege der Regelungsanordnung nur die Verwaltungsbehörde verpflichten, den begehrten Verwaltungsakt vorläufig zu erteilen (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine „gleichwertige“ Berufspraxis im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO muss es sich um einschlägige Berufspraxis handeln. Hierbei kann es nicht um eine „Ausbildung“ durch eigens zu diesem Zwecke zur Verfügung stehende „Ausbilder“, sondern nur um eine praktische Tätigkeit auf diesen Gebieten gehen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Vorwegnahme der Hauptsache, Ärztliche Approbation, Ausbildung in Drittstaat (Ukraine), Praktisches Jahr, Wesentliche Unterschiede, Ausgleich durch einschlägige Berufspraxis., ärztliche Approbation, Ausgleich durch einschlägige Berufspraxis
Fundstelle:
BeckRS 2019, 14418

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache (Az.: W 10 K 19.83) gültige vorübergehende Berufserlaubnis nach § 2 Abs. 2 BÄO zu erteilen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 2/3 und der Antragsgegner 1/3.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung der Approbation als Ärztin.
2
1. Die am … … 1987 in der Ukraine geborene Antragstellerin studierte von September 2004 bis Juni 2010 Medizin an der Donezker Staatlichen Medizinischen Gorki-Universität, Donezk (Ukraine). Sie schloss ihr Studium mit einem Diplom mit Auszeichnung in der Fachrichtung Pädiatrie ab und erwarb die Qualifikation als Ärztin. Am 14. November 2007 legte die Antragstellerin die staatliche Lizenzprüfung „Krok-1“ und am 18. Mai 2010 die staatliche Lizenzprüfung „Krok-2“ ab, welche zur Anerkennung der Qualifikation als Ärztin erforderlich sind. Vom 2. August 2010 bis 29. Juli 2012 absolvierte sie ihre praktische Internatur als Kinderärztin in der Donezk Kinderklinik Nr. 1. Am 15. November 2011 legte die Antragstellerin die staatliche Lizenzprüfung „Krok-3“ über die allgemeine ärztliche Ausbildung ab.
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Seit dem 1. Dezember 2014 ist die Antragstellerin mit 28 Stunden pro Woche (70% der regulären Wochenarbeitszeit) als Assistenzärztin in dem interdisziplinär geführten Belegkrankenhaus …klinik … tätig. Dieses verfügt über die Fachbereiche Chirurgie, plastische Chirurgie, Orthopädie, Neurochirurgie, Frauenheilkunde, HNO, Augenheilkunde, Innere Medizin und Anästhesie. Während ihrer Assistenzarzttätigkeit wurde die Antragstellerin in sämtlichen Abteilungen eingesetzt, insbesondere im Operationssaal und im Rahmen von akuten Notfallsituationen im internistischen und chirurgischen Bereich. Zudem nahm sie regelmäßig an diversen Fortbildungen teil.
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Für die Berufstätigkeit an der …klinik wurde der Antragstellerin mit Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 20. November 2014 eine zunächst zum 19. November 2016 befristete vorübergehende Tätigkeitserlaubnis gemäß § 10 Bundesärzteordnung - BÄO - erteilt, welche nach mehrfacher Verlängerung zum 19. Mai 2019 endet.
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Die Antragstellerin verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Begleitung ihres Ehegatten mit Gestattung der Erwerbstätigkeit.
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2. Am 28. Juli 2016, eingegangen bei der Regierung von Oberbayern am 29. Juli 2016, beantragte die Antragstellerin die Erteilung der Approbation als Ärztin unter Beifügung entsprechender Unterlagen.
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Nachdem die Antragstellerin das vom Antragsgegner geforderte Curriculum im Original einschließlich Übersetzung zunächst nicht vorlegte, lehnte die Regierung von Oberbayern den Antrag mit Bescheid vom 24. April 2018 ab. Dieser Bescheid wurde nach Eingang der geforderten Unterlagen am 28. Mai 2018 aufgehoben.
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Ein vom Antragsgegner eingeholtes Sachverständigengutachten der Frau Dr. E. B., München, vom 30. Juni 2018 stellt (zusammengefasst) fest, dass bei Vergleich der von der Antragstellerin vorgelegten Ausbildungsunterlagen mit dem Ausbildungsinhalt eines deutschen Medizinstudiums verschiedene, nicht einzeln nachgewiesene Fächer durch die höhere Stundenzahl des Studiums sowie fachliche Überlappungen ausgeglichen seien. Nicht nachgewiesen sei allerdings das Praktische Jahr in den Fächern Chirurgie, Innere Medizin und einem Wahlfach. Aufgrund der vorliegenden Bestätigung über eine zweijährige Internatur im Fach Pädiatrie einschließlich einer Abschlussprüfung sei jedoch das Wahlfach für das Praktische Jahr ausgeglichen. Die fehlenden Nachweise für die Tertiale in Innerer Medizin und Chirurgie seien ausgeglichen durch das vorgelegte Arbeitszeugnis der …klinik … vom 25. Juli 2016 (Bl. 80 der Behördenakte). Die Gutachterin kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass der Ausbildungsstand der Antragstellerin gegenüber der deutschen Ausbildung gleichwertig sei (Bl. 612 ff. der Behördenakte).
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Unter dem 15. Oktober 2018 widersprach der Amtsarzt der Regierung von Oberbayern, Dr. H., nach Prüfung des vorgelegten Sachverständigengutachtens auf Schlüssigkeit der Einschätzung der Sachverständigen bezüglich der Tertiale Innere Medizin und Chirurgie. Bei der …klinik handele es sich um kein Lehrkrankenhaus, sondern um ein Belegkrankenhaus. Dieses verfüge über keine eigenen Chefärzte und kein eigenes Ärzteteam. Die …klinik erfülle damit nicht die Mindestanforderungen. Es fehlten ein entsprechender Personalschlüssel, ein ausbildungsberechtigter Mentor, eine Dokumentation im Sinne des Logbuches für die beiden Kerntertiale, wöchentliche Seminare sowie regelmäßige pathologisch-anatomische Demonstrationen durch einen Facharzt für Pathologie im Rahmen klinisch-pathologischer Konferenzen (Bl. 634 ff. der Behördenakte).
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Mit Bescheid vom 21. Dezember 2018 stellte die Regierung von Oberbayern fest, dass der Ausbildungsstand der Antragstellerin wesentliche Unterschiede aufweise. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Ausbildungsstand insbesondere in den Kern- und Pflichtfächern Chirurgie und Innere Medizin wesentliche Unterschiede im Vergleich zum deutschen Ausbildungsstand aufweise. Die Internatur sei mit dem deutschen Praktischen Jahr nicht vergleichbar, da hier eine Spezialisierung auf ein Fach erfolge. Auch die über vier Jahre andauernde praktische Tätigkeit in der …klinik … könne die Unterschiede nicht ausgleichen. Als Belegkrankenhaus könne die …klinik nicht die strukturierte Ausbildung eines Lehrkrankenhauses gewährleisten.
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3. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2019 ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben (Az.: W 10 K 19.83), über die noch nicht entschieden ist.
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Zugleich beantragte sie im vorliegenden Verfahren,
im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin vorläufig (bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens auf Gewährung der Approbation) die ärztliche Approbation gemäß § 3 BÄO zu erteilen.
Hilfsweise, im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig (bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens auf Erteilung der Approbation) die ärztliche Approbation gemäß § 3 BÄO zu teilen.
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Zur Begründung des Antrags wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Antragstellerin habe Anspruch auf die beantragte Approbation, da sie die Gleichwertigkeit ihres Ausbildungsstandes nachgewiesen habe. Der Feststellungsbescheid des Antragsgegners vom 21. Dezember 2018 sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Wie das vom Antragsgegner selbst eingeholte Sachverständigengutachten bestätige, sei der Ausbildungsstand der Antragstellerin gleichwertig i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 3 bis 6 und Satz 8 BÄO. Rechtsfehlerhaft geht die Begründung des Bescheides davon aus, dass die berufliche Tätigkeit der Antragstellerin seit mehr als vier Jahren an der …klinik … die Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO nicht erfülle. Es komme zur Bewertung der Tätigkeit in keiner Form darauf an, ob es sich um Lehrkrankenhaus einer Universität handele. Vielmehr könne die berufliche Tätigkeit auch im Ausland oder an jedem anderen Ort erfolgen (mit Verweis auf VG Köln, Anerkenntnisurteil vom 22.8.2017 - 7 K 2719/15). Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO sei es, jegliche Form des lebenslangen Lernens bei der Bewertung des Ausbildungsstandes des Bewerbers vollständig zu berücksichtigen. Die rechtliche Einbindung der Ärzte der Einrichtung sei nach der Rechtsprechung nicht von Bedeutung. Sowohl Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung gingen nicht von einer weiteren Ausbildung, sondern von einem Erlernen der Fertigkeiten durch die praktische Tätigkeit aus. Konsequent stelle die ständige Rechtsprechung auch allein auf die praktische Tätigkeit der Antragsteller ab. Der Antragsgegner hätte mithin die tatsächliche Tätigkeit der Antragstellerin und nicht die Struktur des Krankenhauses bewerten müssen (mit Verweis auf VG Köln, a.a.O.). Da es sich um ein zur Versorgung gesetzlich (kranken-)versicherter Patienten in Deutschland anerkanntes Krankenhaus der ersten Versorgungsstufe handele, dürften die Strukturen als stationäre ärztliche Einrichtung über jeden Zweifel erhaben sein. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich eine intensive Tätigkeit als auch Weiterbildung sowohl in den Fächern Chirurgie als auch Innere Medizin in den letzten vier Jahren. Mit dem Sachverständigengutachten sei daher davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner gesehenen Ausbildungsdefizite durch die praktische Tätigkeit und Weiterbildung ausgeglichen seien. Da die Gleichwertigkeit der Ausbildung der Antragstellerin nachgewiesen sei und sie auch die weiteren Anforderungen des § 3 Abs. 1 BÄO erfülle, sei auch der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der Approbation vollumfänglich zulässig und begründet. Somit bestehe ein Anordnungsanspruch.
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Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, da das weitere Zuwarten mit wesentlichen Nachteilen für die Antragstellerin verbunden sei. Die Klage habe offensichtlich Aussicht auf Erfolg und die Anforderungen an den Anordnungsgrund dürften mithin nicht überspannt werden. Die Tätigkeitsgenehmigung laufe zum 19. Mai 2019 aus. Zu diesem Zeitpunkt müsste die Antragstellerin ihre berufliche Tätigkeit mithin vollständig einstellen und würde ihren Arbeitsplatz verlieren. Dies stelle einen nicht wiedergutzumachenden wesentlichen Nachteil dar. Bis zu diesem Zeitpunkt sei nicht mit einer Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen. Es sei frühzeitig die Approbation beantragt worden. Die eingetretenen Verzögerungen seien auf die Schwierigkeiten bei der Erlangung der erforderlichen Unterlagen zurückzuführen, da die Alma Mater der Antragstellerin aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine habe geräumt werden müssen. Die weiteren Verzögerungen seien nicht durch die Antragstellerin verursacht worden. Der Antragsgegner habe die ihm in § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO gesetzte großzügige Frist von vier Monaten zwischen Vorlage aller erforderlichen Unterlagen und Entscheidung bei weitem nicht eingehalten. Vielmehr habe es nach Eingang der letzten angeforderten Unterlagen im Mai 2018 nochmals sieben weitere Monate bis zur Entscheidung des Antragsgegners gedauert.
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4. Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragstellerin stehe kein Anordnungsanspruch zu, da der ärztliche Ausbildungsstand gegenüber der aktuellen deutschen ärztlichen Ausbildung wesentliche Unterschiede in der praktischen Ausbildung in den Fächern Chirurgie und Innere Medizin aufweise. Bei den Fächern Chirurgie und Innere Medizin handele es sich um Kern- und Pflichtfächer in der medizinischen Ausbildung, da diese Fächer die häufigsten Erkrankungen in Deutschland beinhalteten. Das Sachverständigengutachten der Frau Dr. B. vom 30. Juni 2018 habe der durchgeführten Plausibilitätsprüfung des Antragsgegners nicht standgehalten. Wichtige Punkte und Sachverhalte wie die praktische Ausbildung seien nicht in der ausreichenden Tiefe geprüft und dargestellt worden. Auch sei die Argumentation der Sachverständigen nicht schlüssig und nachvollziehbar im Hinblick auf den Ausgleich von wesentlichen Ausbildungsdefiziten. Zu den Fächern Chirurgie und Innere Medizin lägen keine entsprechenden Ausbildungsnachweise vor. Dies stelle auch die externe Sachverständige in ihrem Gutachten fest. Die wesentlichen Ausbildungsunterschiede seien von der Antragstellerin auch nicht im Wege ihrer Berufspraxis ausgeglichen worden. Ein entsprechender Ausgleich könne nur bei „Einschlägigkeit“ der Berufspraxis erfolgen (mit Verweis auf OVG Münster, U.v. 17.2.2017, Az.: 13 A 235/15). Die Tätigkeit der Antragstellerin als Assistenzärztin in der …klinik … seit dem 1. Dezember 2014 könne für einen Ausgleich der oben genannten wesentlichen praktischen Ausbildungsdefizite nicht herangezogen werden. Bei der …klinik handele es sich um kein Lehrkrankenhaus. Vielmehr handele es sich um ein Belegkrankenhaus. Eine Abteilung Innere Medizin als Hauptabteilung existiere nicht. Die Stationen würden nicht von eigenen Chefärzten und einem eigenen Ärzteteam gelenkt, sondern von niedergelassenen Ärzten „bestückt“, welche dort quasi in Bettenkontingente einbuchten. Somit erfülle die …klinik … nicht die Mindestanforderungen, um als Ausbildungskrankenhaus anerkannt zu werden. Die Mindestanforderungen in den Fachgebieten Chirurgie und Innere Medizin seien allgemein chirurgische bzw. allgemein internistische Abteilungen mit mindestens 60 Behandlungsplätzen, um eine breite Ausbildung in den versorgungsrelevanten Bereichen zu gewährleisten (mit Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO). Auch wenn im Zwischenzeugnis vom 25. Juli 2016 betont werde, dass die Antragstellerin im chirurgischen Bereich erste und zweite Assistenzen bei Operationen ausführe, so habe diese Tätigkeit nichts mit der strukturierten, selbständigen Patientenbehandlung zu tun, wie es im Praktischen Jahr vorgeschrieben sei. Im Bereich der Inneren Medizin stünden für die Versorgung der Patienten nur externe Konsiliarärzte zur Verfügung, so dass hier eine strukturierte Ausbildung überhaupt nicht denkbar sei. Eine Ausbildung ohne Ausbilder könne nicht als Ausgleich der klinisch-praktischen wesentlichen Defizite gewertet werden.
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Die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dringlich sei. Insbesondere habe sie nicht glaubhaft gemacht, dass ihr bei Zuwarten auf die Hauptsacheentscheidung schwere und unerträgliche Nachteile drohten. Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium der Humanmedizin könnten in anderen Berufsfeldern ohne Berufserlaubnis oder Approbation tätig werden. In diesem Zusammenhang gelte es auch zu beachten, dass die Gesundheit der Bevölkerung ein besonders wichtiges öffentliches Rechtsgut sei, zu dessen Schutz bei Ärzten strenge fachliche Maßstäbe erforderlich seien. Des Weiteren laufe das Begehren der Antragstellerin auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinaus. Eine Approbation könne im Eilrechtsschutzverfahren nicht befristet erteilt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Klage im Hauptsachverfahren Erfolg verspreche. Die durch die Approbation verliehene Berechtigung sei unteilbar und einschränkenden Nebenbestimmungen nicht zugänglich (mit Verweis auf BVerwG, U.v. 9.12.1998 - DVBl. 1999, 1036). Im Ergebnis bedeute dies, dass eine nur vorläufige Regelung, etwa eine zeitliche Befristung, insoweit nicht in Betracht komme (mit Verweis auf BayVGH, B.v. 29.6.2007 - 21 CE 07.1224; VG München, B.v. 30.4.2007 - M 16 E 07.1475; B.v. 3.6.2002 - M 16 E 02.1437; VG Regensburg, B.v. 15.6.2015 - RO 5 E 15.687). Hinzu komme, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache nur möglich sei, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spreche. Auch diese Voraussetzung sei nicht gegeben, da der Antragstellerin kein Anordnungsanspruch zustehe. Schließlich seien auch die Verzögerungen im Approbationsverfahren ausschließlich durch die Antragstellerin verursacht worden. Der Antrag auf Erteilung der Approbation sei am 29. Juli 2016 beim Antragsgegner eingegangen. Erst am 22. Mai 2018 hätten die für eine Gleichwertigkeitsprüfung erforderlichen Dokumente formgerecht vorgelegen, obwohl die Antragstellerin mehrfach an das noch ausstehende Ausbildungscurriculum erinnert worden sei. Zuletzt seien weitere Unterlagen mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 und vom 26. November 2018 nachgereicht worden, welche am 31. Oktober 2018 und am 30. November 2018 beim Antragsgegner eingegangen seien.
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5. Die Antragstellerin erläuterte unter Verweis auf vorgelegte Unterlagen (eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin v. 14.2.2019, Zwischenzeugnis der …klinik … v. 13.2.2019) ihre Tätigkeit in der …klinik im internistischen sowie chirurgischen Bereich näher. Ergänzend teilte sie mit, dass sie sich zur Kenntnisprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 BÄO angemeldet habe, um für den Fall vorzusorgen, dass der Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abgelehnt werden sollte. Da dies zur Konsequenz hätte, dass die Antragstellerin mit Auslaufen ihrer aktuellen Tätigkeitsgenehmigung nicht mehr weiter als Ärztin tätig sein dürfe, bestünde für sie bis zum Abschluss des Klageverfahrens keine andere Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben und auf diesem Weg für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, als die Ablegung der Kenntnisprüfung. Dies werde ihr verwehrt. Dies würde mithin zu einem voraussichtlich mehrere Monate bis Jahre andauernden Berufsverbot der Antragstellerin führen, ohne eine Möglichkeit zu haben, den Nachweis ihrer Fähigkeiten auf dem dafür vorgesehenen Weg zu erbringen.
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6. Der Antragsgegner erwiderte hierzu nach Prüfung des Zwischenzeugnisses vom 13. Februar 2019 durch Dr. H., das nachgereichte Zwischenzeugnis könne im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung nicht herangezogen werden, da es dem Ersteller des Zeugnisses, dem Verwaltungsdirektor W., an der für ein qualifiziertes Arbeitszeugnis erforderlichen Kompetenz und Qualifikation fehle. Dies treffe auch auf die „koordinierende“ Ärztin Frau S. zu, welche selbst keine fachärztliche Ausbildung durchlaufen habe und somit auch nicht fachlich zu dem Wissens- und Kenntnisstand der Antragstellerin Ausführungen machen könne, insbesondere in medizinischen Spezialdisziplinen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
21
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist im Hauptantrag bereits unzulässig (1.). Im Hilfsantrag ist er zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (2).
22
1. Der Antrag, der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung die ärztliche Approbation nach § 3 BÄO zu erteilen, ist unstatthaft und damit unzulässig, weil er auf eine Regelung abzielt, welche nach dem maßgeblichen Recht nur durch Verwaltungsakt erfolgen kann (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 10). Die Approbation als Arzt gemäß § 3 BÄO wird durch Verwaltungsakt erteilt (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1998 - 3 C 4.98 - juris Rn. 22 ff.). Die Befugnis, durch Verwaltungsakt zu handeln, ist dem Gericht jedoch verwehrt. Vielmehr steht diese Handlungsform alleine der hierzu durch Gesetz ermächtigten Verwaltungsbehörde zu. Das Gericht kann deshalb im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur die Verwaltungsbehörde verpflichten, den begehrten Verwaltungsakt vorläufig zu erteilen (Kopp/Schenke a.a.O.).
23
2. Der hilfsweise gestellte Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die ärztliche Approbation gemäß § 3 BÄO zu erteilen, ist zulässig (a)), aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (b)).
24
a) Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Klage in der Hauptsache (Az.: W 10 K 19.83) in erster Linie die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr die Approbation als Ärztin zu erteilen. Da noch keine Versagung durch den Antragsgegner ergangen ist, kann die Antragstellerin ihr Begehren in der Hauptsache (§ 123 Abs. 5 VwGO) nur durch eine Untätigkeitsklage gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 3, 75 VwGO erreichen. Diesem Verpflichtungsbegehren entspricht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Antragsverfahren gemäß § 123 Abs. 1 VwGO. Der Feststellungsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 21. Dezember 2018 kann nicht als Ablehnung der Approbationserteilung ausgelegt werden kann (vgl. die Formulierung der Tenorziffer 1 sowie die Ausführungen auf S. 7 Mitte des Bescheides). Vielmehr beruht dieser Bescheid auf § 3 Abs. 3a Satz 2 BÄO - wenngleich dort ausdrücklich ein Antragserfordernis statuiert wird - und bezweckt in Umsetzung der verfahrensrechtlichen Regelung in Art. 53 Abs. 3 UAbs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU, vorab eine Entscheidung über die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation zu treffen (vgl. dazu BT-Drs. 18/6616, S. 106; Art. 53 Abs. 3 UAbs. 2 RL 2005/36/EG i.d.F. der RL 2013/55/EU; Schelling in Spickhoff, BÄO, § 3 Rn. 35). Gegen diesen isolierten Feststellungsbescheid ist kein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz statthaft, da die Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfaltet. Welche Rechtswirkungen dieser Bescheid im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Approbationsverfahren entfaltet, kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben (vgl. zur Bindungswirkung Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn. 41 ff., insb. 43, 137 ff., insb. 139). Soweit der Bescheid einer antragsgemäßen Verpflichtung des Antragsgegners entgegensteht, ist er jedenfalls inzident auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
25
b) Der Antrag ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dem Gericht steht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Befugnis zu einer vorläufigen Regelung zu, hier in der Gestalt einer vorübergehenden Berufserlaubnis. Im Übrigen, d.h. soweit die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners zur Approbationserteilung begehrt, ist der Antrag unbegründet, weil er auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft.
26
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
27
Begehrt der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Regelung des Gerichtes, welche - wie hier - auf eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache hinausläuft, sind besonders strenge Anforderungen an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu stellen. Zum einen muss der Anordnungsanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehen, d.h. ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1.99 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 18.9.2018 - 21 CE 18.1100 - juris Rn. 20; B.v. 12.4.2018 - 21 CE 18.136 - juris Rn. 12; B.v. 27.11.2015 - 21 CE 15.2183 - juris Rn. 16; B.v. 29.6.2007 - 21 CE 07.1224 - juris Rn. 5) - siehe unten (1). Zum anderen muss die einstweilige Anordnung notwendig sein, um schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile zu verhindern, welche auch durch eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten (BayVGH, B.v. 18.9.2018 - 21 CE 18.1100 - juris Rn. 20; B.v. 12.4.2018 - 21 CE 18.136 - juris Rn. 12; B.v. 27.11.2015 - 21 CE 15.2183 - juris Rn. 13; B.v. 29.6.2007 - 21 CE 07.1224 - juris Rn. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 13 ff.) - siehe unten (2). Nur unter diesen Voraussetzungen erfordert die Garantie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, dass das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung eine Regelung trifft, welche zur vollständigen oder teilweisen Erfüllung des in der Hauptsache geltend gemachten Anspruchs führt. Hinsichtlich des Inhaltes der einstweiligen Anordnung, also der gerichtlich zu treffenden Regelung, besteht ein Ermessen des Gerichtes (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 28; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 64 ff.), welches im vorliegenden Falle zur Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer vorläufigen Berufserlaubnis führt (siehe unten 3).
28
(1) Der Antragstellerin steht bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Erteilung der Approbation als Arzt zu. Die Gleichwertigkeit der von der Antragstellerin in der Ukraine erworbenen Berufsqualifikation mit der deutschen Ausbildung nach § 3 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 bis 6, Satz 8 BÄO liegt mit Ausnahme des Praktischen Jahres gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO vor, weil insoweit die bestehenden Ausbildungsunterschiede ausgeglichen sind. Wesentliche Unterschiede im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 und 4 BÄO bestehen nur hinsichtlich des Praktischen Jahres gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO in den Kernfächern Innere Medizin sowie Chirurgie. Diese wesentlichen Unterschiede sind jedoch bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 5, Abs. 3 Satz 2 BÄO durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen, welche die Antragstellerin im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis erworben hat.
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Hinsichtlich des Ausgleichs bestehender Unterschiede in verschiedenen Studienfächern durch die Inhalte und den Umfang der Ausbildung in anderen Studienfächern des Medizinstudiums an der Donezker Staatlichen Medizinischen Gorki-Universität folgt das Gericht nach summarischer Prüfung dem von dem Antragsgegner eingeholten Sachverständigengutachten der Frau Dr. E. B., München, vom 30. Juni 2018, dem sich insoweit auch der Antragsgegner angeschlossen hat. Das Sachverständigengutachten nimmt anhand der vorgelegten Studienunterlagen der Antragstellerin einen wertenden Vergleich mit den Inhalten des Studiums der Humanmedizin an einer vergleichbaren deutschen Hochschule vor und gelangt zu dem schlüssigen und von dem Antragsgegner fachlich mitgetragenen Ergebnis, dass die fehlende Ausweisung bestimmter Studienfächer, beispielsweise der Chemie, im vorgelegten Curriculum durch den dort ausgewiesenen Inhalt und zeitlichen Umfang anderer Studienfächer an der Donezker Staatlichen Medizinischen Gorki-Universität ausgeglichen ist. Des Weiteren ist das Gericht mit den Beteiligten der Auffassung, dass auch das nicht nachgewiesene Wahlfachtertial des Praktischen Jahres gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO durch die zweijährige Internatur der Antragstellerin in der Donezker Kinderklinik Nr. 1 gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 5 BÄO ausgeglichen ist.
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Darüber hinausgehend ist das Gericht aber bei summarischer Prüfung der Auffassung, dass auch - entgegen der Einschätzung des Antragsgegners - die wegen des Fehlens einer den Tertialen Innere Medizin und Chirurgie des Praktischen Jahres gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO vergleichbaren Ausbildung bestehenden wesentlichen Unterschiede ausgeglichen sind. Der Ausgleich ergibt sich gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 BÄO durch die Kenntnisse und Fähigkeiten, welche die Antragstellerin in ihrer seit dem 1. Dezember 2014 andauernden einschlägigen Berufspraxis als Assistenzärztin in der …klinik … erworben hat. Das sog. Praktische Jahr ist als zwingender Ausbildungsinhalt in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO genannt. Danach ist die ärztliche Prüfung nach einem Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens 5.500 Stunden und einer Dauer von mindestens sechs Jahren abzulegen, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in § 3 Abs. 2 Satz 1 BÄO genannten Staaten - mithin in einem Drittstaat - ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gelten gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO die Maßstäbe des § 3 Abs. 2 Satz 2 bis 6 und Satz 8 BÄO entsprechend. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO können wesentliche Unterschiede im Sinne der Sätze 3 und 4 ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben; die im Gesetz nachfolgend formulierte, einschränkende Anforderung einer formellen Anerkennung bezieht sich ausweislich des Wortlautes der Norm ausschließlich auf die durch lebenslanges Lernen, nicht aber auf die durch die Berufspraxis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten.
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Die Sachverständige Dr. E. B. hat in ihrem Gutachten die von der Antragstellerin durch Vorlage des Zwischenzeugnisses der …klinik mit ausführlicher Tätigkeitsbeschreibung nachgewiesene Berufspraxis in den Bereichen Innere Medizin und Chirurgie gewürdigt und ist zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gekommen, dass dadurch die fehlenden Tertiale des Praktischen Jahres in diesen Fächern ausgeglichen seien. Die hiergegen vorgebrachten Argumente des Antragsgegners, welche auf der Stellungnahme durch Dr. H. beruhen, vermögen das Gericht nicht zu überzeugen. Angegriffen werden nicht die Methode oder die inhaltliche Ergebnisgewinnung der Sachverständigen, sondern der formale Umstand, dass es sich bei der …klinik nicht um ein Lehrkrankenhaus handele und diese somit die Mindestanforderungen nach der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) nicht erfülle. Nach der Überzeugung des Gerichtes werden mit dieser Argumentation jedoch unzulässiger Weise die Anforderungen, welche für die Ausbildung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO gelten, auf die in § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO ausdrücklich als taugliches Ausgleichsmittel genannte Berufspraxis übertragen. Des Weiteren bemängelt Dr. H., dass die …klinik nicht über eine internistische Abteilung verfüge. Mit dieser Argumentation stellt der Antragsgegner jedoch Anforderungen auf, welche nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO für eine Kompensation von Ausbildungsdefiziten durch Berufspraxis nicht verlangt und durch den Sinn und Zweck der Vorschrift auch nicht gerechtfertigt sind. § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO verfolgt zwei unterschiedliche Anliegen, einerseits den Schutz der Volksgesundheit - welcher das gesamte Regelungsgefüge des § 3 BÄO verpflichtet ist - durch angemessen hohe Anforderungen an die Berechtigung zur selbständigen und unbeschränkten Ausübung der ärztlichen Heilkunde am Menschen, und andererseits die Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften zur Anerkennung erworbener Berufsqualifikationen. Der Gesetzgeber hat mit den Änderungen der Anerkennungsregeln in § 3 BÄO durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung der Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 2. Dezember 2007 sicherstellen wollen, dass alle über die Ausbildung hinaus erworbenen Qualifikationen oder die erworbene Berufserfahrung in die Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes einzubeziehen sind, und zwar auch die in Deutschland erworbene Berufspraxis (BT-Drs. 16/6458, S. 169; BVerwG, U.v. 11.12.2008 - 3 C 33.07 - juris Rn. 13; B.v. 6.6.2017 - 3 B 42.16 - juris Rn. 13; Liebler, jurisPR-BVerwG 11/2009 Anm. 3; ders., jM 2017, 469 ff.). Erforderlich ist daher neben einem objektiven Vergleich der Ausbildungsgänge auch eine Berücksichtigung der individuellen Qualifikation und der Berufserfahrung. Anstelle des Vergleichs der Ausbildungsinhalte bei der Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2, 3 und 4 BÄO geht es somit bei der Berücksichtigung der durch Berufspraxis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO um eine individualisierte Betrachtung. Eine solche Kompensation von Ausbildungsdefiziten durch Berufspraxis erachtet der Gesetzgeber auch ersichtlich als geeignet, um das Schutzgut der Volksgesundheit sicherzustellen, weil er diese Möglichkeit der Kompensation gleichrangig mit der durch Vergleich der Ausbildungsinhalte festgestellten Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes normiert hat. Überdies verzichtet der Gesetzgeber hinsichtlich der Kompensation durch Berufspraxis auf ein Erfordernis der formalen Anerkennung, wie es in § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO für die durch „lebenslanges Lernen“ erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt wird. Auch dieser Umstand spricht für die Erforderlichkeit einer individualisierten Betrachtung der erworbenen Berufspraxis.
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Gleichwohl fehlt es an einem klaren Anforderungsprofil für eine „gleichwertige“ Berufspraxis im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 5 BÄO. Inhaltlich muss es sich der Rechtsprechung folgend um einschlägige Berufspraxis handeln (OVG NRW, U.v. 17.2.2017 - 13 A 235/15 - juris Rn. 105), d.h. diese muss sich im Falle der Antragstellerin auf die Fachgebiete Innere Medizin und Chirurgie beziehen. Allerdings kann es hierbei nicht um eine „Ausbildung“ durch eigens zu diesem Zwecke zur Verfügung stehende „Ausbilder“, sondern nur um eine praktische Tätigkeit auf diesen Gebieten gehen. Diese Anforderung ist nach den von der Antragstellerin vorgelegten Nachweisen und ihrer Würdigung durch die Sachverständige Dr. B. erfüllt. Wie aus den vorgelegten Arbeitszeugnissen hervorgeht, verfügt die …klinik über die Fachbereiche Chirurgie, plastische Chirurgie, Orthopädie, Neurochirurgie, Frauenheilkunde, HNO, Augenheilkunde, Innere Medizin und Anästhesie. Den Zwischenzeugnissen sowie der eidesstattlichen Versicherung ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin einschlägige ärztliche Tätigkeiten ausgeführt hat. Im chirurgischen Bereich nahm sie sogar erste und zweite Assistenzen bei Operationen wahr. Ebenso hat sie sich, wie insbesondere aus dem Zeugnis vom Februar 2019 hervorgeht, Kenntnisse im Bereich der Inneren Medizin angeeignet. Dem steht nicht entgegen, dass für die Versorgung der Patienten nur externe Konsiliarärzte zur Verfügung stehen. Wie bereits ausgeführt, ist nicht der Ausbildungscharakter der wahrgenommenen Tätigkeiten maßgeblich, sondern praktische Erfahrung, welche typischerweise durch Beobachtung, eigenes Handeln und entsprechende Rückmeldungen im Arbeitsumfeld erworben wird. Des Weiteren hat das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung des für eine Kompensation von Ausbildungsdefiziten erforderlichen zeitlichen Umfanges der Berufspraxis auf die Wertung in Art. 3 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG sowie in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BÄO zurückgegriffen, wonach bei einer nicht wesentlich unterschiedlichen Ausbildung eine dreijährige Berufspraxis ausreichend ist (BVerwG, U.v. 11.12.2008 - 3 C 33.07 - juris Rn. 29; Liebler, jurisPR-BVerwG 11/2009 Anm. 3). Auch diese zeitliche Anforderung ist durch die nunmehr schon mehr als vierjährige Berufspraxis der Antragstellerin erfüllt.
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(2) Der Antragstellerin steht auch der erforderliche Anordnungsgrund zur Seite. Die einstweilige Anordnung ist zur Vermeidung eines erheblichen Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) erforderlich, welcher mit dem Ablauf der Berufserlaubnis der Antragstellerin gemäß § 10 Abs. 2 BÄO zum 19. Mai 2019 und dem damit verbundenen Verlust des Arbeitsplatzes eintreten würde. In Anbetracht der nach summarischer Einschätzung des Gerichts hohen Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache ist der Antragstellerin ein solcher Nachteil - unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Gesamtsituation - nicht zumutbar. Konkrete andere Erwerbsmöglichkeiten ohne ärztliche Approbation oder Berufserlaubnis sind nicht ersichtlich. Des Weiteren verwehrt der Antragsgegner der Antragstellerin unter Verweis auf das anhängige Klageverfahren die Teilnahme an der Kenntnisprüfung, welche ihr im Erfolgsfalle den Weg zur Approbation eröffnen würde. Der Antragstellerin kann ferner nicht zur Last gelegt werden, dass sie erforderliche Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt und dadurch Verzögerungen des Approbationsverfahrens verursacht habe. Die Verzögerungen bei der Beschaffung der Originalurkunde des Curriculums dürften auf den bewaffneten Konflikt in der Ukraine zurückzuführen sein. Dass die Antragstellerin zunächst nur die deutsche Übersetzung des Curriculums, nicht aber die Originalurkunde vorgelegt hat, kann nicht als gravierendes Versäumnis gewertet werden. Insbesondere ist der Sachverhalt nicht mit dem des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 2018 (Az.: 21 CE 18.1100 - juris) vergleichbar.
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(3) Eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Approbationserteilung durch das Gericht kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Zwar wird eine Verpflichtung der zuständigen Behörde zum Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes im Wege der einstweiligen Anordnung mitunter auch dann für zulässig erachtet, wenn das materielle Recht keine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlass befristeter Erlaubnisse oder ähnlicher Regelungen enthält oder sogar nur unbefristete, unbedingte oder ähnliche Verwaltungsakte vorsieht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 65; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 13). Dem dürfte jedoch die besondere gesetzliche Ausgestaltung der Approbation entgegenstehen. Die Approbation als Arzt ist die staatliche Erlaubnis zur dauernden, eigenverantwortlichen und selbständigen Ausübung der Heilkunde am Menschen. Sie ist unteilbar und einschränkenden Nebenbestimmungen nicht zugänglich (BVerwG, U.v. 9.12.1998 - 3 C 4.98 - juris Rn. 24; Schelling in Spickhoff, Medizinrecht, BÄO, § 2 Rn. 2), sodass eine nur vorläufige Regelung, etwa eine zeitliche Befristung, insoweit nicht in Betracht kommt (BayVGH, B.v. 29.6.2007 - 21 CE 07.1224 - juris Rn. 5).
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Art. 12 GG gewährt keinen Anspruch darauf, die ärztliche Tätigkeit gerade im Rahmen und auf der Grundlage einer Approbation als Arzt auszuüben. Entscheidend ist insoweit nicht die Bezeichnung der der Antragstellerin zu erteilenden Berechtigung. Für die Wahrung der Freiheit der Berufswahl kommt es vielmehr darauf an, dass ihr der Zugang zum Arztberuf eröffnet wird. Dies kann in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise durch die Erteilung einer Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 BÄO geschehen. Diese scheitert nicht an § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO. Danach darf die Erlaubnis nur widerruflich und nur bis zu einer Gesamtdauer der ärztlichen Tätigkeit von höchstens vier Jahren erteilt oder verlängert werden. Diese Bestimmung gilt jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht für alle Erlaubnisse zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Nach ihrem systematischen Zusammenhang bezieht sie sich auf die in § 10 Abs. 1 BÄO geregelte Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs. Aus der grundlegenden Bestimmung des § 2 Abs. 2 BÄO ergibt sich jedoch, dass es neben der Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs auch die Möglichkeit gibt, für eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Berufsausübung eine nicht nur vorübergehende Erlaubnis zu erteilen. Für eine solche Erlaubnis gilt die starre Frist des § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO naturgemäß nicht (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 9.12.1998 - 3 C 4.98 - juris Rn. 30 ff.). Des Weiteren eröffnet § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 BÄO in besonderen Einzelfällen die Möglichkeit einer ausnahmsweisen Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs über den Zeitrahmen von zwei Jahren hinaus, wenn eine Approbation mangels einer in Deutschland erfolgreich abgelegten ärztlichen Prüfung nicht erteilt werden kann. Dieser Umstand zeigt, dass eine vorübergehende Erlaubniserteilung außerhalb des § 10 Abs. 2 BÄO gesetzessystematisch nicht ausgeschlossen ist (vgl. auch BayVGH, B.v. 18.9.2018 - 21 CE 18.1100 - juris Rn. 22). Durch die Begrenzung der Verpflichtung zur Erlaubniserteilung auf den Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ist des Weiteren sichergestellt, dass die Antragstellerin nicht auf dieser Grundlage im Falle der rechtskräftigen Abweisung ihrer Klage weiter ärztliche Tätigkeiten ausüben könnte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 16.1, 1.5 des Streitwertkatalogs i.d.F. der Änderungen von 2012/2013 (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anhang zu § 164 Rn. 14).