Inhalt

OLG München, Beschluss v. 02.05.2019 – Verg 5/19
Titel:

Kostenentscheidung nach Einstellung eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer

Normenketten:
GWB § 182 Abs. 3, Abs. 4
VgV § 10, § 53 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die gem. § 182 Abs. 3 GWB über die Kostentragung in den Fällen einer Verfahrensbeendigung aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen zu treffende Entscheidung ist grundsätzlich nach nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Gesichtspunkte der Billigkeit können es jedoch im Einzelfall gebieten, von der Maßgeblichkeit des voraussichtlichen Verfahrensausgangs abzuweichen und einem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen bzw. bei der Kostenentscheidung zu seinen Lasten zu berücksichtigen (Bestätigung von OLG München BeckRS 2015, 15362 Rn. 13; OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 28977 Rn. 20). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein derartiger Ausnahmefall ist im Einzelfall anzunehmen, wenn ein Nachprüfungsantrag unnötigerweise zu früh gestellt wurde, die Einreichung eines Nachprüfungsantrags durch unzutreffende Angaben der Vergabestelle hervorgerufen wurde oder wenn der Auftraggeber der Rüge des Antragstellers nach Einleitung des Verfahrens doch noch abhilft (hier verneint). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachprüfungsverfahren, übereinstimmende Erledigungserklärung, Kostenentscheidung, billiges Ermessen, Billigkeit, Rückversetzung
Fundstellen:
VergabeR 2019, 826
BeckRS 2019, 10744
LSK 2019, 10744
NZBau 2020, 126
ZfBR 2020, 596

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen Ziff. 2 des Beschlusses der Vergabekammer Südbayern vom 05.02.2018, Az. Z3-3-3194-1-36-10/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit, zur Höhe des Streitwerts im Beschwerdeverfahren Stellung zu nehmen bis zum 24.05.2019.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin beabsichtigte, die Dienstleistung „Betriebsführung und Instandhaltung Medizintechnik“ im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Als Zuschlagskriterien wurden unter Ziff. II 2.5 der europaweiten Bekanntmachung die Qualität des Umsetzungskonzeptes mit einer Gewichtung von 40 und der Preis mit einer Gewichtung von 60 festgelegt. In den „Ergänzenden Verfahrensbedingungen zum Vergabeverfahren“ wurde hinsichtlich des Zuschlagskriteriums „Preis“ folgendes ausgeführt: „Gewertet werden die Angaben des Bieters im Preisblatt.
2
Alle Angebote werden nach dem ausgewiesenen Preis gereiht. Das Angebot mit dem niedrigsten Preis (B 1) erhält 100 Punkte…".
3
Im Preisblatt wurden von den Bietern u.a. Angaben zum „Gesamtbudget Betriebsführung und Instandhaltung (Pauschale)“ und zu einem „Manntagessatz für gesondert zu vereinbarende Beratungsleistungen“ gefordert (s. Anlage KDU 2).
4
Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs legten die Bieter zum 30.05.2018 ein erstes indikatives Angebot vor, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene. Mit diesen und einem weiteren Bieter wurden zwei Verhandlungsrunden durchgeführt, wobei nach dem Abschluss der ersten Verhandlungsrunde die Bieter ein weiteres Angebot abgaben.
5
Mit Schreiben vom 28.08.2018, nach Abschluss der zweiten Verhandlungsrunde, wurden die Bieter aufgefordert, ein letztverbindliches Angebot bis 03.09.2018, 14.00 Uhr, abzugeben. Des Weiteren erklärte die Antragsgegnerin:
„Zu oben genannter Frist akzeptieren wird den Eingang von Angeboten vorab per E-Mail. Der rechtzeitige Eingang der E-Mail auf die Adresse vergabestelle@klinikuma. .de genügt um die Frist zu wahren … Bitte senden Sie uns Ihre postalischen Angebote zur Vollständigkeit unserer Unterlagen auf dem Postwege nach.“.
6
Die Antragstellerin reichte ihr finales Angebot am 03.09.2018 vor Fristablauf vorab per E-Mail ein. Die Beigeladene erklärte mit E-Mail vom 30.08.2018, dass sie ihr bisheriges Angebot aufrechterhalte. Der dritte Bieter übersandte das finale Angebot fristgerecht in Schriftform.
7
Mit Schreiben vom 11.10.2018 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, sie beabsichtige, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 15.10.2018 erhob die Antragstellerin eine Reihe von Rügen. Unter anderem sei die Bewertung aufgrund der Intransparenz beim Zuschlagskriterium „Preis“ rechtswidrig. Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 19.10.2018 zurück.
8
Die Antragstellerin hat sodann unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Rügen einen Nachprüfungsantrag gestellt. Nach Akteneinsicht hat die Antragstellerin zudem gerügt, es sei unzulässig, dass die Antragsgegnerin die Angebotsübermittlung unverschlüsselt per E-Mail ermöglicht habe. Aus dem Vergabevermerk ergebe sich, dass die Antragsgegnerin schon am 30.08.2018, also vor dem Submissionstermin, die E-Mail der Beigeladenen geöffnet habe. Damit sei ein vorfristiger Zugriff auf die Angebote nicht nur möglich gewesen, sondern sogar erfolgt.
9
Die Antragstellerin hat daher beantragt,
1.
der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen;
2.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in einen in das Ermessen der Vergabekammer gestellten Zeitpunkt zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
10
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
11
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
12
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Antragstellerin sei mit der Rüge der Intransparenz des Zuschlagskriteriums „Preis“ präkludiert. Jedenfalls in den ergänzenden Vertragsbedingungen zur Angebotsphase sei dieses Zuschlagskriterium in Ziff. 3.1 konkretisiert worden. Zudem habe die Antragstellerin die ausdrückliche Nachfrage in der zweiten Verhandlungsrunde, ob noch irgendwelche klärungsbedürftigen Punkte verblieben seien, um das finale Angebot zu legen, verneint und auch sonst während der Verhandlungsphase diesbezüglich keine Rügen erhoben. Die Abfrage eines Manntagessatzes für „gesondert zu vereinbarende Beratungsleistungen“ sei nicht in die Wertung eingeflossen. Die Abgabe des finalen Angebots per E-Mail sei keine Verpflichtung gewesen. Zudem hätten alle Bieter in der zweiten Verhandlungsrunde ihr Einverständnis mit dieser Vorgehensweise erklärt. Eine auch nur theoretische Manipulationsmöglichkeit habe es nicht gegeben, da die optionale Vorabübermittlung der Angebote nur auf dem Rechner der Leiter der Vergabestelle und der Assistenz der Vergabestelle eingerichtet gewesen sei. Die E-Mails der Antragstellerin und der Beigeladenen seien auch erst zur Submission geöffnet worden.
13
Die übrigen Rügen seien teils schon unzulässig, weil ins Blaue hinein erhoben, jedenfalls aber unbegründet.
14
Die Beigeladene hat sich im Wesentlichen den Ausführungen der Antragsgegnerin angeschlossen.
15
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Vergabekammer darauf hingewiesen, dass die Einreichung von Angeboten offen per E-Mail als besonders schwerwiegender Verstoß gesehen werde, den die Vergabekammer in der Vergangenheit regelmäßig sogar von Amts wegen aufgegriffen habe. Bezüglich der Option der zusätzlichen Beratungsleistungen hätten jedenfalls klare Vorgaben zur Aufnahme der Manntagessätze in die Wertung gemacht werden müssen. Es könne nicht geklärt werden, ob in den Verhandlungsgesprächen ausreichend klargestellt worden sei, dass die Angabe der Manntagessätze nicht in die Wertung einfließe.
16
Die Antragsgegnerin hat nach der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer ein neues Preisblatt entworfen und die Bieter aufgefordert, schriftlich ein neues Preisangebot einzureichen (s. Anlage KDU 3). Die Antragstellerin hat daraufhin das Nachprüfungsverfahren für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat sich dem angeschlossen.
17
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 05.02.2018 das Nachprüfungsverfahren eingestellt (Tenor Ziff. 1), der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin auferlegt (Tenor Ziff. 2), die Gebühr für das Verfahren auf 9.444,00 Euro festgesetzt (Tenor Ziff. 3) und die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig erklärt (Tenor Ziff. 4). Nach § 182 Abs. 3 Satz 4, 5 GWB treffe die Antragsgegnerin aus Gründen der Billigkeit die Kostenlast. Der angekündigte Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vor Rückversetzung wäre rechtswidrig gewesen, da das per E-Mail abgegebene Angebot gem. § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV, § 53 Abs. 1 VgV i.V.m. § 10 VgV zwingend auszuschließen gewesen wäre und zudem das Preisblatt erheblichen Bedenken unterlegen sei.
18
Diese Mängel habe die Antragstellerin erst durch die Rückversetzung abgestellt. Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruhe auf § 182 Abs. 4 Satz 3 1. HS GWB.
19
Gegen die ihr auferlegte Kostentragungspflicht wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
20
Die Vergabekammer habe das Ermessen hinsichtlich der Kosten des Verfahrens unvollständig und einseitig ausgeübt. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer habe die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren nicht zurückversetzt, sondern lediglich fortgeführt und keine vollständig neuen Angebote eingeholt. Sie habe daher auch keiner Rüge abgeholfen. Im Übrigen hätte lediglich die Antragstellerin, nicht aber die Beigeladene ein Angebot per E-Mail abgegeben. Die Beigeladene habe per E-Mail nur mitgeteilt, dass es beim Angebot vom 07.08.2018 bleibe. Das Angebot der Antragstellerin wäre hingegen auszuschließen gewesen, zumal ein dritter Bieter ein Angebot per Post abgegeben habe. Mit der Rüge mangelnder Transparenz der preislichen Wertung sei die Antragstellerin präkludiert gewesen. Zudem sei bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigten, dass die Antragstellerin eine Vielzahl weiterer Rügen erhoben, diese aber mit der Erledigungserklärung fallen gelassen habe. Hinsichtlich der Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung habe die Vergabekammer überhaupt keine Ermessensentscheidung getroffen, es fehle an jeder Begründung. Hintergrund für das Vorgehen der Antragsgegnerin sei gewesen, dass sie sich schon in der Phase der interimsweisen Vertragsverlängerung befunden habe und sich daher genötigt gesehen habe, das Verfahren mit möglichst geringem Zeitverlust zu beenden.
21
Die Antragsgegnerin beantragt daher,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und der Antragstellerin alle Kosten der Vergabekammer und die der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen und auszusprechen, dass für diese die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen ist,
hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die der Antragsgegnerin entstandenen notwendigen Aufwendungen der Rechtsverfolgung nach einer in das Ermessen des Senats gestellten Quotelung unter den Verfahrensbeteiligten aufzuteilen.
22
Die Antragstellerin beantragt,
1.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 05.02.2019 wird zurückgewiesen.
2.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin zu tragen.
23
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Vergabekammer habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die Antragsgegnerin habe das Verfahren zurückversetzt und mehreren Rügen abgeholfen, mit denen die Antragsgegnerin obsiegt hätte. Das Angebot der Antragstellerin sei schon deshalb nicht auszuschließen gewesen, da sie sich nur nach den Vorgaben der Antragsgegnerin gerichtet habe. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin selbst noch im Verfahren vor der Vergabekammer erklärt, das Angebot der Antragstellerin vom 03.09.2019 habe den Formerfordernissen entsprochen. Zudem seien die neuen Angebote nunmehr zwingend in schriftlicher Form einzureichen. Die Intransparenz bezüglich des Zuschlagskriteriums Preis habe die Antragsgegnerin mit der Überarbeitung des Preisblatts ebenfalls beseitigt. Bezüglich der Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung der Antragstellerin sei eine bloße Wiederholung der bezüglich der Kosten des Verfahrens dargelegten Ermessenserwägungen durch die Vergabekammer nicht nötig gewesen.
II.
24
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und statthaft (§ 171 Abs. 1 S.1 GWB), aber unbegründet.
25
Die Entscheidung der Vergabekammer, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen, ist nicht ermessensfehlerhaft.
26
1. Nachdem die Antragstellerin und die Antragsgegnerin das Nachprüfugsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war von die Vergabekammer nach § 182 Abs. 3 Satz 4, Satz 5 GWB nach billigem Ermessen zu entscheiden, wer die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu tragen hat.
27
Die Vergabekammer hat bei der Billigkeitsentscheidung berücksichtigt, dass der angekündigte Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vor Rückversetzung rechtswidrig gewesen wäre und das Preisblatt erheblichen Bedenken unterlag. Diese Mängel habe die Antragsgegnerin erst durch die Rückversetzung abgestellt. Gegen diese, wenn auch sehr knappen, Ermessenserwägungen bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
28
1.1. Grundsätzlich ist die Entscheidung über die Kostentragung in den Fällen einer Verfahrensbeendigung aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu treffen. Gesichtspunkte der Billigkeit können es jedoch im Einzelfall gebieten, von der Maßgeblichkeit des voraussichtlichen Verfahrensausgangs abzuweichen und einem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen bzw. bei der Kostenentscheidung zu seinen Lasten zu berücksichtigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 02.09.2015, Verg 6/15, juris Tz. 13; OLG Düsseldorf Beschluss vom 13.09.2018, Verg 35/17, juris Tz. 22). Ein Ausnahmefall wurde von der Rechtsprechung angenommen, wenn ein Nachprüfungsantrag unnötigerweise zu früh gestellt wurde (OLG Düsseldorf a.a.O.), die Einreichung eines Nachprüfungsantrages durch unzutreffende Angaben der Vergabestelle hervorgerufen wurde (OLG München a.a.O.) oder wenn der Auftraggeber der Rüge des Antragstellers nach Einleitung des Verfahrens doch noch abhilft (VK Bund, Beschluss vom 24.01.2011, VK 2-143/10, IBRRS2011, 0321; Reider in Münchener Kommentar zum Deutschen und Europäsichen Wettbewerbsrecht, 2. Aufl, GWB § 182 Rn. 11; Losch in Ziekow / Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, GWB § 182 Rn. 26-34). Letztlich kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an (Krohn in Burgi, VergabeR, 4. Teil, 3. Aufl, § 182 Rz. 30).
29
1.2. Im vorliegenden Fall hat die Vergabekammer weder den Maßstab für die Ermessensentscheidung verkannt noch geht sie von unzutreffenden Annahmen aus.
30
Die Antragsgegnerin hat unstreitig nach der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer „wegen aufgekommener Bedenken an der hinreichenden Transparenz des von allen Bietern bislang zur Angebotslegung verwendeten Preisblatts bzw. dazu, welche Eintragungen im bisherigen Preisblatt in die Preiswertung einbezogen wurden“ (s. Schreiben vom 22.01.2019, Anlage KDU 3) das Preisblatt überarbeitet und die Bieter aufgefordert, ein neuerliches Preisangebot „ausschließlich in schriftlicher Form“ einzureichen. Damit hat die Antragsgegnerin jedenfalls einem Teil der Rügen der Antragstellerin abgeholfen.
31
Die Antragstellerin hatte unter anderem im Verfahren die mangelnde Transparenz beim Zuschlagskriterium „Preis“ auf der Basis des alten Preisblatts (s. Anlage KDU 2) gerügt. Auch aus Sicht des Senats lässt sich aus der Fassung des alten Preisblatts in Zusammenschau mit den „Ergänzenden Verfahrensbedingungen zur Angebotsphase“ (Anlage ASt 4) Ziff. 3.1. (Bl. 252 d.A. der Vergabekammer) nicht hinreichend klar entnehmen, nach welchen Kriterien die Antragsgegnerin die Angebote bezüglich der Preise reihen möchte. In Ziff. 3.1 der „Ergänzenden Vertragsbedingungen“ heißt es, gewertet würden „die Angaben des Bieters im Preisblatt“. Dies spricht dafür, dass sämtliche Angaben gewertet würden. Im folgenden Absatz ist hingegen ausgeführt, alle Angebot würden „nach dem ausgewiesenen Preis“ gereiht. Dies spricht dafür, dass es einen maßgeblichen Preis geben soll, nach dem sich die Reihung der Angebote bemisst. In dem ursprünglichen Preisblatt (Anlage KDU 2) werden von den Bietern verschiedene Preise gefordert, insbesondere das Gesamtbudget Betriebsführung und Instandhaltung (Pauschale) und der Manntagessatz für gesondert zu vereinbarende Beratungsleistungen. Welche dieser Preise für die Reihung maßgeblich sein soll, er wird nicht ausgeführt. Noch weniger ergibt sich aus dem Preisblatt bzw. Ziff. 3.1 der Ergänzenden Verfahrensbedingungen, dass der Preis für den Manntagessatz in die Bewertung überhaupt nicht einfließen soll, wie es die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren erklärt hat. Dass die Antragsgegnerin dies in den Verhandlungsrunden gegenüber den Bietern ausdrücklich erklärt hätte, steht nach den Feststellungen der Vergabekammer ebenfalls nicht fest.
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Ob die Antragsstellerin die fehlende Transparenz bereits früher hätte rügen müssen und mit ihrer Rüge ggf. nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert war, spielt im Rahmen der Billigkeitserwägungen für die Kostentragungslast nicht die maßgebliche Rolle. Denn dies ändert nichts daran, dass die Antragsgegnerin von sich aus, aber erst im Nachprüfungsverfahren den Bedenken der Antragstellerin und den in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken der Vergabekammer gegen die Preiswertung Rechnung getragen hat. Desgleichen ist nicht maßgeblich, dass die Antragsgegnerin, wie sie darlegt, das Preisblatt überarbeitet hat, um einen weiteren Zeitverlust durch eine Fortsetzung des Nachprüfungsverfahrens zu vermeiden.
33
Zudem berücksichtigt die Vergabekammer zutreffend, dass die von der Antragsgegnerin eingeräumte Möglichkeit, die finalen Angebote bis zum 03.09.2018 vorab per einfacher E-Mail einzureichen mit § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VgV nicht in Einklang steht. Nach dieser Norm muss bei den elektronischen Mitteln bereits systemseitig ein vorfristiger Zugriff auf empfangene Dateien verhindert werden; dem wird die Nutzung gängiger E-Mail-Programme nicht gerecht (Wichmann in Ziekow/Völllink, Vergaberecht, 3. Aufl, § 10 VgV Rz. 7). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vergabevermerk der Antragsgegnerin (S. 30), dass die Antragsgegnerin die E-Mail der Beigeladenen schon am 30.08.2018 öffnen konnte und geöffnet hat. Denn ansonsten hätte sie an diesem Datum keine Kenntnis davon gehabt, dass die Beigeladene ihr Angebot vom 07.08.2018 zugleich als endgültiges Angebot gewertet wissen möchte. Dieser Verstoß und die daraus resultierende zumindest theoretische Manipulationsmöglichkeit konnte von der Antragstellerin auch nicht vorab gerügt werden, da sie sich erst aus der Einsicht in den Vergabevermerk hinreichend klar erschlossen hat.
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hätte dies aber nicht zum Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV, sondern nur zu einer Rückversetzung des Verfahrens geführt. Denn die Antragstellerin hat ihr Angebot zwar (vorab) per E-Mail abgegeben. Indessen hat sie damit nur von einer Möglichkeit Gebrauch gemacht, die die Antragsgegnerin ausdrücklich eröffnet hat. Ein Verschulden des Auftraggebers ist vom Bieter aber nicht zu vertreten. Fehler oder Organisationsverschulden des Auftraggebers dürfen sich grundsätzlich nicht zu Lasten der korrekt handelnden Bieter auswirken (Herrmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl, § 57 vgV Rz. 23; Wagner in jurisPK Vergaberecht, 5. Aufl, § 57 VgV Rz. 27; Pauka in Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, 2. Aufl, § 57 VgV Rz. 17). Im Rahmen der elektronischen Kommunikation hat, anders als bei Abgabe eines Angebots im Postweg, der öffentliche Auftraggeber die Vertraulichkeit der Inhalte bspw. durch Nutzung einer sachgerechten Verschlüsselung zu garantieren (Wagner, a.a.O., § 57 VgV Rz. 26). Vor diesem Hintergrund konnte die Antragstellerin (ebenso wie die Beigeladene) nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil sie sich an die (unzureichenden) Formvorgaben der Antragstellerin gehalten hat. Es fehlte jedenfalls an einem „Vertretenmüssen“ der Antragstellerin i.S. § 57 Abs. 1 Nr. 1 2. HS VgV.
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist es für die Billigkeitsentscheidung ohne Belang, dass die Antragstellerin weitere Rügen erhoben hat, denen die Antragsgegnerin nicht abgeholfen hat. Auch auf die Erfolgsaussichten dieser weiteren Rügen kommt es nicht an. Zum einen stellt eine Erledigungserklärung keine Rücknahme bezüglich der weiteren Rügen dar. Zum anderen blendet die Antragsgegnerin aus, dass auch bei einer Entscheidung durch Beschluss eine einzige erfolgreiche Rüge im Nachprüfungsverfahren genügt, um der unterlegenen Antragsgegnerin die Kosten insgesamt aufzuerlegen. Auch in dieser Situation führt es nicht zu einer Kostenquotelung, wenn weitere, letzlich nicht erfolgreiche Rügen erhoben wurden. Dahinstehen kann des Weiteren, ob die Antragsgegnerin das Verfahren wie von ihr behauptet in modifizierter Form fortgesetzt oder wie von der Vergabekammer angenommen zurückversetzt wurde. An den Billigkeitserwägungen zur Kostentragung ändert sich dadurch nichts.
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1.3. Auf die Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung vom 14.03.2019, die ohnehin keinen erheblichen neuen Sachvortrag enthält, kommt es daher nicht an.
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2. Die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat, bestimmt sich für das Verfahren vor der Vergabekammer nach § 182 Abs. 4 Satz 3 GWB ebenfalls nach billigem Ermessen. Die Norm stellt für die Kostenerstattung zwischen den Beteiligten den Gleichlauf der Regelungen für die Vergabekammergebühren und die Kostenerstattung her. Es handelt sich um eine Frage des Einzelfalls, die in der Regel nach den gleichen Grundsätzen zu entscheiden ist wie bei § 183 Abs. 3 Satz 5 GWB (Krohn in Burgi, Vergaberecht, 4. Aufl., § 182 GWB Rz. 39).
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Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass insoweit eine andere Billigkeitsentscheidung zu treffen wäre wie bezüglich der Verfahrenskosten vor der Vergabekammer. Insoweit kann auf die Ausführungen oben Ziff. 1 verwiesen werden. Ob die Vergabekammer diesbezüglich ihr Ermessen überhaupt ausgeübt und nur auf die Wiederholung der kurzen Erwägungen verzichtet hat, oder ob mangels einer Ermessensentscheidung der Vergabekammer diese vom Senat vorzunehmen ist, führt letztlich zum selben Ergebnis.
39
3. Ziff. 4 des Beschlusstenors der Vergabekammer (Höhe der Verfahrensgebühr) und Ziff. 5 des Tenors (Notwendigkeit der Beiziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch die Antragstellerin) werden mit der Beschwerde nicht angegriffen.
40
4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 175 Abs. 2, § 78 Satz 2 GWB.
41
5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus der Addition der festgesetzten Verfahrensgebühren und der vor der Vergabekammer angefallenen Rechtsanwaltskosten. Die Vergabekammer hat für das Verfahren eine Gebühr von 9.444,00 Euro festgesetzt; dagegen werden in der Beschwerde keine Einwände erhoben. Bezüglich der angefallenen Rechtsanwaltskosten erhalten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 24.05.2019.