Inhalt

VG München, Beschluss v. 24.01.2019 – M 19L DA 18.3381
Titel:

Fehlerhafte vorläufige Dienstenthebung einer ersten Bürgermeisterin wegen Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung 

Normenketten:
BayDG Art. 39 Abs. 1 S. 1, Art. 61
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3
Leitsätze:
1. Die vorläufige Dienstenthebung ist nach Art. 61 Abs. 2 BayDG auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was dann der Fall ist, wenn nach dem Kenntnisstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel iSd Art. 61 Abs. 2 BayDG zu bejahen. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Hinblick auf die Vorbildfunktion einer ersten Bürgermeisterin sind hohe Anforderungen an ihre Führungsfähigkeiten und persönliche Integrität zu stellen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung, Erste Bürgermeisterin, Reichsbürgerbewegung, Ausreichende Indizien für Zugehörigkeit verneint, reichsbürgertypische Angaben, Disziplinarverfahren, Entfernung aus Beamtenverhältnis, Gehaltskürzung
Fundstelle:
BeckRS 2019, 10131

Tenor

I. Die mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - vom … Juni 2018 angeordnete vorläufige Dienstenthebung wird ausgesetzt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - (im Folgenden: Landesanwaltschaft) vom … Juni 2018 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung. Sie ist auch Beklagte in einer am … Juni 2018 erhobenen Disziplinarklage (M 19L DK 18.2966), mit der die Landesanwaltschaft ihre Entfernung aus dem Beamtenverhältnis begehrt.
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1. Die am … 1960 geborene Antragstellerin ist erste Bürgermeisterin der Gemeinde B … mit 1 … Einwohnern. Zu ihren persönlichen Verhältnissen und ihrem beruflichen Werdegang wird Bezug genommen auf die streitgegenständliche Verfügung (dort S. 1 und 2).
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2. Zur Darstellung des Disziplinarverfahrens wird ebenfalls Bezug genommen auf die streitgegenständliche Verfügung (dort S. 2 bis 10).
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3. Mit Verfügung vom … Juni 2018 enthob die Landesanwaltschaft die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes. Ihr wird vorgeworfen, sie habe bei Anträgen auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises und auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) für sich selbst und ihre drei Söhne die für Reichsbürger typischen Angaben gemacht und einen von einem Reichsbürger in den Gemeinderäumen gehaltenen Vortrag nicht unterbunden. Dadurch habe sie die Bundesrepublik Deutschland als Staat und die geltende Rechtslage in Zweifel gezogen und sei nicht aktiv für den Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eingetreten. Mit den festgestellten Äußerungen und Handlungen bzw. Unterlassungen habe sie gegen ihre Dienstpflicht verstoßen, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen; zugleich liege darin ein Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), der ein innerdienstliches wie außerdienstliches Dienstvergehen begründe. Der Sachverhalt lasse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde. An den Inhaber des herausgehobenen Amtes eines ersten Bürgermeisters seien sehr hohe Anforderungen zu stellen.
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Die einzelnen Vorwürfe, die Dienstpflichtverletzungen und die Notwendigkeit der vorläufigen Dienstenthebung ergeben sich aus der streitgegenständlichen Verfügung (dort S. 10 bis 68).
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4. Am 10. Juli 2018 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung. Die Landesanwaltschaft beantragte mit Schreiben vom 29. August 2018, diesen Antrag abzulehnen. Die Antragstellerin entgegnete mit Schriftsatz vom 18. September 2018.
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Hinsichtlich des Vortrags der Parteien wird auf ihre Schriftsätze, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegten Disziplinarakten und die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 19L DK 18.2966, Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat Erfolg.
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Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG kann die Disziplinarbehörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Nach Art. 61 Abs. 1 BayDG kann der Beamte bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beantragen. Über den Antrag ist durch Beschluss zu entscheiden (vgl. Art. 61 Abs. 3 BayDG), den nach Art. 43 Abs. 2 BayDG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Vorsitzende der Disziplinarkammer ohne Mitwirkung der Beamtenbeisitzer (Art. 43 Abs. 1 Satz 1, Art. 44 ff. BayDG) erlässt.
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Die vorläufige Dienstenthebung ist nach Art. 61 Abs. 2 BayDG auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was dann der Fall ist, wenn nach dem Kenntnisstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des Art. 61 Abs. 2 BayDG zu bejahen. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. Da im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 16a DS 13.706 - juris Rn. 18).
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Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Verfügung der Landesanwaltschaft vom … Juni 2018 ausgesprochenen vorläufigen Dienstenthebung. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass gegen die Antragstellerin in der Disziplinarklage auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Auch wenn die Vorwürfe der Landesanwaltschaft, die Antragstellerin habe bei ihren Anträgen auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises und auf Selbstauskunft aus dem EStA-Register für sich und ihre Söhne reichsbürgertypische Angaben gemacht und einen von einem Reichsbürger in den Gemeinderäumen gehaltenen Vortrag nicht unterbunden, in tatsächlicher Hinsicht weitgehend zutreffen, können sie angesichts der Erklärungen der Antragstellerin (1.) und einer Betrachtung des Gesamtgeschehens (2.) nicht den Schluss rechtfertigen, sie gehöre der Reichsbürgerbewegung an, teile deren Gedankengut und ziehe die Bundesrepublik Deutschland als Staat und die freiheitliche demokratische Grundordnung in Zweifel. Die Vorwürfe reichen nicht aus, um diese Schlussfolgerung zur Überzeugung des Gerichts treffen zu können. Die hierfür erforderliche Gewissheit erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen (BayVGH, B.v. 18.3.2015 - 16a D 09.3029 - juris Rn. 44), das hier nicht vorliegt. Der Ausspruch der Höchstmaßnahme erscheint deshalb nicht angemessen (3.).
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1. Die gegen die Antragstellerin erhobenen Vorwürfe lassen sich zum Teil durch ihre Ausführungen entkräften.
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1.1. Die Landesanwaltschaft wirft der Antragstellerin vor, sie habe am . Februar 2016 beim Landratsamt o … einen von ihr am … September 2015 unterschriebenen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt. Dem Antrag seien u.a. als Anlage V Vordrucke für ihren Vater und ihren Großvater väterlicherseits beigefügt gewesen.
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Die Antragstellerin habe das Antragsformular und die Anlage V zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen … Juni 2014 und … September 2015 im Internet von der Webseite www.chemtrail.de heruntergeladen. Die verwendeten Formulare könnten dort unter dem Link Nr. 4 „Anlage Vorfahren - Leerformular“ und Nr. 5 „Antrag F - Leerformular“ heruntergeladen werden und enthielten gegenüber den Originalformularen des Bundesverwaltungsamts bei den Nrn. 3.2, 3.8, 4.2 und 4.3 erkennbare Vorausfüllungen. Auf der Webseite sei vor den Links ein - in der streitgegenständlichen Verfügung wiedergegebener - Beitrag zum Staatsangehörigkeitsausweis eingestellt. Dieser Beitrag sei von W … A … veröffentlich worden, der im Impressum der Webseite als verantwortliche Person genannt werde. Bereits seit dem 12. November 2013 finde sich an dieser Stelle der Beitrag „Die Bedeutung des uns vorenthaltenen Wissens vom Recht“, seit 29. Mai 2014 eine Ergänzung und seit 13. Juni 2014 eine weitere Ergänzung hierzu. Die Antragstellerin habe die Informationen auf der Webseite wahrgenommen und sich aufgrund dessen zur Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises entschlossen. Sie habe in dem Antrag u.a. folgende Angaben gemacht:
1.6 Geburtsstaat: Bayern
1.11 Wohnsitzstaat: Bayern (Deutschland als Ganzes)
3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung gemäß RuStAG 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1) 4.3 Angaben zu anderen Staatsangehörigkeiten: Königreich Bayern seit Geburt, erworben durch Abst. gem. RuStAG 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1) Anlage V, jeweils zum Vater und zum Großvater:
1.7 Geburtsstaat: Bayern
3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung gemäß RuStAG 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)
4.3 Angaben zu anderen Staatsangehörigkeiten: Königreich Bayern seit Geburt, erworben durch Abstamm. gem. RuStAG 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 (1)
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Die Angaben unter Nr. 3.8 des Antrags und der Anlage V seien elektronisch, die übrigen Angaben eigenhändig eingetragen worden. Die Antragstellerin habe die elektronischen Angaben bei Ausfüllen der Antragsunterlagen wahrgenommen und der Antragstellung bewusst zu Grunde gelegt.
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Dem Antrag seien im Einzelnen benannte Unterlagen beigefügt gewesen, insbesondere vier unter dem 14. Oktober 2014 ausgestellte Urkunden. Als Motiv für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises habe die Antragstellerin gegenüber der Presse Interesse und Neugier angegeben; im Disziplinarverfahren habe sie sich insoweit auf ein gesteigertes Sicherungsbedürfnis und private Gründe berufen.
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Ihre Einlassung, sie habe sich erstmalig im Laufe des Jahres 2015 aufgrund des Hinweises auf der Webseite Chemtrail Gedanken zum Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit gemacht, weil sie durch diesen Hinweis stark verunsichert gewesen sei, sei aufgrund der Vorlage von teilweise unter dem 14. Oktober 2014 ausgestellten Urkunden widerlegt. Ihr Hinweis in der Schlussanhörung, sie habe die Unterlagen besorgt, um für ihre Kinder einen durch Urkunden belegten Familienstammbaum zu erstellen, erscheine als Schutzbehauptung. Gleiches gelte im Hinblick auf ihre Einlassung, sie sei aufgrund des Hinweises in der Fußzeile „Bundesverwaltungsamt“ von offiziellen Formularen ausgegangen; hiergegen spreche, dass aus der Adresszeile die besuchte Internetseite zu erkennen und Voreintragungen vorhanden gewesen seien. Zudem erscheine nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin sich mit ihren Fragen nicht an die Kommunalaufsicht im Landratsamt gewandt habe. Die Übernahme der vorgegebenen Angaben durch eine im Hinblick auf Angaben aus dem Internet nach eigenen Bekundungen skeptische Bürgermeisterin, die mit Verwaltungsvorgängen seit Jahren vertraut sei, sei als bewusstes und gewolltes Aneignen der damit verbundenen Aussagen zu verstehen.
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Die Angaben der Antragstellerin deuteten eindeutig auf Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung hin. Sie sei dabei nicht lediglich einem Irrtum oder einer Fehlvorstellung aufgesessen. Aus den auf der Webseite Chemtrail vorhandenen Informationen sei erkennbar gewesen, dass es sich um verschwörungstheoretische, mit der für die Reichsbürgerbewegung typischen Ideologie verbundene Inhalte handle. Zudem habe sie kein nachvollziehbares Motiv für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises dargelegt.
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Die Antragstellerin trägt hierzu im Disziplinarverfahren und vor Gericht insbesondere vor: Sie sei über einen Flyer von einer im Frühjahr 2015 besuchten Gesundheitsmesse auf die Internetseite Chemtrail gekommen. Dort habe sich neben Abhandlungen zu verschiedenen Gesundheitsthemen völlig unerwartet auch ein Beitrag zum Thema Staatsangehörigkeit gefunden. Es sei behauptet worden, dass weder ein deutscher Reisepass noch ein deutscher Personalausweis die deutsche Staatsangehörigkeit belegen würden. Eine Nachschau auf der Internetseite des Landratsamts O … habe diese Aussage bestätigt. Dort habe es auch geheißen, der Nachweis könne nur über den Staatsangehörigkeitsausweis geführt werden. Sie habe sich daher aus einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis heraus entschlossen, diesen für sich und ihre Söhne zu beantragen. Auf den heruntergeladenen Formblättern finde sich in der Fußzeile der Hinweis auf das Bundesverwaltungsamt. Sie sei daher davon ausgegangen, es habe sich um offizielle Formulare gehandelt. Weil nicht ein bayerischer Staatsangehörigkeitsausweis beantragt werden sollte, sondern ein deutscher, habe sie neben der Angabe des Wohnsitzstaates Bayern in Klammern „Deutschland als Ganzes“ hinzugefügt und damit auch die vormalige DDR mit einbeziehen wollen. An dem Vordruck „Abstammung gemäß RuStAG 1913“ habe sie nichts Anstößiges erkennen können. Der Eintrag „Königreich Bayern“ sei der Systematik des Formblattantrags geschuldet. Diesen Eintrag habe sie vorgenommen, weil ihr Großvater aufgrund seines Geburtsdatums Staatsangehöriger des Königreichs Bayern gewesen sei und sie ihre Staatsangehörigkeit letztendlich von ihm ableite. Außerdem sei im Ausfüllmuster „Königreich Preußen“ eingetragen gewesen, was sie auf ihren Fall abgeändert habe. Sie sei davon ausgegangen, dass das Landratsamt im Falle von Unklarheiten nachfragen werde. Weder beim Besuch der Internetseite Chemtrail noch später bis zur Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises sei ihr der Begriff des Reichsbürgers bekannt gewesen (Disziplinarakte = DA S. 202 ff.). Die Internetseite Chemtrail habe seinerzeit anders ausgesehen als auf dem ihr im Disziplinarverfahren vorgelegten Ausdruck vom 30. Mai 2017. Jedenfalls habe sie diese Informationen zum damaligen Zeitpunkt dort nicht wahrgenommen (DA S. 335 ff.). Sie habe auch persönliche Gründe für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises gehabt (DA S. 477). Es sei für sie der einfachste Weg gewesen, die Formulare von der Internetseite Chemtrail zu verwenden. Auch wenn sich bei dem ihr im Disziplinarverfahren vorgehaltenen Artikel auf dieser Seite der Hinweis auf eine erstmalige Veröffentlichung am 17. Juni 2014 finde, müsse diese nicht auf der betreffenden Webseite erfolgt sein. Es stehe nicht fest, dass sie sich mit dem Artikel im Einzelnen auseinandergesetzt, geschweige denn identifiziert habe. Weil der Staatsangehörigkeitsausweis nichts mit ihrem Amt zu tun gehabt habe, habe es keinen Anlass gegeben, sich mit der Rechtsaufsicht ins Benehmen zu setzen (DA S. 1012 f.).
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Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Antragstellerin einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für sich selbst gestellt und dabei reichsbürgertypische Angaben gemacht hat. Bei den sogenannten „Reichsbürgern“ oder Angehörigen der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ handelt es sich nicht um eine homogene, streng zusammengehörige oder klar abgrenzbare Gruppe. Allerdings ist die Vorstellung, das Königreich Bayern bestehe fort und eine Gründung des Freistaats Bayern sei ebenso wenig erfolgt wie eine solche der Bundesrepublik Deutschland bei allen Unterschieden im Detail gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ (VG München, U.v. 8.2.2018 - 19 L DK 17 5914 -n.v. UA S. 15). Mit dieser Sichtweise stellen sie die Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitliche demokratische Grundordnung in Frage. Eine reichsbürgertypische Angabe in dem gestellten Antrag ist zum einen der bereits vorausgefüllte Eintrag zur Abstammung gemäß RuStAG 1913 in Nrn. 3.8 und 4.3 des Antrags und der Anlage V zum Vater und zum Großvater, zum anderen die von ihr selbst ausgefüllte Angabe „Bayern“ als Geburts- und Wohnsitzstaat in Nrn. 1.6 und 1.11 des Antrags und Nr. 1.7 der Anlage V zum Vater und zum Großvater, der Zusatz „(Deutschland als Ganzes)“ in Nr. 1.11 des Antrags und die Angabe „Königreich Bayern“ in Nr. 4.3 des Antrags und der Anlage V zum Vater und zum Großvater.
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Das Gericht sieht hier die von der Antragstellerin in Disziplinarverfahren genannten Motive für die Antragstellung als nachvollziehbar und einleuchtend an. Sie hat angegeben, den Staatsangehörigkeitsausweis aus einem gesteigerten Sicherungsbedürfnis und persönlichen Gründen beantragt zu haben, nachdem sie auf der Internetseite Chemtrail auf den Hinweis und auf der Internetseite des Landratsamts o … auf dessen Bestätigung gestoßen sei, der Staatsangehörigkeitsausweis sei das einzige Dokument, mit dem das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit verbindlich festgestellt werde. Auch heute noch findet sich auf Wikipedia und offiziellen Seiten öffentlichrechtlicher Körperschafen ein solcher Hinweis. Bei unbedarfter Herangehensweise mag es in der Zeit um den Jahreswechsel 2015/2016, als der Reichsbürgerbewegung und ihren staatsfeindlichen Bestrebungen vor dem Mord an einem Polizeibeamten in G … im Oktober 2016 noch nicht der heutige Bekanntheitsgrad zukam, durchaus als Option erschienen sein, einen solchen Ausweis zu beantragen. Dies gilt hier besonders, weil die Antragstellerin - wie in der polizeilichen Vernehmung vom … März 2017 angegeben (DA S. 440) - eine persönliche Veränderung in Erwägung gezogen hat.
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Als nicht einleuchtend betrachtet das Gericht die Angaben der Antragstellerin zu den zeitlichen Abläufen der Antragstellung. Während die dem Antrag beigefügten Urkunden teilweise bereits unter dem … … 2014 ausgestellt wurden, will sie den Flyer mit dem Hinweis auf die Internetseite Chemtrail erst auf einer im Frühjahr 2015 besuchten Gesundheitsmesse erhalten haben. Die Verwendung der auf dieser Internetseite bereitgestellten Formulare rechtfertigt nicht den Schluss, die Antragstellerin habe die ansonsten auf der Seite vertretenen und in weiten Teilen der Reichsbürgerbewegung zugehörigen Ideen übernommen und sei ihnen beigetreten. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die Inhalte der Seite im Wesentlichen unverändert seit jedenfalls 17. Juni 2014 im Internet zur Verfügung stehen; der anderslautende Vortrag der Antragstellerin überzeugt angesichts der Datumsangaben auf der Internetseite nicht. Die Verantwortlichkeit von … … für die Inhalte der Seite ergibt sich dabei nur mit Blick auf das Impressum der Seite, dessen Einordnung als „Verschwörungstheoretiker“ nur bei weiterer Recherche. Um zu den Formularen zu gelangen, muss der Nutzer lediglich den Vorspann zur Kenntnis nehmen, der in der Verfügung (S. 12 f.) abgedruckt und - allenfalls mit geringfügigen Änderungen - jedenfalls seit der erstmaligen Erwähnung im Disziplinarverfahren am 30. Mai 2017 (DA S. 243) online ist. Auch wenn dieser im Hinblick auf Aufmachung und Diktion seltsam anmuten mag, ergeben sich aus ihm - bei unbedarftem Lesen und ohne bewusste Zuordnung zur Reichsbürgerbewegung - noch keine eindeutig staatsfeindlichen Tendenzen. Die einzelnen Punkte Nrn. 1 bis 9a (vgl. DA S. 244) können dann ebenso wie die einzelnen Formulare separat angeklickt und aufgerufen werden. Denkbar ist also, dass die Antragstellerin die theoretischen Erläuterungen nicht oder auszugsweise zur Kenntnis genommen hat. Selbst bei Kenntnisnahme ist nicht zwingend davon auszugehen, sie teile die vertretenen staatsfeindlichen Gedanken, weil ihr Vortrag, es sei der einfachste Weg für sie gewesen, die Formulare von dieser Seite herunter zu laden, jedenfalls nachvollziehbar erscheint und es für die Übernahme des Gedankenguts eindeutiger Anhaltspunkte bedürfte, die hier nicht in ausreichendem Maße vorliegen.
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Die Hinwendung zu staatsfeindlichen Ideen lässt sich auch aus den Angaben in den ausdrücklich als „Leerformulare“ bezeichneten Antragsunterlagen nicht mit hinreichender Sicherheit belegen. Die Verwendung der Leerformulare in der Annahme, diese stellten die offiziellen Formulare dar, mag - angesichts des Erscheinungsbildes und der Inhalte der Internetseite - zwar unbedarft und naiv erscheinen. Im Hinblick auf den Umstand, dass Formulare nicht nur auf offiziellen Internetseiten zugänglich sind, und den Hinweis auf das Bundesverwaltungsamt in der Fußzeile ist es jedoch nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin dies tatsächlich angenommen hat. Der Übernahme der Voreintragungen in Nrn. 3.8 und 4.3 des Antrags und der Anlage V zum Vater und Großvater mit Hinweis auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz „RuStAG“ aus dem Jahr 1913, das mit Wirkung vom 1. Januar 2000 in Staatsangehörigkeitsgesetz umbenannt wurde, kommt für sich kein Aussagewert im Hinblick auf die politische Gesinnung zu; sie kann ebenso auf fehlender Kenntnis der Antragstellerin beruhen. Weiter muten die Ausfüllungen unter Nrn. 1.6 und 1.11 des Antrags und unter Nr. 1.7 der Anlage V mit „Bayern“ zwar seltsam an. Sie lassen sich jedoch mit einer Verwechslung bezüglich Staat und Bundesland erklären, die - wie der Eintrag unter Nr. 5 zeigt - auch der Antragstellerin als erster Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde, die Mitglied in einer Verwaltungsgemeinschaft ist und einen wesentlichen Teil ihrer Aufgaben auf diese übertragen hat, unterlaufen kann. Der Eintrag „Königreich Bayern“ in Nr. 4.3 kann nach der glaubhaften Angabe der Antragstellerin auf dem Abstellen auf den geschichtlichen Verlauf oder der Abänderung der in der Ausfüllhilfe zur Verfügung gestellten Angabe „Königreich Preußen“ auf den eigenen Fall (vgl. hierzu DA S. 316 ff.) beruhen.
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Eine Nachfrage bei der Rechtsaufsicht im Landratsamt o … sieht das Gericht im Hinblick auf den privaten Lebenssachverhalt der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises nicht als naheliegend an.
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1.2. Die Landesanwaltschaft wirft der Antragstellerin weiter vor, sie habe auch für ihre drei volljährigen Söhne die Anträge auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises unterschriftsreif vorbereitet. Die Anträge seien von den Söhnen am … Februar 2016 unterschrieben und am selben Tag beim Landratsamt O … eingereicht worden. Die Antragstellerin habe die Antragsformulare und die Formulare Anlage V zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen … Juni 2014 und … Februar 2016 von der Webseite www.chemtrail.de heruntergeladen und ergänzend zu den bereits vorhandenen elektronischen Vorgaben handschriftlich ausgefüllt. Hierbei habe sie teilweise die Angaben aus ihrem eigenen Antrag wiederholt. Abweichend hiervon habe sie bei Nr. 5.1 unter Staat Bayern angegeben und die vorhandene vorherige Angabe „Deutschland“ durchgestrichen; in ihrem eigenen Antrag sei an dieser Stelle als Staat durchgehend Deutschland angegeben. Unter Nr. 1.7 Geburtsstaat sei beim Vater, Großvater und Urgroßvater Bayern angegeben. Den Anträgen seien als Nachweise insbesondere unter dem … Mai 2015 und dem … Februar 2016 ausgestellte Urkunden beigefügt gewesen. Im Hinblick auf das Motiv für die und den Zeitpunkt der Antragstellung habe sich die Antragstellerin in Widersprüche verwickelt.
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Die Antragstellerin führt insoweit aus: Auch die Antragstellung für ihre Söhne habe einem gesteigerten Sicherungsbedürfnis entsprochen (DA S. 202 ff.). Für die Anträge der Söhne habe sie Dokumente aus B H … beschaffen müssen, was mehr Zeit beansprucht habe und erkläre, warum deren Anträge erst am … Februar 2016 unterschrieben worden seien (DA S. 334). Bei einer Vorsprache im Landratsamt habe die Sachbearbeiterin ihr gesagt, dass man den Staatsangehörigkeitsausweis nur für bestimmte Zwecke benötige, darunter für Studien im Ausland. Damit habe es für sie festgestanden, die Ausweise auch für ihre Kinder zu beantragen, da zwei ihrer Söhne damals an der Fachhochschule studiert hätten und es offen gewesen sei, ob sie später einmal im Ausland studieren hätten wollen. Weil noch diverse Unterlagen gefehlt hätten, habe sie deren Anträge erst später abgegeben. Ein Teil der mit den Anträgen vorgelegten Unterlagen stamme bereits aus dem Jahr 2014, weil diese nicht für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises eingeholt worden seien, sondern für die Anfertigung eines mit Belegen versehenen Stammbaums für ihre Kinder (DA S. 1013 ff.).
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Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Antragstellerin auch für ihre Söhne einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt und dabei reichsbürgertypische Angaben gemacht hat. So hat sie insbesondere unter Nrn. 1.6, 1.11 und 5.1 des Antrags und Nrn. 1.7 und 5.1 der Anlage V als Geburts-/Wohnsitz-/Staat „Bayern“, teilweise unter Durchstreichen des dort zuerst vorgenommenen Eintrags „Deutschland“, unter Nr. 4.3 des Antrags und der Anlage V als „Staatsangehörigkeit“ „Königreich Bayern“ angegeben.
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Hinsichtlich des Motivs für die Antragstellung erscheint es nachvollziehbar, dass die Antragstellerin auch diesen Antrag aus einem gesteigerten Sicherungsbedürfnis heraus gestellt hat, außerdem nach Hinweis der Sachbearbeiterin im Landratsamt bei einer nur informellen Vorsprache auf die Erforderlichkeit des Ausweises für ein Auslandsstudium. Nicht glaubhaft erscheint dagegen ihr Vortrag, sie habe die dem Antrag beigefügten Urkunden beschafft, um einen belegten Stammbaum für ihre Söhne anzufertigen; angesichts des mit der Beschaffung der Urkunden verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwands überzeugt diese nachgeschobene Erklärung nicht. Dagegen erscheint im Hinblick auf das Ausstelldatum einiger Urkunden vom … … 2016 für die Söhne eine frühere Antragstellung tatsächlich nicht möglich; unerheblich ist insoweit, dass diese Urkunden nicht in B Hi … beschafft wurden. Hinsichtlich der Ausfüllungen gelten die Ausführungen unter 1.1. entsprechend. Eine fehlende Unterscheidung zwischen Staat und Bundesland erscheint nicht ausgeschlossen.
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1.3. Die Landesanwaltschaft erhebt gegen die Antragstellerin weiter den Vorwurf, sie und ihre drei Söhne hätten unter dem … März 2016 beim Bundesverwaltungsamt Anträge auf Selbstauskunft aus dem EStA-Register gestellt. Sie habe die Anträge handschriftlich ausgefüllt, unterschrieben seien sie von ihr und ihren Söhnen. Bei allen vier Anträgen sei unter Nr. 1.6 als Geburtsstaat Bayern angegeben, unter Nr. 1.7 als aktuelle Anschrift „… … … [ … B …“. Als Motiv für die Antragstellung habe die Antragstellerin angegeben, sie habe kontrollieren wollen, ob der Eintrag korrekt vorgenommen worden und die Angelegenheit damit zum Abschluss gebracht sei. Ihre Einlassung, sie habe die Postleitzahl in eckige Klammern gesetzt, weil diese dem Sachbearbeiter sofort ins Auge fallen sollte, nachdem es durch dieselbe Postleitzahl mehrerer Gemeinden schon öfters zu Problemen mit der Post gekommen sei, werde als Schutzbehauptung gewertet. Das angegebene Motiv für die Beantragung sei nicht nachvollziehbar; demgegenüber stelle es in Reichsbürgerkreisen eine übliche Vorgehensweise dar, eine Selbstauskunft aus dem EStA-Register zu beantragen, um zu prüfen, ob dort die mit dem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit verknüpften reichsbürgertypischen Angaben als mitfestgestellt aufgenommen worden seien.
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Die Antragstellerin wendet insoweit Folgendes ein: Auch die Nachfrage beim Bundesverwaltungsamt sei aus einem gewissen Sicherungsbedürfnis heraus geschehen, zumal sie wisse, dass auch Behörden nicht vor Fehlern gefeit seien (DA S. 203). Aus den von ihr genutzten Unterlagen habe sich ein Querverweis auf das Bundesverwaltungsamt ergeben. Diesen habe sie so verstanden, dass durch den dortigen Eintrag der gesamte Vorgang zum Abschluss komme. Sie habe kontrollieren wollen, ob dies geschehen sei (DA S. 338). Sie habe es sich angewöhnt, Dinge, die ihr wichtig seien, immer in eckige Klammern zu setzen. Im Antrag auf Selbstauskunft im EStA-Register habe sie die Postleitzahl in eckige Klammern gesetzt, weil sie dem Mitarbeiter sofort ins Auge fallen habe sollen. Grund sei, dass die Postleitzahl drei Gemeinden betreffe und es schon häufiger Probleme mit der Post gegeben habe (DA S. 471 f.). Solle aus der Anforderung von seitens des Staates zur Verfügung gestellten Bestätigungen eine distanzierte Haltung gegenüber dem Staat abgeleitet werden (DA S. 1015 f.)?
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Das Gericht sieht den der Antragstellerin insoweit von der Landesanwaltschaft zur Last gelegten Sachverhalt als erwiesen an. Hinsichtlich des Motivs für die Antragstellung erscheint der Vortrag der Antragstellerin nicht abwegig, diese sei lediglich zu Zwecken der Nachprüfung erfolgt. Nicht einleuchtend erscheinen dagegen ihre Ausführungen zur Darstellung der Postleitzahl in eckigen Klammern.
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1.4. Die Landesanwaltschaft wirft der Antragstellerin weiter die Durchführung einer Veranstaltung mit dem Referenten m … h … am … Februar 2016 im K … in b … vor. m … h … sei ein exponierter Vertreter der Reichsbürgerbewegung, der unter der Internetadresse … eine Webseite mit von Reichsbürgern besetzten Themen betreibe. Die drei ehemaligen Mitglieder des Gemeinderats der Gemeinde b … L …, l … und g … hätten den Referenten m … h … zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem … Februar 2016 bei einer öffentlichen Veranstaltung persönlich kennengelernt. Im Verlauf eines Gesprächs zwischen diesen Personen habe sich die Idee ergeben, dass Herr h … auch in der Gemeinde b … einen Vortrag halten könne. Dass die Antragstellerin bei diesem Treffen dabei gewesen sei, könne nicht mit der nötigen Sicherheit nachgewiesen werden.
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Herr h … sei am … Februar 2016 in b … erschienen und habe Herrn L … angeboten, dort am nächsten Tag einen Vortrag zu halten. Die Gemeinderäte l …, L … und g … hätten daraufhin im Laufe des Abends die Beklagte kontaktiert und sie um ihr Einverständnis zu einer Vortragsveranstaltung mit dem Vortragenden m … h … am nächsten Tag im Lesezimmer des K … gebeten. Ihr sei mitgeteilt worden, dass Herr h … Ausführungen zu Themen wie „gelber Schein“, Regionalwährung, Entwicklung der Gemeinde und womöglich auch Asyl machen würde, die aus Sicht der drei Gemeinderäte für die Gemeinde wichtig seien. Die Antragstellerin habe hierzu ihr Einverständnis erklärt.
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Die Veranstaltung habe am Sonntag, den … Februar 2016, ab 9:00 oder 10:00 Uhr stattgefunden. Weil die Antragstellerin den in ihrem Besitz befindlichen Generalschlüssel nicht aus der Hand geben habe wollen, habe sie selbst den Zutritt zu den gemeindlichen Räumlichkeiten gewährt. Es seien etwa 20 bis 30 Personen als Zuhörer anwesend gewesen, darunter fast sämtliche Mitglieder des Gemeinderats. Die Antragstellerin habe die Veranstaltung eröffnet, indem sie die Anwesenden und den Referenten begrüßt und dabei geäußert habe, dass einiges in der Republik nicht in Ordnung und man deshalb froh sei, jemanden gefunden zu haben, der sich zu diesen Themen äußern könne. Sie habe im Weiteren an der Veranstaltung im Publikum teilgenommen. Der Vortragende habe zu Beginn darum gebeten, keine Aufnahmen von seinem Vortrag zu machen. Sie habe ihn während der Veranstaltung darauf hingewiesen, dass ein Teilnehmer sein Diktiergerät in Betrieb habe, und gefragt, ob dies ein Problem sei, was der Referent verneint habe. Der Referent m … h … habe sich mit in der Verfügung (dort S. 31) dargestellten reichsbürgerspezifischen Themen befasst. Bei seinem Vortrag habe er die Antragstellerin immer wieder kumpelhaft einbezogen, sie beim Vornamen genannt und mit Du angesprochen, wogegen sie sich verwahrt habe. Nach der Mittagspause seien einige der Zuhörer nicht mehr zu dem Vortrag erschienen. Das nunmehr erstmals erschienene Gemeinderatsmitglied w … habe sich gegen die vertretenen Thesen gewandt und die Veranstaltung nach 45 Minuten vorzeitig wieder verlassen. Die Antragstellerin habe die Veranstaltung gegen 16:30 Uhr unter Hinweis auf die fortgeschrittene Zeit formlos beendet. Sie habe eine noch am … Februar 2016 von Herrn h … erhaltene E-Mail mit verschiedenen Links umgehend an die Gemeinderatsmitglieder weitergeleitet.
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Am Montag, den … Februar 2016, habe das Gemeinderatsmitglied w … den übrigen Gemeinderatsmitgliedern und der Antragstellerin per E-Mail mitgeteilt, dass er von den Ausführungen des Referenten nichts halte. In dem daraufhin begonnenen E-Mail Verkehr habe sich die Antragstellerin nicht geäußert, jedoch für den … März 2016 eine Sitzung des Gemeinderats angesetzt. An der in dieser Sitzung stattfindenden konträren Diskussion der Veranstaltung vom … Februar 2016 habe sie sich nicht näher beteiligt. Der Gemeinderat sei zu dem Ergebnis gekommen, die dort vertretenen Thesen und Ideen für die Gemeinde b … nicht weiter zu verfolgen. Dem habe sie sich angeschlossen. Angesprochen auf die kumpelhafte Ansprache durch den Referenten habe sie geantwortet, dass ihr dies selbst nicht recht gewesen sei. Der Gemeinderat sei zu dem Schluss gekommen, der in der Bevölkerung wegen der Veranstaltung vorhandenen Verunsicherung dadurch zu begegnen, dass eine entsprechende Erklärung an die Haushalte verteilt werden sollte. Die Antragstellerin habe daraufhin eine vom … März 2016 datierende Erklärung folgenden Inhalts verfasst:
„Um einer weiteren Verbreitung von Gerüchten zum Thema „Souveräne Gemeinde“ entgegenzuwirken, versichert der Gemeinderat, so wie auch ich persönlich, nie etwas geplant oder in Erwägung gezogen zu haben, das der Allgemeinheit oder dem Allgemeinwohl schaden würde, sowie gültigem Recht entgegenstünde.“
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Bei einer Bürgerversammlung am 31. März 2017 hätten die Gemeinderäte L …, l … und b … ihren Rücktritt erklärt. Von dem nicht anwesenden Gemeinderatsmitglied g … sei eine entsprechende Erklärung verlesen worden. Die Antragstellerin habe geäußert, dass sie nach aktuellem Kenntnisstand eine Veranstaltung dieser Art nicht zugelassen hätte und auch künftig nicht mehr zulassen würde.
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Sie habe es zugelassen, dass im Kontext der Vortragsveranstaltung durch den Vortragenden in den Räumlichkeiten der Gemeinde verfassungsfeindliche Thesen und Aussagen, wie sie üblicherweise in Reichsbürgerkreisen vorkämen, vorgetragen worden seien. Es wäre ihre Pflicht gewesen, hiergegen einzuschreiten und dadurch ein aktives Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzulegen. Ihre Haltung habe sie durch Weiterleitung der von Herrn h … erhaltenen E-Mail bestätigt. Außerdem habe sie sich in der Gemeinderatssitzung vom … März 2016 so verhalten, als ginge sie die Sache nichts an. In der Mitteilung vom … März 2016 habe sie mit der Formulierung sowie gültigem Recht [statt: geltendem Recht] entgegenstünde“ erneut eine in Reichsbürgerkreisen typische Wortwahl verwendet. Sie habe sich ferner nicht glaubhaft distanziert.
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Die Antragstellerin verteidigt sich wie folgt: Bei Ankündigung des Vortrags sei von den Reichsbürgern keine Rede gewesen. Der Begriff sei ihr bis dahin unbekannt gewesen. Gleiches gelte für den Namen des Referenten. Sie habe der Bitte der Gemeinderäte entsprochen, nachdem sie davon ausgegangen sei, dass kommunal interessante Themen zur Sprache kommen würden. Sie habe sich als „Hausherrin“ am Verlassen der Veranstaltung gehindert gesehen. Eine Verabschiedung habe es nicht mehr gegeben. Die E-Mail von Herrn h … habe sie nur weitergeleitet, sich selbst damit aber nicht weiter befasst, weil ihr sein Vortrag abwegig erschienen sei. Bei der Gemeinderatssitzung vom … März 2016 habe sie ein anderes Gemeinderatsmitglied bei der Klarstellung unterstützt, dass die Thesen des Herrn h … im Gemeinderat nichts mehr zu suchen hätten. Sie stehe mit beiden Beinen fest auf der freiheitlichen und demokratischen Rechtsordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaats Bayern (DA S. 205 f.). Ihre Teilnahme an der Veranstaltung habe sie angesichts der zumindest teilweise interessant klingenden Themen gerne zugesagt. Bei der Begrüßung des Referenten sei sie auf den Inhalt des zu erwartenden Vortrags nicht weiter eingegangen. Während des Vortrags seien ihr die Vertraulichkeiten von Herrn h … zuviel geworden, weshalb sie ihn gebeten habe, sie nicht ständig zu duzen. Weil es nicht ihre Veranstaltung gewesen sei, sondern die drei Gemeinderäte diese verantwortet hätten, sei sie nicht auf die Idee gekommen, die Veranstaltung abzubrechen. Sie habe keinen Widerstand aus dem Publikum gespürt. Statt sich nach der Veranstaltung am E-Mail Austausch zu beteiligen, sei ihr daran gelegen gewesen, zeitnah im Gemeinderat darüber zu sprechen (DA S. 338 ff.). Sie habe die E-Mail von Herrn h … an die Gemeinderatsmitglieder weitergeleitet, da dies alles erwachsene Menschen seien. Aus den Dateinamen der Links, die sie nicht angeklickt habe, habe sich nicht erkennen lassen, worum es sich genau gehandelt habe (DA S. 474 f.). Der genaue Inhalt der Begrüßung von Herrn h … sei unbekannt. Die Ableitung der Inhalte des Vortrags aus dessen übrigen Werken sei nicht zulässig. Hinsichtlich der Regionalwährung sei sie von etwas anderem ausgegangen; sie habe im Hinblick auf die Stärkung der regionalen Wirtschaft an einen „Allgäuer“ gedacht. Von Souveränität der Gemeinde im Sinne einer Abspaltung sei im Vorfeld nie die Rede gewesen. Sie habe weder die Anbiederung des Herrn h … akzeptiert noch ihn „gebührend“ verabschiedet; überdies habe sie die Mitteilung vom … März 2016 formuliert und sich auch auf der Bürgerversammlung klar positioniert. Der Abbruch der Veranstaltung hätte eventuell lange Diskussionen provoziert. Das Abstellen auf den Wortlaut des Rundschreibens setze voraus, dass sie Anhängerin des Gedankenguts der Reichsbürger sei und zwischen „geltendem Recht“ und „gültigem Recht“ differenziere; für eine unbefangene Person sei dies jedoch dasselbe (DA S. 1016 ff.). Im Umgang mit den vertretenen Thesen habe sie sich zu einer besonnenen und demokratisch legitimierten Verfahrensweise entschieden, indem sie die Angelegenheit souverän aufgearbeitet habe, wozu es auch gehört habe, die Sache im Gemeinderat ausdiskutieren zu lassen (Antragsschrift).
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Das Gericht sieht die unter 1.4. dargestellten Vorwürfe der Landesanwaltschaft im Wesentlichen als erwiesen an. Eine Begegnung der Antragstellerin mit dem Referenten m … h …, einem Vertreter der Reichsbürgerbewegung, vor dem … Februar 2016 konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Die Antragstellerin hat am … Februar 2016 in den Räumen der Gemeinde b … den Vortrag von m … h … ohne Kenntnis seiner Person und der im Einzelnen geplanten Themen zugelassen. Sie war bei der Veranstaltung anwesend und hat diese nach Erkennen der mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik nicht zu vereinbarenden referierten Inhalte nicht abgebrochen. Offen bleiben kann hier, ob die Antragstellerin den Referenten wie vom Zeugen b … angegeben (DA S. 161) mit den in der Disziplinarverfügung wiedergegebenen Worten begrüßt hat oder ob - wie vom Zeugen b … geschildert (DA S. 170) - eine Begrüßung nicht stattgefunden hat. Sie hat eine am … Februar 2016 von Herrn h … erhaltene E-Mail mit ebensolchen Inhalten an die Mitglieder des Gemeinderats weitergeleitet. Sie hat sich an einer nach der Veranstaltung per E-Mail stattfindenden Diskussion der Gemeinderäte nicht beteiligt und stattdessen zeitnah eine Gemeinderatssitzung anberaumt. In dieser hat sie sich der Abschlusserklärung des Gemeinderats angeschlossen. Sie hat die Erklärung der Gemeinde vom … März 2016 verfasst und in der Bürgerversammlung vom … März 2016 erklärt, sie hätte die Veranstaltung nach jetziger Kenntnis nicht zugelassen.
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Der Antragstellerin ist vorzuwerfen, dass sie den Vortrag eines Reichsbürgers in Räumen der Gemeinde zugelassen hat, ohne sich im Vorfeld ausreichend über den Referenten und die geplanten Themen zu erkundigen. Im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zu den drei Gemeinderäten, die den Vortragenden im Vorfeld kennen gelernt hatten, erscheint es zwar nachvollziehbar, dass sie nicht schon bei der pauschalen Nennung der Themen misstrauisch wurde. Ihre Sorgfaltspflicht als erste Bürgermeisterin hätte jedoch vor der Überlassung der gemeindlichen Räume eine detaillierte Nachprüfung erfordert. Jedenfalls aber hätte die Antragstellerin die Veranstaltung abbrechen müssen, nachdem der Referent nicht nur am Rande, sondern zentral und als Schwerpunkt seines Vortrags mit der geltenden Rechtsordnung nicht vereinbare Ansichten vertreten und visualisiert hat. Ihr Vorbringen, sie habe dem Vortragenden nicht durch Abbruch der Veranstaltung eine Bühne bieten wollen und die Sichtweise der Anwesenden nicht einschätzen können, entlastet sie dabei nur in sehr geringem Maße. Als Hausherrin und erste Bürgermeisterin, der eine besondere Vertrauensstellung und Vorbildfunktion zukommt (BayVGH, U.v. 21.12.2016 - 16a D 13.2335 - juris Rn. 107), hatte sie eine hervorgehobene Stellung inne und hätte eine geeignete Vorgehensweise finden müssen, um dieser gerecht zu werden. Weiter hätte sie die E-Mail von Herrn h … mit Links auf Beiträge mit von der Reichsbürgerbewegung vertretenen Inhalten nicht an die Gemeinderäte weiterleiten dürfen. Ihre Erklärung, sie habe sich zum einen die Links nicht angesehen und zum anderen auf eine Meinungsbildung durch die Gemeinderäte vertraut, rechtfertigt ihr Verhalten nicht, da durch Kenntnis von dem Vortrag eine entsprechende Sensibilisierung zu erwarten gewesen wäre. Nicht vorgeworfen werden kann der Antragstellerin dagegen der Wortlaut der Mitteilung vom … März 2016 und die dort verwendete Formulierung von „gültigem“ Recht. Ihr Vortrag, sie sei sich der Bedeutung ihrer Wortwahl nicht bewusst gewesen, erscheint hinsichtlich des subtilen Unterschiedes und ihrer fehlenden juristischen Ausbildung glaubhaft.
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Trotz der Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Antragstellerin erscheint dieses nicht ausreichend für die Annahme, sie selbst stehe dem Gedankengut der Anhänger der Reichsbürgerbewegung nahe. Noch während der Veranstaltung hat sie sich gegen die kumpelhafte Annäherung des Referenten verwahrt. Sie hat ihn nicht mit Dankesworten verabschiedet, sondern die Veranstaltung mit Hinweis auf die fortgeschrittene Zeit auslaufen lassen. Sie hat zeitnah die Gemeinderatssitzung vom … März 2016 anberaumt und einen entsprechenden Tagesordnungspunkt vorgesehen. In dieser Sitzung hat sie sich der Erklärung des Gemeinderats angeschlossen, dass die auf der Veranstaltung vertretenen Thesen nicht weiter verfolgt werden sollten. Sie hat die Mitteilung der Gemeinde vom … März 2016 verfasst, die keinen anstößigen Wortlaut hat und - trotz der Möglichkeit einer weit klareren Distanzierung - den Abstand zu dem Vortrag zum Ausdruck bringt. Sie hat weiter in der Bürgerversammlung erklärt, dass sie den Vortrag nach jetziger Kenntnis nicht zugelassen hätte und nicht mehr zulassen würde. Dass all diese Handlungen allein der Kritik aus der Bevölkerung geschuldet sind und keine eigene Abkehr von den referierten Ideen zum Ausdruck bringen, erscheint nicht überzeugend.
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2. Bei einer Gesamtbetrachtung reichen die verbleibenden Vorwürfe und Ungereimtheiten nicht aus, um den Schluss zu rechtfertigen, die Antragstellerin sei Anhängerin der Reichsbürgerbewegung, vertrete deren Gedankengut und stelle die Bundesrepublik Deutschland als Staat und deren Rechtsordnung in Frage.
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Auch wenn der von der Landesanwaltschaft detailliert und sorgfältig recherchierte Sachverhalt im Wesentlichen zutrifft, teilt das Gericht die von ihr vorgenommene Bewertung nicht. Die Antragstellung auf einen Staatsangehörigkeitsausweis und eine Auskunft aus dem EStA-Register, die Ungereimtheiten im zeitlichen Ablauf der Antragstellung, die nicht vollständig erklärbaren Angaben in den Antragsformularen, die unterbliebene Intervention bei der Vortragsveranstaltung und die erstmals in der Sitzung des Gemeinderats erfolgte und wenig wortgewandte Abgrenzung von den Ideen des Vortragenden reichen nicht aus, um mit der nötigen Überzeugungsgewissheit anzunehmen, dass die Antragstellerin selbst dem Gedankengut der Reichsbürgerbewegung verhaftet ist und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik in Frage stellt und nicht lediglich unbedarft und naiv agiert hat. Außer den dargestellten Taten hat sie kein Verhalten gezeigt, das Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung zulässt. Anders als die Anhänger dieser Bewegung hat sie nach Erhalt eines Staatsangehörigkeitsausweises ihren Personalausweis oder Reisepass nicht zurückgegeben und ist nicht aus der „Firma Bundesrepublik Deutschland“ ausgetreten, hat ihr Personenstandskonto nicht gekündigt oder sich in das Königreich Bayern abgemeldet. Weiter hat sie Behörden und Gerichte stets anerkannt, Körperschaften nie als Firma oder deren Leiter als Geschäftsführer betrachtet und im Schriftverkehr mit diesen nie die sonstigen reichsbürgertypischen Formulierungen verwendet. Ferner hat sie keine Personenstandserklärung abgegeben oder ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen übermittelt. Weiter hat sie stets Steuern oder sonstige Geldleistungen bezahlt. Im Persönlichkeitsbild vom … … 2017 äußert der zuständige Landrat, mit der Bürgerschaft und dem Gemeinderat habe es bislang keine Probleme gegeben. Ihr gesamtes öffentliches Auftreten habe bis zur Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises keinen Anlass gegeben, an ihrem Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu zweifeln (DA S. 98). Als Zeichen ihrer Anerkennung des Staates hat sie zudem im Disziplinarverfahren dreimal um die Möglichkeit zur persönlichen Äußerung gegenüber der Landesanwaltschaft gebeten. Im Hinblick auf all diese die Bundesrepublik und ihre Rechtsordnung anerkennenden Verhaltensweisen vermögen die wenigen gegenteiligen Anhaltspunkte ein anderes Ergebnis nicht zu begründen.
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3. Zieht man aus dem dargestellten Sachverhalt nicht den Schluss der Zugehörigkeit der Antragstellerin zur Reichsbürgerbewegung, stellt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht die angemessene Disziplinarmaßnahme dar.
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Im Disziplinarklageverfahren wird dann zu prüfen sein, ob und wenn ja, in welchem Maße dem außerdienstlichen Verhalten der Antragstellung auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises und Auskunft aus dem EStA-Register disziplinarrechtliche Relevanz zukommt. Weiter wird zu klären sein, wie schwer das Fehlverhalten der Antragstellerin im Hinblick auf die Zulassung der Vortragsveranstaltung eines Reichsbürgers in Räumen der Gemeinde und das unterbliebene Einschreiten hiergegen wiegt. In die Bewertung wird einzufließen haben, dass die Antragstellerin als erste Bürgermeisterin eine besondere Vertrauensstellung innehat. Im Hinblick auf ihre Vorbildfunktion sind hohe Anforderungen an ihre Führungsfähigkeiten und persönliche Integrität zu stellen. Ihr Fehlverhalten ist in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Gemeindearbeit zu beschädigen (BayVGH, U.v. 21.12.2016 - 16a D 13.2335 - juris Rn. 107). Diesen Anforderungen ist die Antragstellerin nicht gerecht geworden. Ihr Fehlverhalten wird im Ergebnis mit einer weniger schweren Disziplinarmaßnahme zu ahnden sein, wobei insoweit insbesondere eine Kürzung der Dienstbezüge (vgl. Art. 6 Abs. 4 BayDG) in Betracht kommt.
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Der Antragsgegner hat nach Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtsgebührenfrei.