Inhalt

VGH München, Urteil v. 02.05.2018 – 22 B 17.2245
Titel:

Untersagung des Gewerbes „Grafikdesign“

Normenketten:
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1, Art. 12 Abs. 1
GewO § 35 Abs. 1, Abs. 4, § 146, § 148
BayVwVfG Art. 9, Art. 35 Abs. 1 S. 1, Art. 37 Abs. 1, Art. 46
Leitsätze:
1. Die Ausübung des Gewerbes „Grafikdesign“ kann untersagt werden, wenn die erstellten Werbegrafiken nicht als Kunst einzustufen sind, weil die kommerzielle Botschaft im Vordergrund steht. (Rn. 41 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit Gebrauchs- oder Werbegrafiken nichtgewerblichen sondern künstlerischen Charakter aufwiesen, sind sie von dieser Gewerbeuntersagung trotz der hiermit verbundenen Schwierigkeiten der Abgrenzung im Einzelfall nicht erfasst. (Rn. 51 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Untersagung der "Ausübung jeglicher selbstständiger Tätigkeit" ist rechtswidrig, da die Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 S. 2 GewO) nur die Untersagung jeglicher "gewerblicher" Tätigkeit erlaubt. (Rn. 57 – 61) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist rechtswidrig, wenn die Industrie- und Handelskammer hierzu nicht angehört wurde. (Rn. 62 – 65) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untersagung des Gewerbes „Grafikdesign“, Erstreckung der Untersagung auf die „Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit“, Abgrenzung zwischen gewerblicher und künstlerischer Betätigung als Grafikdesigner, keine Unbestimmtheit des Bescheids trotz der insoweit bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten, Zeitpunkt der „Einleitung“ eines Untersagungsverfahrens, Aufhebung der Untersagung „jeglicher selbständigen Tätigkeit“ wegen nicht eindeutiger Beschränkung auf gewerbliche Betätigungen, unterbliebene Anhörung der Industrie- und Handelskammer zu dem auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausspruch, Kriterien für die Entbehrlichkeit einer solchen Anhörung, Unbeachtlichkeit eines Anhörungsmangels nur bei sicher ausschließbarem Einfluss dieses Umstandes auf die behördliche Entscheidung, Gewerbeuntersagung, Erweiterte Untersagung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 20.03.2017 – M 16 K 16.1626
Fundstellen:
LSK 2018, 17215
GewA 2018, 473
BeckRS 2018, 17215

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. März 2017 wird abgeändert.
II. Aus dem Bescheid der Beklagten vom 7. März 2016 werden aufgehoben
1. die Nummer 2;
2. die Nummer 6 insofern, als in deren Satz 1 eine den Betrag von 400,- Euro übersteigende Gebühr festgesetzt wurde.
III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen fallen zu drei Vierteln der Klägerin, zu einem Viertel der Beklagten zur Last.
V. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
1. Die Klägerin erwarb am 29. August 2001 als Abschluss des von ihr mit dem Studienschwerpunkt „künstlerisch/ästhetisches Kommunikations-Design“ absolvierten Studiengangs „Kommunikations-Design“ den akademischen Grad einer Diplom-Designerin (FH).
2
2. Mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Mai 2015 regte das Finanzamt München an, der Klägerin die Ausübung des Gewerbes „Grafikdesignerin“ zu untersagen und diesen Ausspruch auf alle in § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO aufgeführten Betätigungen zu erstrecken. Zur Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass die Klägerin dem Freistaat Bayern Einkommen- und Umsatzsteuer einschließlich steuerlicher Nebenleistungen im Gesamtbetrag von 45.038,49 € schulde; die ältesten dieser Forderungen wurden nach Darstellung des Finanzamtes am 10. Juni 2013 fällig. Zudem habe die Klägerin für das Jahr 2013 weder eine Einkommen- noch eine Umsatzsteuererklärung abgegeben. Forderungspfändungen hätten nicht zum Erfolg geführt; ein am 14. Oktober 2014 unternommener Pfändungsversuch in das bewegliche Vermögen sei gleichfalls fruchtlos verlaufen. Aus einer von der Klägerin abgegebenen Vermögensauskunft gehe hervor, dass sie vermögenslos sei.
3
Da die im Gebiet der Beklagten wohnende Klägerin nach Aktenlage damals dort kein Gewerbe angemeldet hatte, ordnete eine Amtsträgerin des Kreisverwaltungsreferats behördenintern an, die Klägerin sei entweder zu einer Gewerbeanmeldung oder zu der Darlegung aufzufordern, ob die von ihr ausgeübte Tätigkeit künstlerischer Art sei. Diese Anordnung wurde in der Weise umgesetzt, dass die Beklagte am 8. Juni 2015 gegenüber der Klägerin schriftlich ausführte, ihr sei durch eine Mitteilung des Finanzamtes bekannt geworden, dass die Klägerin das Gewerbe „Grafikdesignerin“ betreibe. Gleichzeitig wurde die Klägerin unter Hinweis auf die bußgeldrechtlichen Folgen einer unterbliebenen Gewerbeanmeldung und darauf, dass gegen sie im Weigerungsfall Zwangsmaßnahmen angewendet werden könnten, aufgefordert, die Gewerbeanmeldung mittels eines ihr übersandten Formblatts nachzuholen.
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In einem Schreiben an die Klägerin vom 23. Juli 2015 bezog sich die Beklagte auf ein nach Aktenlage am 12. Juni 2015 mit der Klägerin geführtes Telefonat, in dem diese geltend gemacht habe, ihre Tätigkeit sei „freiberuflicher“ Art. Die Klägerin wurde aufgefordert, entweder diesbezügliche Unterlagen des Finanzamtes vorzulegen oder die Gewerbeanmeldung nachzuholen.
5
Mit formblattmäßiger Erklärung vom 29. Juli 2015 nahm die Klägerin bei der Beklagten rückwirkend ab dem 1. Januar 2013 eine Gewerbeanmeldung vor, wobei sie hinsichtlich der Art der ausgeübten Tätigkeit auf ein dem Formblatt beigefügtes Schreiben Bezug nahm. Darin führte sie aus, ihre Tätigkeit sei vor dem Jahr 2013 „klar künstlerischer“ Art gewesen. Sie habe Illustrationen für Kinder- und Sachbücher erstellt und nebenbei Bilder gemalt, die auf Messen und in Galerien ausgestellt worden seien. Da der hierdurch erzielte Verdienst „nicht so gut“ gewesen sei, habe sie versucht, Aufträge als Grafikdesignerin zu erhalten; der Übergang sei „fließend“ gewesen. Sie sei immer noch der Meinung, ihre Tätigkeit sei mehr als künstlerisch zu beurteilen, weswegen sie nicht daran gedacht habe, ein Gewerbe anmelden zu müssen.
6
Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass ein am 18. Januar 2013 gegen die Klägerin erlassener Haftbefehl am 1. September 2015 nach wie vor in das Schuldnerverzeichnis eingetragen war; das Vollstreckungsportal enthielt am 18. August 2015 in Bezug auf die Klägerin den Vermerk „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“. Der Beklagten schuldete sie am 27. August 2015 Gewerbesteuer und steuerliche Nebenleistungen im Gesamtbetrag von 12.173,99 €; eine seitens der Stadtkasse der Beklagten unternommene Kontopfändung verlief erfolglos.
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Mit Schreiben vom 29. September 2015 setzte die Beklagte die Klägerin davon in Kenntnis, dass beabsichtigt sei, ihr gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO die Ausübung des Gewerbes „Grafikdesignerin“ zu untersagen; einen Abdruck hiervon übersandte die Beklagte der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Diese führte am 20. Oktober 2015 gegenüber der Beklagten aus, aufgrund des im Schreiben vom 29. September 2015 mitgeteilten Sachverhalts würden mit dem Vorbehalt, dass „entkräftende Unterlagen“ vorgelegt würden, keine Einwendungen gegen eine Gewerbeuntersagung erhoben.
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Nachdem die Klägerin mit Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten vom 31. Oktober 2015 vorgetragen hatte, sie habe mit der Schuldtilgung begonnen, setzte die Beklagte das Gewerbeuntersagungsverfahren am 18. Dezember 2015 bis zum 1. März 2016 aus und forderte die Klägerin auf, bis dahin Bestätigungen über die Einreichung aller ausstehenden Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen beim Finanzamt, über die Begleichung der Steuerforderungen sowohl des Freistaates Bayern als auch der Beklagten selbst oder über das Zustandekommen von Ratenzahlungsvereinbarungen mit diesen Gläubigern sowie über die Löschung der sie betreffenden Eintragung im Vollstreckungsportal (bzw. eine Bescheinigung des Gerichtsvollziehers über die Tilgung der dieser Eintragung zugrunde liegenden Forderung) vorzulegen. Auf diese Aufforderung ging der Beklagten nach Aktenlage keine Äußerung der Klägerin zu.
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Die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Beklagten verringerten sich bis zum 4. März 2016 auf 10.919,99 €, nachdem sie im Oktober 2015 1.000,- € und im Dezember des gleichen Jahres 700,- € freiwillig entrichtet hatte. Eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Beklagten bestand im letztgenannten Zeitpunkt nicht.
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Durch Bescheid vom 7. März 2016 untersagte die Beklagte der Klägerin die Ausübung des Gewerbes „Grafikdesignerin“ als selbständiger Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe (Nummer 1 des Bescheidstenors), ferner Tätigkeiten als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie „die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit“ (Nummer 2 des Bescheidstenors). Gleichzeitig wurde ihr unter Androhung unmittelbaren Zwangs aufgegeben, ihre Tätigkeit spätestens zehn Tage nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen.
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Den Bescheidsgründen zufolge beliefen sich die aus der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin stammenden, beim Finanzamt München aufgelaufenen vollstreckbaren Steuerrückstände am 4. März 2016 auf 36.915,72 €; der Gesamtsteuerrückstand wurde mit 45.483,98 € angegeben. Eine Ratenzahlungsvereinbarung habe nicht bestanden; zwei freiwillig erbrachte Zahlungen hätten keine nennenswerte Verringerung der Steuerschulden bewirkt.
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3. Im Rahmen der Begründung der gegen diesen Bescheid erhobenen Anfechtungsklage machte die Klägerin u. a. geltend, sie habe in den Jahren 2015 und 2016 Zahlungen auf ihre Umsatz- und Gewerbesteuerschulden geleistet; wegen der von ihr angegebenen Beträge wird auf die Aufstellungen in Abschnitt II.2 der Klagebegründungsschrift vom 31. Mai 2016 sowie in der Anlage zu jenem Schriftsatz verwiesen. Außerdem entrichte sie die laufend fällig werdenden Steuern in vollem Umfang.
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Nach Darstellung der Beklagten hat die Klägerin vor dem 29. Juni 2016 die die Jahre 2013 und 2014 betreffenden steuerlichen Unterlagen beim Finanzamt eingereicht. Ihr dort bestehender Steuerrückstand habe sich damals auf 46.634,61 € belaufen. Die Gewerbesteuerschulden der Klägerin bezifferte die Beklagte am 29. Juni 2016 auf 10.343,00 €.
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Durch Urteil vom 20. März 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. Das dem Bescheid vom 7. März 2016 vorausgegangene Verwaltungsverfahren sei allerdings insofern fehlerhaft gewesen, als sowohl die Klägerin selbst als auch die Industrie- und Handelskammer nur zur Untersagung des konkret ausgeübten Gewerbes, nicht aber zur Möglichkeit einer erweiterten Gewerbeuntersagung angehört worden seien. Dieser Verfahrensmangel ziehe indes nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheids nach sich, da es im Sinn von Art. 46 BayVwVfG offensichtlich sei, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte das ihr nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO eingeräumte Ermessen in Anbetracht der Steuerrückstände der Klägerin, der von ihr nicht erfüllten steuerlichen Erklärungspflichten und der Eintragung im Vollstreckungsportal anders ausgeübt hätte, wenn die Klägerin und die Industrie- und Handelskammer vor der Entscheidung ordnungsgemäß angehört worden wären. Auf die weiteren Darlegungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 20. März 2017 wird Bezug genommen.
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4. Auf den von der Klägerin gestellten Antrag hin, gegen dieses Urteil die Berufung zuzulassen, hat der Verwaltungsgerichtshof sie aufgefordert, die Gesamtheit der Tätigkeiten, die sie im ersten Quartal 2016 ausgeübt hat, schriftlich substantiiert darzustellen sowie Unterlagen einzureichen, die die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Angaben belegen, ferner Augenscheinsobjekte vorzulegen, die Aufschluss darüber ermöglichen, ob die von ihr im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erstellten Objekte als „Kunst“ verstanden werden können.
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In Erledigung dieses Ersuchens hat die Klägerin Fotografien übersandt, die von ihr geschaffene „Lichtobjekte“ sowie von ihr gestaltete Metall- und Holzplatten sowie deren Präsentation auf Ausstellungen zeigen würden (Anlagen 1.d bis 1.f zum Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 27.6.2017). Sie habe ferner die Bildfigur des „Hector“ zu den Büchern des französischen Autors L* … geschaffen, an der ihr das Urheberrecht zustehe und die zum Erkennungszeichen einer (Hör-)Buchreihe geworden sei (vgl. das letzte Blatt der Anlage 1.c zum Schreiben der Klagebevollmächtigten vom 27.6.2017). Diese Betätigungen würden zweifelsfrei dem Kunstbegriff unterfallen.
17
Dies gelte aber auch für die von ihr erstellten Gebrauchsgrafiken, wie sie in der Anlage 1.c zum Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 27. Juni 2017 (mit Ausnahme des dortigen letzten Blatts) abgebildet seien. Diese Gebrauchsgrafiken und Werbefotografien seien nicht lediglich aus Versatzstücken zusammengestellt, sondern individuell gestaltet, wobei künstlerische Gestaltungshöhe erreicht werde. Der gewerbliche Verwendungszweck eines Objekts stehe nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte der Bejahung eines Kunstgegenstandes dann nicht entgegen, wenn der Kunstwert den Gebrauchswert übersteige.
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Vorgelegt hat die Klägerin u. a. ferner von ihr ausgestellte, an eine l* … GmbH gerichtete Rechnungen über von ihr in den Monaten September 2015 bis April 2016 auf der Grundlage eines Stundenhonorars von 24,00 € netto (ab dem 15.2.2016 von 26,00 € netto) durchgeführte Auftragsarbeiten im Umfang von jeweils 80 (in einem Fall von 79,61) Stunden. Ausweislich des von ihr am 10./11. Februar 2014 mit diesem Unternehmen geschlossenen Vertrags übernahm sie damals als freie Mitarbeiterin die Tätigkeit „Grafik“ im Bereich bzw. in der Abteilung „CRM/Grafik“ der l* … GmbH. Auf die in diesem Vertrag im Einzelnen getroffenen Regelungen wird Bezug genommen.
19
Die Klägerin verwies ferner darauf, dass sie bei der Künstlersozialkasse renten- und krankenversichert sei, und dass sie Tantiemen der Verwertungsgesellschaft „Bild - Kunst“ erhält. Zur Gewerbeanmeldung sei es aufgrund der durch ihre ausländische Herkunft bedingten Unkenntnis sowie wegen des auf sie diesbezüglich ausgeübten Drucks gekommen.
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Mit ihrer durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. November 2017 (22 ZB 17.828) zugelassenen Berufung beantragt die Klägerin,
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unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. März 2017 nach ihren erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen,
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hilfsweise,
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unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Untersagung auf die Gewerbetätigkeit als Grafikdesignerin als selbständige Gewerbetreibende zu beschränken.
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Das Verwaltungsgericht habe den doppelten Verfahrensmangel, der in der unterlassenen Anhörung sowohl ihrer eigenen Person als auch der Industrie- und Handelskammer zur erweiterten Gewerbeuntersagung liege, unzutreffend als unerheblich beurteilt. Zudem sei ihre gesamte Tätigkeit als künstlerisch zu qualifizieren, so dass das Gewerberecht vorliegend unanwendbar und der angefochtene Bescheid zur Gänze aufzuheben sei. Unabhängig hiervon habe das Verwaltungsgericht unbeachtet gelassen, dass der Bescheid nicht dem Bestimmtheitsgebot Rechnung trage, da er nicht erkennen lasse, ob der Klägerin nur die Ausübung von als gewerblich einzustufenden Betätigungen untersagt worden sei. Diese Unbestimmtheit sei im Hinblick auf die sich aus § 146 und § 148 GewO ergebenden bußgeld- bzw. strafrechtlichen Sanktionen nicht hinnehmbar. Seitens der l* … GmbH erhalte sie keine Aufträge mehr.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Tätigkeit der Klägerin für die l… GmbH sei nicht künstlerischer, sondern gewerblicher Art gewesen. Von einer eigenschöpferischen, sich nicht in einer funktionalen bzw. dekorativen Gestaltung erschöpfenden Leistung, wie das für Einstufung dieser Betätigung als „Kunst“ erforderlich sei, könne nicht gesprochen werden.
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Der Ausspruch über die erweiterte Gewerbeuntersagung trage dem Bestimmtheitsgebot Rechnung. Bereits die in der Betreffzeile des angefochtenen Bescheids enthaltene Wendung „Vollzug der Gewerbeordnung; Gewerbeuntersagungsverfahren“ lasse erkennen, dass sich der Bescheid nur auf die Untersagung eines Gewerbes habe richten können. Außerdem ergebe die gebotene Heranziehung der Bescheidsgründe, dass der Klägerin nur jegliche gewerbliche Tätigkeit habe untersagt werden sollen. Die Tatsache, dass sie Tätigkeiten ausübe, die von der Malerei bis zum gewerblichen Grafikdesign reichten, ändere an der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die Einordnung dieser Tätigkeiten als „gewerblich“ oder „künstlerisch“ schwierig sein könne.
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Die unterbliebene Anhörung der Klägerin zur erweiterten Gewerbeuntersagung ziehe deshalb nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheids nach sich, weil offensichtlich sei, dass dieser Umstand die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Im Rahmen der erfolgten Anhörung zur Untersagung des konkret ausgeübten Gewerbes habe die Klägerin geltend gemacht, eine solche Maßnahme gefährde ihre Existenz. Da diesem Gesichtspunkt auch bei einer erweiterten Gewerbeuntersagung maßgebliche Bedeutung zukomme, sei offensichtlich, dass sie hinsichtlich des auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten behördlichen Ausspruchs keine weiteren Aspekte hätte vortragen können, die sich auf die Entscheidung der Beklagten hätten auswirken können.
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Die unterbliebene Anhörung der Industrie- und Handelskammer zur erweiterten Gewerbeuntersagung könne u. a. nach der Nummer 6.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des § 35 GewO dann unterbleiben, wenn sie offensichtlich nicht sachdienlich sei. Das sei dann der Fall, wenn eine Anhörung keine weitere Sachaufklärung erwarten lasse. Da sich die Industrie- und Handelskammer für den Fall der Beibringung von Unterlagen, die den ihr zur Kenntnis gebrachten Sachverhalt entkräften würden, eine Modifizierung ihrer Stellungnahme vorbehalten habe, die Steuerrückstände der Klägerin jedoch festgestanden hätten, liege auf der Hand, dass eine erneute Anhörung der Industrie- und Handelskammer eine bloße Förmelei dargestellt hätte. Eine solche Verfahrenshandlung sei deshalb ermessensfehlerfrei unterblieben. Unabhängig hiervon lägen auch insoweit die Voraussetzungen des Art. 46 BayVwVfG vor.
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Wegen des Verfahrensgangs und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung bleibt insoweit ohne Erfolg, als sich die Klägerin gegen den auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützten Ausspruch in der Nummer 1 des Bescheids vom 7. März 2016 wendet (1.). Die unter der Nummer 2 des Tenors des gleichen Bescheids getroffene Regelung kann demgegenüber keinen Bestand haben (2.). Als Folge hiervon war auch der im Satz 1 der Nummer 6 des Bescheidstenors vorgenommene Kostenansatz insofern aufzuheben, als dort eine 400 € übersteigende Gebühr festgesetzt wurde (3.).
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1. Die Beklagte hat der Klägerin zu Recht die weitere Ausübung des Gewerbes „Grafikdesignerin“ untersagt, da sie bei Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens eine derartige gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat (1.1), sie im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Untersagungsbescheids gewerberechtlich unzuverlässig war (1.2), und die Tatsache, dass eine Betätigung auf dem Gebiet des Grafikdesigns fallweise als „Kunst“ anzusehen sein kann und sie unter dieser Voraussetzung nicht gemäß § 35 Abs. 1 GewO verboten werden darf, der Rechtmäßigkeit der Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids nicht entgegensteht (1.3).
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1.1 Die Tätigkeit, die die Klägerin für die l* … GmbH ausgeübt hat, stellte sich als Ausübung eines Gewerbes dar. Von den Tatbestandsmerkmalen des Gewerbebegriffs bedürfen im gegebenen Fall nur das Erfordernis einer „selbständigen“ Tätigkeit (1.1.1) sowie das Nichtvorliegen einer „höheren“ – hier: künstlerischen – Betätigung (1.1.2) näherer Erörterung.
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1.1.1 Dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für die l* … GmbH als Selbständige anzusehen war, folgt nicht bereits daraus, dass sie in dem am 10./11. Februar 2014 geschlossenen Vertrag als „freie Mitarbeiterin“ bzw. „Auftragnehmerin“ bezeichnet wurde und in dieser Vereinbarung von einer freiberuflichen Tätigkeit unter ausdrücklichem Ausschluss eines Arbeitsverhältnisses die Rede ist. Da die an die Arbeitnehmereigenschaft anknüpfende Geltung der Schutzvorschriften des Arbeitsrechts nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden kann (BAG, U.v. 9.6.1993 – 5 AZR 123/92 – juris Rn. 12), würde die bloße Deklarierung einer Beschäftigung als selbständige Tätigkeit, die in Widerspruch zu den tatsächlichen Umständen der Leistungserbringung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit z.B. BAG, U.v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96 – BAGE 87, 129/136; U.v. 19.1.2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218/222) stünde, nicht ausreichen, um eine Anstellung in persönlicher Abhängigkeit – und damit das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses – zu verneinen. Die gebotene Betrachtung des Gesamtbilds der Tätigkeit (vgl. Eisenmenger in Landmann/Rohmer, GewO, Stand März 2018, § 1 Rn. 9) bzw. die erforderliche Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände (BAG, U.v. 19.1.2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218/223; B.v. 26.9.2002 – 5 AZB 19/01 – juris Rn. 70) führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Klägerin gegenüber der l* … GmbH als selbständige Werkunternehmerin oder Auftragnehmerin tätig wurde, ohne dort in abhängiger Stellung beschäftigt gewesen zu sein.
36
Hierbei wird nicht verkannt, dass der Vertrag vom 10./11. Februar 2014 Elemente aufweist, die für einen Arbeitsvertrag typisch sind. Das gilt namentlich für das vereinbarte feste Stundenhonorar und die Regelung, dass pro Monat höchstens 80 Stunden in Ansatz gebracht werden dürfen; beide Klauseln weisen in ihrer Zusammenschau Parallelen zu einer Beschäftigung im Umfang der Hälfte der weithin üblichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden auf. Nicht von vornherein außer Betracht bleiben darf ferner, dass es in der Nummer 1 Buchst. a des Vertrages heißt, die Klägerin übernehme die Tätigkeit Grafik „im Bereich/in der Abteilung CRM/Grafik“ der l* … GmbH.
37
Die letztgenannte Regelung würde jedoch nur dann den Schluss auf die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin rechtfertigen, wenn sie in die betriebliche Arbeitsorganisation der l* … GmbH eingebunden gewesen wäre (vgl. zur Bedeutung dieses Merkmals für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses z.B. BAG, U.v. 9.6.1993 – 5 AZR 123/92 – juris Rn. 13; U.v. 19.11.1997 – 5 AZR 21/97 – juris Rn. 24; U.v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96 – BAGE 87, 129/135; U.v. 19.1.2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218/222; B.v. 26.9.2002 – 5 AZB 19/01 – juris Rn. 70). Einer solchen Annahme steht vor allem entgegen, dass sie nach der Nummer 2 des Vertrages vom 10./11. Februar 2014 hinsichtlich der Durchführung ihrer Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich der Zeit und des Orts ihrer Leistungserbringung, keinen Weisungen dieses Unternehmens unterlag. Wer aber im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, gilt nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB als selbständig; diese Vorschrift enthält eine über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche Wertung (BAG, U.v. 19.1.2000 – 5 AZR 644/98 – BAGE 93, 218/223).
38
Der Bejahung einer selbständigen Tätigkeit stünde es nicht entgegen, wenn die Klägerin – wovon nach Sachlage auszugehen ist – verpflichtet gewesen sein sollte, Vorgaben der l* … GmbH hinsichtlich des Inhalts der grafisch umzusetzenden Werbebotschaften sowie des Zeitpunkts der Ablieferung ihrer Produkte zu beachten. Denn derartigen Weisungen können nach § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB auch Werkunternehmer und gemäß § 665 Satz 1 BGB auch selbständige Auftragnehmer unterliegen. Dass die Klägerin hinsichtlich der fachlichen Umsetzung der ihr erteilten Aufträge frei war, hat sie im letzten Absatz des Schreibens ihrer Bevollmächtigten vom 31. August 2017 im Übrigen ausdrücklich vorgetragen.
39
Bestätigt wird der selbständige Charakter der von ihr ausgeübten Tätigkeit durch den Umstand, dass der Klägerin nach der Nummer 1 Buchst. b Satz 1 des Vertrages vom 10./11. Februar 2014 kein Anspruch auf die Erteilung von Aufträgen durch die l* … GmbH zustand; eine solche Regelung wäre mit der Pflicht von Arbeitgebern, einen Arbeitnehmer entsprechend der vereinbarten Tätigkeit zu beschäftigen (BAG – GS – B.v. 27.2.1985 – GS 1/84 – BAGE 48, 122/130 - 142), nicht vereinbar. Gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht ferner, dass die Klägerin nach der Nummer 1 Buchst. b Satz 2 des Vertrages ihrerseits berechtigt war, Aufträge der l* … GmbH abzulehnen, und dass sie die vertraglich geschuldeten Leistungen – wenn auch unter dem Vorbehalt der Zustimmung dieses Unternehmens – durch eigene Mitarbeiter oder Dritte erbringen lassen konnte (vgl. zu letzterem die Nummer 6 des Vertrages). Da nach § 613 Satz 1 BGB ein zu Dienstleistungen Verpflichteter im Zweifel in eigener Person tätig zu werden hat, stellt die Befugnis, die geschuldete Leistung auf Dritte zu delegieren, im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung ebenfalls ein Indiz dar, das gegen die Arbeitnehmereigenschaft spricht (BAG, U.v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96 – BAGE 87, 129/137 f.). Die Regelung in der Nummer 1 Buchst. a des Vertrages kann vor dem Hintergrund all dieser Gegebenheiten nur als Ausdruck der Tatsache verstanden werden, dass die Klägerin Aufgaben wahrgenommen hat, die aus der Abteilung „Grafik“ der l* … GmbH ausgegliedert und auf Selbständige übertragen wurden.
40
Wenn die Klägerin in den der l* … GmbH ausgestellten Rechnungen die auf ihre Entgeltforderung entfallende Mehrwertsteuer jeweils gesondert ausgewiesen und die l* … GmbH diese Beträge, die zu dem in der Nummer 4 Buchst. a Satz 1 des Vertrages genannten Honorar hinzutraten, an sie überwiesen hat, so zeigt das, dass der Vertrag vom 10./11. Februar 2014 auch tatsächlich in Übereinstimmung mit seinem Wortlaut (vgl. die umsatzsteuerrechtliche Regelung in der dortigen Nummer 4 Buchst. b) vollzogen wurde.
41
1.1.2 Der Einordnung der von der Klägerin für die l* … GmbH erbrachten Leistungen als gewerblich steht es nicht entgegen, dass Tätigkeiten „höherer Art“, zu denen u. a. die Schaffung von Kunstwerken gehört, nicht dem Gewerbebegriff unterfallen. Denn den von ihr für dieses Unternehmen erstellten Werbegrafiken kommt nicht der Charakter von Kunst zu.
42
Die Unmöglichkeit, den Begriff der Kunst abschließend zu definieren, entbindet den Rechtsanwender nicht von der Pflicht, im Einzelfall darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegen, da der aus diesem Grundrecht folgende Schutzauftrag andernfalls leerlaufen könnte (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1984 – 1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213/225). Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, dass die von der Klägerin für die l* … GmbH erstellten Erzeugnisse keinem der Erfordernisse genügen, die in der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft entwickelt wurden, um den Begriff der „Kunst“ so weit zu konturieren, dass er in der Praxis handhabbar wird. Ein dergestalt topischer Ansatz trägt zugleich dem Umstand Rechnung, dass keiner der im juristischen Diskurs unternommenen Versuche, den Bedeutungsgehalt des Kunstbegriffs zu bestimmen, frei von Schwächen und Einseitigkeiten ist und nur ein kumulativer Rekurs auf die in Erwägung zu ziehenden Kriterien dem Facettenreichtum künstlerischen Tuns in Vergangenheit und Gegenwart gerecht wird.
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1.1.2.1 In der Mehrzahl seiner zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergangenen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht das Wesen der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung erblickt, in der Eindrücke, Erfahrungen oder Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfG, B.v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173/188 f.; B.v. 17.7.1984 – 1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213/226; B.v. 3.6.1987 – 1 BvR 313/85 – BVerfGE 75, 369/377; B.v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130/138; B.v. 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05 – BVerfGE 119, 1/20 f.). Das Vorliegen eines Kunstwerks setzt danach eine Schöpfung voraus, die „primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers“ ist (BVerfG, B.v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173/189; B.v. 17.7.1984 – 1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213/226).
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Die Werbegrafiken, die die Klägerin auf den Blättern 1 bis 5 der Anlage 1c zum Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 27. Juni 2017 vorgelegt hat, genügen diesem „materialen Kunstbegriff“ offensichtlich nicht. Denn sie beschränken sich auf die Übermittlung der Information, Waren von welcher Art innerhalb welcher Preisgruppen bzw. mit welcher (maximalen) Preisermäßigung bei der l* … GmbH erworben werden konnten; teilweise wurde auch nur ein prozentualer Ermäßigungssatz oder ein Ermäßigungsbetrag, ggf. verbunden mit der Erwähnung der „Anknüpfungstatsache“ für die Reduzierung, genannt. Eine – wie auch immer geartete – Konnotation mit einer spezifischen Vorstellungs- oder Erlebniswelt der Klägerin, in der ihre höchstpersönliche, unverwechselbare „Handschrift“ sichtbar wird, lässt sich in keiner der von ihr zur Verfügung gestellten Arbeiten erkennen. Dieser Befund liegt derart klar zutage, dass das Gericht die vorbezeichnete Feststellung ohne sachverständige Unterstützung treffen kann. Nur in „Grenz- und Übergangsfällen“ setzt die Bejahung bzw. Verneinung der Einstufung eines Erzeugnisses als Kunst die Einholung eines Gutachtens voraus (BFH, U.v. 14.12.1976 – VIII R 76/75 – juris Rn. 24 f.; B.v. 1.6.2006 – IV B 200/04 – juris Rn. 21), sofern das Gericht nicht ausnahmsweise auch insofern über die für die Beurteilung derartiger Konstellationen erforderliche Sachkunde verfügt (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung FG München, U.v. 10.7.2014 – 15 K 2275/11 – juris Rn. 28),
45
1.1.2.2 Im Beschluss vom 17. Juli 1984 (1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213/226 f.) hat das Bundesverfassungsgericht die vorgenannten Kriterien um den Hinweis darauf ergänzt, dass die Einstufung eines Objekts als Kunstwerk auch dann geboten sein kann, wenn „bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps erfüllt sind“. Auch wenn Werbegrafiken fallweise die Grenze zur Kunst überschreiten können, so kann doch keine Rede davon sein, in Kunstfragen kompetente Personen (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. Wendt in v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 92) sähen derartige bildliche Darstellungen als eine typische, tradierte Erscheinungsform künstlerischen Schaffens an. Der „formale Kunstbegriff“ (BVerfG, B.v. 17.7.1984 – 1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213/227) versagt hier in ähnlicher Weise wie bei Fotografien oder bei Bauwerken: Auch insoweit lässt sich über die Kunsteigenschaft eines Objekts nicht bereits aus seiner Zugehörigkeit zu einer Gattung, sondern erst unter Hinzunahme weiterer Kriterien befinden (vgl. von Arnauld in Bonner Kommentar zum GG, Stand Mai 2017, Art. 5 Abs. 3 Rn. 52).
46
1.1.2.3 Im Beschluss vom 17. Juli 1984 (1 BvR 816/82 – BVerfGE 67, 213/227) hat sich das Bundesverfassungsgericht im Übrigen ebenfalls nicht mit der Zugehörigkeit der seinerzeit zu beurteilenden Bühnenaufführung zur Gattung „Theater“ begnügt, sondern zusätzlich danach gefragt, ob dem zu beurteilenden Werk „im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen“ sind, „so dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung“ ergebe. Auch auf der Grundlage dieses „kommunikativen Kunstbegriffs“ (von Arnauld in Bonner Kommentar zum GG, Stand Mai 2017, Art. 5 Abs. 3 Rn. 54 – 59) lässt sich ein künstlerischer Charakter der von der Klägerin geschaffenen Werbegrafiken nicht bejahen. Denn sie sind zweifelsfrei weder geeignet noch auch nur darauf angelegt, in der Person des Betrachters Prozesse auszulösen, die auf eine über die Rezeption der offen zutage liegenden kommerziellen Botschaft hinausgehende Entschlüsselung der bildlichen Darstellung abzielen; dass ihnen eine oder mehrere den vordergründigen Informationsgehalt transzendierende Bedeutungsebenen innewohnen, kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
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1.1.3 Wie im Umkehrschluss aus § 35 Abs. 1 Satz 3 GewO folgt, setzt ein auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützter Ausspruch voraus, dass das untersagte Gewerbe im Zeitpunkt der Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens tatsächlich ausgeübt wurde (BVerwG, U.v. 16.3.1982 – 1 C 124.80 – juris Rn. 14; B.v. 19.2.1993 – 1 B 20.93 – GewArch 1995, 117; U.v. 14.7.2003 – 6 C 10.03 – DVBl 2004, 129/130). „Eingeleitet“ ist ein Gewerbeuntersagungsverfahren dann, wenn die Behörde eine nach außen wirkende Tätigkeit im Sinn von Art. 9 BayVwVfG entfaltet hat, die auf die Prüfung der Voraussetzungen eines auf § 35 Abs. 1 Satz 1 oder auf § 35 Abs. 7a GewO gestützten Verwaltungsakts gerichtet ist. Das dem Bescheid vom 7. März 2016 vorausgehende Verwaltungsverfahren wurde danach am 25. August 2015 in Gang gesetzt, da die Beklagte damals Auskunftsersuchen an die Staatsanwaltschaft München sowie zwei Abteilungen des Amtsgerichts München richtete, um Informationen über Umstände zu erlangen, die für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit der Klägerin von Bedeutung sein konnten. Derartige Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung stellen auch dann eine „nach außen wirkende Tätigkeit“ im Sinn von Art. 9 BayVwVfG dar, wenn sie sich an Stellen innerhalb der öffentlichen Gewalt richten, sofern diese sich hinreichend deutlich von derjenigen verwaltungsorganisatorischen Einheit unterscheiden, die für den Erlass der Untersagungsverfügung zuständig ist (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 9 Rn. 117 f.; im Ergebnis ähnlich Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand März 2018, § 35 Rn. 97). Da der Vertrag zwischen der Klägerin und der l* … GmbH bereits im Februar 2014 geschlossen wurde und sie diesem Unternehmen jedenfalls bis Ende April 2016 Rechnungen über erbrachte Leistungen ausgestellt hat, ist nicht zweifelhaft, dass sie Ende August 2015 das Gewerbe „Grafikdesign“ tatsächlich ausgeübt hat.
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1.2 Die Klägerin war im insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (nämlich beim Erlass bzw. bei der am 9.3.2016 erfolgten Bekanntgabe des Bescheids vom 7.3.2016; vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/2 f.) unzuverlässig, da sie zuvor über eine beträchtliche Zeit hinweg ihrer Steuerentrichtungspflicht nicht nachgekommen war und sie zudem, wie aus den erfolglos gebliebenen Vollstreckungsversuchen und der sie betreffenden Eintragung im Vollstreckungsportal folgt, wirtschaftlich nicht leistungsfähig war. Hinzu kam, dass sie hinsichtlich des Jahrs 2013 ihre Steuererklärungspflicht nicht erfüllt hat, und dass es ihr an der erforderlichen Rechtstreue fehlte. Letzteres folgt daraus, dass sie entgegen der sich aus § 802c Abs. 1 Satz 1 ZPO oder § 284 Abs. 1 Satz 1 AO ergebenden Verpflichtung der Aufforderung des Gerichtsvollziehers oder der Vollstreckungsbehörde, eine Vermögensauskunft abzugeben, jedenfalls zunächst nicht nachgekommen ist, so dass zu diesem Zweck die Anordnung der Erzwingungshaft (§ 802g ZPO bzw. § 284 Abs. 8 AO) erforderlich wurde.
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Die Zahlungen, die sie bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt an das Finanzamt und die Beklagte erbracht hat, vermögen an diesem Befund nichts zu ändern, da sie angesichts der nur begrenzten Höhe dieser Leistungen und der unsystematischen Art der Versuche, die insoweit bestehenden Schulden zu verringern, nicht die Prognose rechtfertigten, die Klägerin werde ihren Pflichten als Gewerbetreibende künftig ordnungsgemäß nachkommen. Letzteres wäre nur der Fall, wenn die Zahlungen den Schluss erlaubt hätten, es werde ihr gelingen, jedenfalls den größten Teil der bestehenden Verbindlichkeiten innerhalb eines überschaubaren Zeitraums wegzufertigen. Hiervon kann angesichts der Höhe der im Zeitpunkt der Zustellung des Untersagungsbescheids weiterhin bestehenden Steuerrückstände keine Rede sein. Da nach dem 9. März 2016 liegende Verhaltensweisen der Klägerin bei der Beurteilung ihrer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit außer Betracht bleiben müssen (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/2 f.), ist lediglich nachrichtlich anzumerken, dass die von ihr nach Bescheidserlass abgegebenen Steuererklärungen und die seither geleisteten Zahlungen ebenfalls zu keiner effektiven Reduzierung der Gesamtheit der gegen sie gerichteten Steuerforderungen geführt haben. Nach glaubhafter Darstellung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat die Klägerin nunmehr zwar die Forderungen des Stadtsteueramtes vollständig getilgt; dem steht jedoch ein Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt auf 53.028,55 € gegenüber.
50
Dahinstehen kann, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, ein Teil ihrer Steuerschulden beruhe darauf, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann veranlagt worden sei. Sollte diese Einlassung zutreffen, käme ihr hinsichtlich dieser Forderungen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 AO die Rechtsstellung einer Gesamtschuldnerin zusammen mit ihrem Ehemann zu. Dies hätte nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO zur Folge, dass in der Person ihres Ehegatten entstandene steuerliche Verbindlichkeiten eigenen Steuerschulden der Klägerin gleichstehen.
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1.3 Wie vor allem die Rechtsprechung der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit zur Abgrenzung zwischen gewerbesteuerpflichtigen und – wegen des künstlerischen Charakters der erstellten Werke – nicht gewerbesteuerpflichtigen Betätigungen von Gebrauchs- oder Werbegrafikern zeigt (vgl. z.B. BFH, B.v. 1.6.2006 – IV B 200/04 – juris; FG Düsseldorf, U.v. 5.11.2004 – 1 K 3118/02 G – juris; FG Köln, U.v. 15.2.2006 – 14 K 7867/98 – juris; FG RhPf, U.v. 24.10.2013 – 6 K 1301/10 – juris; FG München, U.v. 10.7.2014 – 15 K 2275/11 – juris), kann auch eine Tätigkeit als Grafikdesigner je nach Lage des einzelnen Falles nichtgewerblichen Charakter aufweisen. Dieser Umstand lässt die Rechtmäßigkeit der Nummer 1 des Tenors des Bescheids vom 7. März 2016 jedoch unberührt.
52
Dass es der Klägerin hierdurch selbst dann nicht verboten wird, als „Kunst“ einzustufende Objekte wirtschaftlich zu verwerten, wenn diese dem Gattungsbegriff des „Grafikdesigns“ zuzuordnen sind, folgt daraus, dass die Nummer 1 des Bescheidstenors ausdrücklich nur die Untersagung des „Gewerbes“ einer Grafikdesignerin „als selbständiger Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe“ zum Gegenstand hat. Damit sind Betätigungen, die wegen ihres künstlerischen Charakters nicht dem Gewerbebegriff unterfallen, zweifelsfrei aus dem Geltungsbereich des der Klägerin durch diesen Teil des streitgegenständlichen Bescheids erteilten Rechtsbefehls ausgenommen.
53
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt hierbei nicht, dass diese – formal gesehen eindeutige – Regelung wegen der hochgradigen Unbestimmtheit des Kunstbegriffs dann Schwierigkeiten aufwerfen kann, wenn entweder die Klägerin selbst oder die Beklagte oder aber ein Gericht darüber zu befinden haben, ob eine Betätigung von der in der Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Regelung erfasst wird. Gesteigertes Gewicht erlangt diese Unsicherheit durch die Tatsache, dass bereits ein einmaliger Verstoß gegen eine vollziehbare Gewerbeuntersagung (diese Voraussetzung erfüllt der Bescheid vom 7.3.2016 gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO seit dem 29.8.2017) nach § 146 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GewO eine Ordnungswidrigkeit darstellt, und dass § 148 Nr. 1 GewO die beharrliche Begehung derartiger Taten mit Kriminalstrafe bedroht.
54
Möglichkeiten, dem gesetzlichen Bestimmtheitserfordernis (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) in noch größerem Maß Rechnung zu tragen, als dies durch die mehrfach zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Nummer 1 des Bescheidstenors auf gewerbliche Betätigungen (und die damit implizit erfolgte Ausklammerung künstlerischer Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich dieser Regelung) bereits erfolgt ist, sind indes nicht ersichtlich. Namentlich hätte die Aufnahme einer Aussage in den Bescheidstenor oder die Bescheidsgründe, der zufolge die wirtschaftliche Verwertung eigener Erzeugnisse der Klägerin, die als „Kunst“ einzustufen sind, auch dann nicht von dem auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützten Ausspruch erfasst wird, wenn solche Werke mit den Mitteln des Grafikdesigns geschaffen wurden (vgl. die im Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 31.7.1990 – Bf VI 71/90 – juris Rn. 18 referierte Vorgehensweise der dortigen Gewerbebehörde in einer vergleichbaren Fallgestaltung), die Rechtsanwendungssicherheit im Ergebnis in keiner Weise erhöht. Denn durch einen solchen klarstellenden Vermerk würde z.B. die zutreffende Beantwortung der Frage, ob die Klägerin weiterhin zum Zweck der Einnahmeerzielung Bucheinbände in der Weise gestalten darf, wie sie dies ausweislich des letzten Blatts der Anlage 1c zum Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 27. Juni 2017 in der Vergangenheit getan hat, nicht einmal ansatzweise erleichtert: Anders als das bei den von ihr erstellten Werbegrafiken der Fall ist, lässt es sich nach Auffassung des erkennenden Senats nicht eindeutig beantworten, ob diese Erzeugnisse der Klägerin, die sich grafischer Mittel (Bild, Farbe, Zeichnung und Text) bedienen und deshalb wohl als „Grafikdesign“ verstanden werden müssen, künstlerischen Charakter aufweisen oder nicht.
55
Die bestehende Unsicherheit im „künstlerischen Grenzbereich“ bedeutet jedoch nicht, dass deshalb die von der Beklagten ausgesprochene Untersagung des von der Klägerin konkret ausgeübten Gewerbes hätte unterbleiben müssen. Will die Klägerin bei der Einstufung als Kunst oder Nicht-Kunst kein Risiko eingehen, steht es ihr frei, sich in nicht eindeutigen Fallgestaltungen um eine Klärung vor der kommerziellen Verwertung der betreffenden Werke zu bemühen. Der Senat verweist insoweit auf die vom Freistaat Bayern eingerichteten Gutachterausschüsse (vgl. die Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 25.2.2016 – S 2246.1.1-1/6 St32, die über den Internetauftritt dieser Behörde allgemein zugänglich ist); zwei dieser Gremien wurden eigens für Begutachtungen auf dem Gebiet der Gebrauchsgrafik (und des Fotodesigns) gebildet.
56
Nicht entgegensetzen könnte die Klägerin den Schutz der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 108 der Verfassung des Freistaates Bayern) dem Geltungsanspruch der ihr gegenüber erlassenen Gewerbeuntersagung allerdings dann, wenn die wirtschaftliche Verwertung von als „Kunst“ einzustufenden Werken in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausübung einer vom streitgegenständlichen Bescheid erfassten gewerblichen Betätigung durch sie stünde. Denn der durch § 35 Abs. 1 GewO bezweckte Schutz der Allgemeinheit und von künftigen potenziellen Vertragspartnern vor den Nachteilen, die aus der Teilnahme einer gewerberechtlich unzuverlässigen Person am Wirtschaftsverkehr erwachsen können, gebietet es, dem Betroffenen bei einer nicht auflösbaren Gemengelage zwischen gewerblicher und künstlerischer Tätigkeit eine Berufung auf den Wirkbereich der Kunstfreiheit zu versagen (OVG Hamburg, U.v. 31.7.1990 – Bf VI 71/90 – NJW 1991, 1500/1501 f.; SächsOVG, B.v. 23.8.2011 – 3 B 247/10 – juris Rn. 9).
57
2. Keinen Bestand kann demgegenüber der auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützte Ausspruch in der Nummer 2 des Bescheidstenors haben.
58
2.1 Die Beklagte ging allerdings zu Recht davon aus, dass im gegebenen Fall die Voraussetzungen einer erweiterten Gewerbeuntersagung vorlagen. Denn die von der Klägerin verwirklichten Unzuverlässigkeitstatbestände beschränken sich nicht auf das Gewerbe „Grafikdesignerin“, sondern sind für alle Arten gewerblicher Betätigungen einschlägig. Ebenfalls erfüllt ist die weitere Voraussetzung, dass keine besonderen Umstände vorliegen dürfen, die die künftige Ausübung eines anderen Gewerbes durch die Klägerin oder ihr Wechseln in eine Vertreter- bzw. Betriebsleiterposition als ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – BVerwGE 65, 9/11). Die Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen Gewerbeausübung durch sie folgt vielmehr bereits daraus, dass sie trotz eingetretener Unzuverlässigkeit an der Ausübung ihres Gewerbes festgehalten hat (vgl. auch dazu BVerwG, U.v. 2.2.1982 a.a.O. S. 11); ihrem eigenen Bekunden in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof zufolge endete die Tätigkeit für die l* … GmbH erst dadurch, dass sie seitens dieses Unternehmens keine Aufträge mehr erhalten hat.
59
2.2 Die in der Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Regelung, der Klägerin „die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit“ zu untersagen, ist jedoch deshalb nicht rechtens, weil sie sich nicht auf gewerbliche Betätigungen beschränkt. Die insoweit fehlende Begrenzung dieses Ausspruchs im Bescheidstenor wäre allerdings dann unschädlich, wenn sich aus den Bescheidsgründen zweifelsfrei ergäbe, dass der Klägerin nur die Ausübung anderer Gewerbe untersagt werden sollte; denn der Regelungsgehalt eines Bescheids ist auf der Grundlage einer Zusammenschau des Tenors und der Gründe zu bestimmen. Auf den Seiten 6 und 7 des Bescheidsumdrucks (die dortigen Ausführungen dienen der Begründung der Nummer 2 des Tenors) finden sich zwar zahlreiche Wendungen, in denen von einer beabsichtigten Verhinderung der künftigen Ausübung „anderer Gewerbe“ durch die Klägerin die Rede ist; der zweite Absatz auf Seite 6 spricht ausdrücklich von einer Erstreckung der Untersagungsverfügung „auf die Ausübung jeglichen Gewerbes als selbständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe“. Die Aussagekraft dieser Formulierungen wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass die Bescheidsgründe im vorletzten Absatz auf Seite 7 die Ausdehnung der Untersagung auf „die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit“ als zwingend geboten bezeichnen. Die Bescheidsgründe wiederholen damit an hervorgehobener Position (der vorletzte Absatz auf Seite 7 resümiert gleichsam die vorangehenden Erwägungen, ehe die angestellten Ermessenserwägungen dargelegt werden) die „zu weit geratene“ Formulierung, die sich bereits an noch bedeutsamerer Stelle – nämlich in der Nummer 2 des Bescheidstenors – findet.
60
Es kann dahinstehen, ob ein solcher Umstand in anders gelagerten Fällen die Aufhebung eines auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausspruchs rechtfertigen würde. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Klägerin bereits in der Vergangenheit neben dem nunmehr untersagten Gewerbe künstlerische – und damit nicht dem Gewerbebegriff unterfallende – Tätigkeiten ausgeübt hat (ihre in den Anlagen 1d bis 1f zum Schreiben ihrer Bevollmächtigten abgebildeten Werke genügen jedenfalls dem vorstehend dargestellten „formalen Kunstbegriff“); angesichts ihrer Vorbildung muss konkret damit gerechnet werden, dass sie Interesse daran besitzt, derartigen Betätigungen auch künftig nachgehen zu dürfen. Vor dem Hintergrund der straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen, die die Rechtsordnung auch an die Missachtung einer auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Regelung knüpft, ist es geboten, jedenfalls in derartigen Sachverhaltsgestaltungen auf einer eindeutigen Fassung des von der Behörde erlassenen Rechtsbefehls zu bestehen.
61
Dies gilt umso mehr, als sich dies durch eine minimale sprachliche Veränderung der Nummer 2 des Bescheidstenors („Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit“ statt „Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit“) hätte erreichen lassen. Gerade weil die behördliche Praxis nach der Kenntnis des Verwaltungsgerichtshofs nahezu durchgängig auf derartige oder vergleichbare Formulierungen zurückgreift und auch § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ausdrücklich nur zur Untersagung anderer oder aller „Gewerbe“ ermächtigt, konnte sich für die Klägerin angesichts der ebenfalls nicht eindeutigen Fassung der Bescheidsgründe die Frage stellen, ob die Beklagte ihr Betätigungen auch im nichtgewerblichen Bereich verbieten wollte.
62
2.3 Unabhängig von alledem war die Nummer 2 des Bescheidstenors (auch insoweit, als der Klägerin darin Tätigkeiten als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden und als Leiterin eines Gewerbebetriebs untersagt wurden) deshalb aufzuheben, weil entgegen § 35 Abs. 4 Satz 1 und 2 GewO die Industrie- und Handelskammer zu diesem Ausspruch nicht angehört wurde. Die Beklagte hat dieser Körperschaft zwar einen Abdruck des an die Klägerin gerichteten Anhörungsschreibens vom 29. September 2015 zur Kenntnis gebracht; darin war jedoch ausschließlich von der beabsichtigten Untersagung des konkret ausgeübten Gewerbes „Grafikdesign“ die Rede. Die ihr übersandte Unterlage gab der Industrie- und Handelskammer deshalb keinen Anlass, sich zu der Frage zu äußern, ob nach ihrer Auffassung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO vorlagen, und welche Gesichtspunkte aus ihrer Sicht im Rahmen der Ausübung des durch diese Vorschrift eröffneten Ermessens ggf. von Bedeutung sind. Keine Kenntnis erlangt hat die Industrie- und Handelskammer durch eine derartige Zuleitung vor allem von der doppelten Problematik, die zum einen darin besteht, dass eine Betätigung auf dem Gebiet des Grafikdesigns sowohl gewerblicher als auch künstlerischer Natur sein kann, und die zum anderen daraus resultiert, dass vor allem bei einem auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausspruch in Rechnung gestellt werden musste, dass die Klägerin bereits in der Vergangenheit Werke erstellt hatte, die jedenfalls dem formalen Kunstbegriff unterfallen, ohne dass sie (wie z.B. bei den in den Anlagen zum Schreiben der Klagebevollmächtigen vom 27.6.2017 abgebildeten „Lichtobjekten“ der Fall) dem Gattungsbegriff „Grafikdesign“ zugeordnet werden können. Da das Ergebnis der Ermittlungen, die die Beklagte nach dem Erhalt der Mitteilung des Finanzamtes vom 26. Mai 2015 über die Art der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit angestellt hatte, im Anhörungsschreiben vom 29. September 2015 keinen Niederschlag fand, hätte sich eine ausreichende Information der Industrie- und Handelskammer zu diesen Aspekten des Rechtsfalles nur durch die – in § 35 Abs. 4 Satz 2 GewO im Übrigen ausdrücklich vorgesehene – Übersendung der insofern einschlägigen Aktenstücke erreichen lassen.
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2.3.1 Bei § 35 Abs. 4 Satz 1 GewO handelt es sich zwar um eine Sollvorschrift. Wie alle Sollbestimmungen stellt jedoch auch diese Norm ihren Vollzug nicht in das freie Ermessen der Behörde. Vielmehr hat im Regelfall eine Anhörung stattzufinden; um hiervon in rechtmäßiger Weise absehen zu können, bedarf es eines sachlich tragfähigen Grundes (so zu Recht Heß in Friauf, GewO, Stand April 2016, § 35 Rn. 287; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand März 2018, § 35 Rn. 168 mit umfangreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum). Eine Fallgestaltung, die das Unterbleiben einer Anhörung zu rechtfertigen vermag, gibt das Gesetz in § 35 Abs. 4 Satz 3 GewO selbst vor. Dass vorliegend Gefahr im Verzug gewesen sei, behauptet indes auch die Beklagte nicht. Ermessensfehlerfrei kann die Anhörung der in § 35 Abs. 4 GewO erwähnten Stellen ferner dann unterbleiben, wenn sie offensichtlich nicht sachdienlich sein kann (BVerwG, U.v. 4.11.1965 – I C 6.63 – BVerwGE 22, 286/296). Letzteres setzt allerdings voraus, dass sich bereits auf der Grundlage einer ex-ante-Betrachtung mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lässt, die grundsätzlich zu beteiligende Stelle werde zur Vorbereitung einer sachgerechten Entscheidung der Untersagungsbehörde (vgl. zu dieser Funktion der Anhörung BVerwG, U.v. 4.11.1965 a.a.O. S. 296) nichts beitragen können. Dies kann in hochgradig atypisch gelagerten Konstellationen wie der vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 4. November 1965 (a.a.O.) entschiedenen Sachverhaltsgestaltung (sie betraf die Untersagung einer Betätigung als Astrologe, deren Einordnung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG und deren Beurteilung als gewerblich ausweislich der Ausführungen des Bundesverwaltungsgericht ebenso komplexe rechtliche Erwägungen erforderten wie die Bewertung der Zuverlässigkeit des Betroffenen) u. U. zwar der Fall sein. Vorliegend steht demgegenüber ein Lebenssachverhalt inmitten, der sich hinsichtlich der Umstände, aus denen die Unzuverlässigkeit des Betroffenen resultiert, nicht von der großen Menge der Gewerbeuntersagungsverfahren unterscheidet. Wollte man unterstellen, die Industrie- und Handelskammer könne in einer solchen Konstellation zu der Frage, ob eine erweiterte Gewerbeuntersagung von Rechts wegen ergehen darf und ob (bzw. in welchem Umfang) sie ermessensgerecht ist, nichts beitragen, liefe § 35 Abs. 4 GewO im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers zu wesentlichen Teilen leer. Eine Besonderheit folgt im gegebenen Fall demgegenüber daraus, dass sich die Klägerin im Grenzbereich zwischen Gewerbe- und Kunstausübung betätigte. Dass die Industrie- und Handelskammer zu der Frage, in welcher Weise dieser Problematik beim Vollzug des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO Rechnung zu tragen ist, nichts Sachdienliches vorzubringen vermag, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil es nicht ausgeschlossen erscheint, dass sich ähnlich gelagerte Fragestellungen bei der Beurteilung der Pflichtmitgliedschaft von Grafikdesignern in den Industrie- und Handelskammern sowie im Rahmen des Umfangs ihrer Beitragspflicht zu diesen Körperschaften ergeben können.
64
2.3.2 Der mithin zu bejahende Anhörungsmangel wurde weder gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 5 BayVwVfG geheilt, noch kann er als unbeachtlich im Sinn von Art. 46 BayVwVfG angesehen werden. Der Annahme, es sei im Sinn der letztgenannten Bestimmung „offensichtlich“, dass die Beklagte die Nummer 2 des Bescheids vom 7. März 2016 auch dann in der geschehenen Weise ausgestaltet hätte, wenn sie die Industrie- und Handelskammer auf ihre Absicht hingewiesen hätte, gegenüber der Klägerin eine Ermessensentscheidung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zu treffen, steht bereits entgegen, dass mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, die Industrie- und Handelskammer könnte in diesem Fall auf die Notwendigkeit hingewiesen haben, einen solchen Ausspruch eindeutig auf gewerbliche Betätigungen zu erstrecken, sonstige (z.B. künstlerische) Tätigkeiten jedoch hiervon auszunehmen.
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2.4 Vor diesem Hintergrund kann auf sich beruhen, ob der Verfahrensmangel, der in der ebenfalls unterbliebenen Anhörung der Klägerin zur erweiterten Gewerbeuntersagung liegt, dadurch gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt wurde, dass sie im Laufe des Berufungsverfahrens Gelegenheit besessen hat, sich zu diesem Gesichtspunkt zu äußern, und dass die Beklagte in Reaktion auf das diesbezügliche Vorbringen zu erkennen gegeben hat, an der getroffenen Entscheidung festhalten zu wollen.
66
3. Kann nach alledem die Nummer 2 des Bescheidstenors aber keinen Bestand haben, so ist auch die im Satz 1 der Nummer 6 des streitgegenständlichen Bescheids angesetzte Gebühr insoweit aufzuheben, als sie auf die erweiterte Gewerbeuntersagung entfällt. Nach der Tarif-Nr. 5.III.5/15 des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz darf für eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO eine zwischen 50 € und 2.000 € liegende Rahmengebühr erhoben werden. Angesichts des Ermessensspielraums, den Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG der öffentlichen Verwaltung bei der Bemessung der konkreten Gebührenhöhe innerhalb des normativ vorgegebenen Rahmens einräumt, wäre grundsätzlich nichts dagegen zu erinnern, wenn eine Behörde anlässlich eines Bescheids, durch den gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO lediglich das konkret ausgeübte Gewerbe untersagt wird, eine Gebühr von 450 € ansetzen würde, sofern dieser Betrag den beiden in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG vorgegebenen Bemessungskriterien Rechnung trägt. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Beklagte ausweislich ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bei einer „einfachen“ Gewerbeuntersagung in ständiger, gleichförmiger Verwaltungsübung eine Gebühr in Höhe von 400 € ansetzt. Da es im Fall der Klägerin bei dem auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützten Ausspruch sein Bewenden hat, kann sie gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV verlangen, in Übereinstimmung mit dieser Praxis der Beklagten behandelt zu werden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.