Titel:
Erweiterung der Tempo-30-Zone im Stadtgebiet
Normenketten:
StVO § 16 Abs. 2 S. 1, § 39 abs. 1, § 45 Abs. 1, Abs. 1c, Abs. 9 S. 1, S. 3 u S. 4 Nr. 4
VwGO § 113 Abs. 1, § 114 S 1 u 2
Leitsatz:
Ein Verkehrsteilnehmer kann im Rahmen der Anfechtung einer Geschwindigkeitsbeschränkung geltend machen, dass die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für die Anordnung nicht vorliegen. Ist er aber weder in Anwohner- oder Anliegerinteressen noch in seiner Berufsfreiheit, sondern nur in seinem allgemeinen Freiheitsrecht auf Teilnahme am Straßenverkehr aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen, steht ihm als sonstigem Verkehrsteilnehmer in der Ermessensprüfung keine besondere Rechtsposition zur Seite. (Rn. 23 und 42)
Schlagworte:
Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h, Qualifizierte Gefahrenlage auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse, Erweiterungen einer Tempo 30-Zone, Zwingende Erforderlichkeit auf Grund besonderer Umstände, Ergänzung der Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, Qualifizierte Interessen eines Verkehrsteilnehmers, Verkehrsteilnehmer, Gebot effektiven Rechtsschutzes, Radfahrer, Verkehrszeichen, Tempo 30-Zone, hohe Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte, besondere Gefahrenlage, Geschwindigkeitsbeschränkung, Stadtgebiet
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 18.11.2016 – AN 10 K 16.258
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 20.08.2019 – 3 B 35.18
Fundstelle:
BeckRS 2018, 14503
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18.November 2016 wird aufgehoben und die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren in beiden Instanzen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen zwei Erweiterungen einer Tempo 30-Zone und die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h im Stadtgebiet der Beklagten.
2
Mit verkehrsrechtlicher Anordnung Nr.15/41 vom 30.Januar 2015 ordnete die Beklagte auf der Gemeindeverbindungsstraße „Am Wegfeld“ zwischen der Einmündung des Georg Sippel Wegs und der westlich gelegenen Ausfahrt des Parkplatzes der Sportanlage des TSV Buch beidseitig ein Streckenverbotszeichen 274-53 bzw. 274-55 („Tempo 30“) an (ca. 420 Meter langes Teilstück). Zur Begründung führte sie aus, die Zeichen seien wegen der Kurvenlage, des an der Nordseite fehlenden Gehwegs und der Fußgängerquerungen erforderlich. Die bisherige Beschilderung mit Zeichen 136 (Gefahrzeichen Kinder) habe sich nicht als ausreichend gezeigt. Die entsprechenden Verkehrszeichen wurden am 18.Februar 2015 aufgestellt. Bei der Straße „Am Wegfeld“ handelt es sich nach dem Generalverkehrsplan der Beklagten um eine sonstige überörtliche oder örtliche Hauptverkehrsstraße.
3
Mit den verkehrsrechtlichen Anordnungen Nr.15/42 und 15/43 vom 30.Januar 2015 bezog die Beklagte den Seeweg und den Wehrenreuthweg, die in den streitgegenständlichen Teilstücken ebenfalls als Gemeindeverbindungsstraßen gewidmet sind, in die Tempo 30-Zone von Buch, die schon aufgrund verkehrsrechtlicher Anordnung vom 5.Mai 1987 eingerichtet worden ist, ein, da diese Straßen mangels Gehwegen von Fußgängern mitgenutzt werden müssten, in den Bereichen der einmündenden landwirtschaftlichen Wege Querungsbedarf und außerdem Rad- und landwirtschaftlicher Verkehr bestehe. Beide Wege dienten als Zugang zu den jeweiligen Bushaltestellen der Linie 33 an den Einmündungen zu der Straße „Am Wegfeld“. Der Wehrenreuthweg diene zusätzlich noch dem Zugang zu der südlich der Straße „Am Wegfeld“ gelegenen Sportanlage und werde von den Sportlerinnen und Sportlern, darunter auch vielen Kindern, genutzt. Die Anordnungen wurden auf §45 Abs. 1b StVO gestützt. Die Verkehrszeichen wurden am 19.Februar 2015 aufgestellt. Der Wehrenreuthweg ist zusätzlich noch mit Zeichen 262 der StVO auf Fahrzeuge mit 1,5 Tonnen tatsächlicher Masse mit Zusatzbeschilderung „Anlieger frei“ beschränkt.
4
Mit Schreiben vom 18.Januar 2016 erläuterte die Beklagte auf Nachfrage des Klägers nochmals die getroffenen verkehrsrechtlichen Anordnungen. Die Einrichtung von Zonengeschwindigkeitsbeschränkungen basiere auf einem Beschluss des Verkehrsausschusses des Stadtrates vom 30.April 1987, mit dem der Wunsch nach flächenhafter Verkehrsberuhigung geäußert worden sei. Die Straßen im Ortskern von Buch seien mit Anordnung vom 5.Mai 1987 am 21.Mai 1987 in eine Tempo 30-Zone einbezogen worden. Unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift zur StVO führte sie weiter aus, dass die innerhalb der Tempo 30-Zone aufgestellten Zeichen 301 (Vorrangzeichen Vorfahrt) der Sicherheit des Buslinienverkehrs und die Geschwindigkeitsbeschränkung in der Straße „Am Wegfeld“ dem Schutz der dort befindlichen Bushaltestellen, über die auch der Schulbusverkehr abgewickelt werde, dienten. Bei verschiedenen Verkehrsbeobachtungen sei festgestellt worden, dass die Sicherheitsbedenken der Bürgerinnen und Bürger begründet seien und durch die Geschwindigkeitsbeschränkung ein Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet werden könne.
5
Auf die am 18.Februar 2016 gegen die verkehrsrechtlichen Anordnungen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach die Anordnungen mit Urteil vom 18.November 2016 überwiegend aufgehoben. Hinsichtlich der Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h in der Straße „Am Wegfeld“ habe die Beklagte die Voraussetzungen des §45 Abs. 9 Satz2 StVO nicht beachtet. Danach dürften Beschränkungen des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn die vorherrschende Gefahrenlage auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sei und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteige. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Es bedürfe keiner Regelung durch Verkehrszeichen 274. Auch die erst nach Erlass des Streckenverbots von der Beklagten angeführten Zahlen (Belastung von 5.400 Fahrzeugen täglich, 49 Aussteiger und 41 Einsteiger an den Bushaltestellen, 24 Verkehrsunfälle in den fünf Jahren vor Anordnung mit 12 Verletzten und 2 Toten) ließen nicht erkennen, inwieweit das Verbot tatsächlich zwingend erforderlich sei. Es seien keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die die Voraussetzungen der §§39 Abs. 1, 45 Abs. 1, 45 Abs. 9 StVO erfüllen könnten. Darüber hinaus sei keine ermessensgerechte Entscheidung getroffen worden, da nicht alle erheblichen Belange hinreichend ermittelt worden seien. Selbst wenn man davon ausgehe, dass ein Betroffener nur qualifizierte Interessen, d.h. solche, die über das Interesse jedes Verkehrsteilnehmers hinausgehen, geltend machen könne, seien diese nicht hinreichend gewürdigt. Im Übrigen wäre es auch mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren, würde man einen Autofahrer trotz seiner nur geringen Betroffenheit von vornherein davon ausschließen, Ermessensfehler der Behörden geltend machen zu können.
6
Hinsichtlich der Ausweitung der Tempo 30-Zonen im See- und Wehrenreuthweg seien die gesetzlichen Kriterien ebenfalls nicht erfüllt. Auch hier dürften nach §39 Abs. 1 StVO Anordnungen durch Verkehrszeichen nur dort getroffen werden, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten sei. Dieser Grundsatz sei nur durch die Regelung des §39 Abs. 1a StVO modifiziert. Fraglich sei hier schon, ob die beiden Straßen, insbesondere der Seeweg, nicht überörtlichen Verkehr aufnehmen würden. Die Beklagte habe hierzu nichts ausgeführt. Des Weiteren handele es sich zwar um Straßen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft, es liege aber weder ein Wohngebiet noch ein Gebiet mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte und Querungsbedarf vor. Die Straßen würden eher landwirtschaftlichen Erschließungsstraßen entsprechen. Darüber hinaus seien die beiden Straßen zwar nicht als Vorfahrtsstraßen ausgewiesen, aber mit insgesamt fünf Verkehrszeichen 301 beschildert. Dass vorgetragen werde, dies sei dem Busverkehr geschuldet, reiche zur Rechtfertigung nicht aus. Den verkehrsrechtlichen Anordnungen seien weder die Umstände des Einzelfalls, die eine solche Vorgehensweise rechtfertigen würden, noch eine Ermessensentscheidung zu entnehmen. Unabhängig davon, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen würden, litten die Anordnungen auch an beachtlichen Ermessensfehlern. Ob §45 Abs. 9 Satz2 StVO auf die Anordnung von Tempo 30-Zonen anwendbar sei, könne daher offen bleiben.
7
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung, der der Kläger entgegentritt. Die Beklagte macht geltend, im Vorfeld der Einrichtung der Bushaltestellen „Seeweg“ und „Wehrenreuthweg“ sei von den Bürgerinnen und Bürgern der Wunsch auf Geschwindigkeitsreduzierung an sie herangetragen worden. Bei Verkehrsbeobachtungen sei festgestellt worden, dass die Bedenken begründet seien. Alle drei Straßen entsprächen nicht den Regelmaßen der RASt 06. Ein Ausbau sei nicht möglich. Die Straße „Am Wegfeld“ hat nach den vorgelegten Querschnitten im streitgegenständlichen Bereich eine Fahrbahnbreite zwischen 6,00 und 6,25 Metern, der Seeweg zwischen 6,30 und 6,56 Metern und der Wehrenreuthweg von 4,07 bis 4,08 Metern.
8
In der Straße „Am Wegfeld“, die nach einer Zählung vom 16.Februar 2017 in 24 Stunden von 8.106 Kraftfahrzeugen befahren wurde (Nachtanteil 6,2%, Spitzenstunde 752 Kfz/h), bestehe an der Nordseite kein durchgängiger Gehweg, sondern im Bereich der Wohnhäuser nur ein behelfsmäßiger Seitenstreifen, den die Fußgänger nutzen könnten. Querungshilfen seien nicht vorhanden. Es seien dort 46 Personen, davon drei minderjährige Kinder gemeldet. In der Straße „Am Wegfeld“ befänden sich Bushaltestellen, die täglich von 54 Ein- und Aussteigern benutzt würden. Die Sportanlagen würden von morgens bis abends 22.30 Uhr und auch am Wochenende genutzt. Für Querende sei die Übersicht auf Grund des jahreszeitlich bedingten Bewuchses im Seitenraum kaum möglich. Das Risiko für Fußgänger dort sei auch auf Grund des starken Anteils landwirtschaftlichen Verkehrs überproportional hoch. Wegen der schlechten Sichtverhältnisse sei auf Anregung des Bayerischen Bauernverbands bereits 1972 gegenüber der Einmündung „Wehrenreuthweg“ ein Verkehrsspiegel angebracht worden. Heute würden Verkehrsspiegel nur noch sehr restriktiv eingesetzt, weil sie nicht ausreichend seien, um Gefahrenstellen zu schützen. Sie seien oftmals beschlagen oder verkratzt und Geschwindigkeiten sowie Entfernungen könnten nicht korrekt eingeschätzt werden. Im Jahr 1981 sei die Warnbeschilderung Zeichen 136 der StVO angebracht worden, als die Bushaltestelle noch nicht eingerichtet gewesen sei. Ca. 84 Prozent der Verkehrsteilnehmer akzeptierten die Geschwindigkeitsbeschränkung. Auch die Unfallentwicklung zeige deren Wirksamkeit. Hauptunfallursache seien Vorfahrtsverletzungen gewesen. Dies deute auf mangelhafte Sichtbeziehungen und unangepasste Geschwindigkeit hin. Die Unfallzahlen seien zurückgegangen. Der vorgelegten Unfallstatistik kann entnommen werden, dass sich im Zeitraum 2009 bis 2014 nur insgesamt fünf der genannten 24 Unfälle im streitgegenständlichen Straßenabschnitt ereignet haben (Nr.4, Schädigung eines Radfahrers beim Abbiegen, Nrn. 20 bis 23, Nichtbeachten der Vorfahrt, Kollision von Kfz), in den Jahren 2015/2016 haben sich demgegenüber von den fünf genannten Unfällen nur zwei im streitgegenständlichen Abschnitt ereignet (Nr.3 und 4, Nichtbeachten der Vorfahrt, Kollision von Kfz).
9
Die verkehrsrechtliche Anordnung in der Straße „Am Wegfeld“ entspreche den Vorgaben der §39 Abs. 1, §45 Abs. 1 Satz1 und Abs. 9 StVO. Die Zusammenschau der genannten Gegebenheiten rechtfertige die Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen korrekt ausgeübt, da die bisherigen Mittel nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätten. Dabei sei zu berücksichtigten, dass angesichts der sehr strengen tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift des §45 Abs. 9 Satz1 StVO an die Ermessenausübung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien. Anordnungen nach §16 Abs. 2 Satz1 StVO, dass an der Haltestelle haltende Busse Warnblinklicht einschalten müssten, seien nicht erlassen worden, da dies nach den Erfahrungen der Verkehrsbetriebe keine spürbare Verbesserung bringe.
10
Auch die Anordnungen von Tempo 30-Zonen im See- und Wehrenreuthweg entsprächen den gesetzlichen Voraussetzungen des §39 Abs. 1a i.V.m. §45 Abs. 1c StVO, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.September 2017 vorliegen würden, wenn keine allgemeinen oder besonderen Verhaltensregeln ersichtlich seien, nach denen auf den beiden Straßen unter günstigsten Umständen mit einer Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h gefahren werden dürfe. Die Wege seien weder Hauptverkehrsstraßen noch dienten sie dem überörtlichen Verkehr. Es gebe an beiden Wegen keine tauglichen Gehwege für Fußgänger. Im Seeweg stehe nur ein sporadisch durch Leitpfosten abgesteckter „Seitenstreifen“ mit schwankender Breite zur Verfügung. Im Wehrenreuthweg bestehe noch nicht einmal ein Seitenstreifen. Über beide Wege führten Radrouten. Die Anordnung komme auch in anderen Gebieten als in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf in Betracht, in denen mit schutzbedürftigen Personen zu rechnen sei. Bei den Verkehrszählungen am 16.Februar 2017 seien für den Seeweg insgesamt 2759 Fahrzeuge in 24 Stunden mit einem Nachtanteil von 4,8% und für den Wehrenreuthweg 409 Fahrzeuge mit einem Nachtanteil von 1,7% festgestellt worden. Bei den stichprobenartigen Zählungen von Fußgängern und Radfahrern am 16.Februar 2017 seien von 7.30 bis 8.00 Uhr im Wehrenreuthweg zwei Fußgänger und im Seeweg ein Fußgänger und ein Radfahrer gezählt worden. Zwischen 16.00 und 16.30 Uhr im Wehrenreuthweg acht Fußgänger und neun Radfahrer, im Seeweg ein Fußgänger und sieben Radfahrer. Die Ausübung des Ermessens sei mit Blick auf die geringe Betroffenheit des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Er könne nur verlangen, dass gerade seine Interessen ohne Rechtsfehler mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener abgewogen würden. Abwägungserheblich seien dabei von vornherein nur qualifizierte Interessen, solche seien bei dem Kläger aber nicht ersichtlich. Gemäß einer Stellungnahme des Polizeipräsidiums Mittelfranken vom 6.Februar 2017 sei aufgrund der Vielzahl der Nutzungen, des hohen Verkehrsdrucks und der hieraus resultierenden Gefahrenlage, die Beibehaltung der Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h aus polizeilicher Sicht unbedingt erforderlich.
11
Mit Schriftsatz vom 29.März 2018 hat die Beklagte das Ermessen hinsichtlich der drei verkehrsrechtlichen Anordnungen ergänzt, die alle zum Schutz der nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmer vor den ihnen drohenden besonderen Gefahren erlassen worden seien. Dabei hat sie die Interessen der durch einen Zeitverlust nachteilig betroffenen Kraftfahrer gegen die Interessen der nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmer an einer sicheren Überquerung und einem sicheren Passieren der Straßen abgewogen. Für den Seeweg begründete die Beklagte ihre Entscheidung, trotz der Anordnung des Zeichens 301 eine Tempo 30-Zone anzuordnen.
12
Die Beklagte beantragt,
13
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18.November 2016 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
15
die Berufung zurückzuweisen.
16
Er macht geltend, die Voraussetzungen für die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung in der Straße „Am Wegfeld“ würden nicht vorliegen. Insbesondere sei eine solche nicht zwingend geboten. Es bestehe keine deutlich erhöhte Unfallgefahr. Die von der Beklagten vorgenommene Auswertung der Unfallzahlen sei irreführend. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen sei völlig unverhältnismäßig. Es würde Jahr für Jahr ca. 2,5 Millionen Kraftfahrern wertvolle Lebenszeit genommen. Die Fußgänger könnten auch bei dicht hintereinander 30 km/h fahrenden Kraftfahrzeugen nicht sicher queren. Die Kraftfahrer würden Tag für Tag über 90 Prozent der Zeit sinnlos 30 km/h fahren, obwohl kein Fußgänger oder Radfahrer in Sicht sei. Es gäbe wesentlich wirkungsvollere Maßnahmen zum Schutz der Fußgänger, z.B. könnte die Beklagte die Gehwege ausbauen, einen Zebrastreifen oder eine Fußgängerampel im Bereich der Bushaltestelle „Wehrenreuthweg“ anlegen und auf den Eigentümer der die Sicht etwas behindernden großen Fichte einwirken, damit diese gefällt werde. Durch Anordnung von Tempo 30 würden wesentlich mehr Menschen an ihrer körperlichen Unversehrtheit beschädigt werden als bei Tempo 50, denn Tempo 30 führe bei gleich bleibendem Verkehrsaufkommen zu einer ineffizienteren Nutzung des Verkehrsraums und damit einer höheren Schadstoffbelastung. Die angeordneten Beschränkungen würden im Zusammenspiel mit den weiteren Tempo 30-Beschränkungen im Stadtgebiet mehr Menschen töten und gefährden als durch sie gerettet würden, da auch Rettungsdienste wie Krankenwagen und Feuerwehr sich durch verstopfte Straßen und Staus zu Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten oder zu Wohnungsbränden durchkämpfen müssten.
17
Die Beklagte habe auch die Interessen der Kraftfahrer bei ihrer Güterabwägung nicht berücksichtigt. Es gäbe in dem streitgegenständlichen Bereich nur sehr wenige Fußgänger und Radfahrer. Der Kläger sei auch in seinen Interessen verletzt, da er am 2.November 2015 nicht bemerkt habe, dass das Ende der Tempo 30-Zone-Schild im Seeweg entfernt worden sei und er geblitzt worden sei. Er habe dafür zwei Punkte in Flensburg sowie ein Fahrverbot von einem Monat erhalten. Darüber hinaus stehe er inzwischen an 250 Tagen im Jahr durch die Vielzahl der von der Beklagten angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen regelmäßig im Stau und verliere dadurch wertvolle Lebenszeit, viel Geld durch sinnlosen Kraftstoffverbrauch und gefährde seine Gesundheit durch die vielen Luftschadstoffe. Nicht die einzelne Geschwindigkeitsbeschränkung sei das Problem, sondern deren Masse. Bei einer gerichtlichen Überprüfung sei daher eine Gesamtschau vorzunehmen. Die nachgeschobenen Ermessenserwägungen seien viel zu pauschal. Würde die Beklagte diese Begründung ernst nehmen, müsste sie den Straßenverkehr im gesamten Stadtgebiet verbieten. Dann würde aber die Versorgung mit Lebensmitteln zusammenbrechen und insbesondere Handwerker, Taxifahrer und Lieferanten ihre wirtschaftliche Existenz verlieren. Darüber hinaus habe die Beklagte auf dem Grundstück „Am Wegfeld 30“ einen Wechselwerbeträger genehmigt. Dies sei nach Art.14 Abs. 2 BayBO unzulässig, wenn sie davon ausgegangen wäre, dass an dieser Stelle bzw. in der Nähe erhöhter Querungsbedarf von Fußgängern bestehe. Gemessen an seiner Benutzungsintensität handele es sich beim Seeweg um eine Hauptstraße, die in einem Landkreis wegen ihrer Verkehrsbedeutung als Kreisstraße einzustufen wäre. Es sei hier inzident zu prüfen, ob die Einstufung der Straßen korrekt sei.
18
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Auf das Protokoll, die dortigen Feststellungen und die beigefügten Lichtbilder wird verwiesen.
19
Die Parteien haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21
Über die Berufung konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien darauf verzichtet haben (§101 Abs. 2 VwGO).
22
Die Berufung ist begründet. Die angegriffenen verkehrsrechtlichen Anordnungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§125 Abs. 1 Satz1 i.V.m. §113 Abs. 1 Satz1, §114 Satz1 und 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher aufzuheben und die Klagen insgesamt abzuweisen.
23
Ein Verkehrsteilnehmer kann als Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung seien nicht gegeben (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35.92 – BVerwGE 92, 32 Leitsatz 3). Verkehrsbeschränkungen müssen dem Übermaßverbot, der Eigentumsgarantie, dem Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung auch durch Ausübung des Gemeingebrauchs und dem Grundsatz der Berufsfreiheit standhalten (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, §45 Rn.26 m.w.N.). Hinsichtlich der behördlichen Ermessensausübung kann ein Verkehrsteilnehmer aber nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen (vgl. BVerwG a.a.O.).
24
Die streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h in der Straße „Am Wegfeld“ zwischen dem Georg Sippel Weg und der westlichen Ausfahrt des Parkplatzes des Sportplatzes des TSV Buch vom 30.Januar 2015 ist rechtmäßig. Es liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung vor und die Beklagte hat auch ermessensfehlerfrei gehandelt.
25
Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei der Anordnung von Verkehrszeichen um Dauerverwaltungsakte handelt (BVerwG, B.v. 1.9.2017 –3 B 50.16– NVwZ-RR 2018, 12 Rn.8). Nach §45 Abs. 1 Satz1 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 6.März 2013 (StVO, BGBlI S.367), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6.Oktober 2017 (BGBlI S.3549), können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nach §45 Abs. 9 Satz3 StVO aber nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
26
1. Der Senat geht aufgrund der beim Augenschein festgestellten örtlichen Verhältnisse davon aus, dass eine solche qualifizierte Gefährdungslage i.S.d. §45 Abs. 9 Satz3 StVO insbesondere für Radfahrer und Fußgänger bei einer notwendigen Querung auf Höhe der Einmündung des Wehrenreuthwegs, aber auch im Bereich des Sportplatzes besteht. Für die Annahme einer qualifizierten Gefährdungslage reicht es dabei aus, dass eine entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt. Es müssen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zusätzliche Schadensfälle zu erwarten sein (BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37.09 – BVerwGE 138, 21 Rn.27). Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von §45 Abs. 9 Satz3 StVO können bei verkehrsbehördlichen Maßnahmen insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand, der zur Verfügung stehenden Fläche für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr, den Ausweichmöglichkeiten, witterungsbedingten Einflüssen, der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung, der Verteilung des Verkehrs über den Tag und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. BVerwG, B.v. 3.1.2018 –3 B 58.16– juris Rn.21; B.v. 23.4.2013 –3 B 59.12– Buchholz 442.151 §45 StVO Nr.50 = juris Rn.9; U.v. 23.9.2010 a.a.O. Rn.26 m.w.N.). Zur Feststellung, ob eine konkrete Gefahrenlage vorliegt, bedarf es vor allem einer sorgfältigen Prüfung der Verkehrssituation, aber nicht der Ermittlung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes oder vertiefter Ermittlungen zur Frage, wie hoch konkret der Anteil an feststellbaren bzw. zu erwartenden Unfällen ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.4.2001 –3 C 23.00– NJW 2001, 3129 = juris Rn.28). §45 Abs. 9 Satz3 StVO ist in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs die speziellere Regelung gegenüber den allgemeinen Regelungen in §39 Abs. 1 und §45 Abs. 9 Satz1 StVO, die dadurch verdrängt werden (BVerwG, U.v. 23.9.2010 a.a.O. Rn.25; U.v. 18.11.2010 –3 C 42.09– BVerwGE 138, 159 Rn.23).
27
a) Die Straße „Am Wegfeld“ liegt innerhalb des Stadtgebiets der Beklagten, ist nach dem Generalverkehrsplan eine örtliche Hauptverkehrsstraße und dient auch als Querverbindung zwischen dem Flughafen Nürnberg und der Stadt Fürth. Die Verkehrsbelastung wurde bei einer automatischen Verkehrszählung am 16.Februar 2017 mit 8106 Fahrzeugen innerhalb 24 Stunden in beide Richtungen, davon 6,2 Prozent bei Nacht, ermittelt. Die höchste Belastung findet sich zwischen 7.30 und 8.00 Uhr mit 378 Fahrzeugen. Aufgrund der umliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen und Gewerbebetriebe und der über die Straße erreichbaren Wohngebiete wird die Straße auch von landwirtschaftlichem Verkehr, Schwerverkehr und den Bussen der Verkehrsbetriebe genutzt. Der Ausbauzustand entspricht nicht den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), die mit Schreiben der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.Februar 2009 (IID2-43411-001/06) zur Anwendung empfohlen wurden. Ein Gehweg ist nur auf der südlichen Seite vorhanden, der erst östlich der Haltestelle „Wehrenreuthweg“ auch für Fahrradfahrer freigegeben ist (Bild 7 der Anlage zum Augenscheinsprotokoll, im Folgenden: Anlage). Die nördlich der Straße gelegene Bushaltestelle „Wehrenreuthweg“ in Fahrtrichtung West ist nicht ausgebaut (Bild 5 der Anlage) und bietet keine bessere Querungsmöglichkeit als direkt an der Einmündung des Wehrenreuthwegs. Eine Querung der Straße „Am Wegfeld“ auf Höhe der Einmündung des Wehrenreuthwegs ist durch die Kurvenlage (Bild 8 und 17 der Anlage) stark erschwert. Der dortige Bewuchs und ggf. auf dem Seitenstreifen parkende Fahrzeuge erschweren die Sicht nach Osten, sodass herannahende Fahrzeuge erst spät gesehen werden können. Der gegenüber der Einmündung angebrachte Verkehrsspiegel bringt für Fußgänger keine Verbesserung, da er nur von der Fahrbahnmitte des Wehrenreuthwegs überhaupt einsehbar ist (Bild 9 der Anlage). Vom westlichen Fahrbahnrand des Wehrenreuthwegs, den Fußgänger üblicherweise nutzen werden, um möglichst weit entfernt von der Kurve zu queren, kann der Verkehrsspiegel nicht gut eingesehen werden (Bild 10 der Anlage). Im Übrigen verzerrt ein Verkehrsspiegel sehr stark und es ist schwierig, damit Entfernungen und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen. Angesichts der Verkehrsbelastung in der Hauptverkehrszeit von über 370 Fahrzeugen in 30 Minuten (378 Fahrzeuge zwischen 7.30 und 8.00 Uhr), zu der gerade auch Schülerinnen und Schüler die Bushaltestellen nutzen oder mit dem Fahrrad zur Schule fahren müssen, ist es in dieser Zeit besonders schwierig und gefährlich, die Straße zu überqueren. Aber auch für die Nutzer der Sportanlage des TSV Buch, die den Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen oder mit dem Bus an der nördlichen Fahrbahnseite aussteigen, ist eine Querung in den verkehrlich starken Zeiten am Nachmittag zwischen ca. 15.30 Uhr bis 18.30 Uhr, die für Sportangebote für Kinder und Jugendliche attraktiv sind, besonders schwierig.
28
Darüber hinaus ist auch die Ausfahrt mit einem Kraftfahrzeug aus dem Wehrenreuthweg in die Straße „Am Wegfeld“, insbesondere Richtung Osten, und die Ausfahrt aus dem Parkplatz der Sportanlage des TSV Buch wegen der Kurvenlage etwas erschwert. An der Einmündung des Wehrenreuthwegs und der östlichen Ausfahrt des Parkplatzes haben sich nach der Unfallstatistik in den Jahren 2010 bis 2016 insgesamt sechs Unfälle wegen Vorfahrtsverletzungen und Abbiegefehlern ereignet.
29
Die Zusammenschau des relativ hohen Verkehrsaufkommens auch mit schweren Fahrzeugen, des Ausbauzustands mit dem nur südseitigen Fußgängerweg, der nur teilweise für Radfahrer freigegeben ist, der nicht ausgebauten Bushaltestelle „Wehrenreuthweg“ an der nördlichen Fahrbahnseite, an der sich wartende Fahrgäste nur im unbefestigten Seitenstreifen aufhalten können, der besonders schwierigen Querungssituation für Fußgänger und Radfahrer an der Einmündung des Wehrenreuthwegs in die Straße „Am Wegfeld“ und der erschwerten Ausfahrtmöglichkeiten auch für Kraftfahrer aus dem Wehrenreuthweg und dem Parkplatz des TSV Buch ergibt hier eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Gesundheit, Leben und Eigentum der Verkehrsteilnehmer erheblich übersteigt.
30
b) Die Geschwindigkeitsbeschränkung ist auch geeignet, die Sicherheit insbesondere für Fußgänger und Radfahrer, aber auch für aus dem Wehrenreuthweg und dem Parkplatz des TSV Buch ausfahrende Kraftfahrzeuge, zu erhöhen. Die Auffassung des Klägers, es sei einfacher, zwischen Fahrzeugen zu queren, wenn diese schneller fahren, da dann größere Lücken verbleiben, überzeugt nicht. Ein Verkehrsteilnehmer muss zum gefahrlosen Überqueren einer Straße nach beiden Seiten überblicken können, ob eine Lücke ausreichend groß ist, damit ihm genügend Zeit zum Queren zur Verfügung steht. Nachdem angesichts der Kurvenlage die Straße „Am Wegfeld“ im Bereich der Einmündung des Wehrenreuthwegs nach Osten nicht weit eingesehen werden kann, wird ein verantwortungsbewusster Verkehrsteilnehmer sich entscheiden, erst dann zu queren, wenn er kein Fahrzeug herannahen sieht. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob sich ein Fahrzeug, das der Querende wegen der Kurvenlage gerade noch nicht sehen konnte und dessen Fahrer den Querenden auch nicht sehen konnte, mit 30 oder 50km/h nähert. Die Einschätzung der Polizei, dass die Situation angesichts der örtlichen Verhältnisse gefährlich sei und eine Rückkehr zu Tempo 50 nicht sinnvoll erscheine, kann der Kläger mit dieser Argumentation nicht erschüttern.
31
c) Die Anordnung ist auch erforderlich, obwohl nicht ständig zahlreiche Fußgänger und Radfahrer die Straße „Am Wegfeld“ queren müssen. Nach den Verkehrszählungen, die im Winter stattgefunden haben, sind in der Hauptverkehrszeit einige Fußgänger und Radfahrer unterwegs. Es ist davon auszugehen, dass Fuß- und Radverkehr auch außerhalb der Hauptverkehrszeiten stattfindet, denn die Schülerinnen und Schüler kommen regelmäßig zu unterschiedlichen Zeiten am Nachmittag nach Hause und die Sportanlage wird nach dem vorgelegten Belegungsplan von 16.00 bis 22.30 Uhr von Vereinen genutzt. Darüber hinaus befinden sich in der Verlängerung des Wehrenreuthwegs auf der südlichen Seite der Straße „Am Wegfeld“ eine Kleingartenanlage und in der Straße „Am Wegfeld“ Einkaufsmöglichkeiten (Gemüseladen, Baumarkt), die ggf. auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß angesteuert werden. Des Weiteren werden verschiedene Fahrradrouten über den Wehrenreuthweg geleitet, sodass auch mit Ausflüglern zu rechnen ist. Eine Querungshilfe (Fußgängersignalanlage oder Fußgängerüberweg [Zeichen 293 der StVO]) ist kein ebenso oder besser geeignetes Mittel, da die Voraussetzungen für solche Maßnahmen nach den Richtlinien für die Anlage von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001, VkBl 2001, 474) nicht gegeben sind, die nach den Richtlinien für die Anlage von Lichtsignalanlagen (RiLSA 2015, FGSV 321/8/15) auch für Fußgängersignalanlagen zu beachten sind.
32
d) Die Verkehrsbeschränkung verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot. Der Einwand des Klägers, in 90 Prozent der Zeit dürften die Kraftfahrer nur 30 km/h fahren, obwohl keine Fußgänger und Radfahrer queren wollten, ändert nichts daran, dass für querende Fußgänger und Radfahrer im konkreten Fall eine besondere Gefahrenlage besteht. Der Querungsbedarf ist auch nicht derartig untergeordnet, dass dadurch keine qualifizierte Gefahrenlage hervorgerufen wird. Die Geschwindigkeitsbeschränkung muss auch nicht auf die Tagzeit, z.B. zwischen 6 und 22 Uhr begrenzt werden. Zwar trifft es zu, dass außerhalb dieser Zeiten weniger Kraftfahrzeugverkehr stattfindet und auch weniger Fußgänger und Radfahrer zu erwarten sind. Die Geschwindigkeitsbeschränkung dient aber auch dem sicheren Ausfahren mit Kraftfahrzeugen aus dem Wehrenreuthweg und dem Parkplatz des TSV Buch, wo nach der Unfallstatistik regelmäßig Unfälle passiert sind. Diese Verkehrsvorgänge finden auch nachts statt. Darüber hinaus sind Verkehrszeichen und Verkehrsbeschränkungen umso wirksamer, je weniger sie bei Verkehrsteilnehmern die Frage aufwerfen können, ob eine Beschränkung gerade gilt oder nicht (vgl. BVerwG, U.v. 5.4.2001 –3 C 23.00– NJW 2001, 3139 = juris Rn.36).
33
Auch die Streckenlänge der angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung ist angemessen. Sie beginnt im Osten in ausreichendem Abstand zur Kurve, sodass sichergestellt ist, dass sich die Fahrzeuge der Einmündung des Wehrenreuthwegs mit einer reduzierten Geschwindigkeit nähern. Im Übrigen besteht auch schon im Bereich der Einmündung des Georg Sippel Wegs gelegentlich Querungsbedarf für Fußgänger und Radfahrer, um den an der Südseite der Straße „Am Wegfeld“ liegenden Gehweg, der dort auch für Radfahrer freigegeben ist, und die Bushaltestelle zu erreichen. Im Westen beginnt die Geschwindigkeitsbeschränkung vor der westlichen Ausfahrt aus dem Parkplatz des Sportplatzes, wo auch schon Querungsbedarf für nach Westen ausfahrende Fahrradfahrer und Kraftfahrzeuge besteht.
34
e) Die Straße „Am Wegfeld“ muss auch nicht zur Kreisstraße aufgestuft werden. Zum einen berührt eine Umstufung nach Art.7 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) in erster Linie die Rechtsverhältnisse der verschiedenen durch die Umstufung betroffenen Straßenbaulastträger (Art.9 Abs. 1 BayStrWG). Private Anlieger, die insoweit nicht betroffen sind, haben demgegenüber grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass eine Umstufung stattfindet oder unterbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2012 –8 ZB 11.1702– BayVBl 2013, 282 Rn.6). Ebenso haben Verkehrsteilnehmer wie der Kläger, die die Straße nur im Rahmen des Gemeingebrauchs nach Art.14 BayStrWG benutzen, keinen Anspruch auf Umstufung einer Straße (vgl. Häußler in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Mai 2017, Art.7 Rn.46). Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h auf einer Kreisstraße nicht ebenfalls möglich sein sollte, wenn die Voraussetzungen des §45 Abs. 9 Satz3 StVO vorliegen. Aus der Ausnahme in §45 Abs. 9 Satz4 Nr.6 StVO kann rückgeschlossen werden, dass im Übrigen eine innerörtliche streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des §45 Abs. 9 Satz3 StVO auch auf Straßen des überörtlichen Verkehrs zulässig ist.
35
f) Der Einwand des Klägers, es bestehe keine qualifizierte Gefährdungslage, da die Beklagte auf dem Grundstück „Am Wegfeld 30“ einen Wechselwerbeträger genehmigt habe, verfängt nicht. Selbst wenn der Wechselwerbeträger die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs i.S.v. Art.14 Abs. 2 BayBO gefährden sollte (vgl. dazu BayVGH, B.v. 27.10.2011 –15 ZB 10.2409– juris Rn.6; VG Augsburg, U.v. 31.1.2018 –Au 4 K 17.1683– juris Rn.30), wird damit nicht die festgestellte besondere Gefahrenlage entschärft, die an der Einmündung des Wehrenreuthwegs auch ohne den Werbeträger besteht. Die baurechtliche Bewertung des Werbeträgers kann somit dahinstehen.
36
Die besondere Gefahrenlage entfällt auch nicht, weil die Beklagte an der Bushaltestelle „Wehrenreuthweg“ nicht nach §16 Abs. 2 StVO angeordnet hat, dass Warnblinklicht eingeschaltet werden muss. Die Argumentation der Beklagten, die Verkehrsteilnehmer würden die an das Warnblinklicht anknüpfenden Verhaltensvorgaben nicht kennen und das Warnblinklicht würde nach Ansicht der Verkehrsbetriebe nichts nützen, erscheint zwar wenig überzeugend, ändert aber nichts daran, dass eine Gefahrenlage besteht.
37
2. Die Beklagte hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Aus §45 Abs. 9 Satz3 i.V.m. §45 Abs. 1 StVO folgt, dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des §45 Abs. 9 StVO im Ermessen der zuständigen Behörden stehen (BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37.09 – BVerwGE 138, 21 Rn.35). Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn.35; U.v. 5.4.2001 –3 C 23.00– NJW 2001, 3139 = juris Rn.22).
38
Bei der Überprüfung, ob die Behörde das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, ist zum einen zu berücksichtigen, dass aufgrund der hohen Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen des §45 Abs. 9 Satz1 und 3 StVO das Ermessen stark eingeschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2011 –11 B 11.910– juris Rn.39). Bei Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des §45 Abs. 9 Satz3 StVO, zumal bei einer konkreten Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben, ist in der Regel ein Tätigwerden der Behörde geboten und somit ihr Entschließungsermessen reduziert (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 a.a.O. Rn.35). Die Auswahl der Mittel ist indes nicht in bestimmter Weise durch die Verordnung vorgezeichnet; sie steht im Ermessen der Behörde. Zum anderen kann der Kläger nur rügen, die Beklagte habe ihn selbst betreffende qualifizierte Interessen nicht berücksichtigt, also solche, die über das Interesse jedes Verkehrsteilnehmers hinausgehen, in seiner Freiheit möglichst wenig beschränkt zu werden (vgl. BVerwG a.a.O. Rn.47).
39
Im vorliegenden Fall war es zulässig, das Ermessen nach §114 Satz2 VwGO noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu ergänzen, da auch in der ursprünglichen Anordnung vom 30.Januar 2015 Ermessenserwägungen enthalten waren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, §114 Rn.50). Die Beklagte hatte ausgeführt, dass die bisherige Warnbeschilderung sich nicht als ausreichend erwiesen habe. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie ihr Auswahlermessen erkannt hat und nunmehr erneut ausübt.
40
Die Ermessenausübung ist unter Berücksichtigung der Ergänzung nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§114 Satz1 VwGO). Die Beklagte hatte schon verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Situation an der Einmündung des Wehrenreuthwegs in die Straße „Am Wegfeld“ zu entschärfen. Zum einen hat sie im Jahr 1972 einen Verkehrsspiegel aufgestellt und diesen später erneuert. Zum anderen hat sie im Jahr 1981 Zeichen 136 der StVO (Allgemeines Gefahrzeichen „Kinder“) angeordnet und aufgestellt. Da diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben, konnte die Beklagte eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnen. Andere verkehrsrechtliche Maßnahmen, die ebenso wirkungsvoll sind, hat der Kläger nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich.
41
Auf einen Ausbau der Straße und Errichtung von Querungshilfen als vorrangige Maßnahme kann der Kläger die Beklagte nicht verweisen, weil er keinen Anspruch auf solche Baumaßnahmen hat (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 –3 C 37.09– BVerwGE 138, 21 Rn.46). Auch Art.9 Abs. 1 Satz4 und 5 BayStrWG vermittelt den darin genannten Personen keinen Anspruch auf Tätigwerden des Baulastträgers und einen ihren Bedürfnissen entsprechenden Ausbau einer Straße, auf den sie verwiesen werden könnten (vgl. Häußler in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Art.9 Rn.4b).
42
Die Interessen des Klägers sind in der Abwägung auch in einer nicht zu beanstandenden Weise berücksichtigt worden. Da der Kläger weder Anlieger der Straße „Am Wegfeld“ ist noch vorgetragen hat, zwingend darauf angewiesen zu sein, die Straße zum Erreichen seiner Kanzlei oder seiner Wohnung zu benutzen, da auch anderweitige Fahrmöglichkeiten bestehen, ist er als sonstiger Verkehrsteilnehmer nicht in qualifizierten Anlieger- bzw. Anwohnerrechten aus Art.2 Abs. 2 Satz1 GG, §45 Abs. 1 Satz2 Nr.3 StVO und Art.14 GG betroffen. Auch eine erhebliche Betroffenheit durch eine spezielle, über das durch Art.2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr hinausgehende grundrechtliche Betroffenheit, z.B. aus Art.12 Abs. 1 GG, ist nicht ersichtlich (vgl. Manssen, Öffentlichrechtlich geschützte Interessen bei der Anfechtung von Verkehrszeichen, NZV 1992, 465/470). Als sonstigem Verkehrsteilnehmer steht ihm keine besondere Rechtsposition in der Ermessenprüfung zu (vgl. Manssen a.a.O. S.471; BVerwG, U.v. 23.9.2010 a.a.O. Rn.47; VGH BW, U.v. 22.6.2016 – 5 S 515/14 – NJW 2016, 3798 Rn.54 m.w.N.). Die Rüge des Klägers, die Ermessensausübung sei sehr pauschal, berücksichtigt nicht, dass ihm keine qualifizierten Interessen zur Seite stehen, die individuell abgewogen werden müssten. Es erscheint unbedenklich, die wenige Sekunden längere Fahrzeit der motorisierten Verkehrsteilnehmer einschließlich des Klägers der Sicherheit der querenden Fußgänger und Radfahrer unterzuordnen.
43
Soweit der Kläger vorträgt, jährlich seien ca. 2,5 Millionen Fahrzeugführer von der Maßnahme betroffen und würden durch die Geschwindigkeitsbeschränkung wertvolle Lebenszeit verlieren, kann er damit nicht gehört werden. Er kann nach §113 Abs. 1 Satz1 VwGO nur eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen.
44
Sein weiteres umfangreiches Vorbringen, durch die zahlreichen Geschwindigkeitsbeschränkungen im Stadtgebiet der Beklagten komme es zu Staus, Zeitverlust, erhöhtem Kraftstoffverbrauch, Luftverunreinigungen, der Behinderung von Rettungsfahrzeugen usw. hat keinen Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Geschwindigkeitsbegrenzung. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass es durch die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Straße „Am Wegfeld“ zu einer Behinderung von Rettungsfahrzeugen kommen könnte. Völlig ausgeschlossen erscheint die Behinderung von Rettungsfahrzeugen, die die klägerische Wohnung oder seinen Kanzleisitz anfahren. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer gelegentlichen Benutzung der Straße „Am Wegfeld“ durch die Geschwindigkeitsbeschränkung einer erhöhten, gesundheitlich bedenklichen Feinstaub- oder Stickoxidbelastung ausgesetzt wäre, denn es ist schon nicht dargelegt, dass dort die gesetzlichen Grenzwerte überschritten werden. Ob Temporeduzierungen von 50 km/h auf 30km/h auf Hauptstraßen zu einer Erhöhung oder Verringerung der Schadstoffbelastung führen, ist ohnehin umstritten und wird derzeit z.B. auf einigen Hauptstraßen in Berlin im Rahmen eines Modellversuchs untersucht (vgl. Pressemitteilung vom 9.4.2018 auf www.berlin.de).
45
Die Erweiterung der schon bestehenden Tempo 30-Zone im Ortsteil Buch um Teilstücke des See- und des Wehrenreuthwegs ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Tempo 30-Zone vor und die Beklagte hat auch ermessensfehlerfrei gehandelt.
46
Für die Anordnung von Tempo 30-Zonen nach §45 Abs. 1c StVO sind gemäß §45 Abs. 9 Satz4 Nr.4 StVO die Anforderungen des §45 Abs. 9 Satz3 StVO nicht anwendbar. Die Anordnung oder Erweiterung einer Tempo 30-Zone ist daher nach §45 Abs. 9 Satz1 StVO zulässig, wenn sie auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist (BVerwG, B.v. 1.9.2017 –3 B 50.16– NVwZ-RR 2018, 12 Rn.7). Die Anordnung steht ebenfalls im Ermessen der Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2006 –11 ZB 04.3215– juris Rn.3ff.; VGH BW, U.v. 22.6.2016 –5 S 515/14– NJW 2016, 3798 Rn.54).
47
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des §45 Abs. 1c i.V.m. Abs. 1b Satz1 Nr.4 StVO für die Erweiterung der Tempo 30-Zone im See- und Wehrenreuthweg sind erfüllt. §45 Abs. 1c Satz1 StVO bestimmt, dass die Straßenverkehrsbehörden innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde anordnen. Gemäß §45 Abs. 1c Satz2 StVO darf sich die Zonen-Anordnung weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Darüber hinaus muss gemäß §45 Abs. 1c Satz4 StVO an Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone grundsätzlich die Vorfahrtsregel nach §8 Abs. 1 Satz1 StVO („rechts vor links“) gelten.
48
§45 Abs. 1c Satz1 StVO steht der Anordnung nicht entgegen, denn beide Straßen liegen innerhalb geschlossener Ortschaften. Ob es sich bei der im südlichen Teil des Seewegs gelegenen Bebauung unter Berücksichtigung des bald fertiggestellten Neubaus (Bild 14 und 15 der Anlage) um ein Wohngebiet i.S.d. §45 Abs. 1c Satz1 StVO handelt, kann dahinstehen, denn die in §45 Abs. 1c Satz1 StVO mit „insbesondere“ angeführten Beispiele stellen keine abschließende Regelung dar. Nach §39 Abs. 1a StVO ist innerhalb geschlossener Ortschaften abseits der Vorfahrtsstraßen (Zeichen 306) stets mit der Anordnung von Tempo 30-Zonen (Zeichen 274.1) zu rechnen. Da beide Straßen über keine ausgebauten Geh- und Radwege verfügen, teilweise eine sehr geringe Fahrbahnbreite aufweisen und die Verbindung des Ortsteils Buch zu den Bushaltestellen und dem Sportgelände in der Straße „Am Wegfeld“ darstellen, sind die Voraussetzungen des §45 Abs. 1c Satz1 StVO erfüllt, obgleich sich am Wehrenreuthweg im Bereich der Erweiterung der Tempo 30-Zone keine weitere Bebauung, sondern nur angrenzende landwirtschaftliche Flächen befinden.
49
Die Anordnung entspricht auch §45 Abs. 1c Satz2 und 4 StVO. Nach dem Generalverkehrsplan handelt es sich bei dem See- und Wehrenreuthweg nicht um Straßen des überörtlichen Verkehrs. Beide Wege sind im streitgegenständlichen Bereich als Gemeindeverbindungsstraßen gewidmet und nicht als Vorfahrtsstraßen ausgewiesen. In den Wehrenreuthweg mündet ein Feldweg, der nach §8 Abs. 1 Satz2 Nr.2 StVO untergeordnet und nicht beschildert ist. In den Seeweg münden im streitgegenständlichen Bereich mehrere Feldwege, die ebenfalls alle nach §8 Abs. 1 Satz2 Nr.2 StVO untergeordnet sind. Durch die an der Einmündung des gut ausgebauten und geteerten nördlichen Feldwegs in den Seeweg zur Klarstellung der Vorfahrtsregelung angebrachten Zeichen 301 (Vorfahrt) und Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) wird die nach §8 Abs. 1 Satz2 Nr.2 StVO bestehende Vorfahrtsregelung nicht geändert, sondern für die Verkehrsteilnehmer verdeutlicht, um Missverständnisse zu verhindern.
50
Soweit der Kläger vorträgt, in der schon seit 1987 bestehenden Tempo 30-Zone in Buch würden sich zahlreiche Vorfahrtsregeln finden, die §45 Abs. 1c Satz4 StVO widersprechen, kann er damit nicht gehört werden. Die Anordnung der bestehenden Tempo 30-Zone ist ihm gegenüber schon seit langer Zeit bestandskräftig. Er konnte nur die Erweiterung der bestehenden Tempo 30-Zone anfechten und deshalb ist die gerichtliche Prüfung auf diese beschränkt. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Anordnung der Tempo 30-Zone wegen der bestehenden Vorfahrtsregelungen rechtswidrig wäre, da nach §45 Abs. 1c Satz4 StVO die Vorfahrtsregel nach §8 Abs. 1 Satz1 StVO nur grundsätzlich gelten muss. Damit sind Ausnahmen, die – wie hier – einer flüssigen Abwicklung des Busverkehrs dienen, zulässig.
51
Eine inzidente Überprüfung der schon bestehenden Tempo-30-Zone mit dem Ziel, bei rechtswidriger Anordnung zumindest deren Erweiterung zu verhindern, kommt nicht in Betracht. Die vom Kläger geltend gemachte Problematik, innerhalb der Tempo 30-Zone bestünden zahlreiche Vorfahrtsregelungen mit Zeichen 301 und 205, zu denen nunmehr noch eine solche Vorfahrtsregelung an der Einmündung des nördlichen landwirtschaftlichen Wegs in den Seeweg hinzutrete, trifft so auch nicht zu. Der gut ausgebaute Feldweg ist nach §8 Abs. 1 Satz2 Nr.2 StVO untergeordnet und die Verkehrsteilnehmer wären auf dem Seeweg auch ohne die angebrachten Verkehrszeichen dort vorfahrtsberechtigt.
52
Beim Seeweg und beim Wehrenreuthweg handelt es sich auch nicht um Hauptstraßen mit erheblichem überörtlichem Durchgangsverkehr, in denen eine Tempo 30-Zone nicht angeordnet werden dürfte. Für die Frage, ob eine Straße des überörtlichen Verkehrs vorliegt, kommt es nicht auf die tatsächliche Verkehrssituation an, sondern §45 Abs. 1c Satz2 StVO meint Verkehr, der auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen abgewickelt wird (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2017 – 3 B 50.16 – NVwZ-RR 2018, 12 Rn.11). Um eine solche Straße handelt es sich auch beim Seeweg nicht.
53
Der Seeweg muss auch nicht als Kreisstraße aufgestuft werden. Zum einen hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass eine Straße aufgestuft wird (s.o. Nr. I.2.e). Zum anderen entspricht der Seeweg nicht den Kriterien nach Art.3 Abs. 1 Nr.2 BayStrWG für Kreisstraßen, da er weder dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises, dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Gemeinden oder dem erforderlichen Anschluss von Gemeinden an das überörtliche Verkehrsnetz dient oder zu dienen bestimmt ist und auch nicht an einem Ende an eine Bundesfernstraße, Staatsstraße oder andere Kreisstraße anschließt. Allenfalls findet dort unerwünschter Durchgangsverkehr statt, der grundsätzlich auf dem vorhandenen Hauptstraßennetz abgewickelt werden sollte.
54
Die Beklagte konnte angesichts der fehlenden Geh- und Radwege, der teilweise geringen Fahrbahnbreite und der Funktion der Straßen als Verbindung zu den Bushaltestellen und dem Sportgelände in der Straße „Am Wegfeld“ zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung nach §45 Abs. 1b Satz1 Nr.4 StVO die entsprechenden Regelungen treffen, da die Gefahr von Rechtsgutverletzungen zu Lasten der schwächeren Verkehrsteilnehmer (insbesondere Fußgänger und Radfahrer) besteht.
55
2. Auch die Voraussetzungen des §45 Abs. 9 Satz1 StVO sind gegeben. Danach ist die Anordnung einer Tempo 30-Zone zwingend erforderlich, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung nicht ausreichen, um die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen zu erreichen (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2017 – 3 B 50.16 – NVwZ-RR 2018, 12 Rn.6f.). Hier ist nicht ersichtlich, dass die Grundregeln des §1 Abs. 1 und 2 StVO und die allgemeinen Verhaltensregeln in §3 Abs. 1 und 2a StVO in der Zusammenschau mit dem Ausbauzustand und der Beschaffenheit der Straßen es bei gleichzeitiger Nutzung durch Kraftfahrzeuge, Fußgänger und Fahrradfahrer zuverlässig verhindern könnten, dass Kraftfahrzeuge, ggf. unter Nutzung des Banketts, schneller als 30 km/h fahren. Damit können die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen, nämlich die Verlangsamung des Kraftfahrzeugverkehrs zum Schutz der Anlieger, der Fußgänger und Radfahrer ohne die Zonenanordnung nicht erreicht werden.
56
Die Gewichtsbeschränkung im Wehrenreuthweg macht die Anordnung dort auch nicht überflüssig oder unverhältnismäßig, denn Anlieger sind von der Beschränkung ausgenommen (Bild 13 der Anlage). Es ist daher auch dort mit landwirtschaftlichem Verkehr und Lieferverkehr mit größeren Fahrzeugen zu rechnen. Angesichts der geringen Fahrbahnbreite sind auch schon bei gleichzeitiger Nutzung durch Personenkraftwagen und Fußgänger oder Radfahrer Gefahren für die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu besorgen.
57
3. Die Beklagte hat auch ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere war es zulässig, das Ermessen nach §114 Satz2 VwGO noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu ergänzen, da die Beklagte ihr Ermessen zur Anordnung von Tempo 30-Zonen schon grundsätzlich dahingehend ausgeübt hat, diese anzuordnen, wo dies rechtlich möglich ist und es sich bei den streitgegenständlichen Maßnahmen auch nur um die Erweiterung einer schon bestehenden Zone handelt.
58
Der Verkehrsausschuss der Beklagten hat schon am 6.November 1986 beschlossen, die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h solle im gesamten Stadtgebiet eingeführt werden. Zuerst waren die Gebiete gemäß den Stufen 2 – 4 des Erfahrungsberichts in die zonenmäßige Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h aufzunehmen und dann für die übrigen Nürnberger Wohngebiete zeitnah geeignete Vorschläge zur Einführung der Tempo 30-Regelung zu erarbeiten. Daraus ist ersichtlich, dass die Beklagte schon lange die Einführung von Tempo 30-Zonen befürwortet und sich dazu entschlossen hat, alle Gebiete einzubeziehen, die sich dafür eignen. Damit hat sie ihr Ermessen grundsätzlich dahingehend ausgeübt, Tempo 30-Zonen, soweit rechtlich möglich, einzurichten. Die Tempo 30-Zone in Buch war dabei gemäß dem Beschluss des Verkehrsausschusses vom 6.November 1986 in der Stufe 2 enthalten und wurde mit Anordnung vom 5.Mai 1987 umgesetzt. Sämtliche weiteren Begründungen in den Anordnungen vom 30.Januar 2015 und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach §114 Satz2 VwGO dienten nur der Ausfüllung des schon grundsätzlich durch den Verkehrsausschuss ausgeübten Ermessens.
59
Als sonstigem Verkehrsteilnehmer steht dem Kläger auch keine besondere Rechtsposition in der Ermessenprüfung zu (s.o. Nr. I.2; vgl. Manssen, Öffentlichrechtlich geschützte Interessen bei der Anfechtung von Verkehrszeichen, NZV 1992, 465/470f.). Qualifizierte Interessen des Klägers, auf den kurzen Teilstücken der beiden Wege schneller als 30 km/h fahren zu können, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es erscheint auch in diesem Bereich unbedenklich, die wenige Sekunden längere Fahrzeit aller motorisierten Verkehrsteilnehmer einschließlich des Klägers der Sicherheit der Anlieger, Fußgänger und Radfahrer unterzuordnen.
60
Auch der Umstand, dass der Kläger die Erweiterung der Tempo 30-Zone zuerst nicht bemerkt hatte und deshalb eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, führt nicht dazu, dass ihm qualifizierte Interessen zustehen würden. Es ist Sache jedes Verkehrsteilnehmers, sich bei der Verkehrsteilnahme über die geltenden Vorschriftszeichen einen Überblick zu verschaffen und diese zu befolgen (§41 Abs. 1 StVO). Mit Zeichenänderungen muss jederzeit gerechnet werden (vgl. König in Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, §39 StVO Rn.38).
61
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §709 ZPO.
62
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des §132 Abs. 2 Nr.1 und 2 VwGO vorliegt.