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VollzBekLStVG
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2011-I

Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes
(VollzBekLStVG)

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern
vom 8. August 1986, Az. IC2-2105-1/16

(MABl. S. 361)

Zitiervorschlag: Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (VollzBekLStVG) vom 8. August 1986 (MABl. S. 361), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 16. Juni 2023 (BayMBl. Nr. 324) geändert worden ist

Zum Vollzug des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (BayRS 2011-2-I) werden folgende Hinweise gegeben (die Randnummern entsprechen den jeweiligen Gesetzesartikeln; Artikel ohne Gesetzesbezeichnung sind solche des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes):

1.   Allgemeine Vorschriften

1.1  

Der Erste Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes gilt für alle Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände des Landesrechts und stellt einen allgemeinen Teil des Landesstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Bayern dar. Jede Ahndungsnorm im Bereich des Landesrechts ist nach diesen Bestimmungen zu handhaben.

1.2  

Handlung im Sinn von Art. 1 ist jedes menschliche Verhalten, sei es ein aktives Tun oder ein Unterlassen, soweit ein aktives Tun durch Rechtspflicht geboten ist.

3.   Ordnungswidrigkeiten

Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (BGBl I S. 80, 520), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 7. Juli 1986 (BGBl I S. 977), gilt grundsätzlich auch für die Ordnungswidrigkeiten des Landesrechts (vgl. hierzu neben Art. 3 auch § 2 OWiG).
Die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (§§ 35, 36 OWiG) ist in der Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht – ZuVOWiG – (BayRS 454-1-I), zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 1986 (GVBl S. 21), geregelt. Eine Zusammenfassung weiterer Zuständigkeitsregelungen enthält Nummer 2 der Bekanntmachung zum Vollzug des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 8. März 1977 (MABl S. 385), zuletzt geändert durch Bek vom 7. Juli 1983 (MABl S. 521).

4.   Zuwiderhandlungen

4.1  

Art. 4 Abs. 1 gilt für Verordnungen, die aufgrund des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes erlassen werden, und für alle sonstigen auf Landesrecht beruhenden Rechtsvorschriften.
Rechtsvorschriften im Rang unter dem Gesetz sind aufgrund des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes oder anderer landes- oder bundesgesetzlicher Ermächtigungen erlassene Rechtsverordnungen und Satzungen der Selbstverwaltungskörperschaften.

4.2  

Strafen und Geldbußen dürfen verfassungsrechtlichen Grundsätzen zufolge nur verhängt werden, wenn die Strafbarkeit der Handlung vor der Tat gesetzlich bestimmt war (Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes, Art. 104 Abs. 1 der Verfassung und § 1 StGB, § 3 OWiG). Für die Bewehrung von Rechtsvorschriften, die aufgrund eines Gesetzes von der Exekutive erlassen wurden, schreibt Art. 4 Abs. 1 daher die ausdrückliche Verweisung auf zugrundeliegende gesetzliche Straf- und Bußgeldvorschriften vor. Straf- und Bußgeldsanktionen setzen eine gesetzliche Grundsatzentscheidung, etwa in Form einer sogenannten Blankettnorm, voraus. Fehlt eine solche Blankettnorm in dem zugrundeliegenden Gesetz, können Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen oder Satzungen nicht mit Geldbuße geahndet werden. Ihre Beachtung kann nur im Weg des Verwaltungszwangs nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – (BayRS 2010-2-l) durchgesetzt werden.

4.3  

Art. 4 Abs. 2 gilt für bußgeldbewehrte Anordnungen für den Einzelfall, die auf dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz, auf anderen Landesgesetzen und Verordnungen sowie auf Satzungen der Selbstverwaltungskörperschaften beruhen.
Für Einzelanordnungen als Verwaltungsakte wird auf Art. 35 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG – (BayRS 2010-1-l) hingewiesen.

4.4  

Ermächtigt eine Vorschrift des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes zum Erlass einer Verordnung, dann kann auf eine solche Ermächtigung nicht unmittelbar eine Einzelanordnung gestützt werden. Wohl aber kann eine aufgrund des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes erlassene Verordnung Befugnisnormen zum Erlass von Einzelanordnungen enthalten. Umgekehrt kann auf eine Befugnis zu Einzelanordnungen keine Verordnung gestützt werden.

6.   Aufgaben der Sicherheitsbehörden

6.1  

Der Zweite Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes regelt Zuständigkeit, Aufgaben und, soweit keine speziellen Befugnisse nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften bestehen, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Die Art. 6 bis 10 entsprechen für die Sicherheitsbehörden inhaltlich den Art. 2, 4, 7, 8, 10 und 11 des Polizeiaufgabengesetzes (BayRS 2012-1-1-l) für die Polizei.

6.2  

Die Art. 6 bis 11 kommen zur Anwendung, wenn Aufgabe und Befugnis nicht durch besondere Rechtsvorschriften im Dritten Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes oder im besonderen Sicherheitsrecht (z.B. die in Nummer 7.3 genannten Vorschriften) geregelt sind (Subsidiarität sicherheitsrechtlicher Generalklauseln).

6.3  

Gemeinden im Sinn von Art. 6 sind die kreisangehörigen Gemeinden, die Großen Kreisstädte und die kreisfreien Gemeinden, die neben den örtlichen noch mit den Sicherheitsaufgaben der Landratsämter betraut sind (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Gemeindeordnung). In der Regel werden die Gemeinden bei Erfüllung der Aufgaben nach Art. 6 im übertragenen Wirkungskreis tätig (Art. 8 der Gemeindeordnung).
Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften sind Sicherheitsbehörden nach Art. 6 grundsätzlich nur in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung); unberührt davon bleibt der verwaltungsmäßige Vollzug der Aufgaben der Mitgliedsgemeinden durch die Verwaltungsgemeinschaft (Art. 4 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung). In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises sind die Mitgliedsgemeinden ausnahmsweise Sicherheitsbehörden in den Fällen des Art. 4 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung (vgl. hierzu die Verordnung über die Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften, BayRS 2020-2-1-1-l); ansonsten nimmt die Verwaltungsgemeinschaft auch als Sicherheitsbehörde die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung wahr.

6.4  

Zu den Begriffen öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung und Gefahr wird auf Nummer 2.2 der vom 28. August 1978 (MABl S. 629), zuletzt geändert durch Bek vom 11. Juli 1985 (MABl S. 340), verwiesen.
Inhaltlich entspricht Art. 6 für die Sicherheitsbehörden der Aufgabenzuweisungsnorm des Art. 2 Abs. 1 des Polizeiaufgabengesetzes für die Polizei.

6.5  

Art. 6 legt eine Mehrfachkompetenz der dort genannten Sicherheitsbehörden fest. Da die untere Verwaltungsbehörde in erster Linie für die auf ihren örtlichen Bereich beschränkten Aufgaben zuständig ist, wird die höhere Behörde nach eigenem Recht erst dann Maßnahmen ergreifen, wenn die untere nicht oder nicht ausreichend tätig wird (vgl. den Rechtsgedanken der Art. 44 und 46 und BayVGH, BayVBl 1974, S. 471). Gesetzliche Zuständigkeitsschranken, etwa für die Landratsämter oder Regierungen, bestehen aber insoweit nicht.

6.6  

Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung obliegt neben den Sicherheitsbehörden für spezielle Bereiche (z.B. Berg-, Bau-, Gewerbe-, Wasser-, Luftaufsicht-, Waffen- und Sprengstoffwesen) auch anderen (Fach-)Behörden. Deren Zuständigkeit bleibt von Art. 6 unberührt.

7.   Befugnisse der Sicherheitsbehörden

7.1  

Anordnungen im Sinn von Art. 7 Abs. 1 sind Anordnungen für den Einzelfall sowie Verordnungen, d.h. allgemein verbindliche Gebote und Verbote, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Zahl von natürlichen oder juristischen Personen gerichtet sind und gleichbleibend gelten.
Eine sonstige Maßnahme ist die Regelung eines Einzelfalls ohne vorausgehende Anordnung durch unmittelbaren Zugriff der Behörde auf eine Person oder Sache (vgl. Art. 7 Abs. 3, sog. Tatmaßnahme).

7.2  

Gesetzliche Ermächtigung im Sinn von Art. 7 Abs. 2 ist die Befugnisnorm in einem Spezialgesetz oder im Dritten Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes.
Anordnungen für den Einzelfall im Sinn von Art. 7 Abs. 2 können mit den Mitteln des Verwaltungszwangs nach den Art. 29 ff. des VwZVG vollstreckt werden, wenn die Anordnung unanfechtbar geworden oder die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet ist.

7.3  

Insbesondere folgende Spezialvorschriften gehen den Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 vor:
§§ 5, 15, 17a des Versammlungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1978 (BGBl I S. 1789), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 1985 (BGBl I S. 1511)
§ 40 Abs. 1 des Waffengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1976 (BGBl I S. 432), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
§ 15 Abs. 2, §§ 24a, 35, 51 Abs. 1, § 56 a Abs. 3, §§ 59, 60d, 70a der Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Januar 1978 (BGBl I S. 97), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 15. Mai 1986 (BGBl I S. 721)
§§ 16, 17, 19 des Gaststättengesetzes vom 5. Mai 1970 (BGBl I S. 465, berichtigt S. 1298), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Juli 1976 (BGBl I S. 1773)
§ 16 Abs. 3 der Handwerksordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Dezember 1965 (BGBl I 1966 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 24. April 1986 (BGBl I S. 560)
§§ 20, 24, 25 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974 (BGBl I S. 721, berichtigt S. 1193), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl I S. 1165)
§ 10 Abs. 1, §§ 10a, 10b, 11 Abs. 4, § 13 Abs. 1, §§ 34, 36, 37, 38 und 46 des Bundes-Seuchengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1979 (BGBl I S. 2262), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 1985 (BGBl I S. 1254)
§ 11 ff., § 79 Abs. 4 des Tierseuchengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 1980 (BGBl I S. 386)
§ 2 Abs. 2 des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 (BGBl I S. 1277), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. März 1975 (BGBl I S. 705)
§ 13 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (RGBl I S. 1451), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 1977 (BGBl I S. 2750)
§§ 71 bis 73 des Bundesberggesetzes vom 13. August 1980 (BGBl I S. 1310)
§ 9 Abs. 2, § 10 Abs. 2 des Abfallbeseitigungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Januar 1977 (BGBl I S. 41, berichtigt S. 288), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
Art. 12, 13, 14, 15 Abs. 4 Satz 1, Art. 19 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Abfallgesetzes (BayRS 2129-2-1-U); Art. 19 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Abfallgesetzes ist Spezialbestimmung gegenüber Art. 7 Abs. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes
Art. 12 Abs. 2, Art. 19 Abs. 5, Art. 23, 24 Abs. 2, Art. 26 Abs. 2, Art. 28 Abs. 3, Art. 29 Abs. 1, Art. 61 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes
Art. 63, 81, 82 der Bayerischen Bauordnung (BayRS 2132-1-I)
Art. 5 Abs. 1, Art. 6a Abs. 4 und 5, Art. 6d Abs. 3, Art. 9 Abs. 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 13a Abs. 3, Art. 20a Abs. 4, Art. 26, 30 Abs. 3, Art. 31, 48 Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayRS 791-1-U); Art. 33a Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes ist Spezialbestimmung gegenüber Art. 7 Abs. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes
Art. 68 Abs. 3 des Bayerischen Wassergesetzes (BayRS 753-1-I)
Art. 18 Abs. 1 und 2 des Unterbringungsgesetzes (BayRS 2128-1-I)
Art. 14 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes (BayRS 2127-1-I)
Art. 5 des Bayerischen Sammlungsgesetzes (BayRS 2185-1-I)
§ 28 der Garagenverordnung (BayRS 2132-1-4-I)
§ 126 der Versammlungsstättenverordnung (BayRS 2132-1-5-I)
Art. 4 des Gesetzes über den Vollzug des Lebensmittelrechts (BayRS 2125-1-I)
Art. 3 Abs. 1, Art. 4, 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 3, Art. 7 Abs. 2, Art. 8 des Wohnungsaufsichtsgesetzes (BayRS 2330-1-I)
§ 24 der Verordnung über die Verhütung von Bränden (BayRS 215-2-1-I)
§ 9 der Verordnung über die Feuerbeschau (BayRS 215-2-4-I)

7.4  

7.4.1  

Verhüten ist jede vorbeugende Tätigkeit der Sicherheitsbehörden, die darauf gerichtet ist, konkret drohende Handlungen nicht zustande kommen zu lassen, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung verursachen.
Unterbinden heißt die Fortsetzung einer bereits begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Handlung verhindern.
Beseitigen bedeutet einen Zustand aufheben, beenden oder die ihn verursachende Handlung rückgängig machen.
Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, sind im Privateigentum oder im Eigentum des Staates oder anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehende bewegliche Sachen oder Grundstücke, die aus überwiegendem Allgemeininteresse vor Zerstörung zu schützen und zu erhalten sind.

7.4.2  

Primäre Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist die Verhütung oder Unterbindung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Hierfür räumt Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 die notwendige Befugnis ein. Dem Gesetzeswortlaut zufolge kommt es dabei nicht auf ein Verschulden des Betroffenen an; das Gleiche gilt für die Bekämpfung von verfassungsfeindlichen Handlungen im Sinn von Art. 7 Abs. 5.
Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 enthält die Befugnis, durch solche Handlungen verursachte Gefahrenzustände zu beseitigen.
Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 enthält eine allgemeine Befugnis zur Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung, wenn Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen konkret gefährdet oder verletzt sind. Diese existentiellen Schutzgüter (vgl. Art. 1, 2 des Grundgesetzes, Art. 100 ff. der Verfassung) genießen absoluten Vorrang gegenüber anderen Rechten. Zu ihrem Schutz räumt Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 den Sicherheitsbehörden eine generalklauselartige Befugnisnorm ein. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich von der Beseitigung drohender Felsstürze über das Verbot von Veranstaltungen bis zur zwangsweisen Unterbringung von Obdachlosen durch Beschlagnahmeanordnungen (vgl. Nummer 7.6.3). Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 befugt darüber hinaus zur Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung, wenn Sachwerte bedroht oder verletzt sind, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse, d.h. im Interesse der Allgemeinheit, geboten erscheint. Die Erfordernisse der Notwendigkeit, der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit bleiben unberührt.
Art. 7 Abs. 2, insbesondere Nummer 3, stellt einen allgemeinen Auffangtatbestand dar, der dann Anwendung findet, wenn spezielle Rechtsvorschriften nicht in Betracht kommen (vgl. Nummer 6.2).

7.5  

7.5.1  

Art. 7 Abs. 3 sieht ein unmittelbares Tätigwerden der Sicherheitsbehörden vor, wenn Maßnahmen nach Absatz 2 nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgversprechend sind (sog. Tatmaßnahme).
Eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 ist dann nicht möglich, wenn tatsächliche Gründe entgegenstehen, so z.B. wenn eine verantwortliche Person nicht vorhanden, nicht bekannt oder nicht feststellbar ist.
Eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 ist nicht zulässig, wenn ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlangt wird, das einen Gesetzesverstoß darstellt. Einer Anordnung können auch privatrechtliche Verpflichtungen des Normadressaten (z.B. Verträge) und sonstige öffentlich-rechtliche Gründe (z.B. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vgl. Art. 8) entgegenstehen.
Unzulässig und zudem nicht erfolgversprechend ist eine Anordnung auch, wenn ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlangt wird, das für den Betroffenen objektiv oder subjektiv unmöglich ist oder für diesen ein unzumutbares Opfer bedeutet (z.B. Art. 9 Abs. 3 Satz 2).
Eine Anordnung verspricht auch dann keinen Erfolg, wenn die verantwortliche Person zwar bekannt ist oder festgestellt werden kann, aber nicht so rechtzeitig erreichbar ist, wie es die Abwehr der Gefahr oder die Beseitigung der Störung erfordert.

7.5.2  

Unmittelbare Maßnahmen im Sinn von Art. 7 Abs. 3 (vgl. auch die unmittelbare Ausführung nach Art. 9 des Polizeiaufgabengesetzes) treffen die Sicherheitsbehörden durch eigene Bedienstete und/oder unter Einsatz eigener Sachmittel (z.B. mit Maschinen des gemeindlichen Bauhofs oder mit Geräten der Feuerwehr).

7.5.3  

Sofern sich die Gefahr oder Störung durch die Polizei abwehren oder beseitigen lässt, kann diese von der Sicherheitsbehörde als ausführendes Organ bestimmt werden. Die Maßnahme wird von der Polizei im Rahmen einer zugewiesenen Aufgabe im Sinn von Art. 2 Abs. 4 des Polizeiaufgabengesetzes getroffen, bleibt aber ein Verwaltungsakt der Sicherheitsbehörde. Rechtsgrundlage für die polizeilichen Maßnahmen ist dabei nicht das materielle Polizeirecht, sondern Art. 7 Abs. 3.

7.5.4  

Die Sicherheitsbehörde kann eine Gefahr oder Störung auch durch vertraglich Beauftragte abwehren oder beseitigen. Vertraglich Beauftragte im Sinn von Art. 7 Abs. 3 sind Unternehmer, die aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen (z.B. nach § 631 ff. BGB) von der Sicherheitsbehörde mit der unmittelbaren Ausführung beauftragt worden sind (z.B. Handwerksbetriebe, Sachverständige).

7.5.5  

Für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 werden Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den allgemeinen kostenrechtlichen Vorschriften erhoben. Kostenschuldner ist der Verantwortliche, soweit sein Tun oder Unterlassen für die Amtshandlung ursächlich war und er dieses Tun oder Unterlassen zu vertreten hat.

7.6  

7.6.1  

Maßnahmen, die Art. 7 Abs. 4 für die Sicherheitsbehörden ausschließt, können zur Abwehr konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung von der Polizei anhand der polizeirechtlichen Befugnisnormen getroffen werden, auch wenn kein unaufschiebbarer Fall im Sinn von Art. 3 des Polizeiaufgabengesetzes vorliegt. In diesem Zusammenhang wird auf das Weisungsrecht der Sicherheitsbehörden gegenüber der Polizei gemäß Art. 9 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes (BayRS 2012-2-1-I) hingewiesen (vgl. auch Art. 10 Satz 2).

7.6.2  

Nach Art. 7 Abs. 2 und 3 nicht einschränkbare Grundrechte sind die Freiheit der Person und die Unverletzlichkeit der Wohnung (vgl. Art. 7 Abs. 4). Allerdings lässt Art. 13 Abs. 3 des Grundgesetzes zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen Eingriffe und Beschränkungen gegenüber dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung mit Ausnahme von Durchsuchungen auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung zu.
Das Grundrecht auf Eigentum kann durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nach Art. 7 Abs. 2 und 3 eingeschränkt werden (vgl. Art. 58).

7.6.3  

Zur zwangsweisen Unterbringung Obdachloser wird auf die Gemeinsame Bekanntmachung der Staatsministerien des Innern und für Arbeit und Sozialordnung vom 15. Februar 1982 (MABl S. 148) verwiesen.

8.   Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

8.1  

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt über das Sicherheits- und Polizeirecht hinaus für das gesamte Verwaltungsrecht und hat Verfassungsrang (vgl. hierzu Art. 4 des Polizeiaufgabengesetzes und Nummer 4 VollzBekPAG).

8.1.1  

Möglich sind Maßnahmen, für die eine Befugnisnorm besteht, denen keine rechtlichen Schranken entgegenstehen und die nach Sachlage tatsächlich ausführbar sind.

8.1.2  

Geeignet sind Maßnahmen, die nicht nur rechtlich und tatsächlich möglich sind, sondern mit denen der angestrebte Zweck auch ganz oder wenigstens teilweise erreicht werden kann.

8.2  

Sind mehrere geeignete Maßnahmen möglich, so ist die Maßnahme zu treffen, die für den Betroffenen und die Allgemeinheit die geringste Beeinträchtigung bedeutet.

8.3  

Ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden steht dann außer Verhältnis zum Erfolg, wenn er bei gewissenhafter Abwägung aller Gesichtspunkte größer ist als der durch die eingetretene oder zu befürchtende Störung verursachte Schaden, der durch die Maßnahme verhütet oder beseitigt werden soll. Das Missverhältnis muss zum Zeitpunkt des Handelns für die Behörde erkennbar sein.

8.4  

Die Beendigung einer Maßnahme kann rein tatsächlich erfolgen. Verordnungen sind stets ausdrücklich aufzuheben.

9.   Richtung der Maßnahmen

9.1  

Art. 9 entspricht inhaltlich den Art. 7, 8 und 10 des Polizeiaufgabengesetzes.

9.2  

Eine Gefahr oder Störung verursacht derjenige, der durch sein Verhalten oder seinen Zustand allein oder im Zusammenwirken mit anderen die Gefahr oder Störung hervorruft (Handlungsstörer bzw. -verantwortlicher). Dabei werden weder Verschulden noch Schuldfähigkeit oder Rechtswidrigkeit vorausgesetzt.

9.3  

Die Aufsicht über eine Person hat derjenige, dessen Verantwortung die Person rechtlich oder tatsächlich anvertraut ist.

9.4  

Inhaber der tatsächlichen Gewalt im Sinn von Art. 9 Abs. 2 ist derjenige, der aufgrund eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besitzt (Zustandsstörer bzw. -verantwortlicher).

9.5  

Soweit nach Art. 9 Abs. 1 und 2 Maßnahmen auch gegen andere Verantwortliche zulässig sind, obliegt der Sicherheitsbehörde ein Auswahlermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 8) und nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Art. 40 BayVwVfG). Dabei ist in erster Linie zu berücksichtigen, wie die öffentliche Sicherheit oder Ordnung am ehestmöglichen aufrechterhalten werden kann. Zum Verhältnis zwischen Handlungs- und Zustandsverantwortlichkeit wird auf die Nummern 8.9 und 9.3 VollzBekPAG hingewiesen.

9.6  

Nach Art. 9 Abs. 3 können die Sicherheitsbehörden Maßnahmen gegen Unbeteiligte (Nichtstörer bzw. -verantwortliche) richten, wenn weder ein Vorgehen gegen die Verantwortlichen noch eigene Maßnahmen möglich, ausreichend oder zulässig sind. Es handelt sich hier aber um eine eng auszulegende Ausnahmenvorschrift für Hilfeleistungen in besonderen Gefahren- oder Notsituationen.
Eine unmittelbare Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 ist dann nicht möglich, wenn die Schwierigkeit der Maßnahme besondere Sachkenntnisse oder technische Mittel erfordert, über welche weder die Sicherheitsbehörde noch die Polizei noch der vertraglich Beauftragte verfügen, während ein Unbeteiligter sie besitzt.
Eine Maßnahme nach Art. 7 Abs. 3 ist nicht ausreichend, wenn durch den Einsatz der Sicherheitsbehörde, der Polizei oder eines vertraglich Beauftragten nur ein Teilerfolg, durch die hoheitliche Inanspruchnahme eines Unbeteiligten hingegen der volle Erfolg erzielt werden könnte.

9.7  

Eine Gefährdung des Unbeteiligten an Leben oder Gesundheit im Sinn von Art. 9 Abs. 3 ist jede objektiv erkennbare Lebensgefahr oder nicht nur geringfügige Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit.
Andere Pflichten im Sinn von Art. 9 Abs. 3 sind gegen die vorliegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwägen. Dabei wiegt eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit stets schwerer als eine solche für Sachwerte; eine bereits eingetretene Störung kann gewichtiger sein als eine lediglich drohende Gefahr. Ausschlaggebend ist die höherwertige Verpflichtung des Betroffenen (vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 4 des Polizeiaufgabengesetzes, Nummern 10.3 und 10.4 VollzBekPAG).

10.   Sicherheitsbehörden und Polizei

10.1  

Widersprechende Maßnahmen der Polizei sind solche, die mit Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nicht in Einklang zu bringen sind, weil sie zu einem widerstreitenden Ergebnis führen würden.
Trifft die Sicherheitsbehörde im Anschluss an eine polizeiliche Maßnahme eine dieser widersprechende Maßnahme, so besteht die polizeiliche Maßnahme zwar zunächst fort, wird aber nicht mehr vollzogen. Die Polizei ist verpflichtet, ihre Maßnahme gegebenenfalls aufzuheben und einen schon vorgenommenen Vollzug rückgängig zu machen.

10.2  

Zur Abgrenzung des Aufgabenbereichs der Sicherheitsbehörden und der Polizei wird auf Art. 3 des Polizeiaufgabengesetzes und Art. 9 des Polizeiorganisationsgesetzes verwiesen.

10.3  

Auf folgende Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden, die Polizei zu ihrer Unterstützung heranzuziehen bzw. ihr Weisungen zu erteilen, wird hingewiesen (vgl. ergänzend Nummer 29.2 VollzBekPAG):
Art. 9 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes für Weisungen im polizeilichen Aufgabenbereich
Art. 7 Abs. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes zum unmittelbaren Zugriff der Sicherheitsbehörde
Art. 29 Abs. 1 des Polizeiaufgabengesetzes zur Vollzugshilfe
Art. 4 ff. BayVwVfG zur Amtshilfe
Art. 37 Abs. 2 VwZVG zur Vollstreckungshilfe
Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 Abs. 3 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (BayRS 215-4-1-I) zur Katastrophenhilfe.
Bei Weisungen nach Art. 9 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes handelt die Polizei auf der Grundlage des materiellen Polizeirechts. Die Maßnahme wird rechtlich nur ihr zugeordnet, während die Weisung der Sicherheitsbehörde als innerdienstlicher Rechtsakt einzuordnen ist.

11.   Entschädigung

11.1  

Maßnahmen im Sinn von Art. 11 Abs. 1 können nur Einzelmaßnahmen der Sicherheitsbehörden sein. Demgegenüber ist Art. 11 Abs. 2 auch auf Verordnungen anzuwenden.

11.2  

Der Entschädigungsanspruch aus Art. 11 Abs. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 des Polizeiaufgabengesetzes setzt seitens des Anspruchsberechtigten – des Nichtverantwortlichen im Sinn von Art. 9 Abs. 3 – den Nachweis voraus, dass bestimmte Maßnahmen der Sicherheitsbehörde den Eintritt eines Schadens verursacht haben. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme oder ein Verschulden wird nicht geprüft. Ein Anspruch aus Amtshaftung (Art. 34 des Grundgesetzes, § 839 BGB) setzt dagegen voraus, dass ein Schaden durch eine Maßnahme der Sicherheitsbehörde in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter schuldhafter Verletzung einer Amtspflicht erfolgt ist, die dem Geschädigten gegenüber obliegt.

11.3  

Soweit Art. 11 Abs. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes in Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 des Polizeiaufgabengesetzes den Entschädigungsanspruch Unbeteiligter betrifft, die nicht Verantwortliche im Sinn von Art. 9 Abs. 1 und 2 sind und gegen die nicht sonstige Maßnahmen der Sicherheitsbehörden gemäß Art. 9 Abs. 3 getroffen worden sind, besteht außer bei Tötung und Körperverletzung nur ein Entschädigungsanspruch, wenn diesen Personen ein nicht zumutbarer sonstiger Schaden entstanden ist. Bloße Unannehmlichkeiten und geringfügige Opfer müssen hingenommen werden.

11.4  

Die Entschädigung nach Art. 11 wird nur für materielle Schäden gewährt. Der Ersatz immaterieller Schäden (§ 253 BGB) wie z.B. Schmerzensgeld (§ 847 BGB) ist lediglich bei schuldhaften Amtspflichtverletzungen (vgl. Art. 34 des Grundgesetzes, § 839 BGB) möglich.

11.5  

Träger der Behörde im Sinn von Art. 11 Abs. 1 ist bei gemeindlichen Maßnahmen die Gemeinde, bei Maßnahmen einer Regierung oder des Staatsministeriums des Innern der Freistaat Bayern. Hat ein Landratsamt eine Maßnahme getroffen, so ist der Landkreis verpflichtet, soweit nicht der Staat nach Art. 35 Abs. 3 oder Art. 37 Abs. 5 der Landkreisordnung haftet, weil ein Landrat oder ein Staats- oder Kreisbediensteter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt schuldhaft seine Amtspflicht verletzt und es sich um die Erfüllung von Staatsaufgaben gehandelt hat.
Bei Maßnahmen einer Verwaltungsgesellschaft im übertragenen Wirkungskreis (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung) ist Träger der Behörde die Verwaltungsgemeinschaft. Handelt die Verwaltungsgemeinschaft im eigenen Wirkungskreis der Mitgliedsgemeinden (Art. 4 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung), so verbleibt die Trägerschaft bei der jeweiligen Mitgliedsgemeinde.

11.6  

Eine Enteignung ist der gesetzlich zulässige zwangsweise Eingriff eines Hoheitsträgers in das Eigentum, der den Betroffenen im Vergleich zu anderen ungleich trifft und ihm in besonderem Maße vermögenswerte Rechte beschneidet oder entzieht. Der Begriff im Sinn von Art. 11 Abs. 2 schließt auch den enteignungsgleichen Eingriff ein. Darunter wird ein ohne Rechtsgrundlage erfolgter Eingriff in das Eigentum verstanden, der nach Inhalt und Wirkung einer Enteignung entspricht.

12.   Übertragbare Krankheiten

Der Dritte Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes enthält Ermächtigungen zum Erlass von Verordnungen sowie Befugnisse für Einzelanordnungen, die gegenüber Art. 7 Abs. 2 und 3 vorrangig sind.

12.1  

Der Begriff der übertragbaren Krankheiten ist in § 1 des Bundes-Seuchengesetzes bestimmt. Daneben wird auf folgende bundesrechtliche Vorschriften hingewiesen:
§ 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. Juli 1953 (BGBl I S. 700), zuletzt geändert durch Art. 66 des Gesetzes vom 2. März 1974 (BGBl I S. 469)
§ 9 Abs. 1 Nr. 3 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vom 15. August 1974 (BGBl I S. 1945, berichtigt BGBl I 1975 S. 2652), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2445)
§ 13 des Milchgesetzes vom 31. Juli 1930 (BGBl III 7842-2), zuletzt geändert durch Art. 28 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
§ 14 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl I S. 191), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Oktober 1974 (BGBl I S. 2879).

12.2  

Art. 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 lassen landesrechtliche Vorschriften über das Verbot der Ausübung bestimmter Tätigkeiten oder der Beschäftigung in bestimmten Betrieben zu, die über diejenigen des § 17 des Bundes-Seuchengesetzes hinausgehen oder sich auf weitere als die darin genannten Personen erstrecken (vgl. § 80 Nr. 7 des Bundes-Seuchengesetzes). Auf die Verordnung über den Verkehr mit Backwaren, Konditoreiwaren und Speiseeis (BayRS 2125-5-1-I) und die Verordnung über den Verkehr mit Lebensmitteln tierischer Herkunft (BayRS 2125-5-2-I) wird hingewiesen.

15.   Reinlichkeit in Betrieben

15.1  

Zur Reinlichkeit in Lebensmittelbetrieben wird auf das Lebensmittel- und Bedarfgegenständegesetz (vgl. Nummer 12.1) und die darauf beruhenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften einschließlich der Lebensmittelhygiene-Verordnungen der Landkreise hingewiesen.

15.2  

Folgende Bestimmungen enthalten spezielle Hygienevorschriften:
Fleischbeschaugesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September 1981 (BGBl I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. April 1986 (BGBl I S. 398)
Milchgesetz
Bundes-Seuchengesetz
§ 120b der Gewerbeordnung.

16.   Bekämpfung verwilderter Tauben

16.1  

Verwilderte Tauben sind Haustauben, die nicht (mehr) von Menschen gehalten werden.

16.2  

Die Haustaube (verwilderte Form) gehört nicht zu den besonders geschützten heimischen Tierarten, so dass eine Bekämpfung grundsätzlich möglich ist. Zu beachten sind jedoch die Vorschriften des Naturschutz- und Tierschutzrechts, die vor allem Quälen, Misshandeln sowie unnötiges Fangen oder Töten verbieten (vgl. Art. 16 des Bayerischen Naturschutzgesetzes, § 4 des Tierschutzgesetzes). Bei der Bekämpfung selbst sind die Verbote des Art. 10 Abs. 2 des Naturschutz-Ergänzungsgesetzes zu beachten.

16.3  

Auf die Möglichkeit eines Verbots der Taubenhaltung und -fütterung auf der Grundlage des § 10 Abs. 1 Satz 1des Bundes-Seuchengesetzes durch die Kreisverwaltungsbehörde (§ 1 der Verordnung zur Ausführung des Bundes-Seuchengesetzes) wird hingewiesen. Voraussetzung ist ein konkreter Seuchenverdacht, der das Auftreten einer übertragbaren Krankheit wahrscheinlich sein lässt.

18.   Halten von Hunden

18.1  

Als große Hunde können Hunde mit einer Schulterhöhe von mindestens 50 cm angesehen werden. Zu den großen Hunden gehören u. a. erwachsene Hunde der Rassen Schäferhund, Boxer, Dobermann, Rottweiler und Deutsche Dogge.

18.2  

Einschränkungen des freien Umherlaufens können durch Verordnung generell für alle großen Hunde und Kampfhunde oder differenziert für einzelne Rassen oder Gruppen von Hunden bestimmt werden. Insbesondere kommt die Festlegung von Anleinpflichten in Frage. Dabei kann die zulässige Höchstlänge von Leinen bestimmt werden. Es empfiehlt sich die Festlegung, dass nur reißfeste Leinen verwendet werden dürfen. Als Grundlage für die Einführung eines Maulkorbzwangs kommt Absatz 1 nicht in Betracht.
Der räumliche und zeitliche Geltungsbereich der Verordnung ist auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen. Dabei kommt insbesondere eine Begrenzung auf bestimmte öffentliche Anlagen, Wege, Straßen oder Plätze (z.B. Fußgängerzonen) in Betracht. In größeren zusammenhängenden Siedlungsbereichen gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in ausreichendem Maße geeignete öffentliche Flächen vom Leinenzwang auszunehmen, um dem Bewegungsbedürfnis der Hunde Rechnung zu tragen (vgl. § 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz in der Fassung der Bek vom 18. August 1986 (BGBl I S. 1319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. August 1990 (BGBl I S. 1762). Für besonders empfindliche Bereiche (z.B. den näheren Umgriff von Kinderspielplätzen) kann das Mitführen von großen Hunden und Kampfhunden ganz ausgeschlossen werden.
Von der Geltung der Verordnung sind auszunehmen
a)
Blindenführhunde,
b)
Diensthunde der Polizei, des Strafvollzugs, des Bundesgrenzschutzes, der Zollverwaltung, der Bundesbahn und der Bundeswehr im Einsatz,
c)
Hunde, die zum Hüten einer Herde eingesetzt sind,
d)
Hunde, die die für Rettungshunde vorgesehenen Prüfungen bestanden haben und als Rettungshunde für den Zivilschutz, den Katastrophenschutz oder den Rettungsdienst eingesetzt sind, sowie
e)
im Bewachungsgewerbe eingesetzte Hunde, soweit der Einsatz dies erfordert.
Weist die Gemeinde im räumlichen Umgriff durch Anschläge oder Zeichen auf die Verordnung gesondert hin, so ist auch auf die Ausnahmeregelung zugunsten der Blindenführhunde hinzuweisen.

18.3  

Absatz 2 enthält die Befugnis für den Erlass von Einzelfallanordnungen zum Halten von Hunden (z.B. Anleinpflicht, Maulkorbpflicht, Schließvorrichtungen und Warnschilder am Grundstück). Der Erlass von Einzelfallanordnungen ist für alle Hunde möglich. Einzelfallanordnungen, die über das Halten hinausgehen (z.B. Wegnahme oder Tötung des Hundes), sind dagegen auf Art. 7 Abs. 2 zu stützen.

19.   Veranstaltung von Vergnügungen

19.1   Begriffsbestimmungen

19.1.1  

Vergnügung im Sinn von Art. 19 ist eine Veranstaltung, die dazu bestimmt und geeignet ist, die Besucher zu unterhalten, zu belustigen, zu zerstreuen oder zu entspannen.
Keine Vergnügungen sind Veranstaltungen, die vorwiegend der künstlerischen oder kulturellen Erbauung, der Unterweisung, Belehrung oder religiösen Zwecken dienen. Das ist nicht der Fall, wenn lediglich der Erlös der Veranstaltung für diese Zwecke verwendet wird. Sportveranstaltungen sind dann Vergnügungen, wenn es dem Veranstalter wesentlich auf die Zuschauer ankommt (z.B. Profifußballspiele). Das gilt insbesondere, wenn er die Veranstaltung öffentlich ankündigt, Zuschauer einlädt, Entgelt verlangt oder Einrichtungen für die Zuschauer bereitstellt.
Keine Vergnügung im Sinn von Art. 19 ist das nicht organisierte Faschingstreiben auf den Straßen (vgl. dazu aber Art. 23).

19.1.2  

Eine Vergnügung veranstaltet, wer sie organisiert, leitet oder in sonstiger Weise wesentliche Voraussetzungen für sie schafft. Als Mitveranstalter ist anzusehen, wer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung der Veranstaltung ausübt, wenn seine Mitwirkung selbständig und gleichwertig neben die Tätigkeit dessen tritt, der wegen seiner wirtschaftlichen Beteiligung in erster Linie als Veranstalter erscheint. Es reicht aus, wenn von mehreren Veranstaltern einer Vergnügung nur einem die Erlaubnis erteilt wird.

19.1.3  

Öffentlich ist eine Vergnügung, wenn die Teilnahme nicht auf einen bestimmten, durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbundenen, abgegrenzten Personenkreis beschränkt ist.

19.1.4  

Belästigungen im Sinn von Art. 19 Abs. 4 sind das normale Maß übersteigende Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, ohne dass eine konkrete Gefahr für die Gesundheit vorliegen muss. Dabei sind für die Beurteilung ortsübliche Maßstäbe ausschlaggebend.

19.1.5  

Nachbarschaft sind alle Personen, die infolge eines nahen räumlichen Zusammenhangs mit dem Ort der Vergnügung auf gewisse Dauer von den schädlichen Einwirkungen der Veranstaltung betroffen sind.

19.1.6  

Erhebliche Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft können insbesondere eintreten, wenn die Veranstaltung auf oder in der Nähe von geschützten oder ökologisch wertvollen Flächen durchgeführt wird oder wenn sie während der Brut- oder Aufzuchtszeit von Vögeln (15. März bis 15. Juli) in Gebieten mit bedeutenden Brutstätten (z.B. Feuchtwiesen, Feldgehölzen) stattfinden soll. Dabei sind auch die von den Zuschauern zu erwartenden Störungen mit zu berücksichtigen. Stellt die Veranstaltung einen Eingriff im Sinn von Art. 6 des Bayerischen Naturschutzgesetzes dar, können sich Auflagen oder die Untersagung auch aus Art. 6a Abs. 1 bis 3 des Bayerischen Naturschutzgesetzes ergeben.

19.2   Anzeige- bzw. Erlaubnisverfahren

19.2.1  

Aufgrund der Anzeige gemäß Art. 19 Abs. 1 hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob die Durchführung der beabsichtigten Vergnügung Gefahren für die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 genannten Rechtsgüter erwarten lässt. Maßgebend ist hierfür der Erkenntnisstand, der sich vor der Veranstaltung gewinnen lässt. Hierzu kann die Anhörung von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten oder sonstigen Fachdienststellen erforderlich sein. Sind Gefahren nicht zu erwarten und brauchen keine Anordnungen für den Einzelfall getroffen zu werden (Art. 19 Abs. 5), so duldet die Behörde den Ablauf der angezeigten Vergnügung ohne förmliche Entscheidung.

19.2.2  

In der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 soll darauf hingewiesen werden, dass sie unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Auch nach Erteilung der Erlaubnis sind noch Anordnungen nach Absatz 5 zulässig; unter den dort genannten Voraussetzungen ist auch eine Untersagung möglich.

19.2.3  

Das Versagen der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 ist nicht zulässig, wenn Auflagen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) als milderes Mittel zur Gefahrenverhütung ausreichen.

19.2.4  

Von der Erteilung einer Erlaubnis (einschließlich der verfügten Auflagen), von der Zurücknahme, dem Widerruf und der Versagung oder sonstigen Maßnahmen der zuständigen Behörde nach Art. 19 sind, soweit erforderlich, die örtliche Polizeidienststelle, die Feuerwehr, die Rettungsdienste und ggf. sonstige Fachdienststellen unverzüglich zu unterrichten.

19.2.5  

Überlässt der Inhaber einer Erlaubnis nach § 33a der Gewerbeordnung seine Räume dem Veranstalter einer nicht unter Nummer 19.2.8 fallenden öffentlichen Darbietung, so gilt für diesen Veranstalter Art. 19.

19.2.6  

Für öffentliche Vergnügungen, die gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen veranstaltet werden, gelten die Vorschriften über die Sperrzeit (vgl. § 18 des Gaststättengesetzes, § 1 Abs. 3 und 4, §§ 16 bis 19 der Gaststättenverordnung, BayRS 7130-1-W, und die Bek vom 14. Mai 1971, MABl S. 624).

19.2.7  

Ist für Teile einer Vergnügung eine Erlaubnispflicht oder eine Anordnungsbefugnis nach anderen Rechtsvorschriften gegeben (z.B. gaststättenrechtliche Erlaubnisse im Rahmen eines Volksfestes), so beschränken sich Anordnungen oder Erlaubnisse nach Art. 19 auf den Bereich, der nicht sondergesetzlich geregelt ist. Umfasst eine Vergnügung über das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände hinaus noch weitere vom Veranstalter organisierte Darbietungen, Hilfsmittel oder sonstige Beiträge, die dem Zweck der Vergnügung dienen (z.B. Bereitstellung von Sitzgelegenheiten, Absperrung zum Zweck der Erhebung eines Eintrittsgeldes), so ist eine Anzeige oder Erlaubnis erforderlich; Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 und Auflagen in der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 können sich jedoch nicht auf den durch das Sprengstoffrecht erfassten Bereich erstrecken.

19.2.8  

Für folgende Veranstaltungen schließen spezialgesetzliche Regelungen eine Anzeige- oder Erlaubnispflicht nach Art. 19 aus:
Vergnügungen, die durch Verordnung der Gemeinde nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 von dieser Pflicht befreit sind
Vergnügungen, für deren Veranstaltung eine Erlaubnis nach den §§ 33a, 33d, 33i oder 60a der Gewerbeordnung notwendig ist oder nach § 5a der Spielverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1985 (BGBl I S. 2245), eine Erlaubnis nicht erforderlich ist (vgl. aber Nummer 19.2.5)
Volksfeste, für deren Veranstaltung eine Anzeige nach § 60 Abs. 3 der Gewerbeordnung erforderlich ist
die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen (vgl. hierzu das Gesetz über das Lotteriespiel, BayRS 2187-2-F, und die Lotterieverordnung, BayRS 2187-3-I)
der Betrieb einer Spielbank im Sinn des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken (BayRS 2187-1-I) und der Verordnung über öffentliche Spielbanken (BayRS 2187-1-1-I)
Luftfahrtveranstaltungen (vgl. § 24 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 1981, BGBl I S. 61, zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes vom 24. April 1986, BGBl I S. 560)
rad- oder motorsportliche Veranstaltungen sowie sonstige Veranstaltungen im Sinn von Abschnitt A Nr. III.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 Abs. 2 StVO (vgl. hierzu Nummer 19.3.1.2, letzter Absatz), die ausschließlich auf öffentlichem Verkehrsgrund stattfinden (vgl. § 29 StVO)
das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 bis 3 des Sprengstoffgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. April 1986 (BGBl I S. 577), § 4 Abs. 2, §§ 23, 24 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1983 (BGBl I S. 744), vgl. jedoch Nummer 19.2.7.
Dem Anwendungsbereich des Art. 19 unterliegen ferner nicht solche Veranstaltungen, die gesetzlich verboten sind (z.B. unerlaubte Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele gemäß § 284 StGB).

19.2.9  

Werden öffentliche Vergnügungen in fahrenden Verkehrsmitteln (z.B. Schiffen, Omnibussen) veranstaltet, ist für die Anzeige oder Erlaubnis die Behörde örtlich zuständig, in deren Gebiet die Fahrt beginnt.
Eine bundesrechtliche Vorschrift im Sinn von Art. 19 Abs. 9 ist § 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 (BGBl I S. 955), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1689).
Besondere landesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 19 Abs. 9 bestehen in Art. 16 und 25 des Bayerischen Eisenbahn- und Bergbahngesetzes (BayRS 932-1-W) und in § 51 der Schifffahrtsordnung (BayRS 95-5-W).

19.2.10  

Ferner sind zu beachten
Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (BayRS 1131-3-I)
Bayerisches Immissionsschutzgesetz (BayRS 2129-1-1-U)
Bayerisches Naturschutzgesetz (BayRS 791-1-U) sowie Schutzgebietsvorschriften, einstweilige Sicherstellungen und Veränderungssperren aufgrund des Naturschutzrechts.

19.3  

Art. 19 gilt auch für motorsportliche Veranstaltungen, wenn sie zumindest teilweise oder auch ganz außerhalb einer verkehrsrechtlich öffentlichen Fläche stattfinden (vgl. hierzu aber Nummer 19.2.8). Auch Radsportveranstaltungen sind in der Regel als Vergnügungen im Sinn von Nummer 19.1.1 anzusehen.
Für die Erteilung der Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 und für Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 sind bei motorsportlichen Veranstaltungen neben den kreisfreien Gemeinden und Landratsämtern auch die Großen Kreisstädte zuständig (vgl. § 1 Nr. 12 der Verordnung über die Aufgaben der Großen Kreisstädte, BayRS 2020-1-1-3-I).
Neben der Erlaubnis/Anzeige nach Art. 19 können noch weitere Ausnahmegenehmigungen oder Erlaubnisse erforderlich sein, z.B. nach der Straßenverkehrs-Ordnung, nach dem Feiertagsgesetz oder nach dem Bayerischen Immissionsschutzgesetz (vgl. Nummer 19.2.10). In Fällen, in denen für die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen oder Erlaubnisse unterschiedliche Behörden oder Stellen zuständig sind, ist eine gegenseitige Beteiligung angezeigt.
Werden motorsportliche Veranstaltungen teils auf öffentlichem Verkehrsgrund, teils außerhalb abgehalten, so hat sich die Kreisverwaltungsbehörde vorher mit der für die Erlaubnis zuständigen Straßenverkehrsbehörde (vgl. Art. 1 des Gesetzes zum Vollzug der Straßenverkehrs-Ordnung, BayRS 9212-1-I, und die Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach der Straßenverkehrs-Ordnung, BayRS 9212-1-1-I) ins Benehmen zu setzen.

19.3.1  

Die Erlaubnisbehörde hat durch entsprechende Maßnahmen, Auflagen oder Bedingungen sicherzustellen, dass die folgenden allgemeinen Grundsätze eingehalten werden:

19.3.1.1  

Rennen mit Kraftfahrzeugen sind Wagenrennen, Motorradrennen und Sonder-(Wertungs-)prüfungen mit Renncharakter. Auf die Art des Starts (gemeinsamer Start, Gruppenstart, Einzelstart) kommt es dabei nicht an.

19.3.1.2  

Auf das Erholungs- und Ruhebedürfnis der Bevölkerung ist besondere Rücksicht zu nehmen.
Findet die Veranstaltung innerhalb einer genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinn von § 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 5 Nr. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes statt, so gilt für den Lärmschutz das Bundes-Immissionsschutzgesetz in Verbindung mit Nummer 10.17 des Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BlmSchV) vom 24. Juli 1985 (BGBl I S. 1586).
Bei Veranstaltungen, die nicht auf einer genehmigungsbedürftigen Anlage im Sinn des Bundes-Immissionsschutzgesetzes stattfinden, ist ausreichender Lärmschutz sicherzustellen. Vor dem nächstgelegenen Wohnhaus eines Wohngebiets darf der Spitzenpegel von 65 dB(A) nicht überschritten werden. Kann dies nicht gewährleistet werden, so ist die Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 4 zu versagen. In allen Fällen ist Folgendes zu beachten:
Veranstaltungen dürfen für die Zeit von 22.00 Uhr bis 07.00 Uhr nicht erlaubt werden, es sei denn, dass eine Belästigung der Bevölkerung mit Sicherheit auszuschließen ist. Die ortsübliche Zeit des Hauptgottesdienstes nach Art. 2 des Feiertagsgesetzes ist zu berücksichtigen.
Die Sportfahrzeuge unterliegen den allgemeinen Anforderungen von § 38 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
Ergänzend wird auf die sinngemäß geltenden Grundsätze in Abschnitt A Nr. II der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 Abs. 2 StVO vom 24. November 1970 (BAnz Nr. 228/Beilage, berichtigt BAnz 1971 Nr. 14, VkBl S. 758), zuletzt geändert 1980 (BAnz Nr. 137, VkBl S. 520), hingewiesen.

19.3.1.3  

Der Veranstalter haftet nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für Schäden, die durch die Veranstaltung verursacht werden, insbesondere für Schäden, die Leitern, Ordnern, Teilnehmern oder Zuschauern als Personenschaden oder Sachschaden (auch an öffentlichen Gegenständen) erwachsen. Der Veranstalter haftet nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften weiter für Schäden, die durch die Veranstaltung oder aus Anlass ihrer Durchführung entstehen, insbesondere für Flurschäden. Er hat hierfür eine Veranstaltungs-Haftpflichtversicherung abzuschließen (vgl. Abschnitt A Nr. II.7 der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO).

19.3.1.4  

Für das Erlaubnisverfahren bei motorsportlichen Veranstaltungen ist ergänzend zu dem sinngemäß geltenden Abschnitt A Nr. III der VwV zu § 29 Abs. 2 StVO Folgendes zu beachten:
Neben der Polizei sind, soweit erforderlich, Feuerwehr, Rettungsdienste, Naturschutzbehörden und ggf. weitere Behörden und öffentliche Stellen, deren Zuständigkeit berührt wird, zu hören.
Forderungen der gehörten Stellen sind grundsätzlich im Erlaubnisbescheid durch entsprechende Bedingungen und Auflagen zu berücksichtigen. Den beteiligten Stellen ist ein Abdruck des Erlaubnisbescheids zu übersenden.
Die an der Veranstaltung teilnehmenden Fahrzeuge sollen vor dem Start grundsätzlich von einem Sachverständigen überprüft werden.
Bei Geschicklichkeitsprüfungen für Kraftfahrer, z.B. nach der Aachener Turnierordnung, soll im Allgemeinen kein Nachweis einer Versicherung gefordert werden.

19.4  

Im Übrigen trifft die Erlaubnisbehörde im Einzelfall die Anordnungen, die für einen sicheren Ablauf der Veranstaltung erforderlich sind.

19.5  

Je nach Art der Veranstaltung ist für ausreichenden Brandschutz und Sanitätsdienst zu sorgen. Eine größere Anzahl von Zuschauern oder Teilnehmern kann sanitäre Einrichtungen erforderlich machen.

21.   Unerlaubter Verkehr mit Verwahrten

21.1  

Unbefugt im Sinn von Art. 21 handelt, wer keine Erlaubnis hat, mit dem auf behördliche Anordnung Verwahrten zu verkehren oder wer seine diesbezügliche Befugnis überschreitet.

21.2  

Verwahrte sind Personen, die sich insbesondere aufgrund folgender Vorschriften in behördlichem Gewahrsam befinden:
§ 178 des Gerichtsverfassungsgesetzes
§ 888 der Zivilprozessordnung
§ 16 des Ausländergesetzes
Art. 1 des Unterbringungsgesetzes
Art. 16, 17 des Polizeiaufgabengesetzes
§ 64 ff. des Jugendwohlfahrtsgesetzes
§ 4 Abs. 2, § 18 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
§ 37 des Bundes-Seuchengesetzes

22.   Notzeichen

Auf die Verordnung über öffentliche Schallzeichen (BayRS 2011-2-5-I) wird hingewiesen.

23.   Menschenansammlungen

23.1  

Eine Ansammlung im Sinn von Art. 23 ist ein Zusammentreffen einer größeren Anzahl von Menschen im Freien oder in geschlossenen Räumen. Unerheblich ist dabei, ob die Ansammlung zufällig oder vorbereitet stattfindet und welchen Anlass oder Grund sie hat. Im Gegensatz zu einer Versammlung im Sinn des Versammlungsgesetzes ist eine gemeinschaftliche Meinungsbildung oder -äußerung in einer bestimmten öffentlichen Angelegenheit nicht erforderlich.

23.2  

Art. 23 ist nicht anzuwenden, wenn Veranstaltungen durch besondere Vorschriften abschließend geregelt sind (z.B. Versammlungen, Veranstaltungen nach § 24 LuftVG).

23.3  

Art. 23 hat gegenüber Art. 19 selbständige Bedeutung. Verordnungen nach Art. 23 kommen vor allem für öffentliche Veranstaltungen in Betracht, die keine Vergnügungen im Sinn vor Art. 19 sind, aber auch für Vergnügungen, die nach Art. 19 Abs. 2 von der Anzeigepflicht befreit sind.

23.4  

Sind Veranstaltungen durch andere Vorschriften nicht abschließend geregelt, so ist Art. 23 anzuwenden, soweit nach den anderen Vorschriften die in Absatz 1 genannten Gefahren nicht verhütet werden können. Für Menschenansammlungen auf öffentlichem Verkehrsgrund gilt demnach Art. 23 nur, wenn Gefahren verhütet werden sollen, die das Straßenverkehrsrecht nicht berücksichtigt.

24.   Ski- und Skibobfahren, Rodeln

24.1  

Art. 24 unterscheidet zwischen Hauptabfahrten, die durch Verordnung der Gemeinde gemäß Absatz 1 hierzu erklärt worden sind, und sonstige Abfahrten; das Gleiche gilt für Skiwanderwege (Loipen) und Rodelbahnen. Ob eine Gemeinde eine Abfahrt zu einer Hauptskiabfahrt erklärt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für präparierte Pisten oder gespurte Loipen bleibt hiervon unberührt. Zu den Begriffen Pisten, Loipen, Skirouten und sogenannten „Wilden Abfahrten“ wird auf die DIN-Normen 32 912 und 32 913 verwiesen.

24.2  

Unter Gefahren im Sinn von Art. 24 Abs. 2 sind zum Beispiel Vereisungen der Abfahrt, Lawinengefahr, Steinschlaggefahr, durch Sturm gefällte Bäume oder durch menschliche Handlungen (Baumaßnahmen, Holzabfuhr) verursachte Zustände zu verstehen. Die öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde reicht hier allerdings nur soweit, als die Gefahrenlage für die Gemeinde vorhersehbar und die Untersagung oder Beschränkung des Sportbetriebs zumutbar ist.
Die Warnung vor Lawinengefahren und deren Abwehr ist durch die Bekanntmachung vom 8. Dezember 1975 (MABl S. 1101), geändert durch Bek vom 17. Oktober 1978 (MABl S. 838), geregelt.
Sonstige wichtige Gründe sind u. a. das Präparieren der Abfahrtsstrecke und die Schonung der Strecke für bevorstehende Sportveranstaltungen.

24.3  

Zum Skifahren, Skibobfahren und Rodeln auf öffentlichem Verkehrsgrund wird auf die Straßenverkehrs-Ordnung verwiesen (vgl. §§ 1, 24 Abs. 1, § 31 StVO).

24.4  

Zur Kennzeichnung nach Art. 24 Abs. 3 Nr. 2 wird auf die Verordnung über die Kennzeichnung der Skiabfahrten, Skiwanderwege und Rodelbahnen vom 23. Februar 1983 (GVBl S. 215) und auf die Bekanntmachung über Skiabfahrten, Skiwanderwege und Rodelbahnen vom 4. November 1974 (MABl S. 830), zuletzt geändert durch die Gemeinsame Bekanntmachung vom 30. November 1984 (MABl 1985 S. 2) hingewiesen.

25.   Zelten, Aufstellen von Wohnwagen

25.1  

Campingplätze sind nach Art. 25 Abs. 1 Plätze, die zum Aufstellen und Bewohnen von mehr als drei Zelten oder Wohnwagen bestimmt sind. Darunter fallen neben besonders hergerichteten oder der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Plätzen auch solche, auf denen in größerer Zahl Zelte und/oder Wohnwagen zur bestimmungsgemäßen Verwendung aufgestellt werden. Es ist dabei ohne Bedeutung, ob sich die Plätze auf staatlichen, gemeindlichen oder privaten Grundstücken befinden.
Betrieb im Sinn von Art. 25 Abs. 1 umfasst die Betreuung des Platzes, die Festlegung der Belegungsdichte, die Instandhaltung und Reinigung der sanitären Anlagen sowie auch die Abfallbeseitigung und den Brandschutz. Der Unternehmer kann auch verpflichtet werden, für Aufsicht und geordnete Zustände zu sorgen.
Unter Benutzung sind die Zulassung zum Platz, das Abstellen von Fahrzeugen und sonstige Ordnungsregeln für die Zeltenden und die Benutzer der Wohnwagen zu verstehen.
Wohnwagen sind Fahrzeuge, die besondere Einrichtungen zum Übernachten besitzen. Dabei kann es sich um Kraftfahrzeuge oder Anhänger handeln, die entsprechend ausgestattet und dazu bestimmt sind, das Wohnen und Schlafen im Wagen zu ermöglichen.

25.2  

Einer gemeindlichen Erlaubnis bedürfen solche Campingplätze nicht, für die eine Genehmigung nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) erforderlich ist. Campingplätze sind bauliche Anlagen (Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 BayBO), daher grundsätzlich genehmigungspflichtig (Art. 65 BayBO). Keiner Baugenehmigung bedürfen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. f BayBO Zeltlager, die ersichtlich nur gelegentlich und für kurze Zeit, höchstens zwei Monate, errichtet werden.
Häufigster Anwendungsfall der Erlaubnis nach Art. 25 Abs. 2 ist damit das aus mehr als drei Zelten bestehende Zeltlager, das für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten errichtet wird.

25.3  

Stellt ein Campingplatz einen Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes dar, hat die Gemeinde auch §§ 15 und 17 des Bundesnaturschutzgesetzes in Verbindung mit den Vorschriften der Bayerischen Kompensationsverordnung (BayKompV) zu beachten. Die gemeindliche Erlaubnis kann die naturschutzrechtlichen Gestattungen nach Art. 18, 23 Abs. 3, Art. 34 des Bayerischen Naturschutzgesetzes und § 34 Abs. 3 bis 5, § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes in Verbindung mit Art. 56 des Bayerischen Naturschutzgesetzes ersetzen.

25.4  

Folgende Vorschriften sind gegenüber Art. 25 vorrangig:
Vorschriften der Bayerischen Bauordnung über genehmigungspflichtige bauliche Anlagen
§ 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Nr. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
§ 51 des Wasserhaushaltsgesetzes, Art. 31, 32 und 33 des Bayerischen Wassergesetzes
§§ 14 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes, Art. 31 und 57 des Bayerischen Naturschutzgesetzes sowie Schutzgebietsvorschriften, einstweilige Sicherstellungen und Veränderungssperren aufgrund des Naturschutzrechts
§§ 37 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes
§ 28 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes
§§ 38 bis 40 des Bundesjagdgesetzes, Art. 44, 45 des Bayerischen Jagdgesetzes
Art. 66 des Bayerischen Fischereigesetzes
Art. 17, 46 Abs. 4 Nr. 3 des Bayerischen Waldgesetzes
§ 3 der Verordnung über die Verhütung von Bränden.

26.   Betreten und Befahren von Grundstücken

Verordnungen nach Art. 26 gelten auch für die Eigentümer und Besitzer der betroffenen Grundstücke.
Auf Art. 15 des Polizeiaufgabengesetzes (Platzverweisung durch die Polizei) und Art. 9 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes (Weisungsrecht der Sicherheitsbehörden) wird hingewiesen.

27.   Baden; Betreten und Befahren von Eisflächen

27.1  

Baden im Sinn von Art. 27 Abs. 1 ist nur das Wasserbaden, nicht das Luftbaden.

27.2  

Art. 27 Abs. 2 umfasst auch das öffentliche Luft- und Sonnenbaden. Auf die Verordnung über das Verhalten beim öffentlichen Baden (BayRS 2011-2-3-I) und die Bekanntmachung vom 3. Oktober 1974 (MABl S. 738) sowie auf die Landesverordnung über Badeanstalten (BayRS 2011-2-2-I) und die Bek vom 23. Mai 1975 (MABl S. 464) wird hingewiesen.

27.3  

Wegen der Gefahren beim Baden durch übertragbare Krankheiten wird auf die §§ 10 und 34 des Bundes-Seuchengesetzes verwiesen (z.B. Möglichkeit zur Schließung von Badeanstalten).
Auf die Möglichkeit der Regelung des Gemeingebrauchs an oberirdischen Gewässern durch Rechtsverordnungen der Kreisverwaltungsbehörden nach Art. 22 des Bayerischen Wassergesetzes und auf die Möglichkeit von Betretungsbeschränkungen nach Art. 26 des Bayerischen Naturschutzgesetzes wird hingewiesen.

27.4  

Sicherheitsvorkehrungen im Sinn von Art. 27 Abs. 2 sind Maßnahmen oder Einrichtungen zum Schutz von Leben oder Gesundheit der Badenden oder des Personals der Badeanstalten, insbesondere Regelungen über die Beaufsichtigung des Badebetriebs durch geprüfte Schwimmmeister oder andere dafür ausgebildete Personen (z.B. Mitglieder der Wasserwacht).

28.   Öffentliche Anschläge

28.1  

Art. 28 bezieht sich auf Anschläge, die nicht gewerblichen oder beruflichen Zwecken dienen, sowie auf nicht ortsfeste Anschläge (vgl. Art. 13 BayBO). Werden Plakate mit einer baulichen Anlage oder einem Baum fest verbunden (z.B. angeklebt), so sind sie ortsfest. Transparente, Plakate und Plakattafeln mit politischem Inhalt fallen unter Art. 28. Die Gemeinden können zum Schutz der Rechtgüter des Art. 28 das Anbringen durch Verordnung beschränken (Absatz 1) oder deren Beseitigung durch Einzelanordnung verfügen (Absatz 2).
Wegen der Anschläge auf öffentlichem Verkehrsgrund wird auf § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung verwiesen.

28.2  

In Verordnungen nach Art. 28 muss von Verfassungs wegen der Werbung für politische Parteien, Wählergruppen, Volksbegehren, Volksentscheide, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide genügend Raum gegeben werden. Auf die Bekanntmachung vom 13. Februar 2013 (AllMBl S. 52) wird hingewiesen.

28.3  

Zum Begriff der Naturdenkmäler wird auf Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Naturschutzgesetzes und zum Begriff der Kunst- und Kulturdenkmäler auf Art. 1 des Denkmalschutzgesetzes (BayRS 2242-1-K) hingewiesen.

29.   Fliegende Verkaufsanlagen

Der Regelungsbereich des Art. 29 ist auf Orte außerhalb öffentlicher Straßen, Wege und Plätze beschränkt. Für fliegende Verkaufsanlagen, die auf öffentlichem Verkehrsgrund stehen, gilt § 33 Abs. 1 Nr. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung.
Das Aufstellen fliegender Verkaufsanlagen kann durch Verordnung oder Einzelanordnung der Gemeinde nach Art. 29 Abs. 1 nur an bestimmten Orten verboten werden. Ein sich auf das gesamte Gemeindegebiet erstreckendes Verbot ist unzulässig (vgl. Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 10. März 1981, BayVBl 1981, S. 462).

31.   Gifte, Giftwaren, Arzneien

31.1  

Aufgrund des Art. 31 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 und des Art. 32 Abs. 1 wurde die Verordnung über Gifte und hochgiftige Stoffe (Giftverordnung) vom 28. Juli 1980 (GVBl S. 359, berichtigt S. 487, BayRS 2121-3-I) erlassen.

31.2  

An Stelle der in Art. 31 verwendeten Begriffe „Giftwaren“ und „Arzneien“ sind heute die Begriffe „Giftfertigwaren“ (vgl. § 2 der Giftverordnung) und „Arzneimittel“ (vgl. § 2 des Arzneimittelgesetzes) üblich. Gifte und Giftfertigwaren sind gefährliche Stoffe, die durch ihre chemische oder chemisch-physikalische Beschaffenheit geeignet sind, gesundheitsschädigende Wirkungen hervorzurufen.

31.3  

Bundesrechtliche Vorschriften im Sinn vom Art. 31 Abs. 1 sind insbesondere
§ 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b der Gewerbeordnung
Arzneimittelgesetz vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2445, 2448), geändert durch Gesetz vom 24. Februar 1983 (BGBl I S. 169)
Bundes-Apothekerordnung vom 5. Juni 1968 (BGBl I S. 601), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. August 1982 (BGBl I S. 1138)
Tierseuchengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 1980 (BGBl I S. 386)
Gesetz über Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Oktober 1978 (BGBl I S. 1677)
Gesetz über das Apothekenwesen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl I S. 1993)
Betäubungsmittelgesetz vom 28. Juli 1981 (BGBl I S. 681, berichtigt S. 1187).

32.   Hochgiftige Stoffe

32.1  

Bundesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 32 Abs. 3 sind insbesondere die Vorschriften betreffend Schädlingsbekämpfungsmittel, das Pflanzenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Oktober 1975 (BGBl I S. 2591, 1976 I S. 1059, 1979 I S. 652), zuletzt geändert durch Art. 26 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265), und das Gesetz über den Verkehr mit DDT vom 7. August 1972 (BGBl I S. 1385). Daneben wird auf das Chemikaliengesetz vom 16. September 1980 (BGBl I S. 1718) hingewiesen.

32.2  

Landesrechtliche Vorschriften über hochgiftige Stoffe enthält die Giftverordnung (vgl. Nummer 31.1).

33.   Überwachung

Art. 33 verpflichtet den Betriebseigentümer oder den sonst für den Betrieb Verantwortlichen, unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt, zur Auskunft und zur Duldung von Untersuchungen auf dem Betriebsgelände. Hinsichtlich Art. 31 Abs. 1 Nr. 3 wird auf die abschließende bundesgesetzliche Regelung in den §§ 64 bis 66, 69 des Arzneimittelgesetzes hingewiesen.

37.   Halten gefährlicher Tiere

37.1   Halterbegriff

Bei der Bestimmung des Halterbegriffs ist eine Orientierung an der zivil- und tierschutzrechtlichen Rechtsprechung (vgl. § 833 BGB und § 2 des Tierschutzgesetzes) sowie an der sicherheitsrechtlichen Zustandsverantwortlichkeit (Art. 9) angezeigt. Danach ist maßgeblich darauf abzustellen, wer (zumindest für eine gewisse Zeitdauer) die tatsächliche Verfügungs- und Bestimmungsmacht über das Tier ausübt. Auch der Nichteigentümer des Tieres kann demnach (auch) Halter sein.

37.2   Gefährliche Tiere wildlebender Arten

Wildlebend sind alle Tierarten, die üblicherweise nicht in menschlicher Obhut gehalten werden. Gefährlich sind solche Tiere, wenn der Umgang mit ihnen wegen der ihnen eigentümlichen Veranlagungen oder Verhaltensweisen zu Verletzungen oder Schäden führen kann (z. B. Löwen, Tiger, Bären, große oder giftige Schlangen). Auf die spezifische Eigenschaft des einzelnen Tieres (Gutmütigkeit, Gezähmtheit) kommt es für die Begründung der Erlaubnispflicht nicht an. Das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gibt in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in regelmäßigen Abständen eine Beispielsliste heraus, die die Einordnung von gehaltenen Tieren erleichtert.
Soweit die Tiere in einem Tiergehege gehalten werden, sind ergänzend die Vorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes und der Art. 23 bis 25 des Bayerischen Jagdgesetzes zu beachten.
Für eine Versagung aufgrund anderer Vorschriften kommen insbesondere die §§ 2 und 3 des Tierschutzgesetzes sowie Rechtsverordnungen aufgrund von § 2a Abs. 1 des Tierschutzgesetzes in Betracht.
Besonders zu beachten ist die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Vorschriften, da eine Reihe gefährlicher Tiere zugleich besonders geschützt sind und damit Zutritts-, Besitz-, Vermarktungs- und sonstigen Verkehrsverboten sowie Nachweispflichten bezüglich ihrer Herkunft unterliegen. Besonders hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die §§ 44 ff. des Bundesnaturschutzgesetzes, auf die Bundesartenschutzverordnung und auf die (unmittelbar geltende) Verordnung (EG) Nr. 338/97. Die Anwendung des Art. 37 kann neben arten- und tierschutzrechtlichen Vorschriften stehen, die in der Vollzugszuständigkeit der Veterinärbehörden liegen.
Bei der Veranstaltung einer nichtgewerbsmäßigen öffentlichen Tierschau sind Art. 19 sowie die oben genannten artenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten.

37.3   Kampfhunde

37.3.1   Kampfhundebegriff

Die Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 (GVBl S. 268, BayRS 2011-2-7-I), geändert durch Verordnung vom 4. September 2002 (GVBl S. 513, 583), bestimmt, für welche Rassen, Kreuzungen und sonstige Gruppen von Hunden die Eigenschaft als gesteigert aggressiv und gefährlich vermutet wird. Eine nähere Beschreibung enthält die Beilage zum AllMBl Nr. 17/1992. Als gesteigert aggressiv und gefährlich sind Hunde anzusehen, die permanent jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, um zu raufen und/oder zu wildern und/oder nahezu bei jeder Belastungs-, Stress- oder Reizsituation Menschen attackieren (z. B. auch anspringen) und dabei den Gehorsam verweigern. In der Regel steht dieses Verhalten im Zusammenhang mit geringem oder fehlendem Drohverhalten und einem zunehmenden Verlust der Beißhemmung.
In den Fällen des § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung gilt die Vermutung unwiderlegbar. Bei den in § 1 Abs. 2 der Verordnung genannten Rassen wird die Eigenschaft als Kampfhunde widerlegbar vermutet. Die Vermutung ist widerlegt, wenn für die einzelnen Hunde der zuständigen Behörde gegenüber nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen. In den Fällen des § 1 Abs. 3 dieser Verordnung hat die Gemeinde im Einzelfall zu prüfen, ob der Hund aufgrund seiner Ausbildung (z. B. für das Bewachungsgewerbe) eine gesteigerte, d. h. über die natürliche Veranlagung hinausgehende Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist. Auf Nr. 37a.2 wird hingewiesen. Brauchbare Jagdhunde sind in aller Regel keine Kampfhunde.
In der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit ist bestimmt, dass auch Kreuzungen der betreffenden Hunderassen untereinander oder mit anderen Rassen als gesteigert aggressiv und gefährlich gelten. Sind die Elterntiere des konkreten Tieres nicht bekannt, so kann die Rasse durch einen Sachverständigen ggf. nach dem Äußeren (Phänotyp) bestimmt werden. Ist dies nicht zuverlässig möglich, kann ein Hund nur einer Rasse zugeordnet werden, wenn folgende drei Zuordnungskriterien gleichzeitig erfüllt sind: Phänotyp, Wesen, Bewegungsablauf. Entscheidend ist dabei die Beurteilung, ob das Tier das Verhalten zeigt, das für die Einstufung einer bestimmten Rasse als Kampfhund maßgeblich war.
Soweit die Elterntiere bekannt und reinrassig sind, ist zu beachten, dass es aus genetischen Gründen in der Regel nur sinnvoll ist, die Nachkommen bis zur F1-Generation als von der Verordnung erfasste Kreuzungen zu behandeln. Bei neu hinzugekommenen Kreuzungsrassen, wie beispielsweise dem American Bully, dem Alauntbull, dem Exotic Bully, dem Alba Bull, ist die Tatsache, dass die Rasse nicht in der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit genannt wird, nicht ausreichend, um die Kampfhundezugehörigkeit zu widerlegen. Da diese Kreuzungsrassen aufgrund der wiederholten Einkreuzung von Kampfhunderassen im Phänotyp und/oder Wesen den Kampfhunderassen ähneln, wird eine Rassebestimmung durch einen Hundesachverständigen in jedem Einzelfall empfohlen.
Eine alleinige Gen-Analyse zur Rassenzuordnung ist nicht hilfreich, da eine eindeutige genetische Zuordnung von vielen verschiedenen Faktoren (z. B. Bandbreite körperlicher und genetischer Merkmale einer Rasse, der als Vergleichsbasis verwendete Genpool kann stark variieren) abhängig und derzeit kaum möglich ist. Eine Gen-Analyse kann zur Unterstützung einer Rassebestimmung allerdings sinnvoll sein.

37.3.2   Wesenstest

Die Darlegungs- und Beweislast, dass das konkrete Tier keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist (§ 1 Abs. 2 der Verordnung), trägt der Halter. Führt der Halter den Nachweis nicht, besteht für die Haltung des Tieres Erlaubnispflicht; die Gemeinde kann auf Basis des Art. 37 nicht vorschreiben, dass ein Gutachten eingeholt werden muss.
Dieser Nachweis kann durch die Vorlage eines Gutachtens (Wesenstest) einer für das Hundewesen sachverständigen Person erfolgen, durch die neben der Gefährlichkeit des Hundes auch die zur Vermeidung von Gefahren erforderliche Sachkunde des Halters zu überprüfen ist. Im Vorfeld kann die Gemeinde den Halter bei der Auswahl des Hundesachverständigen unterstützen.
Grundsätzlich kann auch die Vorlage eines von einer deutschen Rettungshundeorganisation (z. B. Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst, Johanniter-Unfall-Hilfe, Bundesverband Rettungshunde) ausgestellten Ausbildungsnachweisheftes für Rettungshunde oder einer Rettungshundeplakette die Kampfhundeeigenschaft widerlegen. Aus Altersgründen aus dem Rettungsdienst ausgeschiedene Hunde stehen den aktiven gleich. Entsprechendes gilt für geprüfte Blindenführhunde. Eine bestandene Begleithundeprüfung ist als bloße Sportprüfung nicht mit einem Wesenstest vergleichbar.

37.3.3   Person des Sachverständigen

Ein Sachverständiger darf nicht die Besorgnis einer Befangenheit begründen und muss die zur Wesensbeurteilung von gefährlichen Hunden erforderlichen Fachkenntnisse besitzen.
Hiervon ist auszugehen, wenn die Person nach früherem Recht zum Sachverständigen durch eine Regierung öffentlich bestellt und vereidigt worden ist oder wenn er beispielsweise als Tierarzt, Hundeführer der Polizei oder Richter aus dem Hundesport seine Fachkenntnisse durch Nachweise oder sonstige Zertifizierungen über die Teilnahme an entsprechenden Aus-, Fort- oder Weiterbildungen (etwa durch die Bayerische Landestierärztekammer) belegt. Die Fachkenntnisse sind bei Fachtierärzten für Verhaltenskunde und bei Tierärzten anzunehmen, die die Zusatzbezeichnung „Verhaltenstherapie“ erworben haben. Hingegen reicht die Teilnahme am Seminar „Hundeführerschein“ der Bayerischen Landestierärztekammer nicht aus. Bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ist in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob die Bestellung (ggf. durch die Industrie- und Handelskammern) widerrufen wurde.

37.3.4   Anforderungen an das Gutachten

Grundsätzlich muss ein Sachverständigengutachten mindestens folgende Aussagen enthalten:
a)
Formelle Aspekte
Datum der Erstellung des Gutachtens,
Datum, Dauer und Ort(e) der Untersuchung,
Name und Anschrift des Halters sowie Bezeichnung der Personen, die vom Halter mit der Betreuung des Hundes beauftragt sind,
Beschreibung des Hundes (Rasse, Geburtsdatum, Geschlecht, ggf. Abstammung, Name, Farbe, Abzeichen), Identitätssicherung (Tätowierung/Chip),
Ort(e), an dem/denen der Hund überwiegend gehalten wird (Halteranwesen),
Ergebnis der Überprüfung: „Das Tier wird als ein/kein Hund mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit beurteilt.“
b)
Inhaltliche Aspekte (Regelfall)
Ereignisse, die die Verhaltensentwicklung des Hundes seit Eintritt der Geschlechtsreife beeinflusst haben (u. a. Ausbildungsstand, abgelegte Prüfungen, Auffälligkeiten, Sicherheitsstörungen),
Verwendungszweck des Hundes,
Beschaffenheit des Halteranwesens (Einzäunung, freie oder Zwingerhaltung) und sonstige für die Entwicklung der Wesensart relevante Haltungsumstände,
Verhalten des Hundes gegenüber fremden Personen im Halteranwesen,
Verhalten des Hundes gegenüber fremden Personen außerhalb des Halteranwesens (z. B. Kinder, Radfahrer und Jogger) und im Straßenverkehr angeleint (und/oder frei laufend) in bekannter und unbekannter Umgebung,
Reaktion des Hundes auf Kommandos angeleint und/oder frei laufend,
Leinenführigkeit,
Verhalten des Hundes gegenüber anderen Hunden und Tieren angeleint (und/oder frei laufend),
Verhalten des Hundes bei ihm unbekannten optischen und akustischen Reizen,
Verhalten des Hundes gegenüber dem Halter und den sonstigen Betreuungspersonen in verschiedenen Situationen,
Empfehlungen für das weitere Halten und Führen des Hundes; diese stellen für die Behörden eine wertvolle Hilfe dar bei ihrer Entscheidung, ob und ggf. welche Einzelanordnungen im konkreten Fall auszusprechen sind (etwa Haltung in einem ausbruchsicheren Grundstück bzw. Zwinger; Leinenzwang in bewohnten Bereichen, kein unbeaufsichtigter Aufenthalt im Halteranwesen etc.).
c)
Ausnahmen
In begründeten Einzelfällen kann von den vorstehenden (Mindest-)Anforderungen abgewichen werden. Abweichungen sind beispielsweise möglich bei der Vorgabe, den Hund im Halteranwesen zu überprüfen, wenn nach Aussage des Sachverständigen eine abschließende Bewertung des Territorialverhaltens des Hundes auch anderweitig durchgeführt werden konnte.
Insoweit gilt Folgendes:
Bei Hunden, die ausschließlich oder überwiegend im Halteranwesen gehalten werden und nicht bzw. nur ausnahmsweise ausgeführt werden, ist stets eine Überprüfung im Halteranwesen erforderlich.
Bei Hunden, die regelmäßig ausgeführt und an andere Orte mitgenommen werden, ist die Beurteilung unter verschiedenen Reizlagen und Situationen des täglichen Lebens ausreichend (z. B. Verhalten im Verkehr; Begegnung mit Radfahrern, Joggern, Kindern, älteren oder gehbehinderten Menschen, anderen Hunden). In diesem Fall muss im Gutachten eine nachvollziehbare Bewertung des Territorialverhaltens des Hundes im heimischen Bereich enthalten sein.
Die gleichzeitige Überprüfung von mehr als zwei Hunden erfüllt die Anforderungen an eine sorgfältige Begutachtung nicht. Ebenfalls ungeeignet ist die ausschließliche Überprüfung auf Hundesportplätzen.

37.3.5   Umgang der Gemeinde mit einem Gutachten

Ob die mit dem Wesenstest beabsichtige Widerlegung der Vermutung nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit gelungen ist, hat die Gemeinde zu beurteilen. Ist sie nach Vorlage des Gutachtens in begründbarer Weise nicht davon überzeugt, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist, geht dies zulasten des Hundehalters.
Bei der Prüfung eines Gutachtens beteiligt die Gemeinde stets das Veterinäramt.

37.3.6   Negativzeugnis

Hält die Gemeinde den Nachweis für erbracht, stellt sie auf Antrag hierüber eine Bescheinigung aus, aus der hervorgehen muss, dass die Haltung des Hundes keiner Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 bedarf (Negativzeugnis). Bei einem etwaigen Halterwechsel verliert ein Negativzeugnis nicht per se seine Gültigkeit, da dies nicht zwingend zu einer Wesensänderung des Hundes führt. Es hängt vom Inhalt des bisherigen Gutachtens ab, ob es in Betracht kommt, einen Halterwechsel zum Anlass zu nehmen, eine erneute Begutachtung anzuordnen. Für den Fall, dass bereits aufgrund des Wesenstests bestimmte Auflagen zum Führen oder Halten des Hundes vorgeschrieben wurden, ist bei einem Halterwechsel eine erneute Begutachtung des Hundes, seiner neuen Bezugsperson und Lebensumgebung angezeigt.
Die Vorlage eines Führungszeugnisses ist keine Voraussetzung für die Erteilung eines Negativzeugnisses. Für den Inhalt der Bescheinigung gilt Nr. 37.3.4 entsprechend.

37.3.7   Negativzeugnis bei jungen Hunden

Bei jungen Hunden im Sinn des § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit können gesicherte Aussagen hinsichtlich des Vorliegens einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit im Sinn des Art. 37 Abs. 1 in der Regel erst ab einem Alter von ca. 18 Monaten getroffen werden.
Es ist folgendes Verfahren veranlasst: Die Gemeinde stellt ein befristetes Negativzeugnis aus. Dabei ist zum Ausdruck zu bringen, dass der verfahrensgegenständliche Hund derzeit nicht als Kampfhund einzustufen sei, aber wegen der noch nicht überschaubaren Entwicklung eine Begutachtung zu einem bestimmten Termin für erforderlich gehalten werde. Die Formulierung „gilt bis ... nicht als Kampfhund“ sollte dabei vermieden werden. Im jeweiligen Einzelfall sollte das zuständige Veterinäramt eingeschaltet werden.

37.3.8   Sonstige Vorschriften

Auf das Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz – HundVerbrEinfG) und auf die Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland (Hundeverbringungs- und -einfuhrverordnung – HundVerbrEinfVO) wird hingewiesen. Mangels spezieller gesetzlicher Zuständigkeitsregelung sind in Bayern die Sicherheitsbehörden gemäß Art. 6 für den Vollzug sachlich zuständig. Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind dies bei der Anwendung des HundVerbrEinfG und der HundVerbrEinfVO in der Regel die Gemeinden. Ggf. können die Veterinärbehörden dabei unterstützen.
Die Anwendung des Art. 37 wird durch eine Haltererlaubnis nach § 11 des Tierschutzgesetzes nicht verdrängt. Beide Vorschriften sind nebeneinander anwendbar.

37.4   Erlaubniserteilung für Kampfhunde oder gefährliche Tiere wildlebender Arten

37.4.1   Berechtigtes Interesse

Das Tatbestandsmerkmal „berechtigtes Interesse“ ist streng zu handhaben, um zu gewährleisten, dass die Haltung von gefährlichen Tieren oder Kampfhunden auf wenige Ausnahmetatbestände beschränkt und somit die Zahl der genehmigten Haltungen – auch im Interesse eines effektiven Vollzugs – gering bleibt. Ein reines „Liebhaberinteresse“ genügt daher nicht.
Ein berechtigtes Interesse kann nach diesen Maßgaben im Einzelfall wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder ggf. sonstiger persönlicher Art sein.
Ein berechtigtes Interesse zur Haltung von Kampfhunden kann bei Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen zum Zweck der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder bei Bewachungsunternehmen und bei Besitzern gefährdeter Grundstücke vorliegen. Die Gefährdung eines Besitztums kann sich insbesondere aus seiner Lage ergeben. Eine ggf. erteilte Erlaubnis berechtigt nicht die Mitarbeiter des Bewachungsunternehmens, die Tiere außerhalb des betrieblichen Einsatzes zu halten.
Die sogenannte „tierschützerische Aufnahme“ insbesondere eines der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit unterliegenden Hundes, der nicht aufgrund seiner Gefährlichkeit dem Halter weggenommen werden musste, durch eine besonders ausgesuchte und geeignete Person, die nicht mit dem früheren Halter identisch sein darf, kann ein berechtigtes Interesse im Sinn des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 begründen. Diesen Anforderungen genügt eine Person, die lediglich ein Liebhaberinteresse an dem betreffenden Tier hat, nicht. Geeignete Personen könnten etwa Hundesachverständige oder Polizeihundeführer sowie in Ausnahmefällen Personen, die über langjährige Erfahrungen aufgrund einer legalen Haltung von Kampfhunden ohne Beanstandungen verfügen, sein. Im Rahmen der Beurteilung können im Einzelfall auch die jeweiligen örtlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Person eine Rolle spielen.
Der Zuzug nach Bayern mit einem in einem anderen Land legal gehaltenen Kampfhund oder gefährlichen Tier wildlebender Art begründet grundsätzlich kein berechtigtes Interesse. Bei Zuzug von alten und/oder kranken Tieren, bei denen aufgrund ihres körperlichen Zustandes zu vermuten ist, dass sie ungeachtet der Rassezugehörigkeit keine Gefahr für Menschen oder Tiere darstellen können, ist eine „tierschützerische Aufnahme“ auch beim bisherigen Halter als Begründung des berechtigten Interesses denkbar.
Der Wunsch, mit der Haltung oder einem hierauf gestützten Handel von gefährlichen Tieren Geld zu verdienen (gleich ob haupt- oder nebengewerblich), kann ein wirtschaftliches Interesse für sich nicht begründen. Es ist mindestens erforderlich, dass für die Behörde eindeutig belegt ist, dass die gehaltenen Tiere in einer bestimmten Anzahl und in einem zeitlich sachgerechten Rahmen legal abgegeben werden können.

37.4.2   Zuverlässigkeit

An die persönliche Eignung sind strenge Anforderungen zu stellen. Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers sind dann gegeben, wenn dieser nicht ausreichend Gewähr dafür bietet, dass er im öffentlichen und im Nachbarschaftsinteresse für eine ordnungsgemäße, sichere und artgerechte Tierhaltung sorgt.
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,
die wegen vorsätzlicher Begehung einer Straftat gegen das Leben oder die Gesundheit, der Vergewaltigung, der Zuhälterei, des Land- oder Hausfriedensbruchs, des Widerstands gegen die Staatsgewalt, einer gemeingefährlichen Straftat, einer Straftat gegen das Eigentum oder Vermögen von erheblicher Bedeutung rechtskräftig verurteilt worden sind,
die wegen Begehung einer nach dem Tierschutzgesetz, dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz oder dem Bundesjagdgesetz strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden sind oder nur deshalb nicht verurteilt worden sind, weil sie zum Tatzeitpunkt schuldunfähig waren oder dies nicht auszuschließen war; eine Verurteilung bleibt in der Regel außer Betracht, wenn der Eintritt der Rechtskraft länger als drei Jahre zurückliegt; in die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Antragsteller auf behördliche oder richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist,
denen Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Tierschutzgesetz oder der Bundesartenschutzverordnung auferlegt worden sind; eine Ahndung bleibt in der Regel außer Betracht, wenn der Eintritt der Bestandskraft oder Rechtskraft länger als zwei Jahre zurückliegt,
die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften der Art. 18, 37, 37a oder eines der in Nr. 37.2 genannten Gesetze und der hierauf beruhenden Verordnungen verstoßen haben,
die geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind,
die betreut werden (§ 1896 BGB),
die keinen festen Wohnsitz nachweisen können,
die minderjährig sind,
die trunksüchtig, rauschmittelsüchtig, geisteskrank oder geistesschwach sind,
die nach ihren körperlichen Kräften zur Führung des Tieres ungeeignet sind,
die wiederholt Tiere an Personen, die zu einer Haltung nicht berechtigt sind, abgegeben haben.
Zum Nachweis der Zuverlässigkeit und Eignung des Tierhalters kann die Vorlage eines Führungszeugnisses und eines Sachverständigengutachtens (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG) verlangt werden.

37.4.3   Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz

Bei der Prüfung, ob und inwieweit der Erlaubniserteilung Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz entgegenstehen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Tiere müssen ihrer potentiellen Gefährlichkeit entsprechend gehalten und beaufsichtigt werden. Andererseits müssen die Erfordernisse einer artgerechten Tierhaltung erfüllt sein. An die Haltung mehrerer Tiere sind besonders hohe Anforderungen zu stellen.

37.4.4   Inhalt der Erlaubnis

Der Erlaubnisbescheid soll neben den Personalien des Halters auch Angaben über Art, Rasse bzw. Kreuzung, Geschlecht und Geburtsdatum/Alter des Tieres sowie erforderlichenfalls eine nähere Beschreibung seines Aussehens enthalten. Falls eine Kennzeichnung (z. B. Mikrochip, Tätowierung) am Tier vorhanden ist oder durch Nebenbestimmung vorgeschrieben wird (vgl. zur Kennzeichnungspflicht bei Kampfhunden Nr. 37.4.5), soll auch deren Inhalt aufgenommen werden. Wird ein Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Haltung mehrerer Tiere gestellt, können die Erlaubnisse in einem Bescheid zusammengefasst werden.

37.4.5   Nebenbestimmungen

Mit der Erlaubnis können vollziehbare Nebenbestimmungen verbunden werden (Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG).
Durch Nebenbestimmungen für die Haltung von gefährlichen Tieren wildlebender Arten ist insbesondere den verschiedenen Formen der Tierhaltung und der Art der Tiere Rechnung zu tragen. Bei der Festlegung sicherer Haltungsvorgaben, insbesondere zum ausbruchsicheren Haltungsort oder den gebotenen Haltungsmodalitäten, sollen die Veterinärbehörden, bei Betroffenheit artengeschützter Tiere zudem die unteren Naturschutzbehörden beteiligt werden. Für das Halten in Tierhandlungen und auf Tierbörsen soll in Nebenbestimmungen dem Antragsteller vorgeschrieben werden, die Tierhaltungseinrichtungen mit der aktuellen deutschen und lateinischen Bezeichnung der Tierart, bei Reptilien zusätzlich mit der erreichbaren Endgröße des Tieres zu beschriften und dort einen Hinweis auf die Erlaubnispflicht nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 anzubringen.
Wird die Haltung von giftigen Tieren erlaubt, soll regelmäßig angeordnet werden, die Tierhaltungseinrichtungen mit der deutschen und lateinischen Bezeichnung der Tierart zu beschriften, an den Tierhaltungseinrichtungen von außen bedienbare Absperrmöglichkeiten (Schlupfkasten, Wechselkäfig u. Ä.) vorzusehen, die notwendigen Hilfsmittel (Greifzange, Metallhaken, Schutzschild, Augenschutz u. Ä.) verfügbar zu halten, alle Öffnungen und Durchbrüche im Aufbewahrungsraum (Abflüsse, Rohre, Kabelschächte, Fenster u. Ä.) so zu sichern, dass ausgebrochene Tiere den Raum nicht verlassen können, und einen Notfallplan an gut sichtbarer Stelle aufzuhängen, dem sich insbesondere das Vorgehen bei einem Unfall, die Telefonnummern von Polizei, Feuerwehr und Kreisverwaltungsbehörde sowie die Bezugsquelle für ein erforderliches Serum entnehmen lassen.
Die Erlaubnis kann ferner mit der Auflage verbunden werden, das Tier in geeigneter und eindeutiger Weise zu kennzeichnen. Hunde und deren Kreuzungen, die der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (§ 1 Abs. 1, 2 und 3) unterliegen, sind grundsätzlich mittels eines Mikrochips eindeutig zu kennzeichnen.
Bei Kampfhunden ist regelmäßig die Auflage anzuordnen, dass sie außerhalb des eingefriedeten Besitztums an der Leine zu führen sind. Zusätzlich ist in der Regel die Anordnung eines Maulkorbzwangs erforderlich. Die Anleinpflicht ist regelmäßig nicht ausreichend zum Schutz vor den Gefahren, die von Kampfhunden ausgehen (Losreißen, Attacke auf eine Person, die sich im Radius der Leine bewegt). Die Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes soll die vollziehbare Auflage enthalten, dass der Hund außer vom Antragsteller nur von bestimmten, namentlich zu benennenden, hierfür geeigneten Personen geführt werden darf (ggf. ist hierfür die im Rahmen einer Begutachtung gewonnene Erkenntnis zum Verhalten des Hundes gegenüber sonstigen Betreuungspersonen in verschiedenen Situationen zu berücksichtigen, vgl. Nr. 37.3.4 Buchst. b). Das Mitführen des Erlaubnisbescheids kann vorgeschrieben werden.
Regelmäßig soll für die Haltung von Kampfhunden und gefährlichen Tieren wildlebender Arten von der in Art. 37 Abs. 2 Satz 2 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, in einer Nebenbestimmung (Art. 36 BayVwVfG) die Haltungserlaubnis vom Nachweis des Bestehens einer besonderen Haftpflichtversicherung abhängig zu machen, die eine Mindestversicherungssumme von 1 Mio. Euro für Personenschäden und 0,25 Mio. Euro für Sachschäden vorsieht. Der Nachweis des Bestehens einer besonderen Haftpflichtversicherung kann durch Vorlage einer formlosen Bescheinigung des Versicherungsunternehmens geführt werden. Die Vorlage der Police genügt hierzu in der Regel nicht.

37.5   Bußgeldvorschriften

Folgende Bußgeldvorschriften sind neben Art. 37 Abs. 4 insbesondere zu beachten:
§ 121 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
§ 11 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 20 des Tierschutzgesetzes
§ 28 in Verbindung mit § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 der Straßenverkehrsordnung.

37a.   Zucht und Ausbildung von Kampfhunden

37a.1  

Die Kreisverwaltungsbehörden überwachen unter Mitwirkung der Veterinärämter das Verbot der Züchtung und Kreuzung von Kampfhunden. Welche Rassen, Kreuzungen und sonstigen Gruppen von Hunden Kampfhunde im Sinn des Absatzes 1 sind, bestimmt sich nach der Verordnung des Staatsministeriums des Innern über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit. In § 1 Abs. 1 der Verordnung sind Hunde aufgeführt, bei denen stets von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit auszugehen ist. Für diese Hunde gilt das Zuchtverbot ausnahmslos.
Das Zuchtverbot gilt auch für Hunde, die in § 1 Abs. 2 der Verordnung aufgeführt sind. Es gilt nicht, wenn für die Zuchttiere die Vermutung der Eigenschaft als Kampfhunde nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 der Verordnung widerlegt ist. Dies kann durch Vorlage eines Negativzeugnisses für die Haltung nach Nr. 37.3.6 geschehen.

37a.2  

Abs. 2 unterwirft die Ausbildung von Hunden mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren einer Erlaubnispflicht. Die Ausbildung (Schutzhundesport), wie sie nach den internationalen Regeln der Federation Cynologique Internationale (FCI) für Gebrauchshunde nach den Reglements IPO und Mondioring durchgeführt wird, wird hiervon nicht erfasst. Das Scharfmachen von Hunden, wie es z.B. im Zivilschutzdienst erfolgt, unterliegt hingegen der Erlaubnispflicht. Unter Scharfmachen ist auch eine Ausbildung zu verstehen, bei der der Hund lernt, einen Angriff durch sofortiges festes Zugreifen ohne Rücksicht auf eine sichtbare Schutzkleidung der angreifenden Person zu vereiteln.
Von einer Erlaubnis nach Art. 37a Abs. 2 bleiben nach anderen Vorschriften erforderliche Erlaubnisse unberührt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6 und 8 TierSchG).

37a.3  

Die Erlaubnis zur Ausbildung ist personenbezogen; sie bezieht sich nicht auf den jeweils auszubildenden Hund. Der Erlaubnisvorbehalt soll sicherstellen, dass der Bedarf an entsprechend ausgebildeten Hunden für besondere Bewachungszwecke auch weiterhin gedeckt werden kann.
Für Kampfhunde im Sinn des § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung des Staatsministeriums des Innern über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit ist eine Erlaubnis zur Ausbildung nicht zu erteilen.
Die erforderliche Sachkunde besitzt in der Regel, wer eine mehrjährige Erfahrung in der Ausbildung von Kampfhunden nachweist und ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit ihnen besitzt. Zum Nachweis dieser Voraussetzungen kann die Kreisverwaltungsbehörde die Ablegung einer Prüfung vor einem beamteten Tierarzt verlangen. Dieser kann als weiteren Sachkundigen einen zum Leistungsrichter im Polizeidiensthundewesen bestellten Beamten der Bayerischen Polizei hinzuziehen.

37a.4  

Zur Prüfung der Zuverlässigkeit des Antragstellers wird auf Nr. 37.4.2 hingewiesen.

37a.5  

Mit der Erlaubnis können vollziehbare Nebenbestimmungen (Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG) verbunden werden. Während der Ausbildung ist insbesondere eine verhaltensgerechte und ausbruchsichere Unterbringung der Hunde zu gewährleisten. Die Zahl der gleichzeitig auszubildenden Hunde kann beschränkt werden, soweit es erforderlich ist, um Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz auszuschließen. Die Erlaubnis kann die vollziehbare Auflage enthalten, das Ausbildungsgelände nach außen mit deutlich sichtbaren Warntafeln zu versehen. Die Erlaubnis kann vom Nachweis einer besonderen Haftpflichtversicherung abhängig gemacht werden.
Dem Ausbilder ist aufzugeben, ein Ausbildungsbuch zu führen und dieses auf Verlangen der Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. Das Ausbildungsbuch muss Angaben über die einzelnen ausgebildeten Hunde (Art, Rasse bzw. Kreuzung, Geschlecht, Geburtsdatum/Alter, nähere Beschreibung des Aussehens, Kennzeichnung) sowie die Personalien derjenigen Personen enthalten, an welche die ausgebildeten Tiere abgegeben werden. Der Zweck der Ausbildung ist im Ausbildungsbuch kurz zu schildern (z.B. Schutz des Einödhofs).

38.   Verhütung von Bränden

38.1  

38.1.1  

Zum Feuer im Sinn des Art. 38 Abs. 3 Nr. 1 gehören auch brennende Zündhölzer, Zigaretten usw.

38.1.2  

Brennstoffe sind feste, flüssige oder gasförmige brennbare Stoffe, die dazu bestimmt sind, Wärme durch Verbrennung zu erzeugen.

38.1.3  

Brandgefährlich sind insbesondere brennbare Stoffe, ferner Stoffe, die sich selbst erwärmen und dadurch zu Brandgefahren führen können oder bei denen bei einem Brand die Entstehung gefährlicher Zersetzungsprodukte oder gefährlichen Rauchs möglich ist.

38.1.4  

Brandgefährliche Anlagen im Sinn von Art. 38 Abs. 3 Nr. 3 sind insbesondere technische Einrichtungen (Betriebsstätten, Maschinen und sonstige Geräte), in denen brandgefährliche Stoffe hergestellt, verarbeitet, verwendet, gelagert, befördert oder vertrieben werden oder in denen durch andere Vorgänge Brände oder Explosionen entstehen können.

38.1.5  

Unter anderen Schutzmaßnahmen im Sinn von Art. 38 Abs. 3 Nr. 4 sind Maßnahmen zu verstehen, die der Verhütung oder Bekämpfung von Bränden dienen und in Art. 38 nicht bereits ausdrücklich genannt sind. Dazu gehören neben Verhaltensweisen und organisatorischen Maßnahmen auch technische Einrichtungen und Geräte, deren Zulassung, Überprüfung, Bereithaltung, Instandhaltung und Verwendung geregelt werden können.

38.2  

Bundesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 38 sind insbesondere
§ 120 a der Gewerbeordnung
Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 15. März 1974 (BGBl I S. 721, berichtigt S. 1193), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 25. Juli 1986 (BGBl I S. 1165)
Verordnung über Feuerungsanlagen (1. BlmSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 1979 (BGBl I S. 165), geändert durch Verordnung vom 24. Juli 1985 (BGBl I S. 1586)
Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BlmSchV) vom 24. Juli 1985 (BGBl I S. 1586)
Störfall-Verordnung (12. BlmSchV) vom 27. Juni 1980 (BGBl I S. 772), geändert durch Verordnung vom 24. Juli 1985 (BGBl I S. 1586)
Chemikaliengesetz vom 16. September 1980 (BGBl I S. 1718)
Sicherheitsfilmgesetz vom 11. Juni 1957 (BGBl I S. 604), geändert durch Art. 30 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
Sicherheitsfilmverordnung vom 13. Dezember 1958 (BGBl I S. 914)
Gesetz über das Schornsteinfegerwesen vom 15. September 1969 (BGBl I S. 1634, berichtigt S. 2432), zuletzt geändert durch Art. 19 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 19. Dezember 1969 (BGBl I S. 2363), zuletzt geändert durch Art. 19 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz) vom 24. Juni 1968 (BGBl I S. 717), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl I S. 265)
Gesetz betreffend Phosphorzündwaren vom 10. Mai 1903 (RGBl S. 217), geändert durch Gesetz vom 2. März 1974 (BGBl I S. 469)
Arbeitsstättenverordnung vom 20. März 1975 (BGBl I S. 729), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. August 1983 (BGBl I S. 1057)
Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1982 (BGBl I S. 144)
Zweite Verordnung zur Durchführung des Energiewirtschaftsgesetzes vom 31. August 1937 (RGBl I S. 918), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Dezember 1985 (BGBl I S. 2251)
Rechtsverordnungen nach § 24 der Gewerbeordnung
Dampfkesselverordnung vom 27. Februar 1980 (BGBl I S. 173)
Druckbehälterverordnung vom 27. Februar 1980 (BGBl I S. 184)
Acetylenverordnung vom 27. Februar 1980 (BGBl I S. 220)
Verordnung über brennbare Flüssigkeiten vom 27. Februar 1980 (BGBl I S. 229), geändert durch Verordnung vom 3. Mai 1982 (BGBl I S. 569)
Verordnung über Gashochdruckleitungen vom 17. Dezember 1974 (BGBl I S. 3591)
Verordnung über elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Räumen vom 27. Februar 1980 (BGBl I S. 214).

38.3  

Besondere landesrechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 38 sind insbesondere
Bayerische Bauordnung (BayRS 2132-1-I)
Verordnung über die erweiterte Anwendung der Dampfkesselverordnung, der Druckbehälterverordnung und der Aufzugsverordnung (BayRS 2132-1-17-I)
Bayerisches Ausführungsgesetz zum Chemikaliengesetz (BayRS 8053-6-A)
Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayRS 215-3-1-I)
Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (BayRS 215-3-1-1-I), geändert durch Verordnung vom 14. August 1985 (GVBl S. 482)
Allgemeine Bergbauverordnung (BayRS 750-11-W)
Gesetz zur Ausführung und Ergänzung des Sicherheitsfilmgesetzes (BayRS 215-2-5-I)
Bergbau-Tiefbohr-Verordnung (BayRS 750-12-W)
Bergbau-Elektro-Explosionsschutz-Verordnung (BayRS 750-13-W)
Waldgesetz für Bayern (BayRS 7902-1-E)

38.4  

Auf Art. 38 ganz oder teilweise gestützt, wurden insbesondere folgende Verordnungen erlassen:
Verordnung über die Feuerbeschau (BayRS 215-2-4-I)
Verordnung über die Verhütung von Bränden (BayRS 215-2-1-I)
Landesverordnung über technische Bühnenvorstände (BayRS 215-2-2-I)
Warenhausverordnung vom 20. März 1985 (GVBl S. 68)
Garagenverordnung (BayRS 2132-1-4-I)
Versammlungsstättenverordnung (BayRS 2132-1-5-I)
Verordnung über Feuerungsanlagen und Heizräume vom 20. März 1985 (GVBl S. 62)
Verordnung über das Kehren und Überprüfen von Feuerungs- und Lüftungsanlagen (BayRS 215-2-10-I)
Verordnung über Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe und die Zulassung von Fachbetrieben vom 13. Februar 1984 (GVBl S. 66)
Campingplatzverordnung (BayRS 2132-1-7-I)
Verordnung über Feuerlöschgeräte und Feuerlöschmittel (BayRS 215-2-3-I).

38.5  

38.5.1  

Art. 38 Abs. 3 Nr. 1 gibt den Gemeinden die Befugnis, durch Verordnung zu regeln, wo Feuer oder offenes Licht nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden darf. Die Verwendung kann auch von einer Erlaubnis abhängig gemacht werden. Daneben sind Vorschriften über das Verhalten und die Aufsicht bei der Verwendung von Feuer und offenem Licht möglich.

38.5.2  

Art. 38 Abs. 3 Nr. 3 lässt die Regelung allgemeiner Gebote und Verbote, den Erlass von Anordnungen für den Einzelfall sowie die Einführung einer Erlaubnispflicht mit der Möglichkeit zu Auflagen oder einer Anzeigepflicht zu.

40.   Weidefrevel

Vieh im Sinn von Art. 40 sind alle nutzbaren Haustiere, die man gewöhnlich weiden lässt, wie Pferde, Rinder, Esel, Schweine, Ziegen und Schafe.
Unter Hausgeflügel sind vor allem Gänse, Enten, Hühner und Truthühner zu verstehen, nicht aber Tauben.
Weiden ist das Verweilen von Vieh und Hausgeflügel in Feld und Flur, um an Ort und Stelle Futter zu suchen.
Fremde Grundstücke sind solche, die sich nicht im Eigentum dessen befinden, der weiden lässt.
Unbefugt handelt, wer ohne zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Befugnis handelt oder seine Befugnis überschreitet.
Hinsichtlich des nicht unter Art. 40 fallenden Forstweidefrevels wird auf Art. 46 Abs. 3 des Waldgesetzes hingewiesen.

41.   Feldgefährdung

Fremdes Eigentum im Sinn von Art. 41 sind insbesondere Grundstücke, Saat- und Pflanzengut, Pflanzen, Frucht und Ernte.
Saatzeit im Sinn von Art. 41 Abs. 1 Nr. 2 ist die Zeit der Frühjahrs- und Herbstaussaat.
Bestellt im Sinn von Art. 41 Abs. 1 Nr. 3 sind Grundstücke, solange sie besät oder bepflanzt sind; beendet ist die Ernte nach Abschluss der Jahresernte.
Abgraben und Abpflügen im Sinn von Art. 41 Abs. 1 Nr. 4 ist eine Veränderung der Oberfläche, die eine Verringerung der Nutzfläche des Grundstücks zur Folge hat.

42.   Verordnungen der Gemeinden, Landkreise und Bezirke

42.1  

Der Vierte Teil des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes gilt unmittelbar auch für Verordnungen, die nicht auf diesem Gesetz beruhen, soweit nicht Bundesrecht entgegensteht oder Landesgesetze etwas anderes bestimmen. Der Vierte Teil stellt somit den „Allgemeinen Teil“ des Verordnungsrechts dar.

42.2  

Die Überschrift der Verordnungen soll erkennen lassen, wer sie erlassen hat und was der Gegenstand der Verordnung ist, z.B.
„Verordnung der Gemeinde X über das Betreten und Befahren von Grundstücken“
oder
„Verordnung der Stadt Y über öffentliche Anschläge“.

42.3  

Gilt eine Verordnung eines Landkreises oder eines Bezirks nur in einer oder in wenigen Gemeinden, so sollte zweckmäßigerweise die Überschrift bereits auf den örtlichen Geltungsbereich hinweisen, z.B.
„Verordnung des Landkreises X über das Aufstellen von Wohnwagen in den Gemeinden Y und Z“.

42.4  

Ist eine Verordnung dringlich (Art. 42 Abs. 2), so wird darauf nicht in der Überschrift hingewiesen, sondern der Vorschrift über das Inkrafttreten folgender Satz vorangestellt:
„Diese Verordnung ist dringlich“.

42.5  

Dringlich ist eine Verordnung, wenn ihr sofortiger Erlass notwendig ist, um eine bestehende oder nach allgemeiner Lebenserfahrung mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung oder die nach der Zweckbestimmung der Vorschrift zu schützenden Rechtsgüter zu verhindern oder zu beseitigen.
Der Erlass einer Verordnung duldet keinen Aufschub, wenn die Verhinderung oder Beseitigung der konkreten Gefahr durch den Zeitverlust bis zum nächstmöglichen Zusammentritt der Vertretungskörperschaft im Sinn von Art. 42 Abs. 1 ernstlich in Frage gestellt wäre.
Auf Art. 51 Abs. 4 (Notbekanntmachung) wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.

42.6  

Die Ausfertigung der Verordnungen obliegt in Gemeinden dem ersten Bürgermeister, in Landkreisen dem Landrat und in Bezirken dem Bezirkstagspräsidenten. Zur Ausfertigung gehört neben dem Text der Verordnung die Angabe von Ort und Datum sowie die Unterschrift des Unterzeichnenden mit seiner Dienststellung.

43.   Vollzug der Verordnungen

43.1  

Art. 43 bestimmt für den Vollzug von Verordnungen, dass grundsätzlich die den Rechtssatz erlassende Behörde auch für dessen Vollzug zuständig ist. Damit ist die Verantwortung für Erlass und Vollzug einer Rechtsnorm im Rang unter dem Gesetz bei einer Körperschaft zusammengefasst.

43.2  

Verordnungen der Landkreise und Bezirke können aber den Vollzug durch die Gemeinden vorschreiben, um einen möglichst ortsnahen Vollzug sicherzustellen (Delegation des Vollzugs, vgl. Art. 77 Abs. 2 der Verfassung).
Verordnungen der Staatsministerien und der Staatsregierung sind grundsätzlich von den Landratsämtern und den kreisfreien Gemeinden zu vollziehen. Die Verordnung kann aber auch den Vollzug durch die Großen Kreisstädte (vgl. die Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte, Bayers 2020‑1‑1‑3-I) oder die Gemeinden, denen die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde übertragen sind (vgl. Art. 62 Abs. 2 BayBO und die Verordnung über die Übertragung von Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an kreisangehörige Gemeinden, Bayers 2132-1-13-I), oder die Regierungen vorsehen. Soweit eine solche Regelung in der Verordnung nicht getroffen wurde, verbleibt es bei der Vollzugskompetenz der Kreisverwaltungsbehörden.

44.   Zuständigkeit verschiedener Behörden oder Stellen

44.1  

Ist zum Erlass einer Verordnung neben dem Landkreis auch die Gemeinde ermächtigt, so sollen – außer bei Gefahr im Verzug – die Gemeinden gehört werden, bevor eine Verordnung des Landkreises beschlossen wird.

44.2  

Erforderlich ist eine einheitliche Regelung, wenn nur auf diese Weise ein vom Allgemeinwohl bestimmter Zweck erreicht werden kann.
Eine einheitliche Regelung ist insbesondere dann erforderlich, wenn die für das Gebiet mehrerer ermächtigter Körperschaften zu treffenden Regelungen zusammenhängen oder auch unter Berücksichtigung ihrer praktischen Auswirkungen voneinander abhängen.
Zweckmäßig ist eine einheitliche Regelung dann, wenn mehrere Behörden oder Stellen gleichlautende Verordnungen erlassen müssten.

44.3  

Hebt eine Verordnung des Landkreises oder Bezirks Verordnungen anderer Behörden oder Stellen auf, so soll sie die aufgehobenen Verordnungen im Einzelnen benennen. Ist das wegen der Zahl der aufzuhebenden Verordnungen nicht zweckmäßig, so soll die Verordnung die aufzuhebenden Verordnungen allgemein umschreiben, z.B.
„Die Verordnungen der Gemeinden des Landkreises X über ... werden aufgehoben“. Hebt eine Verordnung andere Verordnungen nur zum Teil auf, so sollen die geänderten Verordnungen alsbald neu erlassen werden.

45.   Rechtmäßigkeit und Angabe der Rechtsgrundlage

Die Angabe der besonderen Rechtsgrundlage gemäß Art. 45 Abs. 2 soll das ermächtigende Gesetz mit Datum und amtlicher Fundstelle und die einschlägige Einzelvorschrift möglichst genau (Artikel, Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe) benennen. Als Rechtsgrundlage sind nur die materiellen Ermächtigungsnormen und ergänzende Zuständigkeitsvorschriften anzugeben. Dazu gehören auch Art. 44 Abs. 2, Art. 46 Abs. 1 und Art. 49 Abs. 2, nicht jedoch die sonstigen Vorschriften der Art. 42 ff., auch nicht Straf- oder Bußgeldvorschriften.

46.   Pflicht zum Erlass von Verordnungen (Selbsteintritt der Rechtsaufsichtsbehörde)

46.1  

Die Verordnung der Rechtsaufsichtsbehörde gemäß Art. 46 Abs. 1 muss im Einleitungssatz darauf hinweisen, dass diese Behörde anstelle einer Gebietskörperschaft die Verordnung erlässt, z.B.
„... erlässt das Landratsamt X anstelle der Gemeinde Y folgende ...“.
In ihrer Überschrift sind solche Verordnungen als Verordnungen der erlassenden Behörde zu bezeichnen, z.B.
„Verordnung des Landratsamts X ...“.

46.2  

Aufforderungen im Sinn von Art. 46 Abs. 1 sollen schriftlich ergehen, wenn nicht Gefahr im Verzug besteht. Mündliche Aufforderungen sollen schriftlich bestätigt werden.

46.3  

Zwingend erforderlich zum Wohl der Allgemeinheit ist eine Verordnung, wenn im Falle des Unterlassens erhebliche Belästigungen oder Gefahren für die Sicherheit eines größeren, unbestimmten Personenkreises zu erwarten wären.

47.   Vorlage und Genehmigung

47.1  

Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage bedürfen Verordnungen der Gemeinden und Landkreise nur mehr dann einer Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde, wenn sie auf dem Bayerischen Naturschutzgesetz beruhen und bewehrt sind (vgl. im Übrigen Nummer 47.6). Das Gleiche gilt für naturschutzrechtliche Verordnungen der Kreisverwaltungsbehörden.
Verordnungen sind auch dann bewehrt, wenn sie lediglich die örtliche oder zeitliche Geltung eines bewehrten, im Gesetz geregelten Tatbestands unmittelbar näher bestimmen.

47.2  

Bei Gefahr im Verzug kann die Genehmigung auch mündlich (telefonisch) erteilt werden; sie soll unverzüglich nach Vorlage der Ausfertigung der Verordnung schriftlich bestätigt werden.

47.3  

Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Verordnung missverständlich gefasst ist, rechtliche Mängel aufweist oder wenn das Wohl der Allgemeinheit eine andere Regel zwingend erfordert.

47.4  

Ist eine Verordnung zu beanstanden, so kann sie die Rechtsaufsichtsbehörde unter der Bedingung genehmigen, dass die beanstandeten Teile der Verordnung eine bestimmte Fassung erhalten. Die für den Erlass der Verordnung zuständige Stelle muss über die neue Fassung entscheiden.

47.5  

Im Einleitungssatz genehmigter Verordnungen ist auf die Genehmigung mit Datum und Aktenzeichen hinzuweisen, z.B.
„... erlässt die Gemeinde X folgende, durch das Landratsamt Y am ... (Nr. ...) genehmigte Verordnung:...“.
Diese Ergänzung des Verordnungstextes bedarf keiner erneuten Beschlussfassung.

47.6  

Genehmigungsfreie Verordnungen kreisangehöriger Gemeinden sollen spätestens vier Wochen vor ihrem Inkrafttreten der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt werden. Diese hat die Verordnung unverzüglich zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend Art. 49 zu verfahren.

47.7  

Bei der Vorlage dringlicher Verordnungen im Sinn von Art. 42 Abs. 2 ist die Dringlichkeit besonders zu begründen.

47.8  

Rechtsaufsichtbehörde ist
für kreisangehörige Gemeinden gemäß Art. 110 Satz 1 der Gemeindeordnung das örtlich zuständige Landratsamt
für kreisfreie Gemeinden gemäß Art. 110 Satz 2 der Gemeindeordnung die zuständige Regierung
für Landkreise gemäß Art. 96 Satz 1 der Landkreisordnung die zuständige Regierung
für Verwaltungsgemeinschaften gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung (Bayers 2020-2-1-I) in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (Bayers 2020-6-1-I) die für deren Sitz örtlich zuständige Kreisverwaltungsbehörde (Landratsamt).

47.9  

Der Rechtsaufsichtsbehörde ist eine beglaubigte Ausfertigung der Verordnung und, wenn eine Vertretungskörperschaft die Verordnung beschlossen hat, auch des Auszugs aus der Niederschrift über die betreffende Sitzung vorzulegen.

48.   Änderung und Aufhebung von Verordnungen

48.1  

Eine Änderung ist jede Veränderung des bestehenden Inhalts einer Verordnung. Wird eine Verordnung nur zum Teil aufgehoben, so ist das keine Aufhebung im Sinn von Art. 48, sondern eine Änderung.
Art. 48 Satz 2 stellt klar, dass der Wegfall der gesetzlichen Ermächtigung nicht notwendig zur Ungültigkeit einer vorher rechtmäßig erlassenen Verordnung führt. Es kommt auf den Zweck der Gesetzesänderung im Einzelfall an. Vor allem ist eine Bußgeldbestimmung in der Verordnung nicht mehr anwendbar, wenn zugleich mit der Ermächtigung auch der gesetzliche Bußgeldtatbestand entfällt.
Ob die erlassende Stelle von ihrer Aufhebungsbefugnis Gebrauch macht, steht in deren pflichtgemäßem Ermessen.

48.2  

Die Aufhebung oder Änderung einer Verordnung hat in der Form einer Verordnung zu erfolgen.
Verordnungen, die ausschließlich eine andere Verordnung aufheben, sind als „Verordnung... zur Aufhebung der Verordnung...“,
solche, die ausschließlich eine andere Verordnung ändern, als „Verordnung... zur Änderung der Verordnung...“
zu bezeichnen.

49.   Allgemeine Aufsichtspflicht

Für Aufforderungen der Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 49 Abs. 1 gilt Nummer 46.2 entsprechend (vgl. auch Nummer 47.9).

50.   Geltungsdauer

50.1  

Für die Berechnung der Frist des Art. 50 Abs. 1 Satz 1 gelten § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 BGB, für die Berechnung der Geltungsdauer einer Verordnung § 187 Abs. 2, §§ 188, 189 und 192 BGB entsprechend (vgl. Art. 31 BayVwVfG).

50.2  

Die Verordnung soll den Kalendertag angeben, an dem sie in Kraft tritt. Soll in der Verordnung lediglich angegeben werden, dass sie einen bestimmten Zeitabschnitt nach der Bekanntmachung in Kraft tritt (z.B. „einen Monat nach ihrer Bekanntmachung“), so muss das Druckwerk (z.B. Amtsblatt), in dem die Verordnung amtlich bekannt gemacht wird, den Tag der Ausgabe ausdrücklich angeben.

50.3  

Die Geltungsdauer der Verordnung muss nicht besonders angegeben werden, wenn sie sich bereits aus dem Inhalt der Verordnung zweifelsfrei ergibt.

50.4  

Enthalten Verordnungen, die auf dem Bayerischen Naturschutzgesetz oder dem Bayerischen Wassergesetz beruhen, eine Beschränkung ihrer Geltungsdauer, so soll diese Beschränkung durch Änderungsverordnung aufgehoben werden.

50.5  

Mit Ausnahme der in Art. 50 Abs. 3 genannten Vorschriften gelten bewehrte Verordnungen keinesfalls länger als 20 Jahre und müssen nach Ablauf dieses Zeitraums erforderlichenfalls neu erlassen werden (vgl. Art. 60). Die Verlängerung der Geltungsdauer durch die Änderungsverordnung ist nicht möglich.

50.6  

Unbewehrte Verordnungen treten zu dem in der Verordnung selbst bestimmten Zeitpunkt in Kraft und treten erst wieder außer Kraft, wenn sie förmlich aufgehoben werden.

51.   Amtliche Bekanntmachung

51.1  

Die Behörde oder Stelle, die für den Erlass der Verordnung zuständig ist, macht die Verordnung auch amtlich bekannt. Für Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften handelt die Verwaltungsgemeinschaft, jedoch kann auch der erste Bürgermeister die Verordnung ausfertigen.

51.2  

Für Verordnungen der Gemeinden gelten Art. 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung und die Bekanntmachungsverordnung vom 19. Januar 1983 (GVBl S. 14) entsprechend.

51.3  

Für Verordnungen der Landkreise und Landratsämter gilt Art. 20 Abs. 2 der Landkreisordnung entsprechend.

51.4  

Für Verordnungen der Bezirke und der Regierungen gilt Art. 19 Abs. 2 der Bezirksordnung entsprechend.

51.5  

Die grobe Umschreibung der Grenzen des Geltungsbereichs einer Verordnung gemäß Art. 51 Abs. 3 Satz 1 kann verbal oder durch Abdruck einer Karte erfolgen.

51.6  

Anlässe für Notbekanntmachungen im Sinn von Art. 51 Abs. 4 können zum Beispiel die Verbreitung von giftigen Gasen, der Ausbruch einer Seuche oder eines Flächenbrandes oder der Fund von Sprengmitteln bei Bauarbeiten sein.

51.7  

Im Fall der Notbekanntmachung (Art. 51 Abs. 4) muss der vollständige Wortlaut der Verordnung mitgeteilt und darauf hingewiesen werden, dass die Verordnung auch in dem namentlich zu bezeichnenden Druckwerk (vgl. die Nummern 51.1 bis 51.4) veröffentlicht oder durch Niederlegung der Verordnung in der Verwaltung der Gemeinde bekannt gegeben wird. Wird die Verordnung einer Gemeinde zunächst nur mündlich amtlich bekannt gemacht, so ist dabei auch darauf hinzuweisen, dass ihr Wortlaut in der Verwaltung der Gemeinde eingesehen werden kann.

51.8  

Die Ausfertigung einer genehmigungspflichtigen Verordnung, die amtlich bekannt gemacht wird, darf kein Datum haben, das vor der Genehmigung liegt.

52.   Hinweis auf die Bekanntmachung

52.1  

Als Hinweis auf die Bekanntmachung einer Verordnung sind folgende Angaben erforderlich:
Überschrift und Datum der Verordnung
namentliche Bezeichnung des Druckwerks, in dem die Verordnung amtlich bekannt gemacht worden ist, mit Datum, fortlaufender Seitenzahl oder Nummer
Datum des Inkrafttretens der Verordnung
Möglichkeit der Einsichtnahme in der Verwaltung der Gemeinde.

52.2  

Zur Form der ortsüblichen Bekanntmachung vgl. auch Art. 27 Abs. 2 der Gemeindeordnung.

52.3  

Einsichtnahme in den Wortlaut ihrer Verordnungen ist von den Gemeinden während der allgemeinen Dienststunden der Gemeindeverwaltung zu ermöglichen.

53.   Mitteilungen

53.1  

Zur Mitteilung verpflichtet sind die Gemeinden für ihre Verordnungen und das Landratsamt für Verordnungen des Landkreises und des Landratsamts.

53.2  

Örtliche Polizeidienststellen im Sinn von Art. 53 sind alle Dienststellen der Landes- bzw. Grenzpolizei, die für eine Gemeinde oder einen Landkreis örtlich zuständig sind (vgl. Verordnung zur Durchführung des Polizeiorganisationsgesetzes, BayRS 2012-2-1-1-I, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. November 1985, GVBl S. 785).

55.   Vorbehalt des Bundesrechts

Art. 55 hat in der Praxis deshalb Bedeutung, weil Bundesgesetze, die Landesorgane zum Erlass von Verordnungen ermächtigen, häufig keine Vorschriften über das einzelne Verfahren enthalten. So sind z.B. Verordnungen zum Verbot oder zur Beschränkung der Prostitution in Gemeinden mit über zwanzigtausend Einwohnern gemäß Art. 297 Abs. 1 EGStGB und § 2 der Verordnung über das Verbot der Prostitution (BayRS 2011-2-6-I) von den Regierungen zu erlassen und von den Kreisverwaltungsbehörden analog Art. 43 Nr. 4 zu vollziehen.

56.   Zuständigkeiten für gemeindefreie Gebiete

Art. 56 regelt allgemein die Zuständigkeit für gemeindefreie Gebiete und gilt auch für Erlaubnisse, Anordnungen, Maßnahmen und Anzeigen nach anderen Gesetzen.

57.   Ausführungsvorschriften

Derzeit hat das Staatsministerium des Innern Ausführungsvorschriften im Sinn von Art. 57 nicht erlassen.

60.   Fortbestand alten Verordnungsrechts

60.1  

Art. 60 erklärt alle aufgrund bisherigen Rechts erlassenen straf- oder bußgeldrechtlichen Vorschriften des Landesrechts unter dem Rang eines formellen Gesetzes für außer Kraft getreten, wenn seit ihrem Inkrafttreten zwanzig Jahre vergangen sind.
Da seit Bestehen des Art. 60 mehr als 20 Jahre vergangen sind, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass vorkonstitutionelle Verordnungen außer Kraft getreten sind.
Zusammen mit Art. 50 Abs. 2 hat Art. 60 Rechtsbereinigungscharakter. Bußgeldbewehrte Verordnungen sind grundsätzlich Zeitnormen mit dem Zwang für die erlassende Körperschaft, deren Notwendigkeit und Geeignetheit in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen.

60.2  

Ausgenommen hiervon sind nur Verordnungen aufgrund bundesrechtlicher Ermächtigungen, Satzungen nach der Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Anordnungen durch amtliche Verkehrszeichen und Verordnungen nach dem Naturschutzrecht.

61.   Einstweilige Vorschriften über die Stilllegung und Beseitigung von Anlagen und Geräten

61.1  

Anlagen im Sinn von Art. 61 sind ortsfeste und auf längere Dauer bestimmte sowie für kurze Zeit oder für einen einmaligen Anlass aufgestellte Einrichtungen (z.B. Betriebsstätten, fest installierte Maschinen, sonstige technische Einrichtungen).
Geräte sind bewegliche oder zur vorübergehenden Benutzung angebrachte unbewegliche Einrichtungen (z.B. Maschinen, Elektrogeräte, Sportgeräte). Für bauliche Anlagen gelten die Vorschriften der Bayerischen Bauordnung.

61.2  

Im Sinn von Art. 61 Abs. 1 verwirklicht eine rechtswidrige Tat bereits dann den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit, wenn deren objektive Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Verschulden bzw. Vorwerfbarkeit ist hierzu nicht erforderlich. Etwaige Schuld- oder Strafausschließungsgründe stehen der Anordnung nicht entgegen.

61.3  

Gefahr im Verzug im Sinn von Art. 61 Abs. 1 ist gegeben, wenn der mit einem Straf- oder Bußgeldverfahren verbundene Zeitverlust den Zweck der Maßnahme vereiteln würde.

61.4  

Ein dringendes öffentliches Interesse an einem sofortigen Vollzug kann sich insbesondere daraus ergeben, dass durch sofortiges Einschreiten weitere gleichartige Zuwiderhandlungen verhindert werden sollen.

61.5  

Die Unmöglichkeit, ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchzuführen, kann sich aus rechtlichen (z.B. Exterritorialität, Immunität, Verjährung, Amnestie) oder aus tatsächlichen Gründen (z.B. Tod, Schuldunfähigkeit) ergeben.

61.6  

Die Zuwiderhandlung ist im Sinn von Art. 61 Abs. 1 rechtskräftig festgestellt, wenn ein Gericht deswegen durch Urteil oder Strafbefehl eine Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung rechtskräftig verhängt hat. Gleiches gilt im Bereich des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde.
Eine Verwarnung nach § 56 des Ordnungswidrigkeitengesetzes ist keine rechtskräftige Feststellung in diesem Sinn, da sie nicht in dem für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen besonderen Bußgeldverfahren ergeht.

61.7  

Besondere gesetzliche Vorschriften im Sinn von Art. 61 Abs. 2 sind insbesondere § 20 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, § 25 der Gewerbeordnung, § 32 des Sprengstoffgesetzes, § 23 des Chemikaliengesetzes, Art. 20 und 30 des Bayerischen Wassergesetzes, Art. 68 Abs. 4 und Art. 82 BayBO.

Diese Bekanntmachung tritt am 15. September 1986 in Kraft. Gleichzeitig treten die Bekanntmachungen vom 1. August 1968 (MABl S. 371), vom 17. Oktober 1974 (MABl S. 808) und vom 10. Juni 1975 (MABl S. 510), geändert durch Bek vom 14. September 1978 (MABl S. 765), außer Kraft.
EAPl 131
GAPl 2101
MABl 1986 S. 361