Titel:
Erbschaftsteuerpflicht für im Ausland wohnhafte Vermächtnisnehmerin
Normenketten:
BewG § 121 Nr. 2
FGO § 105 Abs. 3 S. 2
ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 3
Schlagwort:
Erbschaftsteuer
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 23.11.2022 – II R 37/19
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
StB 2019, 326
UVR 2019, 365
ErbStB 2019, 318
StEd 2019, 591
EFG 2019, 1545
StB 2019, 289
NWB 2019, 3334
LSK 2019, 18952
ZErb 2019, 295
ZEV 2019, 657
BeckRS 2019, 18952
DStRE 2019, 1342
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die im Ausland wohnhafte Klägerin, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist Vermächtnisnehmerin nach der am … verstorbenen … (im Folgenden: Erblasserin). Die Klägerin ist eine Nichte der Erblasserin, welche ihren Wohnsitz im Ausland hatte und im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Gegenstand des der Klägerin von der Erblasserin zugewandten Vermächtnisses ist ein Anteil von … % an dem Grundvermögen X-Straße in Z …, der mit einem … Nießbrauch zu Gunsten Y belastet ist.
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Aufgrund notariellen Vertrags vom … wurde der Klägerin der Miteigentumsanteil an dem Grundvermögen X-Straße in Z übertragen, so dass - in Erfüllung des Vermächtnisanspruchs - die Klägerin Miteigentümerin des o.g. Grundvermögens geworden ist. Mit Schreiben vom 29. Juli 2014 zeigte die Klägerin diesen Vorgang dem beklagten Finanzamt (FA) an.
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Ausgehend von der am 19. Februar 2015 beim FA eingegangenen Erbschaftsteuererklärung setzte das FA mit Bescheid vom 2. März 2015 Erbschaftsteuer i.H.v. … € fest. Den hiergegen mit Schreiben vom 23. März 2015 eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen für eine beschränkte Steuerpflicht nicht vorlägen. Mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2015 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. In der Teil-Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2015 blieb die Frage der Höhe des persönlichen Freibetrags unentschieden.
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Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der am 5. Januar 2016 eingelegten Klage, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Die Voraussetzungen einer beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes -ErbStGlägen im Streitfall nicht vor, da der Vermächtnisanspruch der Klägerin nicht von § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) erfasst sei. Ein Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks gehöre nicht zum Inlandsvermögen des § 121 Nr. 2 BewG.
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Aus hier unstreitigen Gründen änderte das FA die festgesetzte Erbschaftsteuer zweimal und setzte zuletzt mit Bescheid vom 10. Januar 2018 die Erbschaftsteuer auf … € herab.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 10. Januar 2018 aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen (in Ergänzung der Teil-Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2015) vor, dass auch schuldrechtliche Sachleistungsansprüche wie ein Sachvermächtnis von § 121 Nr. 2 BewG erfasst würden, da der Sachleistungsanspruch nicht nur hinsichtlich der Bewertung, sondern auch hinsichtlich der Zuordnung zu Vermögensgruppen dem Sacheigentum gleichgestellt ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird nach § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Erbschaftsteuerakte des FA sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat im Streitfall zu Recht eine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG angenommen und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt ein Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Sind weder der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes noch der Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Inländer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG, bezieht sich die inländische Steuerpflicht lediglich auf den Teil des Vermögensanfalls, der in Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG besteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). Einziger Anknüpfungspunkt für die Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG ist das § 121 BewG beschriebene Inlandsvermögen. Auch wenn das als Erbstatut berufene ausländische Recht einem Vermächtnis beim Erbfall unmittelbar dingliche Wirkung beilegt (Vindikationslegat), begründet das Vermächtnis eines in Deutschland belegenen Grundstücks hier nur einen schuldrechtlichen Anspruch (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. September 1994 IV ZR 95/93, NJW 1995, 58).
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b) Bei Übertragung dieser Grundsätze ist die im Erbschaftsteuerbescheid vom 10. Januar 2018 erfolgte Festsetzung der Erbschaftsteuer rechtmäßig, da die Klägerin, die als Nichte der Erblasserin der Steuerklasse II (§ 15 Abs. 1 ErbStG) zuzuordnen ist, unter die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG fällt.
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aa) So liegt nach Auffassung des Senats im Streitfall ein Vermögensanfall i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vor, da die Klägerin infolge ihres Vermächtnisanspruches den Miteigentumsanteil an dem Grundvermögen in Z - und damit inländisches Grundvermögen i.S.d. § 121 Nr. 2 BewG - erworben hat.
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(1) Der Senat verkennt hierbei nicht, dass ein (schuldrechtlicher) Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks noch kein inländisches Grundvermögen i.S.d. § 121 Nr. 2 BewG darstellt (vgl. z.B. Willmann in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 1. Aufl. 2000, 100. Lieferung, § 121 BewG Rn. 16) und dass der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. Oktober 1958 III 98/58 S, BFHE 68, 59, BStBl III 1959, 22 entschieden hat, dass die Gleichsetzung des Anspruchs auf Lieferung eines Gegenstandes (im vom BFH entschiedenen Streitfall: eines Grundstücks) mit der Sache oder dem Eigentum an der Sache selbst sowohl der Systematik des bürgerlichen Rechts, sondern auch der Systematik des steuerlichen Bewertungsrechts widerspricht.
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(2) Entscheidend ist aber nach Auffassung des Senats, dass bei der Frage, ob ein Anspruch auf Übereignung eines bestimmten Vermögensgegenstandes i.S.d. § 121 BewG (hier Nr. 2: eines inländischen Grundstücks) von der beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erfasst wird, primär bei der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG - und nicht lediglich am bloßen Wortlaut des § 121 BewG - angesetzt werden muss. So erfasst - ausgehend von der konzeptionellen Ausrichtung der Erbschaftsteuer als am Reinvermögenszugangsprinzip ausgerichtete Bereicherungssteuer - der Begriff des Vermögensanfalls in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG jeglichen Erwerb i.S.v. § 3 ErbStG und damit neben dem Erwerb infolge eines Erbanfalls (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-) auch den Erwerb infolge eines Vermächtnisses. Eine Reduzierung des Begriffs des Vermögensanfalls in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auf den Erwerb infolge Erbanfalls (§ 1922 BGB) würde daher der Grundsystematik des ErbStG widersprechen (vgl. Krumm, Internationales Steuerrecht - IStR - 2011, 615). Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Vergleich des Begriffs des Vermögensanfalls in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der ebenfalls vom Vermögensanfall spricht (vgl. Krumm, IStR 2011, 615). Da von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht) aber unstreitig alle Erwerbstatbestände des § 3 ErbStG und damit auch der Erwerb durch Vermächtnis erfasst wird, kann auch nichts anderes im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht für den Begriff des Vermögensanfalls in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gelten.
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(3) Im Übrigen kann es für die beschränkte Steuerpflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG keinen wertungsmäßig relevanten Unterschied machen, ob eine Sache oder Recht i.S.d. § 121 BewG unmittelbar zu zivilrechtlichem Eigentum erworben wird oder lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung jener Eigentümerstellung besteht. Entscheidend ist vielmehr, dass der Inlandsbezug als Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch bei einem - auf Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG gerichteten - Sachleistungsanspruch gegeben ist (vgl. Krumm IStR 2011, 615)
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(4) Schließlich kann es nicht mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vereinbar sein, dass man inländisches Grundvermögen ganz einfach dadurch der beschränkten Steuerpflicht entziehen kann, dass man es zum Gegenstand einer Vermächtnisanordnung erklärt (vgl. Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 2 Rn. 11).
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(5) Mithin kommt dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensanfalls in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG lediglich die Funktion zu, die rechtliche Ausgestaltung der Bereicherung, wie sie gerade auch den Erwerbstatbeständen des § 3 ErbStG zugrunde liegt, zu erfassen. Die Aufzählung in § 121 BewG, auf den § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG verweist, dient somit „nur“ dazu, den Gegenstand der Bereicherung der Sache und nicht die rechtliche Ausgestaltung zu konkretisieren und einzugrenzen (Krumm, IStR 2011, 615; a.A. Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 2 Rn. 21).
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(6) Der erkennende Senat sieht seine Auffassung nicht zuletzt gestützt durch das BFH-Urteil vom 10. Mai 2017 II R 53/14, BFHE 258, 74, BStBl II 2017, 1200. Dort ist der BFH (ohne auf den o.g. Streitstand überhaupt einzugehen) von einer beschränkten Steuerpflicht i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ausgegangen, obwohl in dem vom BFH zu entscheidenden Fall die Vermächtnisnehmerin und der Erblasser bei dessen Ableben ihren Wohnsitz (jeweils) in der Schweiz hatten und die Vermächtnisnehmerin aufgrund des Vermächtnisses inländische Grundstücke erworben hat. Wäre der BFH in dem in BFHE 258, 74 entschiedenen Fall aber davon ausgegangen, dass eine beschränkte Steuerpflicht i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht vorliegt, hätte sich die Frage der Höhe des Freibetrags überhaupt nicht mehr gestellt.
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(7) Der Senat vermag daher aus o.g. Erwägungen nicht der - formal-juristisch argumentierenden - h.M. im Schrifttum zu folgen, wonach sog. Sachleistungsansprüche nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen sollen, da sie im enumerativen Katalog des § 121 BewG nicht aufgezählt sind (Eisele in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 80. Lieferung 05.2019, § 2 ErbStG Rn. 43.1; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn. 68; Meßbacher-Hönsch in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 1. Aufl. 2000, 100. Lieferung, § 2 ErbStG Rn. 154; Dötsch in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, 145. Lieferung 04.2019, § 121 BewG Rn. 109; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 2 Rn. 21; Willmann in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 1. Aufl. 2000, 100. Lieferung, § 121 BewG Rn. 16; Kreutziger in Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, 4. Aufl. 2018, § 121 Rn. 11). Da der Senat auch Sachleistungsansprüche, die sich auf Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG richten, für das Eingreifen der beschränkten Steuerpflicht als ausreichend erachtet, musste er auch nicht mehr auf diejenigen Meinungen im Schrifttum eingehen, die Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG auch beim bloßen Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums bzw. eines Anwartschaftsrechts bejahen (vgl. hierzu Eisele in Rössler/Troll, BewG, Stand 31. Oktober 2018, 29. Ergänzungslieferung, § 121 Rn. 5 m.w.N. Willmann in: Wilms/Jochum a.a.O. § 121 BewG Rn. 16).
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bb) Sonstige auf eine Rechtswidrigkeit des Erbschaftsteuerbescheids vom 10. Januar 2018 hindeutende Anhaltspunkte sind weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich. So ist der dem streitgegenständlichen Erbschaftsteuerbescheid zugrunde gelegte Erwerb zwischen den Beteiligten unstreitig. Insbesondere ist die Bewertung des Nutzungsrechts/Nießbrauchs von Y (§ 14 Abs. 1, § 15 Abs. 2 BewG) zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.
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4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).