Inhalt

Text gilt ab: 26.10.2023

4.   Unterbringung nach dem allgemeinen Sicherheitsrecht

4.1   Abgrenzung des Sicherheitsrechts zu sozialen Hilfemaßnamen und sonstigen Maßnahmen

1Der Zustand der (drohenden) Obdachlosigkeit kann grundsätzlich eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen, der die Gemeinden dann nach dem Sicherheitsrecht zur Gefahrenabwehr regelmäßig begegnen müssen (Art. 6 und 7 Abs. 2 Nr. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes – LStVG).
2Das Sicherheits- und Polizeirecht greift jedoch in der Regel erst dann, wenn die sozialrechtlichen Mittel nicht ausreichen, um eine tatsächliche Obdachlosigkeit zu verhindern, und eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt. 3Es ist grundsätzlich die Aufgabe des Sozialleistungsrechts dafür zu sorgen, dass eine unfreiwillige Obdachlosigkeit als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht eintritt.
4Auch sieht das Sicherheits- und Polizeirecht keine sozialen Hilfen vor, um Betroffene bei der Überwindung der Wohnungslosigkeit oder anderen sozialen Schwierigkeiten zu unterstützen. 5Solche sozialen Unterstützungsleistungen oder Beratungsstrukturen sind vielmehr in der Wohnungslosenhilfe über Sozialwohnungen und Sozialleistungen zu suchen. 6Die sicherheitsrechtliche Notunterbringung ist weder auf Dauer angelegt, noch wird hierdurch die Wohnungslosigkeit beendet. 7Es wird allein die als Folge der Obdachlosigkeit eingetretene Gefährdung von Leben und Gesundheit abgewehrt, die Unterbringung dient aber nicht der wohnungsmäßigen Versorgung. 8Die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft darf daher weder von der Verwaltung noch von den Betroffenen selbst als Dauerlösung betrachtet werden.
9Die Übernahme der Kosten für eine dauerhafte Unterkunft (Normalwohnung) und Heizung ist Aufgabe der Jobcenter und Träger der Sozialhilfe, soweit sich eine hilfebedürftige Person nicht selbst helfen kann und sie eine entsprechende Unterstützung nicht von anderen erhält. 10Darüber hinaus ist als individualrechtlicher Anspruch im Einzelfall die Unterstützung bei der Erhaltung und Beschaffung einer Unterkunft auf Dauer Aufgabe der zuständigen Träger der Sozialhilfe.
11Direkt an die Unterbringung in einer Notunterkunft anschließen beziehungsweise damit einhergehen sollte daher die Beratung und Betreuung der betreffenden Personen durch den Sozialleistungsträger (§ 14 SGB I, § 14 Abs. 2 SGB II, § 106 SGB IX, § 67 ff. SGB XII) – soweit möglich und zielführend auch in der vorübergehenden Unterkunft – mit dem Ziel, dass die betreffenden Personen in eine normale Wohnung zurückkehren beziehungsweise unabhängig von staatlichen Leistungen leben können. 12Dabei ist insbesondere auf einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu den Angeboten zu achten, zum Beispiel durch aufsuchende Hilfe vor Ort in den Unterkünften. 13Das Bereitstellen von Beratungs- und Unterstützungsleistungen durch die Sozialleistungsträger und Verbände der Wohlfahrtspflege, um notwendige ergänzende soziale Leistungen zu erschließen und auf eine Vermittlung in regulären Wohnraum hinzuwirken, ist auch deshalb empfehlenswert, da längere Aufenthalte in Notunterkünften zu vermehrten psychosozialen Problemen der obdachlosen Personen führen und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft weiter erschweren können.
14Letztlich stellt die sicherheitsrechtliche Notunterbringung nur einen Notbehelf für einen Übergangszeitraum im Rahmen der Gefahrenabwehr dar, die Bewältigung spezieller Unterbringungs- und Betreuungsleistungen fällt dabei jedoch nicht in den Aufgabenbereich der Sicherheitsbehörde (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2018, Az. 9 E 129/18). 15In Fällen von Selbst- oder Fremdgefährdung durch eine psychische Erkrankung kann – wenn andere, weniger einschneidende Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten, wie insbesondere auch der Krisendienste Bayern und/oder die Hinzuziehung des gesetzlichen Vertreters, nicht ausreichen, um die Betroffenen und die Allgemeinheit vor Schaden zu bewahren – eine öffentlich-rechtliche Unterbringung nach dem BayPsychKHG in Betracht kommen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Dezember 2017, Az. 4 CS 17.1450, und Beschluss vom 9. Januar 2017, Az. 4 C 16.2565). 16Insbesondere stellt eine einfache Obdachlosenunterkunft keinen Ersatz für eine Einrichtung mit speziellem Betreuungs- und Sicherungsbedarf dar (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6. August 2015, Az. 4 C 15.1578).
17Themenkomplexe über das Bereitstellen einer im Einzelfall angemessenen Notunterkunft hinaus sind demnach nicht von der Sicherheitsbehörde, sondern von den jeweils zuständigen Leistungsträgern zu bewältigen.

4.2   Allgemeines; Eröffnung des Aufgabenfeldes der Sicherheitsbehörden, Zuständigkeit (örtlicher Bezug)

1Die Sicherheitsbehörden sind in Fällen plötzlich auftretender (unfreiwilliger) Obdachlosigkeit (zum Beispiel Verlust der Wohnung) in der Regel verpflichtet, die Obdachlosigkeit bei Vorliegen einer konkreten Gefahr als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen. 2Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG können die Gemeinden als Sicherheitsbehörden für den Einzelfall Anordnungen treffen, um Gefahren abzuwehren und Störungen zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen. 3Dazu gehört, Obdachlosen eine vorübergehende Unterkunft einfacher Art zur Verfügung zu stellen, um eine konkrete Gefahr für deren Leben und Gesundheit bei fehlender Unterbringung beispielsweise infolge der Witterung abzuwenden. 4Demnach kann sich eine Pflicht der Sicherheitsbehörden zur Beseitigung der Obdachlosigkeit bei einer akuten Krisenintervention (zum Beispiel plötzlicher Kälteeinbruch) auch in Fällen schon länger bestehender Obdachlosigkeit ergeben, wenn die Abwehr einer Gefahr für Leben und Gesundheit der obdachlosen Person zu besorgen ist. 5Die Verpflichtung zur Unterbringung von Obdachlosen gehört zu der von der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis zu vollziehenden Pflichtaufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung im örtlichen Bereich aufrechtzuerhalten.
6Für die Unterbringung Obdachloser ist diejenige Gemeinde zuständig, in der die Betroffenen aktuell obdachlos sind. 7Maßgeblich ist daher weder die melderechtliche Situation noch der bisherige gewöhnliche Aufenthaltsort, sondern der Ort, an dem sich die Betroffenen gerade aufhalten und an dem die mit der Obdachlosigkeit verbundene Gefahr für Leben und Gesundheit daher aktuell auftritt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. August 2019, Az. 4 CE 19.1546). 8Die Gemeinde kann sich dieser Zuständigkeit nicht dadurch entziehen, dass sie die Obdachlosen an eine andere Gemeinde verweist.
9Die Gemeinden erfüllen diese Aufgabe unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Gründe der Obdachlosigkeit, der Größe der Familie, der Zahl der Kinder usw.; die übrigen zu beteiligenden Stellen (Jobcenter, Sozialhilfe sowie Freie Wohlfahrt, wenn eine Einrichtung existiert) sollen hinzugezogen oder unverzüglich über die ergriffenen Maßnahmen unterrichtet werden, wenn ihre vorherige Beteiligung nicht möglich war.
10Liegt ein vollstreckbarer Räumungstitel vor und ist zu erwarten, dass Personen durch die Vollstreckung des Titels obdachlos werden, benachrichtigt der Gerichtsvollzieher unverzüglich die für die Unterbringung von Obdachlosen zuständige Verwaltungsbehörde – die Sicherheitsbehörde der Stadt oder Gemeinde (§ 130 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher – GVGA).

4.2.1   Freiwillige Obdachlosigkeit

1Ein Tätigwerden der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr ist grundsätzlich lediglich in Fällen der unfreiwilligen Obdachlosigkeit geboten. 2Maßgeblich sind hierfür die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. 3Beruht die Obdachlosigkeit auf einer selbstverantwortlichen, rechtlich anzuerkennenden freien Willensentscheidung, fehlt es an einer relevanten Gefahrenlage im sicherheitsrechtlichen Sinne.

4.2.2   Subsidiaritätsgrundsatz – Vorrang der Selbsthilfe

1Ein Tätigwerden der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr ist nur dann erforderlich, wenn eine betroffene Person die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften insbesondere unter dem Einsatz eigener Sach- oder Finanzmittel oder durch die Inanspruchnahme anderweitiger Hilfsangebote insbesondere der Sozialleistungsträger in zumutbarer Weise beheben kann (vgl. ständige Rechtsprechung BayVGH, Beschluss vom 7. Mai 2018, Az. 4 CE 18.965, Beschluss vom 23. Januar 2008, Az. 4 CE 07.2893, Beschluss vom 21. September 2006, Az. 4 CE 06.2465, und Beschluss vom 10. März 2005, Az. 4 CS 05.219).
2Dies ist etwa der Fall, wenn die Person die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit – gegebenenfalls sogar auch in weiterer Entfernung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. Januar 2008, Az. 4 CE 07.2893, zu einer circa 350 km entfernten Eigentumswohnung) – hat, sich in einer anderen adäquaten – das heißt den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entsprechenden – Unterkunft aufzuhalten oder sich eine solche beispielsweise aufgrund regelmäßiger Einkünfte zu beschaffen. 3Bei der Unterkunft muss es sich auch nicht notwendigerweise um eine Wohnung handeln. 4Dementsprechend liegt auch für die Dauer eines stationären Krankenhausaufenthalts oder einer Inhaftierung keine Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinn vor (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26. August 1993, Az. 21 CE 93.2605).
5Letztlich entfällt der Anspruch auf eine sicherheitsrechtliche Unterbringung zur Beseitigung unfreiwillig eingetretener oder fortdauernder Obdachlosigkeit, wenn von einer tatsächlich bestehenden Option der Unterbringung beziehungsweise der Beschaffung einer Unterkunft ohne sachlich nachvollziehbaren Grund kein Gebrauch gemacht wurde (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Mai 2018, Az. 4 CE 18.965, und Beschluss vom 27. Oktober 2017, Az. 4 CE 17.1661).

4.3   Art der Unterbringung

1Den Gemeinden stehen je nach Verfügbarkeit und eigenem Ermessen verschiedene Möglichkeiten offen: Unterbringung in eigenen oder angemieteten Immobilien beziehungsweise Räumlichkeiten oder, falls dies nicht möglich ist, unter bestimmten (sehr engen) Voraussetzungen die Beschlagnahme von Unterkünften beziehungsweise Wohnraum Dritter. 2Unter den mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen (Art. 8 Abs. 1 LStVG).
3Die obdachlose Person hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte oder gewünschte Unterkunft.

4.3.1   Gemeindeeigene oder angemietete Unterkünfte

1In erster Linie sollen Obdachlose in gemeindeeigenen oder der Gemeinde zur Verfügung stehenden Unterkünften (angemietete Wohnungen, Pensionen oder Gasthöfe) untergebracht werden. 2Die Unterbringung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde ist nur mit deren Zustimmung zulässig. 3Die Gemeinden können sich zur Erfüllung der Aufgabe Obdachlosenunterbringung der Möglichkeiten der kommunalen Zusammenarbeit bedienen (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit – KommZG). 4Durch eine Zweckvereinbarung kann geregelt werden, dass eine öffentliche Einrichtung der Obdachlosenunterbringung einer Gemeinde auch für Obdachlose, die in die Zuständigkeit einer anderen Gemeinde fallen, genutzt werden kann oder die Einrichtung von mehreren Gemeinden gemeinsam betrieben wird (Mitbenutzungsvereinbarung gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KommZG oder Gemeinschaftsvereinbarung gemäß Art. 7 Abs. 3 KommZG).
5Die Räume werden den Obdachlosen grundsätzlich durch öffentlich-rechtliches Handeln in Form eines sie begünstigenden Verwaltungsakts (ohne Begründung eines privatrechtlichen Mietverhältnisses samt mietvertraglicher Vorschriften) zugewiesen, könnten aber auch ausdrücklich durch privatrechtliche Vereinbarung (Mietvertrag) überlassen werden. 6Dabei sind die zugewiesenen Räume genau zu bezeichnen.
7Bei gemeindlichen Obdachlosenunterkünften handelt es sich um öffentliche Einrichtungen der Gemeinde. 8Gemäß Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung (GO) kann die Gemeinde die Nutzung der Unterkünfte durch Satzung regeln und in diesem Fall gemäß Art. 2 und 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) eine Gebührensatzung hierfür erlassen. 9Das Benutzungsverhältnis kann aber auch privatrechtlich ausgestaltet sein. 10Für eine Gemeinde ist es jedoch regelmäßig einfacher und kostengünstiger, Ansprüche auf Benutzungsgebühren durchzusetzen als vertraglich vereinbarte Nutzungsentgelte. 11Im Übrigen kann die Gemeinde bestimmte Einzelregelungen (zum Bespiel zur Untersagung der Haustierhaltung) bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG treffen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Juni 2005, Az. 4 C 05.1345).

4.3.2   Anforderungen an die Unterkunft

1Die von der Sicherheitsbehörde zu leistende Unterbringung dient nicht der wohnungsmäßigen Versorgung, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. 2Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es ausreichend, dass die Unterkunft vorübergehenden Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. 3Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten wird (vgl. zum Ganzen BayVGH, Beschluss vom 19. Februar 2010, Az. 4 C 09.3073).
4In vorübergehenden Unterkünften (Notunterkünften, Sammelunterkünften) darf eine obdachlose Person daher nur untergebracht werden, wenn diese den Mindestanforderungen einer menschenwürdigen Unterbringung entsprechen.
5Die Notunterkunft gewährleistet ein vorübergehendes Unterkommen einfacher Art; sie bietet Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse; die an eine Normalwohnung zu stellenden Anforderungen bezüglich Lage, Größe, Einrichtung und sonstiger Verhältnisse brauchen nicht erfüllt zu sein. 6Es besteht weder ein Anspruch auf Räume bestimmter Art, Lage oder Größe oder für eine bestimmte Zeitdauer noch ein Anspruch auf Raum für berufliche Arbeit, sonstige Beschäftigung oder zur Unterbringung von Haustieren; nach Möglichkeit soll alles zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der beziehungsweise des Obdachlosen getan werden.
7Im Allgemeinen sind jedenfalls eine Wasserversorgung, eine Stromversorgung, eine Heizung (zumindest im Winter), Sanitäreinrichtungen wie eine Toilette und eine Waschmöglichkeit (auch in Gemeinschaftsnutzung) und eine Schlafgelegenheit notwendig. 8Dabei besteht grundsätzlich weder ein Anspruch auf ein eigenes Bad oder eine Dusche noch auf eine Unterbringung in einem Einzelzimmer, soweit nicht im Einzelfall besondere persönliche Umstände einen entsprechenden Zusatzbedarf für eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung zwingend erfordern (vgl. BayVGH, Beschluss vom 20. Juli 2021, Az. 4 CE 21.1374, Beschluss vom 12. April 2021, Az. 4 CE 21.897, Beschluss vom 18. Februar 2019, Az. 4 CE 19.238, und Beschluss vom 30. Oktober 2006, Az. 4 CE 06.2597). 9Auch ist neben einer notdürftigen Möblierung die Bereitstellung von funktional höherwertigen Einrichtungsgegenständen grundsätzlich nicht erforderlich. 10Leistungen für derartigen Hausrat können gegebenenfalls durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfe erlangt werden, sofern ein entsprechender Anspruch beispielsweise auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 und 27a SGB XII besteht.
11Erhöhte Anforderungen aufgrund besonderer persönlicher Umstände können im Einzelfall beispielsweise in einem krankheitsbedingten sanitären Zusatzbedarf (vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Februar 2019, Az. 4 CE 19.238, zum Erfordernis einer eigenen Nasszelle im besonderen Einzelfall), einer Erreichbarkeit beziehungsweise Benutzbarkeit von Toiletten auch für Menschen mit Behinderungen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2018, Az. 9 E 129/18) oder unter Berücksichtigung des durch Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich garantierten Schutzes von Ehe und Familie regelmäßig einer gemeinsamen Unterbringung von Eheleuten und Familien mit minderjährigen Kindern (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Mai 2018, Az. 4 CE 18.965) zu sehen sein. 12Die Bewältigung von speziellen Unterbringungs- und Sorgeerfordernissen, die über eine auch im konkreten Einzelfall den Mindestanforderungen einer menschenwürdigen, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtenden Unterbringung genügenden Unterkunft hinausgehen, ist aber keine Angelegenheit der Obdachlosenunterbringung nach allgemeinem Sicherheitsrecht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2018, Az. 9 E 129/18).
13Im Übrigen steht es den Gemeinden bei der Ausgestaltung ihrer Notunterkünfte unter Beachtung der allgemeinen Haushaltsgrundsätze (insbesondere auch ihrer Leistungsfähigkeit) frei, auch höhere, sozial wünschenswerte Unterkunftsstandards freiwillig umzusetzen. 14Eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nach dem allgemeinen Sicherheitsrecht nicht.
15Es dürfen keine Gesundheitsgefahren entstehen. 16Die Gesundheitsämter wirken als fachkundige Stellen mit bei der Erfüllung der sonstigen Aufgaben der Kreisverwaltungsbehörden, insbesondere bei gesundheitsrelevanten Fragen im Rahmen der Hilfe für Personen in besonderen Lebenslagen (Art. 7 Abs. 3 Nr. 2 des Gesundheitsdienstgesetzes – GDG). 17Außerdem beraten sie über Gesunderhaltung und Krankheitsverhütung (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GDG). 18Einrichtungen wie Obdachlosenunterkünfte (zur gemeinschaftlichen Unterbringung), müssen gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen und unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter. 19Auch in hygienischer Hinsicht erfolgt eine Überwachung (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GDG).
20Treten in einer solchen Einrichtung übertragbare Krankheiten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 IfSG auf, sind (neben dem feststellenden ärztlichen Personal) auch die Leitungen von Obdachlosenunterkünften (zur gemeinschaftlichen Unterbringung) verpflichtet, das örtlich zuständige Gesundheitsamt unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nach Kenntniserlangung, zu benachrichtigen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7, § 9 Abs. 3 Satz 1 IfSG). 21Die Meldepflicht besteht nicht, wenn den verantwortlichen Personen ein Nachweis vorliegt, dass die Meldung bereits erfolgt ist und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden (§ 8 Abs. 3 Satz 1 IfSG). 22Eine Meldepflicht besteht ferner nicht für Erkrankungen, bei denen der Verdacht bereits gemeldet worden ist und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 IfSG). 23Es wird empfohlen, Schutzmaterialien und Pandemiepläne in den Einrichtungen vorzuhalten.
24Die obdachlose Person muss vor oder unverzüglich nach ihrer Aufnahme in eine Obdachlosenunterkunft (zur gemeinschaftlichen Unterbringung) im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 3 IfSG der Leitung der Einrichtung ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegen, dass bei ihr keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose vorhanden sind. 25Bei der erstmaligen Aufnahme darf die Erhebung der Befunde, die dem ärztlichen Zeugnis zugrunde liegt, nicht länger als sechs Monate zurückliegen; bei einer erneuten Aufnahme darf sie nicht länger als zwölf Monate zurückliegen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 und 2 IfSG). 26Diese Verpflichtung gilt nicht für obdachlose Personen, die weniger als drei Tage in eine Obdachlosenunterkunft aufgenommen werden (§ 36 Abs. 4 Satz 6 IfSG).

4.3.3   Beschlagnahme privater Unterkünfte

1Sind die Möglichkeiten zur Unterbringung in gemeindeeigenen oder der Gemeinde etwa durch Anmietung zur Verfügung stehenden Unterkünften erschöpft, ist mithin die Abhilfe durch die Gemeinde auf andere Weise nicht möglich, kann als letztes Mittel („ultima ratio“) in Fällen schwerster Notlagen auch die Beschlagnahme von Räumen Dritter aufgrund von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Art. 9 Abs. 3 LStVG erfolgen. 2Unter Einhaltung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) und der Zumutbarkeit kommt eine Beschlagnahme von Räumen in der Regel nur in Betracht, soweit die bisherige Nutzung durch die Eigentümerin beziehungsweise den Eigentümer nicht entgegensteht. 3Da hierbei das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG, Art. 106 Abs. 3 der Verfassung) nicht eingeschränkt werden darf (Art. 7 Abs. 4 LStVG), kommt allein die Beschlagnahme von leerstehenden – eventuell auch von der unterzubringenden Person bislang selbst gemieteten – Räumen infrage.
4Die Anordnung der Beschlagnahme ist ein Verwaltungsakt; sie ist zu begründen, hat die beschlagnahmten Räume genau zu bezeichnen, den erforderlichen Zeitraum zu beschreiben und ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen der oder dem in Anspruch Genommenen zuzustellen. 5In der Begründung ist insbesondere darzulegen, dass andere Unterbringungsmöglichkeiten nicht bestehen; ein nur pauschaler Hinweis genügt nicht. 6Auch die Interessen der in Anspruch genommenen Eigentümer sind zu würdigen; die Beschlagnahme darf für diese nicht unzumutbar sein. 7Es empfiehlt sich in aller Regel, die sofortige Vollziehung der Beschlagnahme nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen. 8Auf § 80 Abs. 3 VwGO wird hingewiesen.
9Die Beschlagnahme soll, wo es in sinnvoller Weise möglich ist, auf Teile einer Wohnung beschränkt werden; das gilt immer, wenn einzelne Räume der Wohnung für sich vermietet werden können. 10Die Beschlagnahme ist auch in zeitlicher Hinsicht auf das unabweisbar Notwendige zu befristen, mithin einen eng begrenzten Zeitraum von etwa bis zu zwei Monaten.
11Die zuständigen Stellen, insbesondere die Gemeinden, haben sich vom Tag der Beschlagnahme an mit Nachdruck um eine anderweitige Unterbringung zu bemühen. 12Wird eine anderweitige Unterbringung möglich, ist die Beschlagnahme aufzuheben. 13Die untergebrachte Person ist aufzufordern, sich auch selbst um eine neue Unterkunft zu bemühen und hierüber Nachweise vorzulegen.
14Mit der Beschlagnahme hat die Behörde der oder dem in Anspruch Genommenen gegenüber zu erklären, dass sie die Kosten der Beschlagnahme tragen wird. 15Durch die Beschlagnahme entsteht ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und der oder dem in Anspruch Genommenen. 16Der oder dem in Anspruch Genommenen ist eine Entschädigung, in der Regel in Höhe der bisher entrichteten Miete, ansonsten der angemessenen Miete, bei öffentlich geförderten Wohnungen höchstens in Höhe der preisrechtlich zulässigen (Kosten- oder Vergleichs-)Miete zu zahlen (vgl. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 LStVG in Verbindung mit Art. 87 des Polizeiaufgabengesetzes). 17Darüber hinaus kann die Gemeinde bei schuldhaft rechtswidrigem Verhalten aus einem Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG haften.
18Die Behörde hat bei der Einweisung einer oder eines Obdachlosen in private Unterkünfte den Zustand der Wohnung festzuhalten. 19Auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. November 1995 – III ZR 226/94, abgedruckt in MDR 1996, S. 262, wird hingewiesen.
20Die Beschlagnahme einer Wohnung ist aufzuheben, wenn die beziehungsweise der in Anspruch Genommene und die eingewiesene Partei einen Mietvertrag schließen.
21Bei Ablauf der in der Beschlagnahmeverfügung genannten Frist oder bei Aufhebung der Beschlagnahmeverfügung hat die Behörde die beanspruchte Wohnung zu räumen. 22Erfolgt die Räumung nicht freiwillig, ist sie gegenüber der beziehungsweise dem Obdachlosen, der beziehungsweise dem die Wohnung zugewiesen wurde, im Rahmen der Folgenbeseitigung (entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) durch Bescheid anzuordnen, der regelmäßig wegen des überwiegenden Interesses der beziehungsweise des in Anspruch Genommenen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar zu erklären ist und nötigenfalls nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes zu vollstrecken ist.

4.4   Kostentragung für die Unterbringung

1Die Aufgabe der Gemeinde als Sicherheitsbehörde erschöpft sich in der tatsächlichen Unterbringung der Obdachlosen. 2Die Gemeinde als Sicherheitsbehörde braucht insoweit die Kosten für Unterkunft und Verpflegung nicht endgültig zu tragen.
3Für die Benutzung gemeindlicher Obdachlosenunterkünfte kann die Gemeinde von den Obdachlosen bei Regelung des Benutzungsverhältnisses durch Satzung (Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 GO) eine Gebühr nach einer Gebührensatzung (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG) oder bei privatrechtlicher Ausgestaltung ein Entgelt entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung fordern. 4Die Benutzer und Benutzerinnen kommunaler Obdachlosenunterkünfte können jedoch, wenn ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis vorliegt, wegen der in der zugewiesenen Wohnung anfallenden verbrauchsabhängigen Kosten (zum Beispiel für Heizung und Warmwasser) nicht wie bei einer mietvertraglichen Nebenkostenabrechnung unmittelbar zur Erstattung herangezogen werden. 5Zur Erhebung verbrauchsabhängiger Benutzungsgebühren muss auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation ein Abgabesatz normativ festgelegt werden (vgl. BayVGH, Urteil vom 17. August 2011, Az. 4 BV 11.785).
6Werden private Unterkünfte beschlagnahmt, kann die Gemeinde von der obdachlosen Person ebenfalls Erstattung der Aufwendungen verlangen. 7Liegt keine vertragliche Regelung mit der obdachlosen Person vor, kann die Sicherheitsbehörde Kostenerstattung nach dem Verwaltungskostenrecht fordern. 8Die bestandskräftige Einweisungsverfügung stellt eine Amtshandlung der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 des Kostengesetzes – KG) dar, für welche die obdachlose Person Kostenschuldner nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist. 9Die den Wohnungseigentümerinnen beziehungsweise Wohnungseigentümern geschuldete Nutzungsentschädigung kann die Gemeinde daher als Auslage nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG ersetzt verlangen, wenn diese für eine Unterkunft der zur Verfügung gestellten Art ortsüblich und angemessen ist. 10Voraussetzung ist der fristgerechte Erlass eines entsprechend begründeten Kostenbescheids auf der Rechtsgrundlage einer gemeindlichen Kostensatzung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. November 2016, Az. 4 ZB 15.2809).
11Ein Gebührenanspruch als Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend §§ 677 ff. BGB oder als ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch analog §§ 812 ff. BGB besteht nicht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. November 2016, Az. 4 ZB 15.2809 und Beschluss vom 17. August 2011, Az. 4 BV 11.785).
12Ist die untergebrachte Person hilfeberechtigt nach dem SGB II beziehungsweise SGB XII, können die Kosten der (sicherheitsrechtlichen) Unterbringung als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden. 13Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Direktzahlung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehungsweise Sozialhilfeträgers an die Vermieterin beziehungsweise den Vermieter (in diesem Fall die Gemeinde) erfolgen (§ 22 Abs. 7 SGB II, § 35a Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB XII). 14In engen Grenzen kann im Einzelfall gegebenenfalls auch ein Anspruch gemäß § 25 SGB XII in Betracht kommen, wobei eine Erstattung von Aufwendungen nur dann möglich ist, wenn keine eigene Rechtspflicht zur Kostentragung besteht.